Hallo Zusammen,
vor einigen Monaten machte mich meine Therapeutin auf mein stark vorhandenes schwarz/weiss-Denken in Bezug auf Alkohol aufmerksam.
Damals bin ich ich vor Schreck zusammengezuckt. Schwarz/weiss-Denken ist doch negativ. Steht für intollerantes Denken und intollerant will ich doch überhaupt nicht sein.
Meine Therapeutin freute sich jedoch darüber und beglückwünschte mich und meinte, dass alle trockenen Alkoholiker dieses schwarz/weiss-Denken haben. Das habe ich lange nicht verstanden.
Aber dieses Forum hier ist schon sehr viel Wert. Ich verstehe es jetzt immer besser, wenn ich die Beiträge hier lese.
Wenn hier in diesem Forum sich verzweifelte Hilfesuchende an uns wenden, weil sie langsam erkennen, dass sie alkoholabhängig sind bzw. in ihrer Wahrnehmung ein mehr oder weniger kleines Alkoholproblem haben, kommen die sogenannten "alten Hasen" und sofort heisst es, hör auf zu trinken sonst hast Du keine Chance. Keine Diskussion wird zugelassen, ob kontrolliertes Trinken möglich sei oder ob noch irgendeine andere Alternative möglich ist.
Entweder/Oder. Alles andere ist nicht zu akzeptieren. Auf dem ersten Blick intollerant und arrogant. Für viele am Anfang ihres Weges noch gar nicht nachvollziehbar.
Aber ich habe schnell begriffen, es geht nicht anders. Dieses Denken ist einfach überlebenswichtig! Karsten hat hier heute an anderer Stelle sinngemäß geschrieben, es geht nicht um die Bekämpfung einer schlechten Angewohnheit, sondern wir haben uns auseinanderzusetzen mit einer lebensbedrohlichen Krankheit und diese zu stoppen.
Dies war mir vor ca. einem Jahr auch noch nicht klar, als ich mit meinem damals so "geliebten/gehaßten" Weiss- oder Rotwein da saß und über mein Leben philosophierte. Lebensgefährliche Krankheit? Wieso das denn? Ist doch noch alles gut. Hab einen guten Job, Familie, die Leberwerte in Ordnung, also weit entfernt vom körperlichen Verfall und sozialen Abstieg. Es war wohl nichts weiter als ein kleines Alkoholproblem. Das ich das einfach nicht mehr in den Griff bekam, habe ich lieber mal aus meinem Denken ausgeklammert. Das ich psychisch tatsächlich schon fast Tod war, ohne echte Gefühle in mir, ohne jegliches Gefühl für mích selbst, konnte ich noch nicht begreifen. Das gelang mir erst als ich trocken wurde.
Ich denke mir heute, solange ein Betroffener sich nicht eingestehen kann, alkoholabhänig zu sein und die Bedeutung dessen begreift, nämlich dass er an einer sehr heimtückischen und lebensgefährlichen Krankheit erkrankt ist, wird er dieses schwarz/weiss-Denken nicht verstehen und akzeptieren können. Was wir "alten Hasen" dann schon wissen, nämlich dass diesem Betroffenen noch ein langer sehr unangenehmer Leidensweg bevorsteht macht schon nachdenklich. Deshalb manchmal auch die scheinbar sehr harten Worte. Mit diesen bin ich auch konfrontiert worden, ganz am Anfang meines Weges. Empört habe ich sie erst zurückgewiesen, mich wahnsinnig aufgeregt, was diesen Menschen einfällt mit mir in diesem Ton zu reden.
Heute bin ich so unendlich dankbar dafür! Die haben mich gerettet, da sie bewirkt haben mal in andere neue für mich ganz ungewohnte Richtungen zu denken. Ich hatte den Mut und die Kraft, eine Therapie zu machen und ganz viel über diese Krankheit zu lernen. Wie sie entsteht, wie sie verläuft, ihre Symptome, welche physischen und vor allem psychische Schäden sie anrichtet. Ich konnte meine Erkrankung dann endlich akzeptieren, weil ich sie tatsächlich noch täglich fühlen kann. Sie taucht immer noch auf, in meinem Denken und Fühlen.
Ich wende sehr viel Kraft auf und arbeite täglich mitunter sehr hart an mir, weil ich Leben will und nicht langsam sterben. Jetzt gibt es hier Leser, die das für eine grosse Übertreibung halten. Sterben, wegen ein paar Gläsern Wein oder Bier? Kontrolliert, nur zu gewissen Anlässen. Was hat das denn mit Sterben zu tun?
Doch, genau darum geht es. Um Leben oder Sterben! Entweder/Oder ganz schwarz/weiss gedacht. Ich bin sehr froh über mein mir hart erarbeitetes schwarz/weiss-Denken. Es rettet mich davor, wieder trinken zu müssen und es ermöglicht mir endlich, ein schönes und zufriedenes Leben, ohne dafür Alkohol zu brauchen.
Ich bin sehr froh, dass es dieses Forum gibt. Hier habe ich Menschen an meiner Seite, die auch so denken wie ich und genau wissen, wie wichtig es ist, schwarz-weiss zu denken.
Was mich angeht, werde ich auch darauf achten, dass es hier nicht dazu kommt, dass Diskussionen geführt werden, ob kontrolliertes Trinken möglich ist und sich möglicherweise noch untereinander Tipps für die Umsetzung gegeben werden. Ganz intollerant und arrogant mit ganz harten Worten, wenn erforderlich.
Das ist Hilfe zur Selbsthilfe, wie ich sie verstehe und selbst erlebt habe.
Allen schöne 24 h ohne Alkohol wünscht
Teufelchen