• Hallo,

    durch meine Therapie habe ich für mich herausgefunden, dass ich mir selber keine Sicherheit geben kann (in vielen Bereichen) und ich dann immer andere Menschen brauche, die mir Sicherheit geben. Ich frage viel, hole mir dann die Selbstsicherheit. Manchmal merke ich das schon gar nicht mehr...jetzt, nach der Therapie fällt mir das Verhalten auf und ich möchte mir selber die Sicherheit geben, die ich brauche. Leider ist das nicht so einfach ...wer kennt diese Problematik und wie geht Ihr damit um?

    LG

  • Hallo Just!

    Wenn dir dein Verhalten jetzt auffällt, kommt natürlich die Gegenfrage: Wie gehst du damit um, dass du dir keine Sicherheit geben kannst und wie schaut dein Plan aus, da raus zu kommen?

    Liebe Grüße

  • Hallo Just,

    das Verhalten, was Du beschreibst, ist wohl weiter verbreitet, als den meisten Menschen bewusst ist. Dir ist es bewusst und es war sicher kein leichter Weg bis hin zu dieser Erkenntnis.

    Dieser Mangel betrifft ja tatsächlich verschiedene Bereiche des Lebens und so habe ich sie für mich separat beleuchtet:
    Da ist z.B. die Sache mit der Erweiterung des Komfortkreises, die mir ein äußerst praktisch veranlagter junger Mann erläutert hat :) .
    Er sagte: „Mum, wenn Du auf Deinem Sofa sitzt und Chips futterst, fühlst Du Dich sicher.
    Wenn es dann an der Tür klingelt, steigt Dein Adrenalinspiegel. Wenn der Freund, der vor der Tür steht, Dich zu einem Spaziergang abholen möchte in Deiner gewohnten Umgebung, fühlst Du Dich bald wieder sicher. Wenn dieser Freund Dich aber einladen würde zu einem Fallschirmsprung, würde Dein Adrenalinspiegel steigen und Du würdest Dich nur langsam wieder sicher fühlen können. Wenn Dir dieser Freund jedoch die Karten für den Sprung, der bereits für denselben Tag geplant ist, unter die Nase halten würde, wärst Du am Rotieren und Dein Adrenalinspiegel würde sich vorerst überhaupt nicht senken.“

    Es geht darum, Grenzen zu erweitern (nicht um Grenzüberschreitung) und sich dadurch mehr Freiraum zu verschaffen. Ein bisschen mehr, ein bisschen weiter, z.B. auf einem Spaziergang auf einer gewohnten Route oder indem man einen Ort aufsucht, der uns noch nicht vertraut ist, auf einen neuen Menschen zugeht etc… Jeder in seinem Tempo, denn es soll ja keine Belastung sein. Ich würde im Normalfall also davon abraten, mit dem Fallschirmsprung zu beginnen :wink: .

    Wichtig ist es für mich auch, z.B. im Job nicht stets einfach zu fragen, weil es bequemer ist oder man sicher sein möchte, keine Fehler zu begehen.
    Ich stelle mir dann vor, ich wäre (wie so oft in der Vergangenheit) allein im Büro und müsste auch allein eine Lösung finden. Bevor ich mich auf die Aufgabe stürze, kann ich die Kollegen dann immer noch um eine Meinung zu meiner Überlegung bitten. So erreiche ich, dass ich Zusammenhänge und Prozedere besser und schneller erkenne und nerve Kollegen nicht unnötig, die dann erkennen, dass ich mich selbst bemüht habe, anstatt mir alles servieren zu lassen. Fehler gehören natürlich dazu, aber es gibt nur eines, das schlimmer ist, als eine falsche Entscheidung zu treffen: Keine Entscheidung zu treffen.

    Auffallend ist, dass es immer weniger Menschen gibt, die ihre eigenen Ansichten vertreten können. Sehr oft wird eine Bestätigung von Anderen gesucht. Es ist, als ob sich kaum noch jemand auf seine eigenen Gefühle und/oder Erfahrungen verlässt und auf seinen eigenen Bauch hört, was doch durchaus legitim wäre. Natürlich kommt es vor, dass andere Menschen uns ablehnen, weil wir andere Ansichten oder eine andere Einstellung haben, aber es wäre doch ein Ding der Unmöglichkeit, es allen Menschen gleichzeitig recht machen zu wollen. Authentischer (wenn wir uns „rund“ fühlen und einig mit uns selbst) ist es für mich, wenn ich mir nur für mich selbst in Ruhe überlege, wie ich zu verschiedenen Dingen stehe, ohne ständig mein Fähnlein in den Wind zu hängen, aber auch ohne stur auf meiner Meinung zu beharren, wenn ich mit neuen Sichtweisen konfrontiert werde. Da bin ich offen für Neues und sehe es gelassen, denn eine Meinung ist immer nur eine Meinung und über alles kann man reden oder diskutieren.

    Langer Rede, kurzer Sinn: Durchatmen, einen Schritt zurück treten und sich das Ganze in Ruhe bekucken, hat mir schon oft dabei geholfen, ohne Ängste einen neuen Weg zu gehen oder eine Aufgabe zu lösen.
    Diesen Tipp gab mir damals mein Vater - auch ein sehr praktischer Mann, wenn ich als kleines Mädchen in der Schule wieder mit der Nase an der Tafel klebte, nachdem ich aufgerufen wurde, und auf diese kurze Distanz nur einen Bruchteil der Aufgabe überblicken konnte. Mir hat es geholfen und meinen Kindern offensichtlich auch.

    Ich frage mich gerade wieder einmal, wie ich bei so vielen Tipps von praktischen Männern in meinem Leben immer noch zeitweise so verplant unterwegs sein kann, aber vielleicht muss ich einfach noch mehr an der Umsetzung feilen ;-).

    Viele Grüße
    Katha

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