Ich möchte mich heute über Mitleid austauschen, weil es so viele von uns in ungesunden Mustern festhält. Ich bin in dieser Hinsicht schon ganz gut weiter gekommen, aber an einem Punkt geht es nicht so richtig weiter. Ich möchte das "berechtigtes Mitleid" nennen.
Mein Bruder hat für unsere in jeder Hinsicht chaotische Kindheit einen hohen Preis gezahlt. Da ich selbst Kind in dieser Familie bin/war, ist mir sehr bewusst woran er nach und nach zerbrochen ist. Ich sehe auch, wie er Familiär nach wie vor verkannt und verleugnet wird. Da er im Zuge der ganzen Misere sowohl selbst Suchtstrukturen entwickelt sowie psychisch schwer krank geworden ist, befinde ich mich in der Lage, dass ich seine Geschichte eigentlich besser vertreten kann als er selbst, da er so eingeschränkt ist.
Die klare Kante, der Bruch mit Angehörigen die uns nicht gut tun, ist immer schwer. Noch viel schwerer ist es, wenn es sich um jemanden handelt der kaum Gelegenheit hatte, er selbst zu werden, der von klein auf fertig gemacht worden ist und der seine schlechten Entscheidungen darum getroffen hat, weil er keine anderen Handlungsmöglichkeiten kennen lernen durfte. In seinem Rahmen hat er dann sogar noch einige Fortschritte gemacht, die sicher schwer erkämpft sind. Viele in seiner Lage hätten sich umgebracht, bzw. tun es laut Statistik auch.
Nichts desto trotz ist mein Bruder natürlich ein Chaot, der einem viel abverlangt. Zuviel. Diese Abgrenzung fällt mir aber von allen am schwersten, weil ich unter dem Strich sagen muss: der hatte wirklich kaum eine Chance. Wo andere mich eher in ihrem Sinne zum Mitgefühl manipuliert haben, hat das Mitleid bei ihm seine Berechtigung, da ihm wesentliche "innere Mittel" zur Weiterentwicklung fehlen. Er ist tatsächlich eine "arme Sau".
Wie habt Ihr Abgrenzung erlangt, von Menschen die tatsächlich Hilfe benötigen und sie moralisch gesehen auch verdienen? Was muss man in diesem Prozess aushalten, welche Phasen hattet Ihr? Ich kann mir vorstellen dass es zu einer Art Trauer kommt.