Ehrlichkeit

  • Hallo Annika,

    von einem Mitglied weiß ich es wohl, da es im Chat angekündigt wurde.
    Alle waren geschockt und redeten mit Engelszungen. Leider erfolglos.

    Ich empfinde den Chat als besonders wertvoll da hier unter Umständen "Soforthilfe" geleistet werden kann. Wird diese nicht angenommen weil der Druck bereits zu groß geworden ist, hilft auch der schönste Chat nicht.

    Ich glaube, es ist wichtig sich ein soziales Netzwerk aufzubauen, das auch aus direkten Ansprechpartnern besteht.
    Am Telefon fällt es mir z.B. leichter in kurzer Zeit meine Gefühle, Gedanken und Ängste mitzuteilen, als im Chat.

    Vielleicht haben ja einige hier im Forum Lust, sich zu einer solchen Gruppe zusammenzuschließen. Immerhin gehen wir alle den gleichen Weg.

    Obwohl ich erst wenige Tage im Forum verkehre ist mir aufgefallen, dass zwar viel geschrieben und geantwortet wird, es werden Daumen gehalten und es wird gelobt. Aber die wenigsten hier kennen ihre Gegenüber. Das ist sicher keine Bedingung. Aber einige sehnen sich vielleicht auch nach der Möglichkeit sich einmal außerhalb des Forums auszutauschen. Dass man hierbei sehr vorsichtig sein muss, versteht sich von selbst. Ich denke, es ist die gleiche Vorsicht geboten wie in einer Partnerbörse. Aber auch in einer Partnerbörse finden jeden Tag viele Gleichgesinnte zueinander.
    Kann sein dass ich da völlig falsch liege. Ich weiß es nicht.

    Michael

  • Ich schätze ihr beiden habt Recht.
    Schnell würde vielleicht der falsche Rat erteilt und die Zusammenhänge im Forum würden undurchschaubar.
    Dass ein Rückfall sich ankündigt, kann ich nur bestätigen.
    Bei mir begann es mit dem Gefühl der Einsamkeit. War zwar trocken aber sonst hatte ich nichts geändert. Dachte alles wird sich von alleine Regeln. Das ist nicht so.
    Ich ging gezielt eine Woche zum Kiosk und kaufte Zigaretten. Eines Tages war eine Türe voll Bier dabei. Ich behauptete es wäre für meinen abendlichen Besuch.
    Eine Woche später trank ich das Bier am Kiosk und die letzte Grenze war gefallen.

    Wie gerne hätte ich mich jemandem mitgeteilt und auf Zuspruch gehofft.

    Auf die Idee im www nach einem Forum zu suchen, kam ich damals nicht.
    Ich weiß nicht was Morgen bringt. Der Teufel sitzt auf meiner Schulter und wartet im Moment. Ich weiß nicht ob ich Schwach werde und wieder anfange. Ich will es nicht.

    Im Moment bin ich voller Freude auf den nächsten Tag und dankbar für die Nüchternheit. Das kann Morgen anders sein. Ich weiß aber, dass es hier Menschen gibt, die sich für mich und meine Nüchternheit interessieren. Das ist ein Gefühl der Geborgenheit (Hört sich übertrieben an, empfinde ich aber so)

    Jeder der es hier her geschafft hat, sollte diese Chance nutzen.


    Ich werde sie künftig nutzen…

    Lieber Gruß
    Michael

  • Hallo Annika,


    was ist Unehrlichkeit ? Das Gegenteil von Ehrlichkeit ?
    Die bewusste Lüge? Oder das bewusste Verschweigen von etwas ?
    Was ist mit unbewussten Relitätsverkennungen ?
    Was wenn man es nicht merkt, weil man noch nicht hinreichend gelernt hat für sich die Frühwarnzeichen zuerkennen ? Wenn man noch nicht gelernt hat, sich rechtzeitig Hilfe zu holen, Hilfe anzunehmen ?

    Ich fürchte, dann muss man eben noch mal fallen und nochmal aufstehen. Den Staub von der Hose schlagen und weiternmachen. Das ist wohl der Gang des Drogenabhängigen. Zu fallen um zu lernen.

    Ich bin vor ein paar Jahren während einer sehr intensiven Zeit in einem Nichtraucherforum mit dem Rauchen rückfällig geworden. Bis dahin waren meine Beiträge dort bei Anfängern geschätzt und das Entsetzen war groß, als mir das passierte.

    Ich war bei der Arbeit, wo ich gegen 16:00 Uhr wie aus heiterm Himmel bei einer Kundin eine Zigarette schnorrte. anschließend fuhr ich wie selbstverständlich zum nächsten Kiosk, holte mir Stoff und fuhr nach Hause. Dort schaltete ich den PC an, stellte einen Aschenbecher daneben, rauchte und schrieb ins Forum, dass ich das tat. Ich hatte nicht viel überlegt, ich wusste ich musste das tun. Weil ich ehrlich sein wollte. Ich habe nichts von steigendem Druck gespürt vorher. Es traf mich wie Knüppel aus dem Sack.
    Ich rauchte zwischen 16:00 Uhr und 2:00 Uhr der folgenden nacht 40 Zigaretten, also Kette - und seitdem nie wieder in meinem Leben eine.

    Erst an diesem Tag begriff ich, dass ich in meiner Nichtraucherphilosophie immer noch Fehler hatte. Ich war mir zu sicher und sorglos. Erst seit dem weiß ich, dass es immer und jederzeit kommen kann.
    Im Nachhinein sage ich, ich hatte diesen Rückfall haben müssen, weil er mir erst das Kernstück für eine erfolgreiche Abstinenz lieferte.
    Ich wusste nun ich muss lebenlang auf der Hut bleiben und ich wusste, dass es richtig ist, es nicht allein zu versuchen, sondern sich in der Gruppe ehrlich zu äußern und dadurch auch Hilfe zu bekommen und anzunehmen lernen.

    Ich hatte aber auch im Nachhinein nicht den Eindruck von mir, vorher unehrlich gewesen zu sein. Ich habe immer geschrieben, was ich selbst wusste über mich. Mehr geht nicht. Was ich noch nicht weiß, kann ich nicht sagen.
    Ich denke Rückfälle wollen uns etwas sagen und wenn man dir richtige Einstellung hat wird man die rechten Schlüsse daraus ziehen und über sich hinterher ein wesentliches Stück mehr wissen.

    Damals gab es ein großes Hallo in dem Forum, weil ich sowas wie ein Vorbild war. Ich erfuhr Zuspruch, Sprachlosigkeit und Arschtritte. Genau alles was ich braucht, um mich in meinem Rückfall aus verschiedenen Blickwinkeln reflektieren zu können.
    Und ich blieb am Ball und es war nicht leicht. Ich meine nicht das Cleanbleiben, sondern wieder Vertrauen zu mir selbst zu erwerben und im Forum. Seitdem backe ich kleinere Brötchen. Ich hätte das anders nie begriffen.

    Gruß Micha

    Das Schönste kommt noch

  • Da kann ich nur uneingeschränkt zustimmen:

    Zitat

    Ich bin davon überzeugt, dass sich ein Rückfall ankündigt. Er entsteht nicht durch plötzlichen Saufdruck, sondern er baut sich nach und nach im Kopf auf.

    Wenn ich nach einem Rückfall hinterher mit mir ins Gericht gegangen bin, konnte ich genau das erkennen.
    Micha hat geschrieben das hat Ihn wie ein Knüppel getroffen, plötzlich war es da. Zum Glück war es nur Nikotin!!! Bei mir kann das nur in einem absoluten Schockzustand passieren, evtl.nach einem schweren Unfall o.ä., das kann auch ein emotionaler Schock sein. Aber: Da es völlig unvorbereitet eintritt muss ich mir den ' Stoff' erstmal besorgen. Bis dahin ist der Zustand bereits kontrollierbar und das Gehirn wieder abgekühlt. Alle Warn und Schutzmechanismen werden dann ignoriert und die Folgen des Rückfalls in Kauf genommen...wie auch immer die aussehen mögen. Ich denke es ist eine Frage der Sensibilisierung gegenüber dem Suchtstoff. Die Folgen eines Nikotinrückfalles sind sehr überschaubar....beim Alkohol überkommen mich nur bei dem Gedanken an den Rückfall und was danach auf mich zukommt ein kaltes Grausen und nackte Angst. :shock: Ich denke das wird wohl jedem mit jahrelanger Suchterfahrung so gehen, das er etwas zurückhaltend und fragend reagiert, wenn von plötzlichen , völlig unerwarteten Rückfällen gesprochen wird. Rückfall gehört dazu--leider nicht zu ändern, Gründe gibt es viele--aber die Ehrlichkeit über den Rückfall ist absolutes Muss und zwingend notwendig. Gruss an alle White

    m. , Bj. 67 :wink: , abstinent seit 2005

    Wir gehen unseren Weg, weil wir nur den Einen haben. Hätten wir mehrere zur Auswahl, wären wir total zerrissen und unglücklich. Einzig die Gestaltung unterliegt uns in gewissen natürlichen Grenzen.

  • Hallo,

    Zitat von Karsten

    Es gibt aber einen Schutz. Dieser Schutz ist nicht nur für kurzteitig ohne Alkohol lebende, sondern auch für schön länger trocken lebende Alkoholiker.

    Das ist das Reden oder hier eben schreiben. Wenn man sich in einer Gemeinschaft wohlfühlt, schreibt man über sich, seine Gedanken, seine Gefühle und eben alles, was einen in den Sinn kommt.
    Wenn man sich bekant macht, können andere hier lesende dieser Schutz sein.
    Verhaltensveränderungen werden viel schneller und deutlicher von "fremden" Menschen erkannt, als man es selbst bemerkt.
    ....

    Wenn man es dann noch zu läßt, dass auch mal gefragt wird, ob alles in Ordnung ist, ist es es der beste Schutz vor einem Rückfall.

    Ja, dieser Schutz ist sinnvoll und notwendig. Für jeden der trocken werden und bleiben will. Ich habe mir diesen Schutz aufgebaut. Anfangs eher unbewußt. Ich habe nach jedem Strohhalm gegriffen, der erreichbar war. Irgendwann sagte meine Ärztin, dass ich mir doch ein dichtes soziales Netz geschaffen hätte. Da wurde mir klar, dass es nicht nur einzelne Halme waren, sondern alles irgendwie zusammenhing.

    Und dieses Netz ist nicht nur passiv. Es ist nicht nur zum auffangen da. Ich bekomme Rückmeldungen, werde auch direkt angesprochen wenn jemandem was auffällt. Und ich gebe genauso Rückmeldungen zurück oder frage nach. Dazu muss man mich aber ich aber kennen. Und ich die anderen "im Netz". Und es gehört ein respekt- und vertrauensvoller Umgang miteinander dazu.
    Und ich denke, man muss diesen Umgang/ die Nutzung dieses Netzes auch erlernen. Der eine mehr, der andere weniger.

    [quote="Karsten"
    Jemanden in einer SHG direkt anzusprechen, dass er über sich reden soll, setzt den Jenigen unter Druck und er oder sie wird dann vielleicht gar nicht mehr kommen. [/quote]

    Ich bin da für die Einzelfallentscheidung. Gerade bei neuen Gruppenmitgliedern oder Betroffenen , die mich einzeln ansprechen ist es manchmal eine Gratwanderung zwischen klaren Worten und der Rücksichtnahme auf den Betroffenen bzw. seine aktuelle Situation (ich meine damit nicht "in Watte packen" oder unangebrachte Streicheleinheiten!). Aber auch 4-Augengespräche haben sich bewährt. Oder auch mal "Brücken" bauen (müssen ja nicht "goldene" sein). Die Hand ausstrecken. Einschlagen muss der andere selbst. Aber ihm die Möglichkeit bieten, seine (derzeitigen) Grenzen rauszuschieben, über seinen Schatten zu springen. Hilfe zur Selbsthilfe.

    @ Annika

    [quote='Annika']
    Damit meine ich durchaus auch, sich selbst etwas zu verschweigen, zu sich selbst unehrlich zu sein, nicht genug auf Signale achten, oberflächlich werden, sich nicht genug mit dem Thema auseinandersetzen.
    Keine Veränderungen im Leben, sein Umfeld nicht ändern. [/quote]

    Richtig. Aber auch Unehrlichkeit der Gruppe/dem Forum gegenüber , das Verschweigen und auch Achtlosigkeit und Leichtsinn schaden doch im Endeffekt nur dem Betroffenen selbst. Manch einer ( in meinen Augen zu viele) kann (noch?) nicht die ausgestreckte Hand annehmen, kennt sich in seiner aktuellen Situation mit sich selbst nicht mehr aus oder überschätzt sich (auch kleine Schritte machen will gelernt sein). Aus welchen Gründen auch immer. Die Gruppe wird das überstehen und der Einzelne muss seine Erfahrungen machen. So hart und grausam es manchmal ist.

    Ich habe (musste) mit den Jahren gelernt, auf solche Sachen gefasst zu sein. Nicht, das es so sein muss. Ich rechne damit, unterstelle es aber nicht. Ich unterstelle auch keine Böswilligkeit. Es ist nunmal so. Ich fühle mich da in den meisten Fällen auch nicht betrogen- obwohl es auch vorkommt, dass einem die Taschen vollgehauen werden. Aber das macht derjenige doch eigentlich mit sich selbst. Er hat den Schaden. Nun, und wenn ich wirklich mitkriege, das kein Wille da ist oder ich jemanden nicht erreichen kann, muss ich meine Konsequenzen ziehen.
    Auch um mich nicht aufzureiben.
    Auch wenn es vielleicht hart ist und wehtut.
    Auch zum Selbstschutz.

    Und jetzt habe ich schon wieder Knoten in den Fingern. Muss wirklich mal schreiben üben. Auch zum Selbstschutz.

    Viele Grüße an alle und seit ehrlich zu Euch selbst, dann klappt's auch mit den andern. Funktioniert!

    Frank

    Ich wünsche allen viel Kraft und gute 24 Stunden!

  • Hallo,

    der Karsten schreibt:

    Zitat

    Ja, auch Verschweigen ist meiner Meinung eine Lüge.

    Da hat er total Recht. Und ich habe ja verschwiegen. Nämlich, daß ich es wissen will, wie fühle ich mich im Rückfall. Und ich wollte ja auch nicht anecken bei euch, spinnt die denn, rennt freiwillig in den Rückfall und will es auch noch!

    Vielleicht hätte ich darüber doch schreiben sollen, vielleicht hätte ich mir nicht den Rückfall erspart, aber euer Vertrauen nicht mißbraucht.
    Das muß ich lernen, endlich den Mund aufzumachen, auch wenn ich weiß, ich bekomme sicher Ärger, ich erhalte Kritik, aber endlich auch sagen, was ich denke.

    Ich lerne daraus, wir sind nicht hier um uns Honig um den Mund zu schmieren, damit kann jeder gut umgehen, ich bin hier um etwas über mich zu lernen, und endlich auch angemessen Kritik anzunehmen. Ich habe totale Schwierigkeiten mit Kritik umzugehen, ich versinke gleich in den Boden, wenn mich einer kritisiert oder bin total beleidigt.

    Das mit der Ehrlichkeit ist ne wichtige Grundlage, sonst bin ich hier falsch. Das ich unehrlich war, zu mir und euch ist mir eine echte Lehre!
    Damit fällt oder steht alles.
    LG Leguan

  • Hallo,

    ich bitte euch aufrichtig um Entschuldigung. Ich will euer Vertrauen nicht wieder mißachten. Das war nicht in Ordnung von mir.

    Wenn mich je wieder ein ernstes Problem drückt, dann rücke ich ehrlich damit raus, sonst lerne ich nie, auch mit Kritik zu leben. Kritik kann mir ja nur helfen, mich selbst zu erkennen.

    Lieben Gruß eure Leguan

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