Hallo! Bin die Tochter eines Alkoholikers

  • Hallo, Ihr lieben Leute!!

    Mit großem Interesse habe ich Deine (Eure) Seite kennengelernt lieber Karsten und möchte, bevor ich mich vorstelle, ein ganz großes Lob an Dich und Deine Mitglieder aussprechen! Ich denke Ihr leistet hier Großes und es sollte viel mehr solche Websites geben wie diese! Zu der Zeit als ich Hilfe am nötigsten hatte gab es noch kein Internet und für eine Telefonseelsorge war ich zu feige ;) Ich habe so viel auf dem Herzen und habe das Gefühl, dass ich hier an der richtigen "Adresse" bin, um endlich über mein Leben zu sprechen, bzw. zu schreiben... Also seit mir nicht böse, wenn es etwas "mehr" wird...

    Wo wir auch schon am Anfang meiner Geschichte wären.
    Ich bin heute 30 Jahre alt, wohne in Hamburg, habe zwei Kinder (von zwei verschiedenen Erzeugern), zwei Katzen und mein Mann ist trockener Alkoholiker, doch um ihn geht es hier im Moment nicht.
    Mein Vater war bis zu seinem Tod vor fast genau zehn Jahren Alkoholiker. Zwischendurch hatte er auch längere trockene Phasen in denen er der beste Vater für seine Kinder war, den man sich vorstellen konnte.
    Ich rätsel immer noch, warum er in den letzten Jahren rückfällig geworden ist. Mache mir persönlich viele Vorwürfe (und ich weiß im Grunde, dass ich an allem keine Schuld habe) und träume bis heute immer noch davon, dass mein Vater plötzlich wieder da ist, dass sein Tod ein Irrtum war.
    Ich wünsche mir oft, dass er wieder da ist. Vielleicht weil vieles zwischen uns ungesagt blieb.
    Seltsam, oder? Da hat man jemandem als Kind oft den Tod gewünscht und als es dann soweit war (ich war gerade 20 Jahre alt) wollte ich selber sterben. Ich habe ihn sehr geliebt wenn er nüchtern war, war ein sogenanntes Papa-Kind, aber auch mit ganzem Herzen gehasst wenn er getrunken hatte.
    Ich muß dazu sagen meine Schwester ist neun Jahre älter als ich und befindet sich seit längerem in ambulanter Psychotherapie, weil sie bis heute an dieser Sache zu knabbern hat. Ich habe noch nie professionelle Hilfe in Anspruch genommen was vielleicht in der anfänglichen Trauerphase bitter nötig getan hätte. Aber ich bin ja selber Schuld ;)
    Mein Vater war gerade 53 Jahre alt, als er im Februar 97 unter anderem an einem mandarinengroßen Tumor in der Leber starb (dafür waren mehrere faktoren auch noch verantwortlich).
    Von etwa 1992 an war er trocken, hatte eine Langzeittherapie gemacht und wurde 1994 schon wieder rückfällig. Und von da an begann sein langsames Sterben. Ich wünsche nicht einmal meinem größten Feind so einen Tod.
    Anfangs fragten wir uns immer warum er so gelb aussah, wir haben die Zeichen für sein nahendes Ende alle verdrängt, uns innerlich eingeredet dass dass alles normal sei. Beim Arzt war er damals auch als wir ihn dazu drängten, er verschwieg uns aber allerdings die Wahrheit.
    Heute weiß ich, dass er vom Arzt sein Todesurteil erhalten haben muss. Ein Tumor wächst nicht von heute auf morgen.
    Als er die letzten zwanzig Tage seines Lebens im Krankenhaus lag, lag er Anfangs im sogenannten Leberkoma. Ein Magengeschwür war aufgebrochen und das Blut in seinem Magen hat ihn praktisch vergiftet. Und da seine Leber ja nun bereits hinüber war, war sein Schicksal somit besiegelt.
    Als er wieder wach wurde wusste er oft nicht wo er war. In "Hellen" Momenten behauptete er, es ginge ihm gut und dann ging es wieder bergab. Zuletzt beschmierte er sich selbst im Delirium mit seinem eigenen Stuhl und war für andere Patienten nicht mehr zumutbar.
    Er starb völlig allein. Keiner von uns konnte bei ihm sein, weil wir alle zu dem Zeitpunkt auf der Arbeit waren, und eigentlich die Hoffnung gehabt hatten ihn nach Hause holen zu können wenn er stabil war. Damit er dort sterben könnte... Den Gefallen hat er uns aber nicht mehr tun können.
    Ich hatte am Telefon einen Nervenzusammenbruch als ich die Nachricht von seinem Tod erhielt. Meiner Mutter (die übrigens bis heute Pegel-Alkoholikerin ist) und meiner Schwester ging es natürlich auch nicht besser, aber ich stürzte danach richtig ab. Zwar fing ich nicht das trinken an, nahm auch keine Drogen aber ich begann eine Lebensphase in der ich einen Fehler nach dem anderen begang. Davon möchte ich vielleicht später mehr erzählen.
    Ich bin also "nur" Angehörige von Alkoholikern, aber ich habe noch viel aufzuarbeiten, auch wenn mir mein Mann viel mit seinen Erfahrungen helfen kann und weiß was ich durchlebt habe. Ich kenne ihn nur als trockenen Alkoholiker, weiß aber manchmal nicht wie ich mich ihm gegenüber verhalten soll. Ich bin aber der guten Hoffnung, dass ich bei Euch hier im Forum endlich den Platz gefunden habe, um in meinem "kranken" Gehirn ein bisschen klar Schiff zu machen. Vielleicht ja mit etwas Hilfe von Euch ;)
    Danke erstmal, dass Ihr hier meinen Text gelesen habt. Ich freue mich auf Eure Reaktionen und Anregungen und viele viele Gespräche mit Euch! Lieben Gruß, Krümelmonster

    PS: Krümelmonster ist der Spitzname, den mir mein Vater einst gab :)

    Der richtige Weg ist nicht unbedingt auch der einfachste...

  • Lieber Peter, liebe Helga und restlichen Leser...

    Danke für Eure tröstenden Worte und geschilderten Erlebnisse.
    Mir geht es sehr nahe dass ich endlich Leute gefunden habe, denen ich mich anvertrauen kann ohne mich schämen zu müssen, gerade weil es ihnen ähnlich ergangen ist.
    Wiegesagt gab es kein Internet zu der Zeit, als ich Hilfe am nötigsten brauchte. Ich war auch schon immer ein Mensch (vielleicht auch durch die Alkoholsucht meiner Eltern), der sich schriftlich besser ausdrücken konnte als mündlich. Deswegen ist das Forum vielleicht der beste Weg für mich.
    Danke auch dafür, dass ihr mir Mut gemacht habt. Es ist wirklich Balsam für meine Seele, dass könnt ihr mir glauben. Wenn man glaubt die ganzen Jahre über einen "an der Marmel" zu haben kann das ganz schön an einem Zweifeln lassen.
    Ich weiß nicht genau ob es so ist, aber gerade weil ihr wie ich auch alle mit der Krankheit Alkohol zu tun hattet, hat sich das auch auf meine vergangenen Beziehungen ausgewirkt. Meine Schwester sagte damals einen Satz, den ich nie vergessen werde: "Weil wir mit abhängigen Eltern aufgewachsen sind, werden wir Männer mit den selben Problemem immer wieder magisch anziehen." Sie selbst ist das zweite mal verheiratet. Ihre erste Ehe endete damit, dass ihr Mann Spielsüchtig war und sie ihn deswegen auch verließ, weil er keine Hilfe annehmen konnte.
    Tatsächlich hatte ich auch nur Männer, die entweder gekifft haben oder mal mehr, mal weniger alkoholkrank waren. Mein jetziger Mann ist seit September 2004 trocken. Kennengelernt haben wir uns im Juli 2005. Ich kenne ihn also nur trocken und er ist die Liebe meines Lebens...
    Ich will damit auch erklären, dass ich nicht nur wegen meiner abhängigen Eltern hier ins Forum gekommen bin, also nicht nur um meine Vergangenheit aufzuarbeiten; Sondern auch wegen meines Mannes, um ihn besser zu verstehen und ihn besser unterstützen zu können.
    Er hat bereits mit 18 Jahren eine Langzeittherapie gemacht (nachdem er bereits einen veruchten Suizid hinter sich hatte), deswegen seine Lehre um ein halbes Jahr verlängert und ist wieder rückfällig geworden, als er nach Hause, in den alten Alkoholsumpf, zurückkam.
    Sein Vater ist ebenfalls bis heute Alkoholiker (so, bzw. ähnlich wie meine Mutter). Erst im September 2004 entschied er sich erneut für eine Therapie, diesmal ambulant, und ist bis heute trocken. Wir reden oft und viel, auch über seine Trinkerkarriere, aber ihm und mir fehlt oft etwas. Vielleicht eine dritte oder auch vierte Meinung.
    Um auf meinen Vater zurück zu kommen: Ich habe viel Glück im Unglück mit ihm gehabt. Er war nie einer, der im Rausch besonders agressiv wurde, zumindest nicht seiner Familie gegenüber. Ich will damit sagen, er hat uns oder unsere Mutter nie geschlagen, aber er war halt wiederlich in seiner Art und es war nichts mehr mit ihm anzufangen. Kinder sehen in ihren Eltern ja eigentlich immer so eine Art Superheld, jemanden der unverwundbar; unfehlbar ist. Und es war schrecklich für mich die "Verwundbarkeit" meines Vaters zu erleben. Ein Erlebnis werde ich nie vergessen.
    Meine Eltern und ich waren auf einer Feier und mein Vater war sternhagel blau als wir nach Hause wollten. Ich sehe ihn immer noch vor mir, als wäre es gestern gewesen. Ich war etwa acht Jahre alt.
    Er ging so ungefähr fünf Meter vor uns, bzw. taumelte, und er bekam einen linksdrall. Daraufhin landete er in einem flachen Graben, der zwar kein Wasser führte, aber aus eigener Kraft kam er nicht mehr hoch. Ich höre immer noch meine Rufe: "Steh auf! Oh bitte, steh auf! Da musst Du Dich festhalten. Da am Ast! Da kannst Du Dich hochziehen!" Ich wusste damals nicht, dass ich ihn hätte liegenlassen sollen. Meine Mutter hat mir Jahre später erzählt, dass sie ihn liegen gelassen hätte wenn ich nicht dabei gewesen wäre... Tatsächlich hat er sich an dem besagten Ast wieder aufrappeln können und vielleicht hat das eine Art Bild in mir erschaffen, dass ich ihm helfen müsse. Allerdings war meine Hilfe immer die verkehrte. Selbst als 20jährige konnte ich ihn nicht liegen lassen, als er nach einem Kneipengang in die Büsche vor unserer Haustür flog...
    Vor kuzem ist meine Mutter, nur wenige Meter von diesen Büschen entfernt, ebenfalls in die Botanik geflogen: Vor den Augen meiner jetzt achtjährigen Tochter. Ich weiß nicht ob meine Mutter zu dem Zeitpunkt ebenfalls betrunken war (was sie des öfteren noch ist), aber es kam ganz viel von "der alten Zeit" in mir hoch und ich möchte vermeiden, dass meine Tochter auch nur im Ansatz miterleben muss, was ich und meine Schwester damals erlitten haben.
    Wie soll ich mich meiner 66jährigen, alkoholkranken Mutter gegenüber verhalten, damit meine Tochter nicht darunter leiden muss? Sie liebt ihre Oma sehr und ich liebe meine Mutter natürlich auch. Wie kann ich ihr auf den Kopf zusagen, ohne sie persönlich zu verletzen, dass sie professionelle Hilfe benötigt? Hat jemand von Euch einen Tip? Ich freue mich sehr auf heute Abend, wenn ich wieder etwas Zeit fürs Forum habe und wünsche Euch allen einen schönen Tag!
    Liebe Grüße, Krümelmonster

    Der richtige Weg ist nicht unbedingt auch der einfachste...

  • hallo krümelmonster,

    auch ich heiße dich hier herzlich willkommen - du bist sicher nicht allein und hast auch keinen "an der marmel". habs jedenfalls noch nicht festgestellt :wink: . wenn du hier liest wirst du feststellen, das hier ganz viele erwachsenen kinder von alkoholikereltern sind, die immer noch oder wieder um "normalität" kämpfen, wo vieles aus der kindhwit wieder hochkommt, oder die (wieder) an einen alkoholiker geraten sind. ich denke es tut gut festzustellen, dass man nicht alleine ist - allein das ist schon viel wert. ich bin die tochter von alkoholkranken eltern, mein vater ist vor sieben jahren an leberkrebs gestorben, meine mutter ist derzeit trocken. auch in meiner jugend gabs kein internet, und geredet wurde darüber nicht.

    dass jugendliche heute die möglichkeit haben übers internet halbwegs anonym zu informieren, finde ich ne tolle sache - und wir als die mittlerweile erwachsenen kinder können da sicher oft gute ratgeber sein.

    liebe grüße

    lavendel

  • Hallo KRümmelmonster,

    willkommen hier bei uns.
    Du hast ja schon einiges mitgemacht und ich finde es gut,dass Du hier über Dich und Deine Gedanken schreibst.
    Du kannst nur mit Deiner Mutter reden,wenn Sie nichts getrunken hat.
    Mehr kannst Du nicht tun.

    LG Peter Pan

  • Guten Morgen Krümelmonster,

    herzlich Willkommen hier im Forum.

    Du hast ganz sicher keinen "an der Waffel"! Das Du Deine Vergangenheit aufarbeiten musst, ist doch ganz klar und Du bist hier sicher an der richtigen Stelle.

    Es gibt seit Neuestem im Bereich Co-Abhängige ein Unterforum für Kinder und erwachsene Kinder von Alkoholikern.

    Schau dort doch mal rein. Du wirst bestimmt sehr viele Gleichgesinnte treffen, die ein ähnliches Schiksal hatten oder noch haben.

    Liebe Grüße
    Speedy53

  • Guten Morgen Krümelmonster,

    auch von mir ein herzliches WIllkommen hier bei uns!

    Du hast hier ja jetzt schon ein paar Sachen geschrieben, was Dich hoffentlich ein bisschen erleichtert hat.

    Schön, dass Du hier bist.

    Viele Grüße

    pauly

    Es ist nicht leicht, das Glück in sich selbst zu finden,
    doch es ist unmöglich, es anderswo zu finden.

    Agnes Repplier

    Abstinent seit Oktober 2006

  • Hallo Ihr LIeben :)

    Ihr könnt mir glauben: Ich fühle mich schon sehr viel besser, nachdem ich endlich den Weg hierher gefunden habe: Und Ja, es geht mir besser, jetzt wo ich halbwegs zumnidest darüber berichtet habe, was ich erlebt habe und als ich gesehen habe, wieviele Betroffene hier vertreten sind. Danke, dass Ihr mir so viel Mut gemacht habt. Selbst mein Freund hat gemerkt, dass es mir seelisch etwas besser geht. Dafür danke ich Euch auch...
    Lieben Gruß KM

    Der richtige Weg ist nicht unbedingt auch der einfachste...

  • Hallo Krümelmonster,

    wollte Dir schon einmal ein Herzliches Willkommen hier im Forum und unserer SHG sagen.

    Leider hab ich noch nicht alles von Dir gelesen :oops: , hole das aber schnell nach.

    Alles Gute erstmal, wir lesen uns...

    LG
    Lilly

  • Hallo Lilly!

    Danke Danke! Ich fühle mich hier bei Euch echt Pudelwohl!
    Endlich werde ich verstanden!
    War das bei Euch auch so ein erleichterndes Gefühl?
    Der Sinn von "ein Stein fällt von Herzen" bekommt eine ganz andere Bedeutung für mich, seit ich ich hier bin.
    Dafür uch ein großes Danke an alle hier...

    Gruß, KM

    Der richtige Weg ist nicht unbedingt auch der einfachste...

Unserer Selbsthilfegruppe beitreten!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!