rückfälle - das macht mir angst

  • hallo ihr alle,

    ich habe lange überlegt, ob ich das jetzt schreiben soll, aber es muss doch raus:

    mir macht es angst immer wieder von rückfällen zu lesen, einen der jüngsten habe ich schon am dienstag erkannt und mich gewundert, warum keiner von den "alten hasen" dazu etwas gesagt hat - ich war ziemlich schockiert und ratlos.

    angst macht mir, wenn jemand schreibt es gehe ihm gut und 1 stunde später ist der rückfall da, das geht so schnell, das kann mir auch passieren denke ich dann. ich beobachte, wie schon vor dem rückfall die postings unklarer werden und schwammiger - wieso merkt das denn keiner? oder ist es dann sowieso schon zu spät??

    ich lese auch immer von kämpfen, bisher habe ich meine nüchternheit noch nicht als kampf gesehen (außer in den ersten 3 tagen, das war aber ein kampf gegen die körperlichen entzugserscheinungen, da wollte ich nur durchhalten weil ich wußte, das zittern und schwitzen ist irgendwann vorbei). nach 3 tagen habe ich mich zunehmend freier gefühlt.
    bisher hatte ich keinen saufdruck - ich nehme zur zeit meine krankheit einfach an und versuche so gut es geht mein leben zu ändern.

    ja, und lese ich von einem rückfall, dann fange ich an meine momentane zufriedenheit in frage zu stellen, ob ich das wohl alles richtig sehe und mache und ob ich nicht auch ganz plötzlich einen aussetzer haben kann. weil ich nicht kämpfe gegen die sucht, die ist sowieso da, trocken oder nicht.

    natürlich denke auch ich darüber nach, wie es wäre zu trinken, mich hält die durchgemachte erfahrung davon ab, das will ich nie wieder erleben - aber das wollen die anderen doch auch nicht, wieso dann trotzdem der plötzliche oder weniger plötzliche rückfall - ich versteh das nicht und das macht mir alles angst, weil ich nicht einschätzen kann wie hoch meine rückfallgefahr ist.

    ich hoffe, ihr versteht was ich meine

    danke, space

  • Servus Spacegirl,

    alleine die Tatsache, dass Dir inzwischen auffällt, wenn die Threads "schwammiger" werden, ist positiv zu werten: Du gehst mit einer gesunden Portion Vorsicht an Dein Leben ran, Du beobachtest genau, hinterfragst, was da "so abgeht". Und vergleichst, wie es Dir dabei geht. Sehr gut, weiter so!
    Es ist auch normal, dass Du eine gewisse Angst vor Rückfällen hast. Ich kann Dir sagen, dass diese Angst im Laufe der Jahre eher geringer wird und sich in eine Art "Respekt vor dem Alkohol" wandelt.
    Es sollte Dich nicht zu sehr beunruhigen, denn wenn Du bereits einen bestimmten Grad an persönlicher Zufriedenheit erreicht hast, ist das schon mal ein guter Grundstock für ein weiterhin trockenes, zufriedenes Leben.

    Mit den Rückfällen ist das so eine Sache. Ja, auch ich kann sagen, dass ein Rückfall immer schon vorher stattfindet, im Kopf stattfindet. (Es gibt auch das Phänomen des "trockenen Rückfalls", vielleicht magst Du mal in der einschlägigen Literatur darüber nachlesen.) Nun ist es ja -gerade hier im öffentlichen Bereich des Forums- schon so, dass auch Alkoholiker schreiben, die mit sich selbst noch nicht so ganz im Reinen sind, welchen Weg sie einschlagen wollen - eine Trinkpause einlegen, oder wirklich trocken zu leben. Bei diesem Personenkreis ist naturgemäß auch die Möglichkeit eher gegeben, dass sie Rückfälle erleiden - sie haben für sich selbst noch nicht das Stadium erreicht, in dem sie bedingungslos den Kampf gegen den Alkohol aufgeben und sich ihrer Sucht annehmen, um ein neues Leben zu beginnen.

    Was heisst das für Dich? Nun, beobachte Dich weiter genau, höre Dir selbst gut zu, sorge weiterhin dafür, dass es Dir gut geht, dass Dir Deine Zufriedenheit erhalten bleibt und wachsen kann. Und Du bist weiterhin auf einem guten Weg...

    LG,
    spedi

  • danke sensei, spedi und karsten für eure antworten,

    das problem ist, dass viele so fest entschlossen erscheinen und dann ist es doch nur eine trinkpause, ich bin selber fest entschlossen und rede und denke nicht anders, als viele, die dann doch rückfällig werden.
    ein rückfall wäre für mich die katastrophe schlechthin, ich weiß genau, das wäre der anfang vom ende, denn ich weiß ich würde weitertrinken. und ob ich nochmal die kraft hätte, dem zu entkommen - ich weiß es nicht.

    ich fühle in mir zum erstenmal nach jahren eine innere zufriedenheit und die kraft, mein leben auf die reihe zu kriegen - die vorstellung, das durch unachtsamkeit verlieren zu können - ich mag gar nicht dran denken.

    spedi, ich habe gerade mal über "trockenen rückfall" gegoogelt, das hört sich so an als würde man erst trocken rückfällig und zwar durch einen rückfall in alte verhaltensweisen was man selbst gar nicht wahr nimmt oder nicht wahrnehmen will/kann.

    das bedeutet, ich muß mich noch mehr als bisher selbst beobachten und meine handlungsweisen reflektieren.

    trocken bin ich seit fast 7 wochen, ich wünsche mir so sehr, daß ich auf diesem weg noch viele weitere 7 wochen weitergehen darf.
    ob dieser weg, so wie ich ihn im moment gehe, der richtige ist? im moment erscheint es mir so, ich fühle zufriedenheit, doch habe ich das gefühl ZU zufrieden darf ich auch nicht werden.

    ich versuche auch, bei mir selbst zu bleiben, darum bringe ich mich im forum nicht soviel ein, ich lese aber alles und wenn ich lese, wie schnell die stimmung bei jedem einzelnen umkippen kann, dann fange ich halt manchmal an auch an mir zu zweifeln. denn ich bin ja ein absoluter frischling und frage mich dann ob es denn wirklich sein kann, dass ich diese zufriedenheit und diese kraft fühle, denn ich fühle mich einfach nur gut ohne alkohol.

    mensch ist das alles kompliziert....

    lg space

  • Hallo spacegirl,

    Wer rückfällig wird, der will und wollte trinken! So einfach ist das!

    Auch Du kannst von den Rückfällen anderer profitieren, indem Du in der
    gleichen Situation nicht den gleichen Fehler machen mußt! Das klingt zwar sehr hart, aber so ist es nunmal.

    Wie Karsten schon schreibt beginnt der Rückfall im Kopf schon viel früher und es dauert seine Zeit bis das "nasse Denken" weniger wird!
    Selbst dann hast Du immer noch die Möglichkeit das "erste Glas" stehen zu lassen, das letztendlich der Auslöser wäre!

    Ich persönlich bin da vollkommen machtlos, wenn jemand oder gleich viele wieder anfangen zu trinken, aber ich will und brauche es nicht nach-
    zumachen!

    Gruß Hermann
    der seit Januar 1995 noch immer Trocken ohne Rückfall ist

  • Hallo Space,

    Bitte verfalle jetzt nicht in Panik vor einem Rückfall. Falls Du Dich erinnerst, waren wir mal spätabends noch allein im Chatroom und haben geredet und ich hatte bei Dir ein sehr gutes Gefühl, das Du trocken bleiben wirst. Du hast vieles geändert, bist sehr selbstkritisch gewesen, die Sicherheit kommt bei Dir auch noch. Ich war damals sehr verwundert, wie weit Du schon auf Deinem Weg bist, denn ich brauchte so unendlich viel länger wie viele andere hier. Aber ich hatte nicht die Möglichkeit zum Austausch vorher.

    Space, die Rückfallquote ist sehr hoch, allein der feste Wille, den hier viele mit Sicherheit haben, reicht nicht aus. Nur nicht-mehr-trinken reicht aber nicht aus. DU weißt das aber schon lange.

    Du schreibst auch, Du kämpfst nicht mehr, das weiß ich auch, Du hast Deine Krankheit für Dich angenommen, das ist die beste Voraussetung, trocken bleiben zu können.

    Sicher sehe ich auch hier Rückfälle voraus, aber ich weiß auch manchmal, das derjenige den braucht. Ich wußte zum Beispiel bei marla, das es so kommen wird. Sie schrieb, sie habe keine Lust, ihr weiteres Leben jeden Tag an ihre Krankheit zu denken, wo bliebe denn da der Spaß am Leben ?
    Da wußte ich es schon, sie hat ihre Krankheit nicht für sich angenommen.
    Es war nur noch eine Frage der Zeit. Die Gedanken waren da schon nass wie nur was. Aber ich denke, sie ist jetzt bereit, zu akzeptieren, das sie eine Alkoholikerin ist, nun KANN sie trocken werden, vorher war das nicht möglich. Da war es nur eine Trinkpause.

    Ich habe die ersten Tage minütlich, stündlich an meine Krankheit gedacht, war relativ verzweifelt, ob ich trocken bleiben kann, ein Rückfall wäre für mich eine Katastophe gewesen, die ich mit dem Leben bezahlt hätte.
    Ich hatte Anfangs NUR ANGST, später, nach ein paar Wochen habe ich das erste Mal zu hoffen gewagt, das ich es schaffen kann, trocken zu bleiben. Dann den ersten Monat geschafft, das erste Vierteljahr und langsam bekam ich das Gefühl, ich kann es.

    Dann begann ich zu akteptieren, das ich für immer eine Alkoholikerin bleibe, das ich diese Krankheit für immer in mir trage. Ab dem Zeitpunkt wurde es sehr viel einfacher für mich.
    Ich verinnerlichte mein neues Leben und heut denke ich nicht mehr immer an meine Krankheit, kann viele Dinge genießen, meinen Sport machen, mich mit Freunden treffen, alles mögliche, ohne an meine Krankheit zu denken. Klar, beim Einkaufen muss ich aufpassen, das nirgends Alk enthalten ist, aber das ist für mich schon lange selbstverständlich geworden, oder im Restaurant nachzufragen, ob in der Soße Alk ist, das ist ganz normal geworden.

    Gut, ich habe nun mal diese Krankheit, gewünscht habe ich sie mir nicht, aber ich kann damit zufrieden und sehr glücklich leben, und das kannst DU AUCH !!

    Und schreib doch bitte mehr, das wir vorher erkennen können, was mit Dir los ist, können wir noch eingreifen. In manchen Fällen aber halt auch nicht. Das Schreiben schützt Dich doch auch vor einem Rückfall.
    So, und jetzt schau nicht so viel nach anderen, schau nach DIR, lenke Deine Gedanken in Richtung Trockenheit, nie zurück, das kann man lernen, wahrscheinlich kannst Du das auch schon.

    Also, weiter gehts, DU SCHAFFST DAS !

    LG an Dich
    Lilly

  • danke lilly,

    hoffentlich kommt es alles so wie du schreibst,
    beschäftigt habe ich mich mit meiner sucht schon lange bevor ich mich entschlossen habe tatsächlich ernst zu machen mit dem trocken werden.
    lange hatte ich sozusagen täglich einen rückfall, ich schaffte es nie länger als ein paar stunden nicht zu trinken - das war die hölle.

    mehr schreiben, ja ich werde es versuchen, will aber nicht nur schreiben um zu schreiben, es muss ja auch ein echtes anliegen von mir dahinter stehen, manchmal antworte ich ja schon auf beiträge, das ist ja immerhin schon ein fortschritt.

    ich möchte aber nicht ins "labern" kommen, dazu ist mir das thema zu ernst, und einfach nur irgendwas schreiben, nee, das kann ich nicht.
    zu vielen dingen kann und möchte ich auch noch nichts sagen, da muss ich dann erstmal selber drüber nachdenken.

    lg lilly

    space

  • Hi spacegirl,

    so in etwa geht es mir auch. Ich habe in den letzten sechs, sieben Jahren so viele wirklich schwierige Situationen durchgestanden, aber was mich die ganze Zeit immer am meisten beschäftigt hat, war die mir innerlich völlig klare Tatsache, dass ich die größte Baustelle meines Lebens noch vor mir habe.

    Dann lernte ich meine Freundin kennenlernte, trank in ihrer Anwesenheit keinen Tropfen mehr und erlebte so mehr oder weniger sehenden Auges immer wieder einen Rückfall. Das war neu, denn in den Jahren zuvor hatte ich nicht mal den Versuch gemacht, kontrolliert zu trinken. Als die Beziehung zerbrach, stand ich vor einem riesigen Abgrund und ich wusste sofort und hundertprozentig, dass dies nun diese Großbaustelle ist. Es gab auch keine andere Baustelle in der Nähe, auf die ich mich noch hätte flüchten können. Es war einfach klar. Ich glaube wirklich, dass ich innerlich auf diesen Tag gehofft habe.

    Umso größer ist meine Angst vor einem Rückfall. Ich merke das daran, wie sensibel ich auf alle Berichte hier und draußen über dieses Thema reagiere. Vielleicht ist bei mir bisher auch deshalb diese viel beschriebene Euphorie ausgeblieben. Ich bin unendlich froh, dass ich nicht mehr trinken will und muss, hatte bisher noch keine Situation, in der ich mich ernsthaft gefährdet gefühlt habe, aber diese Angst ist sehr präsent.

    Ich muss aber auch sagen, dass ich mich schwer über mich selbst wundern würde, wenn ich mich nach 25 nassen Jahren innerhalb von ein paar Wochen zum zufrieden lebenden Abstinenzler entwickeln könnte. Gerade diese Angst oder vielleicht besser dieser riesige Respekt vor dem nicht auszuschließenden Angriff meiner eigenen Schwäche, macht mir auch Mut. Solange ich so empfinde, spüre ich, dass ich meine volle Kraft und Konzentration dafür einsetzen muss, mich und mein Leben zu verändern. Und ich hoffe schwer, dass ich mit diesen Gedanken nicht falsch liege.

    Liebe Grüße
    - dibo -

    "Wer Schmetterlinge lachen hört,
    der weiß, wie Wolken schmecken..."
    (Novalis)

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