Beiträge von Nachwuchsoptimist

    Habe gestern zufällig den Artikel "Nüchtern" in der Wert am Sonntag gefunden. Stuckrad-Barre ist sicherlich nicht jedermanns Sache. Ich finde den Artikel zumindest interessant. Sein Leben und auch seine Suchtbiographie haben gewisse Parallelen, auch wenn er bisher erfolgreicher war als ich bisher. Was mir persönlich gut gefällt ist das Egozentrische, das er sich auch von der Sucht nicht austreiben lassen will. Das ist speziell, für eine Autor aber auch irgendwie lebensnotwendig.

    Der Artikel wirft natürlich fragen auf hinsichtlich der Lebenszufriedenheit. Und wie weit Stuckrad-Barre mit seinem Ego kommt, werden wir erleben. Dass sich das nicht für jeden empfiehlt ist selbstverständlich. Aber der Text bietet eine interessante Momentaufnahme und einen anregenden, eindringlichen Text gerade auch für nicht direkt Betroffene.

    Würde mich interessieren, was ihr davon haltet.

    hi Gavris,

    Spedi tritt hier sicherlich als Hardliner auf. Aber sein Standpunkt der Selbstverantwortung ist auch für mich durchaus valide: es geht dabei keinesfalls um Schuld, aber um Verantwortung, die jeder selber trägt.

    Ob Alkoholismus eine Primärkankheit ist oder eine Folgekrankheist ist - von welcher Art der neurologischen / psychologischen Disposition auch immer - ist für den Betroffenen tatsächlich egal. Und für die Behandlung auch, es gibt nur eine Reihenfolge.

    Ich habe jedenfalls keine schwere Kindheit gehabt, und habe eine ziemlich solide Sozialisation mitgegeben bekommen. Und vielleicht ist das der Grund weshalb ich bei Zeiten gemekrt habe, dass etwas nicht stimmt. Und konnte die Konsequenzen daraus ziehen.

    Hi Brad, hab grade Deinen Thread gelesen.. und vieles kommt mir sehr vertraut vor, von früher.

    Ich war auch 29 als ich aufgehört habe, und ich glaube in einem ähnlichen Stadium. Ich habe das für mich inzwischen als großes Glück gewertet, da es natürlich nicht leichter wird, je länger man säuft. Trotzdem habe ich auch an mir beobachtet, dass eben diese vermeintliche "Leichtheit" auch ihre Tücken hat: Rückblickend kommt manchmal der Gedanke, dass es eigentlich doch gar nicht so schlimm war. Man könnte doch mal wieder. Fakt ist, man muss es wohl eher andersherum sehen: Warum sollte ich zurück wollen?


    Ich will hier gar nicht so sehr von mir erzählen, das ist Dein Thread. Aber ich hatte beim lesen den Eindruck, dass für Dich das Thema auch nochmal hochkommen könnte.

    Bei mir zumindest kommt es immer wieder, besonders wenn es mir gut geht oder ich etwas besonderes erreicht habe (mein abgefucktes Belohnungssystem).


    Ich wünsche Dir jedenfalls einen guten Frühling!
    Und ich würde Dir echt raten auch irgendwas neues anzufangen - denn du hast recht, es geht darum nach vorn zu schauen und sich zu freuen!

    Wie die Zeit vergeht!

    Habe grade daran gedacht, dass ich vor genau 3 Jahren hier zum erstenmal geschrieben hab, nach einem fürchterlichen Absturz.

    Wie die Krokusse schaue kann ich heute den Kopf heben und freue mich auf das was kommt.

    Hi Judecca,

    wilkommen hier im Forum.

    Ich kann mich noch gut an die erste Zeit der Umstellung erinnern, die nicht immer einfach ist. Ich habe selber kurz vor meinem 30. Geburtstag beschlossen, dass es reicht und habe seitdem ein paar Dinge gelernt.

    Ich habe selber auch eine ambulante Therapie gemacht, und denke dass das funktionieren kann. Natürlich hängt das von sehr vielen Faktoren ab.

    Ich habe in meinem alkoholfreien Leben soviele neue Dinge kennengelernt und in mir entdeckt, dass ich Dir dasselbe wünsche, und dass Dir Dein Neues Leben mit viel Freude gelingt!

    Hallo desperateS,

    ich kann natürlich nur für mich sprechen, aber es geht ja beim trockenwerden darum sich selbst und seine ureigenen Träume Ernst zu nehmen (ohne sich unter zu hohen Erwartungs/Leistungsdruck zu stellen). In der Praxis können das sehr unterschiedliche Dinge sein. Mal ein paar Beispiele:

    - ich habe mir gleich am Anfang, als ich auf einmal die Wochenenden "frei" hatte einen Motorroller gekauft, diesen restauriert und fahre seitdem mit sehr viel Freude wieder Moped, was ich vorher einfach nicht auf die Reihe bekommen hatte. Dieses Jahr habe ich auch meinen Motorradschein angefangen, und hoffe nächsten Sommer dann eine bestimmte Oldtimer-Maschine anzuschaffen.
    - Was für mich auch noch ein wichtiges Thema geworden ist: Karriere. Damit meine ich nicht reinleistungsorienteretes Vorankommen, sondern verantwortungsvolles und bewusst auf bestimmte Ziele ausgerichtetes arbeiten und berufliches handeln.
    - Auch der Aufbau einer wiklichen Paarbeziehung gehört zu den Abenteuern, die ich noch nicht so wirklich kannte. Ich habe meine Partnerinnen früher immer als nettes Beiwerk betrachtet, aber mich letztendlich nicht für Sie als Person interessiert. Als ich dann anfing trocken zu werden, musste ich mich konsequenter Weise auch von meiner damaligen Partnerin trennen, wir hatten zu unterschiedliche Bedürfnisse und Perspektiven.


    Im Grunde kann es doch um jede Art der aktiven Lebensgestaltung gehen:
    - Häusle bauen
    - Familie gründen
    - Weltreise
    - Bücher schreiben
    - ein Instrument lernen
    - ein Unternehmen gründen
    - …

    Ich hoffe meine Antwort bringt Dich ein Stückchen weiter..

    Schon wieder ein halbes Jahr rum.

    Es war keine leichte Zeit, aber ich habe sie nüchtern erlebt und gerade die Weichen gestellt, dass das nächste Jahr hoffentlich wieder ruhiger wird.

    Manchmal frage ich mich echt wie meine Kollegen mit dem Wahnsinn da draußen umgehen. Aber vielleicht sind sie einfach besser im ignorieren als ich.


    Einen schönen Sonntag!

    Hallo Maya,

    es ist immer schwierig, auf eine Frage wie Deine aus der Ferne eine Antwort zu geben. Gerade was Abhägigkeiten angeht gibt es kein Schwarz/Weiß..

    Meine Vorredner sprechen das Phänomen der Co-Abhängigkeit an, sie wollen damit sagen: Partner von Alkoholikern tendieren oft dazu (einen Teil der) Verantwortung für die Abhängigkeit auf sich zu nehmen - indem sie helfen, bzw. wie Du schreibst, sich bemühen der Alkoholabhägigkeit entgegen zu wirken. Da die Übernahme von Verantowrtung aber für den Alkoholkranken essentiell ist, kann gutgemeinte Hilfe sogar schaden. Hier wird immer geraten: jeder fängt bei sich an.

    Aber ich will noch auf andere Aspekte eingehen, die mir in Deinem Post aufgefallen ist: Wenn Dein Freund Schwierigkeiten hat Grenzen und Verabredungen einzuhalten, wenn er feiern (=saufen) geht, ist das ein klares Symptom einer Abhängigkeit. Das war für mich auch immer das Problem. Ich hatte überhaupt kein Problem unter der Woche nichts zu trinken, oder auch mal mehrere Wochen nicht, wenn es die äußeren Umstände erforderten. Aber wenn ich dann losgezogen bin, konnte ich vielzuoft kein Ende finden. Ich dachte früher immer, dass es a) voll normal ist, wenn ich am Wochenende durch die Clubs ziehe und erst mittags am nächsten Tag zurückkommen. Hier in Berlin gibt es unendlich viele, die dieses Leben leben, und ich fand es toll dabei zu sein. Außerdem dachte ich, dass ich b) noch lange kein Problem habe, solange ich unter der Woche und über längere Zeiträume problemlos nüchtern bleiben kann.

    Heute weiß ich: Das Bild vom Alki ist falsch und völlig irreführend. Auch wer keine Zitterattacken hat, kann alkoholabhägig sein. Die Annahme, dass allein die körperliche Abhängigkeit eine echte und schwerwiegende Abhägigkeit ist, ist ebenso eklatant falsch. Im Gegenteil: die psychische Abhägigkeit ist in der Regel das größere Problem. Und insofern sind die schwerwiegendsten "Symptome" nicht Händezittern etc. sondern Kontrollverlust (Grenzen nicht einhalten können) und das Unvermögen sich ein Leben ohne Rausch vorzustellen.

    Ich weiß von mir selber, wie normal Drogen heute sind und damit meine ich nicht mal ausschließlich Alkohol. In meinem Bekanntenkreis bin ich der totale Exot, und es ist vielen nicht verständlich warum ich mich vom "feiern" zurückgezogen habe. Aber ich kann Dir, Deiner kleine Familie und allen, die noch pille-palle-3-Tager-wach unterwegs sind sagen: es gibt spannendere und vor allem sinnvollere Abenteuer, die es sich zu entdecken lohnt.

    Dein Freund scheint ja schon Ansätze von Einsicht zu haben. Bestärk ihn dabei sich mit dem Thema zu beschäftigen, sich auch professionelle Hilfe zu holen (unverbindlich, anonym und kostenlos in jeder Kreisstadt zu haben). Es ist keine Schande, und oft sind suchtanfällige Menschen solche, die besonders großartig sind, und nur noch ihren Weg noch nicht gefunden habe, die eigene Großartigkeit zu leben. Aber es ist nicht Deine Aufgabe: er muss den Drive haben etwas zu ändern, und lass Dich nicht mit Pseudo-Beweisen ("Wenn ich 3 Monate schaffe, glaubst DU mir dann, dass ich kein Problem habe?!") abspeisen damit verarscht er nur sich sellbst, wenn er in Wirklichkeit noch nichts verstanden hat.


    Lieben Gruß und alles Gute!

    War diese Woche im Freiluftkino und habe dort zufällig den beligischen Film "Die Beschissenheit der Dinge" gesehen.

    Auch wenn der Film durch Übertreibung vor allem unterhaltsam daherkommt, finde ich dass verschiedene Themen rund um Alkoholismus durchaus realitätsnah angerissen werden.

    Ich habe mich jedenfalls sowohl sehr gut amüsiert und bin auch ein bisschen nachdenklich aus dem Kino gekommen. Sicherlich wird hier ein durchweg proletarisches bzw. kleinbürgerliches Milieu gezeigt, aber der Übertrag auf die eigenen Sozialstrukturen fällt leicht.

    Schon wieder sind 5 Monate um seit meinem letzten Beitrag. Und der Blick in den Kalender zeigt mir auch: Kommenden Sonntag sind es genau 2 Jahre, die ich ohne Drogen lebe.

    Das Wort Trockenheit benutze werde ich wahrscheinlich nie verwenden. Einerseits habe ich viele Drogen genommen, die trocken sind. Und außerdem verbinde ich Trockenheit zu sehr mit dem Anspruch auf Zufriedenheit. Und die Zufriedenheit ist bei mir nicht so zuverlässig, wie ich sie mir wünschen würde. Der Anspruch auf permanente Zufriedenheit scheint mir auch zu hoch gepokert, ich sehe dabei die Gefahr, dass man sich in eine Art Leistungsdepression reinmanövriert. Lieber nicht.


    Was aber sind Erfolge?

    Für mich ist es nach wie vor ein Erfolg, wenn ich mir die Zeit nehme, um faul in der Sonne zu lesen. Wenn ich mir keinen Wecker stelle, wie heute. Wenn ich es schaffe meine Freundin zum Lachen zu bringen. Oder wenn ich bei gutem Wetter mir dem Moped rumdüse. Wenn ich es schaffe meinen Kopf auszuschalten. Wenn ich es schaffe Grenzen zu ziehen, zu akzeptieren. Demut.

    Manchmal glaube ich, das Trinken war nur eine Spielart meines Problems: Alle Regeln scheinen ausgedacht, hinter der Grenze lockt das Neue. Die Gier, die ich als Unruhe kenne, das Verlangen nach mehr, das mich immer wieder motiviert, es ist noch da, und ich lerne nur sehr langsam damit zu leben. Oft habe ich mich gefragt: Geht es allen so? Wie schaffen es andere Leute mit sich und ihrem kleinen Leben zufrieden zu sein? Ganz normale Fragen, die sich jeder stellt. Die Kunst besteht wohl darin, realistische Ansprüche an sich zu stellen: Aktiv leben und trotzdem mal in der Comfort Zone rasten.

    Balance. Das war schon für Aristoteles mehr Ziel als Zustand. Und auch wenn der Alte tausendfach überholt ist, bleibt Balance für mich ein sinnvolles Konzept. Und vielleicht sogar ein Erfolg.


    Frohe Ostern!

    Liebes Forum,

    ich war schon lange nicht mehr hier. Trotzdem denke ich immer wieder daran, wie sehr mir das Feedback hier geholfen hat. Daher wollte ich mich schon lange mal wieder zurückmelden.

    Es gibt keinen besonderen Grund, dass ich heute schreibe, außer dass ich mal früher Feierabend habe. Und etwas Ruhe, was zu selten so ist.

    Ich lebe fast 18 Monate drogenfrei.
    Es fühlt sich viel länger an, und das meine ich im positivsten Sinne, einfach weil sich soviel verändert hat. Ich habe viel erreicht, mein Doppelstudium erfolgreich abgeschlossen und einen guten Job gefunden. Mehrere Monate Psychotherapie. Vor allem habe ich mich aber von meiner damaligen Partnerin getrennt, die mich nicht so sehen konnte wie ich war. Seitdem geht es mir sehr viel besser.

    Ich fühle mich normal, mal schlecht mal gut. Das ist ein bisschen das Neue: Ich kann jetzt eher sagen, dass mir was zuviel ist. Oder auch, dass es mir nicht so gut geht. Früher habe ich das versucht zu betäuben. Auch wenn ich weiterhin die Tendenz habe mich zu überfordern, ich bin mir dessen immerhin bewusst, und ich selektiere etwas besser.

    Manchmal kommen noch die Gedanken ("Du könntest ja mal wieder!"), aber ich konnte meine Selbstbetrugversuche bisher immer erfolgreich entkräften. Ich hoffe das bleibt so.

    Wie geht es weiter? Normal.
    Das ist auch neu: Ich finde Normal plötzlich voll geil.
    Etwas narzistisch und größenwahnsinnig bleibe ich wohl.
    Aber mein Selbstbild hat einen neuen Rahmen bekommen.
    Es gibt Grenzen, die jeder akzeptieren muss.
    Sogar ich.
    Ich bin ganz normal.

    Ich sehe meine Zukunft sehr viel bodenständiger als noch vor zwei Jahren.
    Es ist ein Waffenstillstand mit der Realität.
    Und ich glaube daran, dass mehr daraus werden kann.


    Einen schönen Abend und bis zum nächsten Mal!


    --
    Meine alten Thread, falls es noch jemanden interessiert:
    https://beispiel.rocks/beispiel.rocks…topic13348.html
    https://beispiel.rocks/beispiel.rocks…topic11363.html

    Am Anfang habe ich immer geschrieben, wenn es mir schlecht ging. Inzwischen geht es mir wirklich gut. Das ist fast ein bisschen unheimlich, so kenne ich mich nicht. Vor allem war es wirklich wichtig meine alte Beziehung zu kappen. Ich muss wirklich eine Weile allein sein.
    Beinahe hätte ich vor ein paar Wochen den Fehler gemacht und mich auf was Neues eingelassen, habe aber relativ schnell gemerkt, dass es nicht geht. Ich will keine Kompromisse mehr eingehen, das habe ich viel zu lange gemacht. Die totale Ego-Nummer fühlt sich im Augenblick so richtig an, und nüchtern spüre ich mich dabei auch mal zur Abwechslung.


    Nur eine kurze Statusmeldung. Ich bin am Start.

    Viele trockene Sonnentage!

    Zitat von espoir

    Er versuchte das allen Ernstes mit dem gesellschaftlichen Umfeld seines Jahrgangs zu erklären...


    Ich weiß ja nicht wen Du meinst, aber falls Du mich meinst, hast Du definitiv was missverstanden. Und Deine verzerrte Darstellung hier zeigt nur, dass Du den Tread nicht bis zum Ende gelesen hast: https://beispiel.rocks/beispiel.rocks…topic16395.html

    Sorry für's Offtopic, aber ich halte nichts von vorschnellen Urteilen. Oberflächlichkeit ist auch eine Form von Arroganz.


    Alles Gute Zhig!

    Ich glaube nicht, dass hier der Jahrgang als Ausrede für was auch immer in Betracht gezogen werden könnte.

    Und klar gab es multitoxische Konsumenten schon immer. Aber mit der Karriere der hedonistischen Clubkultur seit den 70-ern haben sich auch typische, mit ihr in Verbindung stehende Drogenkarrieren ausgeprägt. Kennzeichen ist einerseits der riskante Konsum von verschiedenen Drogen gleichzeitig und andererseits die normalerweise gute gesellschaftliche Integration der Konsumenten. Es geht nicht mehr ums Aussteigen in eine Alternativkultur, wie vielleicht noch in den 60-ern oder 70-ern. Es geht um die Teilnahme an einer modernen Leistungsgesellschaft, die nur an die Überholspur glaubt. Insofern passt Alkohol da auch prima rein, denn das ist mal die mit Abstand akzeptierteste und integrierteste Droge, die wir in Europa kennen. Nicht Ecstasy & Co. sind die Basisdroge der deutschen Clubkultur, sondern Alkohol.

    Nein, das ist keine Ausrede. Für niemanden. Die Frage der Verantwortung bleibt von so einer kulturhistorischen Betrachtung völlig unberührt.

    Trotzdem kann man feststellen, dass es einen Typ Süchtigen gibt, der in den 90-ern mit Vodka-Redbull aufgewachsen ist und der zumindest eine Phase hatte, in der der Clubbesuch am Wochenende die einzig relevante Konstante darstellte. Und dieser Lifestyle bringt halt auch typische Konsumerfahrungen hervor. Genauso wie es auch typische Erfahrungen von Leuten gibt, die in der DDR großgeworden sind, oder Menschen, die in einem bestimmten Bereich arbeiten.

    Wie auch immer. Während des Ausstiegs muss trotzdem jeder für sich klären, welche Konsequenzen und Lehren er aus seinen Erfahrungen ziehen will. Und wie dieses Forum zeigt, sind vor allem die Parallelen der Suchtstruktur frappierend, ganz unabhägig davon in welchem sozialen Kontext eine individuelle Suchtbiographie herngewachsen ist. Insofern will ich mich hier auch nicht weiter theoretisieren, damit ist niemandem geholfen. Es soll ja hier um uns als Person gehen.


    Einen schönen Abend allerseits!

    Also, die Psychotherapie hat mir einfach geholfen am Ball zu bleiben. Denn wie Du bestimmt schonmal gelesen hast: allein das/die suchtmittel weglassen, reicht nicht. Es geht darum für sich selber neue Wege zu entdecken, neue Perspektiven zu erschließen und die Vergangenheit mit den Drogen dabei nicht zu vermissen.

    Für mich hatten Drogen immer die Funktion auf Knopfdruck effizient abschalten zu können. Ich habe mir zuviel zugemutet und mich dann regelmäßig am Wochenende betäubt, um wenigstens mal 48 Stunden das Rattern im Kopf abzustellen. Als ich das nicht mehr konnt, war mein Leben auf einmal furchtbar anstrengend, und ich musste lernen meine Grenzen rechtzeitig zu erkennen und Stress auf normale Art und Weise abzubauen. Für mich hat das das Umkrempeln daher bedeutet: sich Abende frei halten und auch mal nichts machen, regelmäßig Sport machen, mal einen längeren Urlaub nehmen und in letzter Konsequenz musste ich mich auch von meiner Freundin trennen, die partout nicht verstanden hat, dass ich nicht mehr der wildfeiernde Haudrauf sein wollte, als den sie mich kennengelernt hatte. Außerdem mache ich grade endlich meinen Motorradführerschein, und hoffe, das ich im Sommer schon meine erste Motorradreise machen kann, wovon ich geträumt habe seit ich 16 bin.

    Aber das ist für jeden anders. Viele müssen sich auch von großen Teilen ihres Umfelds trennen, oder zumindest von den alten Sauf-/Drogenfreunden. Das kann sehr schwer fallen, besonders wenn man mit ihnen sein halbes oder auch ganzes Leben verbracht hat. Sicher ist nur eins: Veränderungen sind nötig, sonst holt einen das Suchtgedächtnis früher oder später ein. Das kann nach ein paar Wochen sein, aber auch nach ein paar Monaten oder Jahren.

    Eine Psychotherapie ist sicher nicht für jeden das Richtige. Mir hat es geholfen, und ich denke es kann eigentlich niemandem schaden. Ich habe es als großes Privileg empfunden. Wichtig ist nur, dass Du Dich mit Dir selber auseinandersetzt, in einer Selbsthilfegruppe oder auch hier im Forum. Schreib Tagebuch oder sonstwas. Aber überleg mal, was Du wirklich willst. Wo willst Du hin? Was willst Du erreichen? Träume sind für mich ein starker Antrieb, und wenn Du es schaffst Deine Bedürfnisse zu erkennen und Deine Träume zu verwirkichen, brauchst Du auch keine Fluchtmittel. Das gute daran, wenn man in unserem Alter den Ausstieg schafft ist doch, dass man echt noch fast das ganze Leben vor sich hat. Du kannst noch ALLES machen... was Du willst. Es ist eine Riesenchance!

    Du hast angedeutet, dass Deine Jugend nicht so richtig rosisg verlaufen ist. Ich denke, dass es sich ganz bestimmt lohnen würde sich auch damit nochmal zu befassen, was Du früher mit den Drogen vergessen wolltest. Auch für sowas ist eine Therapie eine gute Gelegenheit. Sprich doch mal mit Deiner Ärztin darüber, sie kann Dir ganz sicher Empfehlungen mache, welche Möglichkeiten es gibt um auch langfristig ein drogenfreies und lebenswertes Leben zu erreichen.


    Viele Grüße und alles Gute!

    Hi Max,

    die meisten Stationen Deiner Suchtgeschichte kenne ich auch. Ist wohl recht typisch, steht ja auch in jedem Lehrbuch und so. :twisted:
    Bei mir gings auch früh los, mit 14: rauchen, trinken, kiffen. Dann mit 17 der Rest: Psilos, Pillen, Pep, Ketamin. Etwas später dann Koks.

    Ich denke meine Hochphase war so mit 21-24 Jahre. Danach habe ich eins nach dem anderen abgebaut. Sogar Zigaretten. Am Ende blieb noch der Alk, und sehr selten Koks. Vor etwa einem Jahr, mit 29, habe ich dann beschlossen, dass ich damit auf Dauer nicht weiterkomme und bin seitdem komplett clean.

    Ich habe eine Psychotherapie gemacht, was mir auch sehr geholfen hat. Gerade am Anfang. Denn für mich war es zwar nicht so schwierig ein paar Wochen clean zu sein, aber als es dann an die Monate ging, habe ich auf einmal gemerkt, wie sehr ich alles umkrempeln muss, um ohne Substanzen mein Glück zu finden. Ich habe die wöchentliche Sitzung mit dem Psycho als sehr angenehm empfunden und kann es nur jedem empfehlen. Hast Du schonmal darüber nachgedacht, Dir professionelle Betreuung zur Ergänzung zu holen?

    Was ich damit nur sagen will: Du bist damit nicht allein, und es gibt einige, die erfolgreich den Ausstieg schaffen. Und Du kannst das auch!


    Alles Gute erstmal..