Hallo achelias,
ich denke nicht, das es Dir an Empathie fehlt. Das mal vorweg. Ich denke vielmehr, jeder macht auf seine Art einen gewissen Prozess durch. Ich stand dem Thema oder besser meinem nassen Alkoholiker vor wenigen Monaten auch noch ganz anders gegenüber. Ich klebte förmlich an der Hoffnung, irgendwann wird alles gut werden und wir glücklich. Ich habe vieles relativiert und Verständnis aufgebracht, war er doch der arme Kranke. Ich wollte die Sucht verstehen, um ihn zu verstehen. Aber war oder ist das wirklich Aufgabe des Nicht-Süchtigen? Ich denke, das habe ich für mich falsch verstanden, unwissend, was da eigentlich wirklich auf mich zu rollte. Vllt auch weil er einsichtig war, bereits vor unserer Zeit eine LZT hinter sich hatte etc. Wobei ich auch hier mittlerweile so meine Zweifel habe, ob dies der Wahrheit entspricht, aber gut. Bisschen Werkzeug-Koffer / Bausteine waren da zwischenzeitlich vorhanden.
Man wird auch derart vernebelt und eingelullt. Zumindest beherrschte meiner das erstklassig. Ich habe vertraut, glauben wollen und die Hoffnung nicht aufgeben. Zusehend wie dieser Mensch sich von Suff zu Suff mehr und mehr zu einer narzisstischen Persönlichkeit entwickelte. Und auch hier ist meine Sicht jetzt eine etwas andere…ich glaube, wenn sich derartige Züge im Suff zeigen, sind die in dir verborgen, auch ohne Sucht. Und meine Erfahrung ist, auch wenn er abstinent lebt, irgendwann trocken sein sollte, er wird nicht mehr der, der er mal war bzw den ich glaubte zu kennen.
Ich weiß nicht, ob es zum trockenen Leben dazugehört oder auch wichtig ist, sich der Vergangenheit und der Wahrheit zu stellen, ehrlich mit sich selbst zu sein, sich für Gesagtes und Getanes bei den Menschen zu entschuldigen, sofern sie es überhaupt noch zu lassen. Mir kommt da der Gedanke „Frieden mit der Vergangenheit schließen“, um mit weniger Schuldgefühl ins „neue“ Leben gehen zu können.
Er hat seine Ego-Tankstelle, seine perfekte Co. Jetzt erst begreife ich, wieso die mich und die Beziehung nie ernst genommen hat. Für sie hat er sich zusammengerissen etc. Heute blicke ich das alles, aber es hat echt seine Zeit gebraucht die Hoffnung und die Illusion los zu lassen.
Ich bin kein Opfertyp, war ich nie, mich macht das fuchsig. Ich bemitleide mich auch nicht selbst. (Ok, selten), mich interessiert schon, welches meine Anteile daran waren dieser regelrechten Verkümmerung und Demütigung gefolgt zu sein und mich nicht habe trennen können. Das ist MEIN Anteil. Es gibt immer einen der macht und einen der machen lässt. Da muss man hinschauen. Wieso können Grenzen so übergangen werden, woran genau hält man fest etc… das ist wie o.g. ein ganz individueller Prozess, der möglicherweise für die Seite des Alkoholikers ebenso schwer nachvollziehbar ist wie für einen Angehörigen die Sucht.
Wie man deutlich erkennt, sind Ausnahmefälle in denen eine Beziehung standhält eine arge Seltenheit. Jeder wünscht sich ein solcher Ausnahmefall zu sein…
Ich bin noch immer am Wunden lecken, habe oft noch fassungslose Momente, sehe die Tatsachen aber so viel klarer und auch die gesamte Beziehung. Eine Beziehung mit einem nassen Alkoholiker hat mit Liebe nichts mehr zu tun. Meine Erkenntnis. Das anzunehmen tut unwahrscheinlich weh.