P.S. ich tu mir halt so schwer, zu verstehen/anzunehmen, dass Menschen so sein können, weil ich in meinem Wesen einfach gutmütig (naiv) bin und nur das Beste v. Menschen - in erster Linie - annehme. Das war ich aber auch schon vor ihm und bin noch nie so derartig bei einem Menschen eingefahren.
Liebe Anita,
ich habe deinen letzten Ausführungen wiederholt gelesen und finde dich keineswegs „naiv“, das ist Kleinmacherei - muss nicht sein - ich halte viel von dir.
Ich war hin und her gerissen, ob und wenn ja, wie ich dir antworten soll, es ist nicht so einfach. Deine Art sowie Aussagen scheinen mir in unliebsamer Weise vertraut; ein Déjà-vu. Um dies zu erklären, muss ich etwas ausholen und anhand einiger meiner Erinnerungen aufzeigen, wieso ich glaube, dass man nicht einfach so ist wie man ist - man wird auch ein Stück weit zu etwas gemacht - dem man wie du, nicht einfach so entfliehen kann.
Du hast etwas von meiner 5 Jahre älteren Schwester, die kaum 13 Jahre alt, mich häufig im Schlepptau hatte. Zu Beginn musste sie auf mich aufpassen, aber schon bald wurden unsere Rollen getauscht.
Einem Nachtschattengewächs gleich, mangelte es ihr schon früh an einem guten Platz und genügend Beachtung innerhalb der Familie und so suchte sie außerhalb. Ihr angehängt, bekam ich ihre ersten Gehversuche bezüglich Freundschaften und Liebe mit, die geprägt waren von Hoffnungen, Gemeinheiten, Scham, Tränen und wortlosem Schmerz. Ratlos neben ihr, erschreckten mich all die Grausamkeiten unter dem Etikett „Freundschaft und Liebe“.
Im Kreis ihrer Freundinnen wurde zu dieser Zeit regelmäßig der „Marktwert“ jeder Einzelnen gehandelt und da hatte meine Schwester schlechte Karten. Nicht dass sie etwa hässlich oder sonst wie unmöglich gewesen wäre; nein - sie war einfach ungesund „schlank“ und hatte Sehnsucht nach Liebe und Zugehörigkeit. Diese Kombination machte sie regelmäßig zum Gespött und Spielball. Ihr Selbstwertgefühl blieb mit jeder Gemeinheit und jedem Bruch mehr und mehr auf der Strecke. So wunderte es nicht, dass sie erst jemand länger für sich gewinnen konnte, der selbst ein Rucksack voller Probleme mit sich herumschleppte.
Da hatten sich nun zwei Abhängige gefunden; er u.a. süchtig nach Alkohol, sie nach Geborgenheit und aufrichtiger Liebe. Das konnte auf Dauer nicht gut gehen und wenn das Ganze mit allen „ups and downs“ und wiederholtem Kommen und Gehen auch keine zehn Jahre dauerte, ging es viel zu lange - das Ende war abrupt, schrecklich und endgültig.
Meine Schwester hat damals, trotz aller unübersehbaren Alarmzeichen und im Widerspruch zu ihrem eigenen Verstand, den rechtzeitigen Absprung nicht geschafft - das hat sie letztendlich für immer kaputt gemacht.
Dir Anita traue ich den Absprung zu, du scheinst dich soweit aufgerappelt zu haben, dass es dir gelingen könnte;
ich würde es dir soooo wünschen - Ste