Moin, mein Name ist Donnie, ich bin
Anfang 30, seit ca. 15 Jahren Wochenend- / Rauschtrinker und seit nun
gut 4 Wochen clean.
Erstmal ein kleiner
Abriss zu meiner Trink-Historie.
Ich weiß ehrlich gesagt nicht mal
mehr, wann ich begann zu trinken. Meine Großeltern (schwere
Alkoholiker) schenkten mir bereits als pubertierendes Kind Sahne- und
Kräuterlikör. Ich war als Kind Musterschüler und sehr dick, somit
das perfekte Mobbing Opfer. Ich habe mich dann in virtuelle Welten
zurückgezogen (PC Spiele, Online Voice Chats) und währenddessen die
„Geschenke“ getrunken. Mit fortschreitendem Alter entwickelte
sich hieraus ein Rhythmus. Jedes Wochenende wurde exzessiv PC
gezockt, Musik gehört, online mit Leuten gequatscht, nie ohne
Alkohol. Das machte mit Alkohol alles eh mehr Spaß, zumindest dachte
das mein einfaches Gemüt. Meine Schulleistungen haben nie gelitten,
ich habe alles problemlos geschafft, und die Leute fanden mich online
angetrunken eh viel witziger. Bestätigung von allen Seiten.
Nach meinem Gymnasialabschluss mit ca. 20 Jahren war ich ca. 2-3 Monate arbeitslos, zwischen
Schulende und Ausbildungsbeginn.
In diesen 3 Monaten trank und zockte
ich jeden Tag. Irgendwann war ich so resistent, dass ich 2 Flaschen
Kräuterlikör (35%) und diverse Bier trank, bevor ich zu K.O. zum
Spielen war und einschlief.
Ich war naiv - ich habe vor
Ausbildungsbeginn dann aus Pflichtbewusstsein einfach das Trinken
eingestellt. Das ging natürlich mit ziemlich krassen
Entzugserscheinungen einher. Halluzinationen, Psychosen und vieles
mehr, an das ich mich zum Glück nicht wirklich entsinnen kann. Habe
die Tage meiner Erinnerung nach nur im Bett verbracht. Viel weiß ich
nicht mehr.
In der Ausbildungszeit habe ich das
Trinken dann wieder auf das Wochenende & Feiertage beschränkt.
In der Woche war ich immer Clean.
Das ganze lief nach der Ausbildung so
weiter. Ich lernte meine Frau kennen – die ich gewissermaßen damit
leider auch noch ansteckte. Sie trank nun auch jedes Wochenende mit
mir, spielte mit, hörte mit Musik. Wir gingen regelmäßig in Clubs,
hatten über die Jahre viele viele Partys, viele Abstürze. Wir
hatten unserer Meinung nach immer eine gute Zeit, immer Spaß, keine
Probleme.
„Leider“ hatte mein Trinkverhalten
fast nie negative Konsequenzen. Ich bin exzellent in meinem Job, habe in meinem relativ jungen Alter sehr gute Aussichten auf gute
Positionen und bereits ein überdurchschnittlich gutes Gehalt. Ich
habe viele Freunde, die meinen Konsum nie in Frage gestellt haben.
Warum auch, ich war mit Alkohol nur lustiger und offener, nie
aggressiv. Im Freundeskreis gilt Alkohol generell nicht als Problem,
fast jeder trinkt mal. Ich habe keine körperlichen Probleme, mache
viel Sport in der Woche (am Wochenende logischerweise nicht) und habe
den Wechsel vom Wochenendmodus zur Woche eigentlich immer ohne
Probleme hinbekommen. Nie einen Hangover, nie körperliche Probleme,
Blutwerte Top, sehr selten krank. Was sollte schon passieren. Es lief
alles perfekt, und die Wochenenden machten in meinem Kopf Spaß. Ich
sprach häufig sogar davon, dass der Alkohol mein Wundermittel ist,
mich fit und gesund hält.
Bis vor ca. 2
Monaten...
Nach zwei durchzechten Urlaubswochen
mit Alkohol alle 2 Tage hatte ich plötzlich Dinge, die ich noch nie
festgestellt habe. Ich bekam meine erste Panikattacke durch ein
leichtes Ziehen in der Brust im Herzbereich. Ich kenne viele Menschen
die nach langjährigem Alkoholkonsum schwer erkrankt oder verstorben
sind, unsere Familien- und Freundeskreis hat eine sehr lange
Geschichte was das angeht. Unterbewusst hatte ich schon immer Angst,
dass mich der Konsum irgendwann in irgendeiner Art beeinflussen kann.
Nun, die folgenden Tage wurden diese
Panikattacken immer schlimmer. Ich fuhr schließlich um 23 Uhr mit
dem Krankenwagen in die Notaufnahme, da ich vor Panik kaum noch Atmen
konnte. Hier wurde festgestellt, das mein Herz, meine Lunge und alles
andere in dem Bereich topfit sind. Die Ärzte meinten, die Schmerzen
kamen durch Muskelkontraktionen da ich sehr viel Sport im Arm- &
Brustbereich mache. Klingt logisch.
Leider hielt diese Beruhigung nicht
lange an, die nächste Woche hatte ich immer wieder Panikattacken,
und schließlich schmerzen im Bauchbereich. Auch hier ging ich wieder
in die Notaufnahme um eine Blinddarmerkrankung auszuschließen. Auch
Magen, Darm und alles drum rum topfit. Auch hier, vermutlich
Muskelkontraktionen durch Bauchmuskeltraining.
Die Wochenenden trank ich wieder, um
meine Nerven zu beruhigen. Das klappte so semi gut, aber nicht mehr
wie vorher. Ich merkte, dass ich nicht mehr schlafen konnte wie
vorher. Ich hatte immer ein „erholsames Koma“, d.h. Ich konnte
lange schlafen und fühlte mich dann halbwegs fitt. Jetzt nicht mehr,
ich war nach 6 Stunden wach und hatte die Nervosität und alles
wieder in mir.
Die Tage waren psychisch die Hölle.
Ich dachte ich werde verrückt. Ich hatte wirklich schlimme Gedanken
(Personen die ich liebe verletzen, Suizid, komische Halluzinationen, alles mit
dabei). Ich probierte diverse pflanzliche Sachen zur Beruhigung, übte
Meditation und lies Bücher zum Thema Panik und Angst. Erst dadurch
reflektierte ich, was die Ursache sein könnte.
Verrückt, dass ich jetzt erst an den
Alkohol dachte. Aber ich war ja meist nüchtern, warum sollte es am
Alkohol liegen?
Nun, ich entschloss folglich, jeden
Alkoholkonsum sofort zu beenden und Abstinent zu leben. Da ich
lediglich Rauschtrinker war, hielt sich der körperliche Entzug in
Grenzen.
Ich las viel, wie sich Körper und
Gehirn erholen können, und wie lange dies i.d.R. dauert. Beim Gehirn
kann dies eine ganze Weile dauern, und so hatte ich auch nach 2
Wochen noch teilweise komische Gedanken und leichte Angstzustände.
Aber bei weitem nicht so stark wie vorher.
Nun bin ich 4 Wochen clean und mir geht
es körperlich Top.
Ich kann wieder gut schlafen, die Jahre
zuvor hatte ich immer Schlafstörungen.
Meinem Magen geht es besser, ich hatte
die Jahre immer Verdauungsprobleme.
Auch vom Kopf her geht es mir besser,
aber natürlich noch nicht ideal.
Ich habe mir sofort einen
Psychotherapeuten für Verhaltenstherapie gesucht. Der nahm zum Glück
gerade auf und ich konnte sofort hin.
Nun kommen so langsam die typischen
(depressiven) Vierstimmungszustände. Ich muss das Leben neu lernen,
muss wieder echte Liebe zu meinen Interessen finden, und neue Ziele
im Leben definieren. Ich habe 15 Jahre nur auf das Wochenende hin
gearbeitet, um mich wegzuschießen und die Spiele, die Musik und die
Freunde und Aktivitäten die ich eigentlich mal liebte zu belanglosen
Nebentätigkeiten zum Trinken zu degradieren.
Ich habe einen tollen Job, den ich mag.
Ich habe eine tolle Ehefrau, die nun ebenfalls den Weg mit mir geht.
Ich habe viele Interessen, die mir auch nüchtern Spaß machen, die
ich aber leider aufgrund der Jahre sehr stark mit Alkohol verbinde.
Diese Verbindung gedanklich aufzutrennen wird Zeit brauchen. Trotzdem
habe ich keine Angst rückfällig zu werden. Ich bin extrem
willensstark und konnte schon immer Dinge durchziehen, wenn ich das
wirklich wollte bzw. es notwendig war, z.B. hat es irgendwann „klick“
gemacht, und ich bin von 120KG (als Kind) durch konsequente
Ernährungsumstellung & Sport auf mein Idealgewicht (65KG)
geschrumpft. Ich denke durch die Erfahrungen der letzten Wochen und
Monate hat auch hier ein „klick“-Effekt eingesetzt.
Warum schreibe ich hier?
Nun, erst einmal weil mir genau das
geholfen hat, als ich ganz unten war. Zu lesen, dass es Menschen
gibt, die ähnliche Symptome hatten und ich nicht verrückt werde,
sondern dies Konsequenzen jahrelangen Alkoholmissbrauchs sein können.
Dass auch Angstzustände, Halluzinationen und die absurdesten
Gedanken Konsequenzen sein können. Dass sich das Gehirn verändert
hat, aber auch den Alkohol wieder „verlernen“ kann, und echte
Freude und Glück irgendwann wieder empfinden kann (was aber wohl
leider viel Zeit braucht).
Zum Anderen möchte ich mich
austauschen. Für mich ist das ein neuer Lebensabschnitt und ich muss
vieles neu lernen. Jede Erfahrung und jeder Ratschlag hilft mir. Und
auch das schreiben selbst hilft mir, die Situation zu verstehen und
zu verarbeiten.
Und ich kenne leider auch viele
Menschen, die denken jedes Wochenende „Party“ zu machen und zu
trinken sei kein Problem.
In diesem Sinne abschließend...
Lasst es nicht so weit kommen. Nehmt
Auszeiten. Versucht ohne Alkohol Spaß zu haben. Erkennt, dass wenn
ihr erst mal zwei Bier auf ex ziehen müsst, der „Spaß“ den ihr den Abend empfindet vielleicht doch kein „Spaß“ ist, sondern nur ein
Suchtmechanismus.
Zieht frühzeitig die Reißleine. Ich
hoffe, bei mir war es auch noch frühzeitig genug, und mein Körper &
Gehirn haben mir metaphorisch nur eine Warnung ausgesprochen.
Danke fürs Lesen und LG.