Hallo Maria, hallo Karsten, hallo Matthias!
Karsten, da hast Du schon recht: Ich bin kein Langzeittrockener. Leider.
Allerdings: ich hatte schon mal eine fast einjährige Trockenphase nach meiner stationären Therapie. Das soll jetzt nicht als Rechtfertigung dienen, aber aufzeigen, dass ich jetzt nicht ganz neu mit dem Thema konfrontiert werde.
Matthias, ja so sehe ich es auch. Interessant finde ich, dass ich hier das erste Mal in der Art und Weise auf das Thema "trockenes oder trinkendes Umfeld" hingewiesen werde. In der stationären Therapie wurde sogar bewusst Wert darauf gelegt, zu lernen, wie man sich unter "Trinkenden" auch ohne Alkohol wohl fühlt. Sogar eine Kneipe/Restaurant zu besuchen, war Teil der Therapie.
Maria, das ist jetzt schwer zu sagen:
Auch ich habe mich vor meiner stationären Therapie 2005 so gefühlt.
Hm, ich hätte Dir geraten, erstmal einen Arzt aufzusuchen, dann einen überwachten Entzug zu machen und dann mit den entsprechenden Fachpersonen das weitere Vorgehen zu besprechen. Stationäre Therapie oder ambulant? Und ganz wichtig: Psychotherapie! Ich weiss, dass es sehr viele "schlechte" Therapeuten gibt. Aber wenn Du den Richtigen (ich schreibe hier zur Vereinfachung einfach in männlicher Form, ok?) gefunden hast, dann kann das Gold wert sein. Es würde dann darum gehen, den tieferen Grund Deines Suchttrinkens herauszufinden. Und damit ist automatisch eine Veränderung des Verhaltens, evtl. der Lebensstruktur etc. notwendig.
Dann hätte ich Dir geraten, auf jeden Fall ein alk-freies Zuhause zu schaffen. Auch keine Kompromisse mit dem Partner, wenn er zuhause trinken will.
Weiters hätte ich Dir geraten, Menschen und Situationen zu meiden, die dich unweigerlich ans Saufen erinnern. Also wenn Du gesellschaftlich schon etwas "abgerutscht" wärst und mit Menschen aus "niedereren sozialen Schichten" getrunken hättest (und Dich nur des Saufens wegen mit diesen Menschen abgegeben hättest), hätte ich Dir geraten, diese Kontakte zu meiden.
Auch von Feiern, bei denen Du ein ungutes Gefühl gehabt hättest, weil dort Menschen Alkohol trinken, hätte ich Dir abgeraten. Wenn Du ein gutes und sicheres Gefühl gehabt hättest, hätte ich Dir nicht abgeraten.
Und dann hätte ich Dir geraten, Deine Ernährung (die ja meistens bei Alkoholkranken nicht gerade die gesündeste ist) umzustellen, Dir alk-freie Lieblingsgetränke zu suchen, ein Hobby, etwas Sport, etc.
Und vor allem: Step by Step. Ein Schritt nach dem Anderen.
Reale SHG oder virtuelle? Das ist dann jedem seine eigene Sache.
Tja, was gibt es noch? Hm, die Lebensmittel: Da hätte ich Dir geraten, genauer hinzusehen. Also Schwarzwäldertorte, Rumkuglen, Likör-Pralinen, "alkoholfreies" Bier, etc. – das versteht sich von selbst, denke ich. Ich würde jetzt nicht hinter jedem Stück Brot oder Käse gleich den Rückfallteufel sehen. Aber aufpassen! (Fertigkuchen, Eis, Desserts im allgemeinen, Saucen, usw.)
Dann die Sache mit dem Outing. Ich hätte Dir geraten, vorerst den engsten Kreis einzuweihen. Auch der direkte Vorgesetzte und vielleicht die unmittelbaren Arbeitskollegen. Aber jetzt nicht mit einem "Ich bin Alkoholikerin"-Schild durch die Strassen laufen, und jeden missionieren wollen.
Und dann: Stärken stärken und Schwächen schwächen!
Ich hätte Dir geraten, Deine Trockenheit mit all den daraus verbundenen Umstellungen genau im Auge zu behalten und daran zu arbeiten. Gefühle, negative wie positive, nüchtern und klar auszuhalten. Aber ich hätte Dir auch geraten, nicht alle Deine Energie und Dein Streben auf Deine Krankheit zu richten, sondern auf Deine positiven Eigenschaften. Denn Maria ist in erster Linie ein wertvoller Mensch. Und nicht in erster Linie Alkoholikerin. Du verstehst, was ich meine?
Und im Übrigen: Mit einem guten Therapeuten (die meisten werden das kennen: Sitzungen über 50 Minuten, kann auch wirklich einige Zeit beanspruchen, also einige Sitzungen, beanspruchen), durch den Austausch mit Betroffenen, durch Reden, durch Zuhören, durch Fühlen, durch Sensibillität (und die Eigenschaft haben die meisten Suchtkranken oft sogar zu stark) wirst Du merken, in welche Richtung es sich bewegt. Wichtig nur: Saufen bringt nichts.
So, das ist mir jetzt so auf die Schnelle eingefallen.
Liebe Grüße,
EinNeuer