Mache jetzt einen Neuanfang

  • Hallo Pauli,

    Respekt nochmal, Du ziehst Dein Ding ja wirklich konsequent weiter durch. Klasse. Was macht eigentlich Dein Saufdruck?
    Dein Erlebnis in der Gruppe sollte Dich nicht schrecken. Hauptsache ist, dass Du überhaupt mal persönlich in eine SHG gegangen bist und Dich zu Deiner Krankheit bekannt hast. Ich denke, dass dies auch für Dich ein anderes Gefühl war als hier so ein Geständnis in die Tasten zu klopfen, oder? Wie hast Du denn die Reaktionen empfunden? Bei den nächsten Besuchen wirst Du vermutlich kennen lernen, dass Du Dich selber einbringen musst, wenn Du möchtest, dass Dein Problem Gegenstand der Unterhaltung/Besprechung sein soll. Ansonsten ist es durchaus üblich, den Neuen erst einmal ankommen und sich eingewöhnen zu lassen. Es soll ja schließlich gerade nicht die allseits befürchtete "Vernehmung" und die "Blosstellung" des neuen Gruppenmitglieds stattfinden. Dass in so einer Gruppe auch mal über Brieftaubenzucht, Urlaubserlebnisse oder andere Dinge geplaudert wird, ist normal, solange keine akuten Probleme vorgebracht werden. Ich persönlich fühle mich in solchen Gruppen aber nicht wohl, sondern suche mir heute - nachdem ich ja einige ausprobiert habe - die kleine Gruppe, in der neben den akuten persönlichen Problemen der Teilnehmer auch fachliche Themen aus dem Bereich der Suchterkrankungen diskutiert werden.
    Aber in allen Gruppen - hier im Forum genau wie draußen - gilt, dass die Mitglieder/Teilnehmer selbst das Wesen der Gruppe gestalten!
    Wenn Du Dich daran gewöhnt hast, auch im Umgang mit anderen Menschen wirklich offen mit Deiner Krankheit umzugehen, ist es sicherlich eine Überlegung wert, die 1,5 Stunden SHG + Fahrzeit und -kosten lieber hier im Forum zu verbringen.

    Wie fühlst Du Dich gerade?
    Halt uns weiter auf dem Laufenden

    Gruß Michael

  • Hallo Michael, Sabine, Stellina und alle anderen,

    jetzt, mit einem Tag Abstand sehe ich den ersten Abend in der SHG nicht mehr gar so grau. Nach meiner Vorstellung haben wir schon über meine Situation gesprochen, vielleicht hätte ich das Thema auch selber mehr "treiben" sollen, aber es war das erste Mal, dass ich mit Fremden darüber gesprochen habe... Werde auf alle Fälle wenigstens eine zeitlang bei dieser Gruppe bleiben, wird sich schon entwickeln.

    Saufdruck habe ich eigentlich nicht - es gibt immer wieder Situationen, wo mir Erinnerungsfetzen durch's Hirn schießen, die mich in der Vergangenheit in den entsprechenden Umständen beim Saufen zeigen. Bis jetzt habe ich keine Probleme, das zu überwinden - hoffe, das Unterbewusstsein gibt irgendwann auf und lässt mich damit in Frieden.

    Mit meiner Frau herrscht "Waffenstillstand" - ich habe mich entschlossen, ihr Zeit zu geben, sich mit dem Gedanken zu arrangieren, dass ich Alkoholiker bin. Was soll ich auch sonst tun? Es wird in nächster Zeit mehrere Gelegenheiten geben, in denen ihr auffallen wird, dass ich konsequent nichts trinke und vielleicht kommt sie dann selber auf mich zu. Sie gibt sich im Alltag normal - allerdings spüre ich schon, dass sie nachdenkt. Wird schon werden....

    Ich fühle mich heute wirklich gut - am Morgen war ich nicht so gut drauf: hatte nur 6 Stunden geschlafen, weil ich für den Verein bis nach Mitternacht nach einer Versammlung augeräumt habe. Dann habe ich den Garten wieder in Angriff genommen, war mit meinem Vater im Wald (ja, wir haben selber Wald) - so dass ich jetzt recht müde aber auch zufrieden bin. Sollte noch was am PC machen, das hebe ich mir aber für morgen auf.

    Danke für Euren Zuspruch - es ist immer gut, zu wissen, dass man nicht allein ist!!

    Gruß
    Pauli.

  • N´Abend Pauli

    Ich freue mich, dass Du Dich meldest und weiter berichtest wie es Dir ergeht. Und wenn der Tagesbericht dann noch so positiv ausfällt - jedenfalls habe ich den Eindruck beim Lesen - dann können wir ja locker gemeinsam mit Dir entspannen.

    Wald und Garten sind die richtigen Stichworte. Wenn ich mich im Wald aufhalte, fühle ich mich im Nu dem Ursprung unseres Daseins unheimlich nah. Es ist vollkommen egal, ob ich dort allein bin oder mit meiner Frau, und es ist auch egal zu welcher Jahreszeit es ist, die Gedanken fließen ganz anders. Seit ich trocken bin und auch an einer anderen Einstellung zu den Begriffen Leistung, Erfolg und Zufriedenheit arbeite, kann ich dort wunderschöne Momente erleben. Aber der Wald hilft mir auch, wenn ich den Kopf mal wieder frei bekommen will von negativen Gedanken oder aufwühlenden Gefühlen. Dann nehme ich meine Stöcke, den Rucksack und praktiziere mal eine Stunde Nordic-Power-Walking. Und wenn mir dann mitten im Wald mal ein Schrei auskommt, dann kann ich anschließend richtig über mich lachen und alles im Kopf neu sortieren.
    Aber ich nehme an, dass Du mit Deinem Vater zum Arbeiten im Wald warst. Da gab es vermutlich keine Zeit zum Träumen - dafür aber für "Männergespräche" und Energieabbau, oder?
    Wie ist eigentlich Dein Verhältnis zu Deinem Vater?

    Den Waffenstillstand mit Deiner Frau finde ich auch o.k. Du kannst ihr ja im Augenblick ihre Angst auch nicht nehmen, weil Du selbst noch zu wenig weißt; aber eines geht mir schon noch im Kopf rum: Die von ihr angesprochene "Bedeutung für die Familie und Eure Existenz", weil ich dieses Denken in den letzten Tagen öfter hier im Forum wahrgenommen habe:
    Es kann doch niemand, der bei vollem Verstand ist, ernsthaft annehmen, dass es besser ist, weiter zu saufen als abstinent zu werden. Oder anders herum:
    Warum haben wir alle, egal ob Alki oder Co, eine solche Angst vor dem Trockenlegen? Wieso bereite ich damit dem Partner Kummer? Wofür muss ich mich da schämen? - Ich hatte die Gedanken ja auch, nach dem Motto: Wie soll ich denn jetzt z.B. bei geselligen Anlässen oder beim Vereinsabend erklären, dass ich keinen Alkohol mehr trinke? Oh Gott was mögen da die Leute denken?
    Solche Gedanken habe ich mir vorher beim Saufen nicht gemacht. Und sowohl die berufliche als auch die familiäre Existenz waren zu der Zeit, als ich betrunken Auto fuhr, während des Dienstes Schnaps und Bier trank, zu Hause ständig Streit hatte oder müde war, und auch noch einen Großteil unseres Geldes für Alkoholika ausgab, bestimmt wesentlich mehr gefährdet als jetzt. Denke ich da alleine so falsch?
    Entschuldige, bitte; Du brauchst darauf nicht zu antworten; ich wollte nur mal meine Gedanken raus lassen.
    Du hast auch bezüglich Deiner Frau sicher die richtige Entscheidung getroffen, denn mehrere "Baustellen" parallel zu bearbeiten, wäre falsch. Der Schwerpunkt muss auf Deiner eigenen Trockenarbeit liegen.

    Wieso ist da jetzt so lang geworden? Ich wollte Dir doch nur einen harmonischen Abend und ein schönes Wochenende wünschen.

    Gruß Michael

  • Hi Michael,

    warum wir uns erst jetzt Gedanken machen, was andere von uns halten, was die Zukunft bringt, wie es weitergehen soll? Ob alles in die Binsen geht, liebe Menschen um uns herum sich von uns abwenden und das Leben, wie wir es glaubten zu kennen, zusammenbrechen könnte? Für mich: weil es mir voher unter Stoff, einfach sch***egal war und ich mich nun dafür schäme, was ich - vielleicht auch ohne dass es andere mitbekommen haben - versaut habe, wen ich in Gefahr gebracht oder beleidigt habe usw. Ich will jetzt alles richtig machen - ich ziehe nicht in Erwägung, ob es besser wäre, einfach weiter zu saufen, die Option gibt es überhaupt nicht! Ich will einfach alles richtig machen, damit alles für meine Familie und für mich gut wird! Auch meine Frau argumentiert nicht, dass ich doch bitteschön weiter trinken soll, nur damit sie ihre Ruhe hat - ihr ist einfach noch nicht klar, dass es da eine Sache gibt, die nicht ganz so ist, wie sie sie all die Jahre gesehen hat.

    Wald: ja, ich bin auch gerne im Wald, ich mag Bäume sehr. Meine Nachbarn werden schon immer ganz nervös, wenn ich im Frühjahr oder Herbst wieder irgendwo einen Baum im Garten pflanze ;) Den letzten habe ich letztes Jahr für meine zweite Tochter gesetzt - eine Scharlach-Eiche als Geburtsbaum. Der Baum für meine erste Tochter ist ein Tulpenbaum (keine Magnolie!). Mit meinem Vater war im Arbeitseinsatz - wir haben ein Käferfeld (Bereich, der durch Borkenkäfer zerstört wurde) wieder aufgeforstet. Die Große war auch dabei. Zu meinem Vater habe ich ein gutes Verhältnis - das war nicht immer so, vor allem so mit 17, 18 bis Mitte 20 sah ich nicht viele Gemeinsamkeiten, aber seitdem ist's immer besser geworden.

    So, jetzt bin ich gespannt, ob ich schlafen kann - seit ich kein Bier mehr trinke, schütte ich Unmengen an Spezi in mich rein. Was trinkt Ihr denn eigentlich alle so den ganzen Tag? Anfangs habe ich ziemlich viel Saftschorle getrunken, da ich aber gewohnt bin, nach körperlicher Arbeit schon mal zwei Liter "Flüssigkeit" am Stück wegzuhauen, ist das bzgl. meiner Verdauung nicht ganz optimal. OSaft-Schorle fällt in der Menge glatt unten wieder raus ;) Seit Ihr mehr oder weniger alle auf Wasser?

    Pauli.

  • Hallo Pauli,

    Ich hatte Dich schon bisher so verstanden, dass Deine Beweggründe für den Weg in die Abstinenz gut fundiert sind, und auch die Absicht, nun alles richtig zu machen, ist deutlich zu erkennen. Wie ich schon schrieb, war dieser Schwall an Gedanken auch gar nicht an Dich gerichtet, sondern musste mal raus - und da kamst Du mir gerade Recht, weil ich hoffte, dass Du es nachvollziehen könntest - hat ja auch prima geklappt.
    Danke dafür.

    Ja, mit dem Trinken... Ich treibe ziemlich viel Sport und der Haus-Ausbau ist auch mit körperlicher Anstrengung verbunden - sogar beim Rasenmähen krieg ich Durst. Und da hat sich so ein kohlensäurearmes Mineralwasser als wichtigster Begleiter erwiesen. Es ist darüber hinaus auch praktisch, weil es nichts ausmacht, wenn ich mir mal etwas übers Hemd kippe oder wenn der Verschluss in der Sporttasche nicht ganz dicht ist. Ich kann es auch zum Kühlen, Fleck entfernen usw. nehmen - einfach universal. Abends ist es dann regelmäßig ein Kräuter- oder Früchtetee, der mir anzeigt, dass ich die Drehzahl jetzt runter fahren kann. Und für den Geschmack (weil ich so gern Süßes mag) nehm ich auch mal ein Zero-Getränk, gegen aufkommende Naschanfälle nehme ich Obst- und Gemüsesäfte, Buttermilch oder Vollmilch.
    Mensch, beim Schreiben fällt mir erst auf, wie vielfältig doch mein Getränkeprogramm geworden ist. Dabei hab ich die zwei Kannen Kaffee am Tag noch gar icht erwähnt. Da lob ich mich gleich mal selber.

    Zum Einschlafen brauche ich nichts stoffliches. Da reichen mir meine positiven Gedanken und ein kurzes gedankliches Gespräch mit meinen Engeln, die wieder gut gearbeitet haben und mich jeden Tag aufs Neue zu einem glücklichen Menschen machen.

    Bleib dran, Pauli, aber vergiss nicht, auch mal zu entspannen

    Liebe Grüße
    Michael

  • Also das interessiert mich jetzt auch mal. Ich habe nämlich auch die Erfahrung gemacht, dass es eher negativ gesehen wird, wenn man keinen Alkohol trinkt und sich outet. Das allerdings nicht bei Leuten, die auch abstinent leben. Da kenne ich nur zu wenig von.
    Irgendwie wird man schon wie ein Aussätziger angeschaut, wenn man sich outet. Ist denn Alkohol so gesellschaftsfähig geworden? Bzw. so wichtig für Sozialkontakte??? Dass man jetzt als Nichttrinker schief angesehen wird?

    pauly

    Vielleicht hast du ja Gelegenheit, deine Frau mal mit zur Beratung oder zum Arzt zu nehmen?! Sie hat dich doch sicher auch immer mit zum Frauenarzt genommen, als sie schwanger war oder? ;-). Ich denke, das könnte helfen, über das Thema mal ganz offen zu sprechen und ihr auch ihre Ängste bzw. Unsicherheiten zu nehmen.

    Ich drück dir die Daumen, dass es klappt.

    Heike

  • Hallo Heike,

    das mit dem Arzttermin ist keine schlechte Idee, das werde ich mal probieren - nachdem sich bei ihr alles ein bischen gesetzt hat.

    Auch mir ist erst jetzt, da ich bewusst und dauerhaft nichts trinken will, augefallen, wie stark das gesellschaftliche Leben auf allen Ebenen mit Alkohol verbunden ist.

    Macht die Sache auch nicht leichter :-|

    Gruß
    Pauli.

  • Hallo Stellina,

    ich bin zwar erst seit vier Wochen trocken, aber ich handhabe das ähnlich wie du. Wenn es mir zu doof wird, verkrümele ich mich ;)

    Überall will ich mich auch nicht als Alkoholikerin outen. Da ist man dann die ganze Zeit am Rumdiskutieren und Erklären, und dazu hab ich jetzt noch keine Lust. Im engen Freundeskreis werde ich es aber tun, denn da hab ich auch Vertrauen und kann Verständnis erwarten.

    Heike

  • Zitat von Leseratte


    pauly

    Vielleicht hast du ja Gelegenheit, deine Frau mal mit zur Beratung oder zum Arzt zu nehmen?!

    Hallo Leseratte,

    ich habe gar keine Frau... :wink:

    Gruß

    pauly

    Es ist nicht leicht, das Glück in sich selbst zu finden,
    doch es ist unmöglich, es anderswo zu finden.

    Agnes Repplier

    Abstinent seit Oktober 2006

  • Hi Pauly,

    tja unsere beiden Nicks sind wohl einfach zu ähnlich. ;)

    Falls einer der Moderatoren hier mitliest: ist es möglich, den Benutzernamen nachträglich zu ändern und wird dann der neue Name bei den bereits bestehenden Beiträgen mitgeändert?

    @all: So, das Wochenende ist 'rum - heute habe ich HomeOffice, am Nachmittag bin ich dann mit der Großen allein. Morgen ist Gespräch mit dem Therapeuten.

    Die letzten Tage habe ich gut über die Bühne gebracht, am Sonntag waren ein paar Bekannte da - Alk war kein Thema, keiner hat was gemeint, warum ich nichts trinke (die anderen blieben auch bei alkfrei - war gar nicht anders möglich, weil nichts im Haus ist :) ). Das Wetter ist besch.... hier, ich wollte eigentlich den Garten am späten Nachmittag fertig machen, aber daraus wird nichts - Frost ist angesagt...

    Die nächsten Tage wird es im Job stressig, weil ich es die letzten Tage etwas schleifen hab lassen muss ich nun ein bischen aufholen. Dann kommt Ostern, da graut's mir schon davor, weil endlose Familienbesuche anstehen - teilweise wird da auch getrunken, fühle mich dabei ein wenig unsicher, was ich tun soll.... Ich weiß, ich sollte dem allem aus dem Weg gehen, aber so einfach ist es halt nicht immer. Wir werden sehen. Bei meiner Verwandtschaft ist Alk kein Problem, nur die Schwiegers werden wohl ein paar dümmliche Bemerkungen machen wenn es nichts zu trinken gibt.

    Einen schönen Tag noch
    Pauli.

  • Zitat von Pauli71

    ...tja unsere beiden Nicks sind wohl einfach zu ähnlich. ;)

    Hi Pauli,

    ach, das geht schon. Wegen mir brauchst Du Deinen Nick nicht ändern zu lassen. Man muss halt ein bissle aufpassen. :wink:

    Außerdem gibt es ja hier auch noch die Pauli... :lol:

    Gruß

    pauly

    Es ist nicht leicht, das Glück in sich selbst zu finden,
    doch es ist unmöglich, es anderswo zu finden.

    Agnes Repplier

    Abstinent seit Oktober 2006

  • Hallo Pauli,

    das Problem mit deiner Frau kommt mir ziemlich bekannt vor - in meinem Familienkreis bin ich auch auf ähnliche Reaktionen gestoßen. Ich muss aber dazu sagen, dass bei meinen Eltern wohl der, von Hartmut (? ja, ich glaub der war's ;) ) angesprochene "Spiegel-Effekt" ursächlich für ihre ablehnende Haltung ist. Zumindest mein Vater trinkt zeitweise wie ein Loch, und ich halte ihm nun einen Spiegel vor.

    Ich stand der Sache am Anfang auch ziemlich unsicher gegenüber, aber habe dann einfach angefangen, das Ding mit stoischer Beharrlichkeit durchzuziehen. Ich habs nicht an die große Glocke gehängt, aber auch nicht tot geschwiegen. Jetzt, über ein halbes Jahr später, haben sich alle mit meiner Alkoholkrankheit zumindest abgefunden.

    LG
    Plejaden

  • Hallo Leute,

    da bin ich wieder. Danke für Eure Beiträge. Das Thema "Frau und ihre Einstellung zu meinem Problem" koche ich, wie erwähnt, ein wenig auf Sparflamme.

    Nachdem das Wochenende wirklich gut für mich gelaufen ist, bin ich jetzt irgendwie in ein Loch gefallen. Gestern als ich heimkam, war meine Frau ziemlich aufgelöst, weil wir noch eine Schlussrechnung vom Bau bekommen haben. Ich wusste, dass da noch was aussteht, aber die Höhe war dann doch unerwartet. Das wird uns jetzt nicht in den Ruin treiben, aber die Situation wird dadurch deutlich verschärft. Ergo: ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen, Bett total verschwitzt usw. Wenigstens habe ich den Abend überstanden, ohne mir Bier zu besorgen. Heute bin ich körperlich wie gerädert und geistig läuft auch nicht viel. Das Statusgespräch am Morgen habe ich gepackt, aber der Tag ist noch lang...

    In dem Zustand werde ich einen tollen Eindruck auf den Therapeuten heute Nachmittag machen....

    Gruß
    Pauli.

  • Ein positiver Gedanke, der mit trotzdem im Rückblick auf die letzten Tage kommt: Ich komme recht gut ohne Alkohol klar weil ich versuche, keinen Leerlauf im Tagesablauf aufkommen zu lassen. Ein stückweit habe ich offensichtlich auch aus Langeweile gesoffen. Es waren Trink-Rituale dabei, um bestimmte Situationen oder Tageszeiten zu füllen, in denen ich sonst nicht wusste, was ich tun sollte.

    Seit ich das abstelle, d.h. andere Beschäftigungen suche und (ganz wichtig) keinen Alk zuhause habe bzw. Gewohnheiten durchbrochen habe, die nur dazu dienen, etwas zu Trinken (Kneipenbummel, Bierfeste, usw.), ist das Verlangen nach Alkohol relativ gering. Gut, ich trinke erst 3 Wochen nichts - wer weiß, was noch alles kommt.

    Pauli.

  • Hi Pauli, hallo Susanna,

    ich habe auch oft nur aus Langeweile getrunken, einfach um den Abend zu füllen.
    Seit ich trocken bin ( sind auch erst vier Wochen) koche ich mir abends immer eine große Kanne Tee, den ich dann aussüppele. Ist eigentlich dasselbe, befriedigt, füllt den Abend, schadet aber nicht. Ja, und ich schlafe gut - bis auf das nächtliche Aufstehen nach dem Liter Flüssigkeit ;-). Ich wünsche mir, dass das so bleibt und auf künftig kein Saufdruck aufkommt.

    Schönen Abend.
    Heike

  • Hallo alle,

    gestern hatte ich meinen ersten Termin beim Therapeuten. Hatte 1.5 Stunden Gespräch mit ihm. Ich muss sagen, er hat mich ziemlich auseinander genommen, hat alles hinterfragt, meine ganze "Karriere" analysiert und meine aktuelle Situation, Einstellung und Motivation abgeklopft. Wir haben über die langfristingen Ursachen meines Trinkens geredet, das Umfeld und kurzfristige Auslöser, die zu einem schnellen Einschütten einer Halben geführt haben, um so Risiken und Gefahren für meinen täglichen Weg zu identifizieren.

    Er hat mir auf der einen Seite ziemlich den Kopf gewaschen (jetzt nicht auf plumpe, vorwurfsvolle Art und Weise, sondern dadurch dass er gezielt Punkte ansprach und mir so vor Augen führte, was ich da all die Jahre getrieben habe), dann aber als positiv herausgestellt, dass ich offensichtlich bereit bin, an mir zu arbeiten und dass mein soziales Umfeld intakt ist. Nicht ganz so gut fand er allerdings, dass meine Frau das Problem noch nicht als solches annimmt. Er schlug vor, dass ich sie mal mitbringe - das werde ich dann wohl versuchen müssen, ihr beizubringen.

    Was die Therapie angeht, hat er nochmal stationär und ambulant erklärt, er war aufgrund des Eindrucks, den er im Gespräch gewonnen hatte, nicht abgeneigt, mich für eine ambulante Maßnahme zu empfehlen. Ich habe jetzt regelmäßig einmal die Woche ein Gespräch mit ihm, zusätzlich gehe ich einmal zu SHG und nächste Woche werden wir dann festklopfen, wie's mit der Therapie läuft.

    Fühlte mich nach dem Termin recht gut, er hat mich richtig gut aufgebaut. Ich weiß, dass ich weiter an mir arbeiten muss, aber er meinte, momentan sähe er mich auf einem guten Weg. Heute ist allerdings von dem gestrigen Elan nicht viel übrig, irgendwie geht mir alles auf die Nerven... bin wieder ziemlich down... ich glaube, ich brauche Urlaub.

    Einen schönen Tag Euch allen.
    Pauli.

  • Hallo Stellina,

    danke für Deine Antwort.

    Ich glaube, meine gegenwärtige Down-Phase ist nicht (nur) durch die großen Veränderungen verursacht, sondern vielleicht auch, weil ich einen großen Bereich noch nicht angegangen bin, der auch mit zum Saufen beigetragen hat. Damit meine ich meine Arbeit. In letzter Zeit passt hier halt vielfach Wunsch und Wirklichkeit nicht mehr zusammen. Mit Widerwillen am Morgen in's Büro und am Abend schon schlecht einzuschlafen, weil einem vor dem nächsten Tag graut, ist nicht gerade ideal. Für eine Neuorientierung ist leider momentan keine Zeit, weil ich den damit einhergehenden finanziellen Engpass nicht überstehen würde. Ich fühle mich deshalb stark unter Druck gesetzt. Der Entschluss, nichts mehr zu trinken und die damit einhergehenden Aktionen und Veränderungen haben mir in der ersten Zeit einen Boost gegeben, der aber jetzt abklingt und so werde ich wieder von den alten Problemen eingeholt.....

    Gruß
    Pauli.

  • Hallo Sabine + Stellina,

    ja, die Kasse zahlt die Maßnahme, das ist nicht das Problem. Meine Sorgen sind langfristiger Natur: wenn ich mich beruflich umorientiere, werde ich auf keinen Fall mehr soviel verdienen wie jetzt. Weil unsere Finanzierung (Haus) aber von diesem Level ausgeht, kann ich nicht so ohne weiteres sagen, ich schmeiße hier alles hin und fange was Neues an. Da haben wir in einem halben Jahr den Gerichtsvollzieher im Hause :(

    Gruß
    Pauli.

  • Servus Pauli,

    die Realität ist halt manchmal nicht schön. Im Suff haben wir sie uns sehr oft zurechtgebogen, bis sie uns gepasst hat, das fällt nun weg. Egal, das ist nun so und damit lebt sich's allemal besser, als mit Suff.

    Dein "Arbeitsdilemma" kann ich sehr gut nachvollziehen, da ich durch eine ziemlich ähnliche Situation durch musste. Ich kann Dir daher nur eines sagen: Für mich war es unumgänglich, das Unternehmen zu verlassen. Ich hätte mit diesem schlechten Gefühl im Bauch auf mittlere oder lange Sicht auch die Leistung nicht mehr erbringen können, die gefordert war, weil ich mich mit dem Unternehmen nicht mehr identifizieren konnte und die Leistung nicht mehr erbringen wollte. Ich war damals als Vertriebleiter eines amerikanischen Konzerns für den Bereich EMEA komplett verantwortlich. Ich habe das für mich als einen möglichen Rückfallgrund entdeckt und dieses Hintertürchen bewusst geschlossen.

    Ich mach's kurz: ich habe innerhalb eines Jahres eine neue Position gefunden, von der ich wusste, das sie nur eine Übergangslösung sein wird. Aber diese Übergangslösung hat mir gereicht, da ich wusste, ich finde innerhalb der nächsten 1 - 2 Jahre eine adäquate weiterführende Position, die dann auf lange Sicht ausgelegt ist. Exakt so habe ich es auch durchgezogen. Heute bin ich nicht nur in einem Unternehmen, mit dem ich mich wieder identifizieren kann, sondern auch in der glücklichen Situation, mich hier nie wegen des Thema's Alkohol verstecken zu müssen. Weder hausintern, noch im Rahmen der Kundenbeziehungen.

    Ach ja, und die (angespannte) Finanzlage der letzten paar Jahre ist seit Januar diesen Jahres auch wieder völlig entspannt... - meine Altlasten diesbezüglich sind erledigt. Also nix da von wegen "starke Einbußen beim Jobwechsel". Und auch die Banken sind bei entsprechend fundiert vorgetragener Planung durchaus zu weitgehenden Zugeständnissen bereit - alternativ haben sie nämlich wirklich mit Ausfällen zu rechnen (einen Titel zu haben heisst noch lange nicht, auch Geld zu sehen).

    Du siehst, es geht. Aber es geht halt nur ohne Alkohol, und es geht nur, wenn ich für mich die Prioritäten gesetzt habe und entsprechend abarbeite.

    LG
    Spedi

    P.S.: red' auch mal mit Deinem Therapeuten darüber, was Deine Arbeitssituation angeht. Ein Aussenstehender beurteilt Situation manchmal anders, als man selbst.

  • Hallo Pauli,

    ich bin nicht mehr oft bei den Betroffenen, wenn überhaupt lese ich die Threads meist nur noch an und gebe irgendwann auf. Deiner ist der erste seit langem, den komplett gelesen habe, wo ich nicht am Anfang schon aufgegeben habe. Du bist der erste seit langem, der mich davon überzeugt hat, das er es ernst meint und bereit ist wirklich etwas für sich zu tun. Vielleicht tue ich anderen damit Unrecht, aber das ist mein eigener ganz persönlicher Eindruck. Ich finde es gut wie Du Deinen Weg bisher konsequent gegangen bist. Gehe weiter es lohnt sich, das Leben ist ohne Betäubung richtig schön.

    Deine Frau ist zu beneiden, schade dass sie das nicht sieht. Schade, dass sie nicht sieht was ihr erspart bleibt, dadurch dass Du jetzt schon zur Einsicht gekommen bist und nicht erst wenn Firma, Haus und Gesundheit weg sind. Vielleicht wird sie es irgendwann sehen, doch selbst wenn nicht, bleibe auf Deinem Weg, denn es ist Dein Leben und Deine Gesundheit. Wenn das weg ist, kann es Dir auch Deine Frau nicht wieder geben, das kannst nur Du.

    Besonders froh bin ich für Deine Kinder, dass Du ihnen keinen nassen Alkoholiker als Vater zumutest. Schön, das sie ihre Kindheit mit einem Vater verbringen können, der zu seinen Gefühlen steht, der geistig präsent ist und nicht besoffen und abgeschossen auf dem Sofa hockt.

    Ich wünsche Dir viel Mut und Zuversicht für Deinen Weg. Er wird sicherlich auch mal Kurven haben, doch ohne Alkohol wirst Du vor keine Mauer mehr rennen.

    Gruß
    Skye
    (erwachsenes Kind)

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