Mache jetzt einen Neuanfang

  • Servus Pauli,

    so lange Du Dich noch "sortieren" kannst und nicht irgendwann in diesem "Kopfkino" hängen bleibst, ist es ja noch tragbar. Aber pass' auf Dich auf, derartiges Duergrübeln ist nicht gesund, nicht unbedingt abstinenzfördernd und schon gar keine Basis für Zufriedenheit.

    Such' Dir bitte ein Ventil, mit dem Du solche emotionalen Achterbahnfahrten abfangen kannst! Mir haben da die persönlichen Kontakte aus der SHG geholfen, aber jeder muss da was für sich selbst finden.

    Lotto, nun ja, wenn's hilft?!? Selbst mit dem "Millionengewinn" ist doch das Problem des "sich-vor-dem-Schritt-drückens" nicht gelöst...welcher Schritt auch immer das sein mag...

    Vielleicht auch hier das bewusste Annehmen der eigenen Krankheit bis hin zu der Konsequenz, erst mal etwas für sich selbst zu tun? Auch wenn's im Job oder in der Öffentlichkeit erst mal "unangenehm" ist? Denk drüber nach...

    LG und wieder mehr Freiraum im Hirnkast'l wünscht der
    Spedi

  • Hallo Pauli,

    ich habe jetzt zwar nicht deinen ganzen Thread durchgelesen, aber ich denke schon, deine Gedanken ein gutes Stück weit nachvollziehen zu können. Auch ich habe in den ersten Monaten meiner Abstinenz solche Gefühlszustände erlebt und mich dabei genauso beschi...en gefühlt....Gott sei dank habe ich einen Weg da raus gefunden. Dinge die mir geholfen haben, und die dir vielleicht auch helfen könnten:

    1. Der Weg zum Psychiater/Verschreibung eines Anti-Depressivums.
    2. Nachdenken über den persönlichen Sinn im Leben und sich als Folge dessen Aufgaben suchen und Visionen zurechtkleistern, die herausfordernd, aber nicht unrealistisch, v.a. aber SINNVOLL sind, d.h. nicht in erster Linie zum Eigennutz durchgeführt werden. Da draußen in der Welt gibt es eine Menge Aufgaben, die darauf warten, dass sie jemand durchführt. Da ist unter Garantie auch was für dich dabei. Man muss nur danach suchen.
    3. Sport, Sport und nochmals Sport. Reinigt den Körper und den Geist, beruhigt die Seele.

    Herzlichst,

    Blizzard

    Erst unter den Hammerschlägen des Schicksals, in der Weißglut des Leidens an ihm, gewinnt das Leben Form und Gestalt. (V.E. Frankl)

  • Hi Spedi,

    die Analogie Lotto - Weglaufen, ist mir heute nicht zum ersten Mal in's Auge gestochen, das ist ein reiner Fluchtreflex!

    Ventil ist gut - am Wochenende wird's mir wieder besser gehen: es gibt kein psychisches Problem, das 8 - 10 Stunden Holzhacken nicht bereinigen können ;) Ich stimme Dir voll und ganz zu - so richtig körperlich auspowern würde mir gut tun.

    Pauli.

  • So, long time no see (read)......

    Die Downphase von letzter Woche habe ich mit einer konzertierten Aktion überwunden. Zuerst habe ich alle meine Termine (SHG, Therapeut) eingehalten. Das war schon mal ein positiver Schritt um nicht im Selbstmitleid zu versumpfen. Was aber am wichtigsten war, ich habe die letzten Tage sehr viel körperlich gearbeitet. Bin gesundheitlich zwar etwas angegriffen, aber trotzdem habe ich einige umfangreiche Projekte in Haus und Garten fertig gestellt und gleich eine Liste mit Zeug gemacht, was noch ansteht. Wenn die Temperaturen endlich mal dauerhaft in den frühlingshaften Bereich vorstoßen werde ich mit Joggen anfangen. Sachen wie Fitness-Studio wären zwar wetterunabhängig möglich, mit dem ganzen Abo-Zeugs fühle ich mich aber zu sehr angehängt.

    Heute bin ich übrigenz 7 Wochen trocken und fühle mich wirklich gut dabei. Die depressiven Phasen sehe ich nicht als Folge der Abstinenz sondern als einen der Gründe, warum ich überhaupt mit Saufen angefangen habe. Mit meinem Therapeuten habe ich länger über das Thema gesprochen und er hat mir deswegen zu einer Behandlung geraten, sollten diese Phasen von Häufigkeit und Dauer ein gewisses Maß übersteigen.

    Bin also wieder besser unterwegs als letzte Woche - hoffe es bleibt so :)

    Gruß
    Pauli.

  • Was mir die Gespräche mit dem Therapeuten bringen? Nun, das ist durchwachsen. Anfänglich war ich froh, mit jemanden offen über das Thema Alk und das Drumherum reden zu können. Auch die Informationen, die ich über Therapie usw. bekam, waren wertvoll. Aber jetzt nach ein paar Wochen habe ich den Eindruck, dass doch manchmal mit Stereotypen gearbeitet wird, d.h. es kommen immer wieder dieselben Floskeln, je nachdem wie der Therapeut drauf ist.

    Sicher hat er auch keinen leichten Job und meistens geht er wirklich auf mich ein und versucht zuzuhören zm dann mit mir einen Weg zu finden - von Zeit zu Zeit ist es aber doch eine Art von vorgefertigtem Skript, das er abspielt. Wenn ich dann nicht gegenhalte und verstärkt die Besonderheiten meiner Situation (mich nur auf meine Sauferei reduzieren zu lassen, ohne meine Familie, Umfeld usw. zu berücksichtigen, passt mir einfach nicht) einbringe, empfinde ich die Sitzung dann als verlorene Zeit.

    Ich sehe die Therapiesitzungen deshalb als harte Arbeit, denn wenn ich nur hingehe um passiv quasi zu konsumieren (mir helfen zu LASSEN), kommt nicht viel dabei raus. Es ist wohl eher so, dass es nur geht, wenn ich mir aktiv SELBER helfe und der Therapie dabei Hilfestellungen gibt. Wenn aber von mir mal (aus welchen Gründen auch immer) nicht viel kommt, würde ich mir persönlich doch mehr Einflussnahme von ihm wünschen.

    Gruß
    Pauli.

  • Servus Pauli,

    wow, da hat der Therapeut ja schon mal einen Volltreffer bei Dir gelandet:

    Zitat

    ...mich nur auf meine Sauferei reduzieren zu lassen, ohne meine Familie, Umfeld usw. zu berücksichtigen, passt mir einfach nicht...

    Was macht der Typ mit Dir? Frechheit! Der blendet einfach die schönen, verniedlichenden, verharmlosenden und beschönigenden "Rahmenbedingungen" Deines Saufens aus - und konzentriert sich stereotyp auf das, was ihm wichtig ist: eine (ziemlich) einheitliche Sucht eines x-beliebigen Alkoholikers...starker Tobak, ja?

    Tut Dir das manchmal weh, und Du willst ihn partout in eine bestimmte Richtung schieben, damit er endlich sieht, was Du alles leisten/aushalten/mitmachen/erleben musstest, in welchen Zwängen Du doch stecktest, welche üblichen Gepflogenheiten Du doch erdulden und aushalten musstest? Ja? So in etwa?

    Hmmm, das kenn' ich inzwischen ein paar hundert mal so oder so ähnlich...einmal davon sogar sehr gut: aus eigener Therapieerfahrung...

    Pauli, guten Morgen im Hier und Jetzt und in der Nüchternheit.

    Dein Therapeut macht nichts anderes, als Dir vor Augen zu führen, wo Du nicht hinsehen willst und was Du gerne anders sehen würdest. Und da, wo's richtig weh tut (von Zeit zu Zeit erwischen die so einen Punkt!) hat er einen Volltreffer gelandet. Da klemmt's.

    Wenn Du jetzt noch zulassen kannst, wirklich aus eigenem Antrieb, da dann mal genau hinzusehen, was denn da so weh tut, so unangenehm ist, was Du da nicht wahrhaben willst, dann - ja, dann kommst Du den Ursachen für Dein Saufen auf die Spur.

    Pauli, ich will Dir eines nicht verschweigen: dieser Prozess wird lange dauern. Er kann weh tun, richtig weh. Ich habe damals sehr viele für mich sehr unvorteilhafte Wahrheiten über mcih erfahren. Es hat mich sehr viel Zeit gekostet, mein eigentliches "ich" zu akzeptieren und mich so anzunehmen, wie ich nun mal bin - und nicht mehr so zu sein, wie ich mich gerne gehabt hätte...

    Ach ja, noch was: ein Therapeut wird Dir in den seltensten Fällen eine Begrenzung oder eienn Weg vorgeben. Warum auch? Er will ja, dass Du Dich änderst - und nicht, dass er Dich ändert.

    LG
    Spedi

  • Hi Spedi,

    mein Hauptpunkt bei meinem Beitrag war eigentlich der, dass der Therapeut bzw. die Sitzung mit ihm in meinem Fall deutlich von unser beider Tagesform abhängig ist. Wenn mein Gesprächspartner schlecht drauf ist, bekomme ich die ganze Session lang in meinen Augen nur Stereotypen zu hören.

    Das mein Kernproblem das Saufen ist, steht außer Frage - aber es gibt nicht für jeden Säufer die eine, allein selig machende Lösung/Therapie. Ich erwarte vom Therapeuten, meine Situation entsprechend zu berücksichtigen, um zusammen mit mir, einen Weg zu finden. Was für den einen klappt, hilft dem anderen überhaupt nichts.

    Oder bist Du der Meinung, dass es einen einzigen, allein wirksamen Weg aus der Sucht gibt? Dann solltest Du darüber ein Buch schreiben ;)

    Gruß
    Pauli.

  • Servus Pauli,

    nein, den allein wirksamen Weg aus der Sucht gibt es sicher nicht. Ich kenne zumindest keinen. Dazu bin ich auch nicht hier. Ich kann Dir nur sagen, was ich erlebt habe und was ich kenne. Alles andere wäre Mutmaßung oder sonst was, jedenfalls keine eigene Erfahrung

    Wenn Du dir (später mal) die Mühe machst und viele "Werdegänge" von langfristig trockenen Alkoholikern (10, 15 Jahre und mehr) ansiehst, wirst Du sehr viele Parallelen in deren Trockenheitsgeschichten erkennen.

    So wie hier unsere Grundbausteine im Forum genannt sind, die eine gewisse "Allgemeingültigkeit" haben, so sind auch dort sehr viele Gemeinsamkeiten zu finden.

    Zitat

    Was für den einen klappt, hilft dem anderen überhaupt nicht.


    Hm. Bezogen auf Therapie: Ist das so? Oder ist das nur eine Vermutung, weil Du es (noch) nicht probiert hast? :wink:

    Wie dem auch sei: Du wirst Deinen Weg schon finden, mach einfach weiter so!

    LG
    Spedi

  • Hi Spedi,

    die angesprochenen Grundbausteine sehe ich auch als wertvollen und für jeden gültigen Rahmen. Ohne sie zu befolgen wird i.a. kein erfolgreiches Trockenbleiben zu schaffen sein. Die Therapie geht aber doch darüber hinaus. Sie muss mich und mein Umfeld komplett mit einbeziehen und daher kommen meines Erachtens nach auch die unterschiedlichen Aspekte, die in der Therapie langfristig sowohl vom Therapeuten, als auch vom zu Therapierenden zu berücksichtigen sind.

    Oh weh - ich komme mir nach diesem Absatz als DER Therapie-Experte vor, dabei bin ich gerade mal ein paar Wochen dabei. Also: ich will nicht besserwissereisch klingen, das ist alles mein Eindruck und mein subjektives Empfinden :)

    Nachtrag zu meiner Depri-Phase letzte Woche: mein Schilddrüsenproblem ist anscheinend gravierender, als ich dachte. Die Hormonwerte waren am Montag sehr schlecht. Die Ärztin meinte dann nur, ob ich keine Probleme hätte. Ich habe ihr dann von meinem Tief erzählt, worauf sie meinte, das überrasche sie bei den Werten überhaupt nicht - niedrige T3/T4 Werte führten häufig zu Angstzuständen, Antriebslosigkeit, Depressionen. Wir sind auf andere Tabletten umgestiegen, ich hoffe, damit geht's besser.

    Noch einen schönen Tag an alle
    Pauli.

  • Guten Morgen Karsten,

    Dein Beitrag spricht mir aus tiefstem Herzen. Ich kenne zwar außerhalb der SHG wenig Alkoholiker (wenigstens keine, die es offen sagen), dort haben wir aber ein zwei Typen, die da gezwungenermaßen hingehen. Ich denke mir dann immer, was sie da wirklich wollen, denn wirklich dahinter stehen sie nicht.

    Vielleicht wird mein Therapeut in den Sitzungen, die ich nicht so positiv finde, einfach von einer gewissen Resignation beherrscht, dass ich doch vielleicht wieder einer von denen bin, die zu ihm kommen, weil sie müssen (Job, Familie, usw.) und denen es aber tief drinn nicht ernst ist.

    Mir ist es aber wirklich sehr ernst mit der Trockenheit!!!!

    Gruß
    Pauli.

  • Meine Situation hinsichtlich des Umgangs meiner Frau mit meinem Problem verschärft sich wieder. Wir hatten vor ein paar Wochen ein intensives Gespräch über das Thema und ich hatte den Eindruck, dass sie verstanden hat, wie ernst es mir damit ist und dass meine Sauferei wirklich ein Problem war.

    In letzter Zeit kommen nun immer mal wieder Spitzen von ihrer Seite. Z.B. war ich am Vatertag immer mit Kumpels zu einer Sauftour unterwegs. Sie fragt mich nun, ob ich das dieses Jahr wirklich ausfallen lassen will. Auch bei anderen Gelegenheiten steht sie jetzt wieder auf dem Standpunkt, dass ich die Sache zu extrem angehe, will heißen, dass ein bisschen Alk doch nichts ausmache.

    Vor ein paar Tagen habe ich durch Zufall einen Teil eines Telefongesprächs mitbekommen, in dem sie meine Abstinenz in die Ecke einer Midlifecrisis gestellt hat.

    Ich weiß nicht, wie ich es ihr noch begreiflich machen soll... ist schon ein ziemlicher Schei* wenn nicht mal zuhause Verständnis für einen aufgebracht wird.

    Gruß
    Pauli.

  • Servus Pauli71 !

    [quote]Ich weiß nicht, wie ich es ihr noch begreiflich machen soll... ist schon ein ziemlicher Schei* wenn nicht mal zuhause Verständnis für einen aufgebracht wird.

    Das Wichtigste ist das du es für dich begriffen hast und dein Leben danach ausrichtest. Einem anderen Menschen die Alkoholsucht begreiflich zu machen, der davon nicht selbst betroffen ist ist gar nicht möglich.
    Nur wir Alkoholiker wissen wovon wir reden und Verständnis erwarte ich von einem Nichtbetroffenen auch gar nicht.

    So wie du deine Partnerschaft schilderst steckt da etwas anderes dahinter.
    Ich habe auch schon von anderen Alkoholikern gehört, dass sich bei ihnen die Partnerschaft nach dem Trockenwerden verschlechtert hat.
    Eine Ursache mag vielleicht sein: als wir noch getrunken haben waren wir voller Schuldgefühle, leicht zu lenken und taten vieles um unsere Ruhe zu haben und zu trinken.
    Nach dem Trockenwerden entdecken viele von uns ihre wahre Persönlichkeit und manche Ehepartner sind davon gar nicht begeistert oder müssen sich erst im Laufe der Zeit an uns nüchterne Menschen gewöhnen. Dies Bedarf viel Fingerspitzengefühl beiderseits und auch Geduld.

    Wünsche dir, dass ihr wieder in Harmonie zueinander findet!

    Gruß
    Andreas

    carpe diem

  • Hallo Spedi,
    Hallo alle,

    danke der Nachfrage - ich lebe noch, hatte sehr viel um die Ohren und kam einfach nicht dazu, hier zu schreiben, obwohl es wohl besser gewesen wäre... Aber der Reihe nach.

    Wie ich letzte Woche schon geschrieben habe, fehlt es doch noch arg am Verständnis meiner Frau für meine Situation. Das war der Anlass für einige harte Diskussionen, Weinen usw. Sie scheint es aus ihrer Sicht aber gut zu meinen, sie meint, ich solle mir doch nicht auch noch mit dem Alkohol (bzw. dem Wegkommen davon) weitere Belastungen aufbürden, es sei doch alles gut gelaufen...

    Im Vorfeld des Vatertages bekam ich dazu massiv Druck von ihr und auch von den Kumpels, mit denen ich sonst immer zu diesem Anlass zum Saufen gegangen bin. Ich wurde täglich angerufen, was ich denn an dem Tag nun mache und als ich sagte, ich käme dieses Jahr nicht mit, wurde ich noch mehr bearbeitet (auch von meiner Frau). Sie meinte, es täte mir doch gut, wieder mit den Freunden zusammen zu sein und solle mir doch mal eine Auszeit gönnen. Zwei Tage davor war ich dann soweit, dass ich für mich gesagt habe, "Gut, ein Tag im Jahr ist ja wohl nicht so schlimm, da mache ich jetzt mal Pause" und hab zugesagt.

    Die Nacht drauf konnte ich dann überhaupt nicht schlafen, die Sache ging mir nicht aus dem Kopf und ich wälzte mich hin und her. Ich war mir sicher, dass ich wenn ich einmal wieder angefangen hatte, so schnell nicht wieder aufhören würde. Wie aber da wieder rauskommen? Ich wollte und will nicht jedem in meinem Umfeld auf die Nase binden, dass ich ein Problem mit Alk habe (ich weiß, es gibt hier Leute, die das nicht verstehen, für mich ist es aber so). Also habe ich mich dann am Donnerstag (auch gegenüber meiner Frau) "krank gemeldet" und bin zuhause geblieben. Sie ist mit den Kids zu ihrer Verwandtschaft und ich hatte einen ruhigen Tag.

    Ich bin heilfroh, dass ich diese Krise gerade noch so gemeistert habe und obwohl es nicht ganz ehrlich ging, bin ich doch trocken geblieben!

    Gruß
    Paul

  • Servus Pauli,

    diese Darstellung ist aus mehreren Gründen falsch:

    Zitat

    ...Ich wollte und will nicht jedem in meinem Umfeld auf die Nase binden, dass ich ein Problem mit Alk habe...


    1.) Du hast kein Problem mit Alkohol. Du hast viele Probleme, auch ohne Alkohol. Und Du bist Alkoholiker. Gewöhn Dich daran.

    2.) Du belügst dich gerade wieder selbst indem Du Dein "Problem" klein machst. Dieses "sich-selbst-belügen ist "relativ normal" wenn man sich noch nicht mit seiner Krankheit abgefunden und diese noch nicht angenommen hat. Es macht es Dir aber auch schwerer "aus der Nummer rauszukommen", wie Du selbst festgestellt hast. Das wird so vielleicht ein paar mal "funktionieren", aber die Gefahr des Rückfalls ist immens. Du erweist Dir selbst damit einen Bärendienst.

    3.) Offenheit...das ist ein weites Feld. Ich kenne bislang keinen Alkoholiker, der auf Dauer mit Verheimlichen und Lügen trocken geworden und geblieben wäre. Entweder, sie sind umgekippt, oder sie sind ehrlich und offen geworden. Offenheit ist nicht damit zu verwechseln, sich ein Schild "ich bin Alkoholiker" umzuhängen.

    4.) Ich werde den Verdacht nicht los, dass Du selbst "noch hoffst", das "irgendwie in den Griff zu kriegen". Vorsicht! Schon viele haben aus dieser Mischung heraus sich einen Rückfall "zusammengebastelt".

    Wie sieht's denn inzwischen aus mit Selbsthilfe-Unterstützung durch Fachleute, z.B. Deinem Therapeuten? Geht da was "vorwärts", oder verharrst Du auf dem status quo?

    LG
    Spedi
    Der sich dann doch Sorgen macht ob dieser bedenklichen Entwicklung...

  • Hi Spedi,

    ich bin mit der Art und Weise, wie ich diese Klippe gerade so umschifft habe nicht glücklich und hatte und habe immer noch Gewissensbisse deswegen

    Zitat

    4.) Ich werde den Verdacht nicht los, dass Du selbst "noch hoffst", das "irgendwie in den Griff zu kriegen". Vorsicht! Schon viele haben aus dieser Mischung heraus sich einen Rückfall "zusammengebastelt".

    Natürlich versuche ICH, das Problem in den Griff zu kriegen, ICH habe doch das Problem, also muss ICH es auch in den Griff bekommen - sei es durch Änderung meines Lebens, sei es durch Inanspruchnahme von Hilfe Dritter. Ich möchte aber nicht meiner ganze Familie das Fanal des Säufers umhängen. Das geht niemand außerhalb des engsten Kreises etwas an, wenn es nicht reicht, zu sagen, "ich trinke nichts", dann gehe ich dem Kontakt aus dem Weg. Die Vatertagssituation war wirklich scheiße und ich habe sie fast versemmelt. In Zukunft muss ich von Anfang an standhaft bleiben, dann brauche ich auch keine Notlügen.

    Du meinst damit aber wahrscheinlich eher, ich wollte mir mittel- und langfristig den Weg in einen erhofften kontrolierten Konsum offen halten. Das sehe ich für mich nicht so - ich bin fest entschlossen, nie mehr was zu Trinken. Die Überzeugung, dass ich nach dem Vatertagsrausch nicht mehr in die Nüchternheit hätte zurückkehren können und die Erkenntnis, dass ich damit die ganzen letzten 10 Wochen weggeschmissen hätte, haben mich auch dazu gebracht, es nicht zu tun. Meine Motivation sehe ich also als voll gegeben an.

    Was meine Therapie angeht, komme ich mit dem Betreuer wieder ganz gut klar, obwohl es mir manchmal einfach nicht zügig genug vorwärts geht. Es ist oft ein Wiederholen von Hilfestellungen und endloses Analysieren von Situationen und Mustern - ab und zu habe ich das motivierende Aha-Erlebnis, es kommt halt einfach manchmal etwas zu selten.

    SHG ist ein anderes Blatt, dort komme ich mir viel besser aufgehoben vor - da steht nicht so sehr der psycho-soziale Quatsch im Vordergrund, den der Therapeut manchmal (nicht immer) auspackt. Ich habe von Zeit zu Zeit das Gefühlt, dass mir eigentlich nur einer helfen kann, der die Sache auch selbst mitgemacht hat. Dann gibt es wirklich Hilfestellung für die Praxis und nicht soviel psychotherapeutische Theorie.

    Sorry, bin ein bisschen in's Therapeuten-Bashing geraten - war nicht so gemeint. Die wöchtentliche Therapiesitzung ist neben dem Bewusstsein, ein Problem zu haben, harter körperlicher Arbeit und der SHG auch zu einem Standbein meiner Abstinenz geworden.

    In diesem Sinne allen noch einen schönen Tag

    Pauli

  • Hallo Pauli,

    Zitat

    Die Vatertagssituation war wirklich Sche*** und ich habe sie fast versemmelt. In Zukunft muss ich von Anfang an standhaft bleiben, dann brauche ich auch keine Notlügen.

    Pauli,standhaftigkeit hat ja viele Facetten,geballte Fäuste in der Hosentasche zu haben auch,das eine schliesst das andere nicht aus!

    Mir wirft sich hier die Frage auf,warum denn Notlügen?
    Dieses Wort alleine bereitet mir unbehagen Not,Lügen.

    Bist Du denn in Not,musst Du denn Lügen?

    Ich geriet immer dann in Not,wenn ich keine Kohle mehr hatte um mir etwas zu Saufen zu holen,und dafür wiederrum musste ich Notlügen erfinden,damit ich in irgendeiner Weise an Stoff komme!

    All jenes kannst Du dir ersparen,wenn Du deine Trockenheit wirklich an erster Stelle stellst!

    Überlege einmal welches Fanal Du deiner Familie "aufbürdest"wenn Du a dich belügst und mit geballten Fäusten herumläufst weil dich Verzicht plagt,oder b Du offen und ehrlich mit deiner Krankheit umgehst,sie annimmst und auch danach lebst?

    Pauli,hierbei gibt es keine Kompromisse,entweder Hopp oder Top,alles andere wäre nur über den Willen gesteuert,und der kann ganz schnell wegbrechen,siehe deine Vatertagssituation!

    Hierbei gilt es eine Entscheidung zu treffen,was andere denken,war mir persönlich egal, Ich wollte nicht mehr trinken müssen!!!!

    Mach mal Nägel mit Köpfen!!

    Gruß Andi

  • Uff Andi, harte und deutliche Worte....

    Vielleicht habe ich mich aber nicht richtig ausgedrückt. Ich habe in der Situation am Vatertag keinen Verzicht gespürt, genausowenig wie ich im Alltag das Gefühl habe, ich verzichte auf etwas. Sicher gibt es ab und an einmal Gelegenheiten, bei denen mir ein Bild durch den Kopf schießt, in dem ich mich in der gleichen Situation vor ein paar Monaten mit einer Halben Bier hingesetzt und den Tag damit abgeschlossen hätte. Ich war gar nicht in Versuchung, wegen dem Saufen mitzugehen - es war mehr der Gruppenzwang, jedes Jahr waren wir gemeinsam unterwegs, warum nicht auch heuer?

    Der Konflikt kam nur deshalb auf, weil ich es in gewisser Weise allen recht machen wollte: die Erwartungshaltung meiner Kumpels nicht enttäuschen, das bestehende, alte Bild gegenüber meiner Umwelt aufrecht erhalten usw. Dabei hätte ich fast meine eigene Priorität (nichts zu Trinken) fallen lassen. In der Hinsicht hast Du recht, da stand die Trockenheit für ein paar Stunden nicht an erster Stelle und im Nachhinein wird mir immer noch Angst, wenn ich daran denke...

    Allerdings muss ich auch sagen, dass es für eine Person, die den Schritt mit dem Problem in die Öffentlichkeit bereits hinter sich hat, natürlich einfacher ist, das zu fordern, als für jemanden wie ich, der verzweifelt darum kämpft, das Leben, so wie er es kennt, nicht noch durch das Trocken-werden zu zerstören, diesen Schritt zu tun.

    Wow, Monstersatz, ich hoffe, Du verstehst was ich meine - nichts für ungut.

    Pauli.

  • Hallo Pauli,

    Zitat

    Allerdings muss ich auch sagen, dass es für eine Person, die den Schritt mit dem Problem in die Öffentlichkeit bereits hinter sich hat, natürlich einfacher ist, das zu fordern, als für jemanden wie ich, der verzweifelt darum kämpft, das Leben, so wie er es kennt, nicht noch durch das Trocken-werden zu zerstören, diesen Schritt zu tun.

    Ich fordere überhaupt nichts,jenes steht mir gar nicht zu denn es ist nicht mein Leben,sondern deines!

    Ich kann Dir nur von mir erzählen,von meinen Erfahrungen,und die haben mir gezeigt,das es für mich! unumgänglich ist,Ehrlichkeit und Offenheit nicht nur im Bezug auf meine Krankheit zu praktizieren,sondern in allen Lebenslagen!

    Eben Pauli,Du kämpfst,nur um was,und für welchen Preis kämpfst Du?

    Meine Frage an dich wäre,inwieweit Du denn für dich bereit bist unabdingbare Lebensveränderungen vorzunehmen,um überhaupt wirklich zufrieden Trocken zu werden?

    Du hältst an alten"Werten"fest,nur haben dich diese immer wieder zur Flasche geführt!!!

    Gruß Andi

  • Hallo Pauli,

    irgendwie hast Du es mir angetan. Vielleicht, weil Du Deinen Weg weiter gehst, obwohl Du, wie mir scheint, manchmal an der Richtigkeit Deines Tuns zweifelst, an dem Sinn. Auch wenn Du hier anderes schreibst, habe ich diesen Eindruck. Ob das was Du tust alles richtig ist, nun davon musst Du Dich selbst überzeugen. Im Moment macht es mir den Eindruck, als machst Du weiter, weil Du immer alles zu Ende führst, was Du angefangen hast. Du bist jedoch keine Aufgabe die es zu erledigen gilt, sondern ein Mensch. Das kann man nicht erledigen. Mit dieser Erledigungseinstellung bin ich an meine Co-Abhängigkeit gegangen und gescheitert. Sich selbst als Erledigung zu betrachten, heißt sich selbst herab zu würdigen und hält zudem auch keiner durch, weil keine wirklichen Erfolge bringt.

    Doch machst Du es Dir nicht ein wenig einfach?

    Zitat

    Ich möchte aber nicht meiner ganzen Familie das Fanal des Säufers umhängen. Das geht niemand außerhalb des engsten Kreises etwas an, wenn es nicht reicht, zu sagen, "ich trinke nichts", dann gehe ich dem Kontakt aus dem Weg.

    Deiner ganzen Familie, wow! Wie schön, dass Du an andere denkst. Doch versteckst Du Dich nicht hinter Deiner Familie? Was ist mit Dir? Ist es nicht eher so, dass Du von anderen nicht als Säufer angesehen werden willst. Das Du Angst hast, dass sie Dich mit dem Klischee des verdreckten, verlausten und der Brücke hausenden, ständig besoffenen Penners vergleichen.

    Nun, ob das wirklich so ist, wirst Du wohl nur feststellen, wenn Du was sagst. Manchmal erfüllen sich Vermutungen, meistens ist es im Kopfkino jedoch wesentlich schlimmer, als es die Wirklichkeit sein wird.

    Ich glaube, Deine Frau gibt deshalb keine Ruhe, weil sie merkst, dass Du selbst nicht wirklich von dem überzeugt bist, was Du tust. Wenn man bei etwas mit vollem Herzen dabei ist, strahlt man diese Überzeugung auch aus. Das merken andere und stellen die Entscheidung eher selten und wenig nachhaltig in Frage. Wenn man jedoch nicht so ganz überzeugt ist, strahlt man auch diese Selbstzweifel aus und wird eher in Frage gestellt.

    Du hast einen Fehler gemacht, Du hast Dir Hilfe gesucht, wo keine zu finden ist, beim Alkohol. Jetzt bist Du abhängig, sch…. gelaufen, ist aber nun mal so und wird sich nicht mehr ändern. Die Folgen dieses Fehlers werden Dich den Rest Deines Lebens begleiten. Entweder durch ein erfülltes, glückliches Leben, wenn Du trocken bleibst oder vielleicht auch bis unter die Brücke, wenn Du wieder trinkst, sollte Dein Körper so lange mitmachen. So oder so es bleibt Dir, wie einem Amputieren eine Gliedmaße fehlt.

    Je eher Du Dich mit dieser Endgültigkeit abfindest, desto eher kannst Du Dir auch selbst diesen Fehler verzeihen. Dann kannst Du stolz auf Deine Leistung sein, die Reißleine gezogen zu haben, anstatt Dich für Dich selbst zu schämen, weil Du einen Fehler gemacht hast, schwach gewesen bist. Jeder Mensch macht Fehler, größere, kleinere, es gehört zum Leben, auch zu Deinem. Genauso wie jeder schwach sein darf, keiner kann immer nur stark sein. Solche Ansprüche an sich selbst zu stellen, heißt sich selbst zu überfordern.

    Weist Du, meine Mutter hat sich ich weiß nicht wie oft bei mir entschuldigt, für das was sie mir mit Ihrer Sauferei angetan hat. Ich habe ihr auch geglaubt, dass sie das ernst gemeint hat, denn das hat sie, trotzdem war der Alkohol stärker. Er war stärker, weil ihr nicht wichtig und zum Schluss vollkommen egal war, was er ihr angetan hat. Sie selbst war nicht ihre Motivation, sondern immer andere. Mir war übrigens vollkommen egal, was andere über meine Mutter gedacht haben, sie war mir wichtig und nicht die anderen.


    Gruß
    Skye

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