Habt Ihr einen Rat für mich???

  • Hallo,

    vor ein paar Tagen habe ich mich hier angemeldet.
    Ich möchte mich noch mal ganz kurz vorstellen. Ich bin 30 Jahre alt und meine Eltern sind beide seit fast mehr als 20 Jahren (schwere) Alkoholiker. Nach wie vor auch leider absolut uneinsichtig.
    Mein jüngerer Bruder und ich sind damit aufgewachsen und fanden es als Kinder anfangs normal, da ja Außenstehende immer sehr freundlich zu uns waren. Mit 16 und 18 Jahren hatte ich bei der Jugendhilfe und beim Jugendamt um Hilfe gebeten, was leider erfolglos blieb.
    Bis zu meinem Auszug mit 18 habe ich mich um Haushalt und meinen Bruder gekümmert, damit wir nicht gänzlich verwahrlosen. Ich denke, wie man sich damit fühlt, muss ich keinem hier erzählen.

    Nun sind wieder einige Jahre ins Land gegangen, ohne dass sich „zu Hause“ etwas verbessert oder verändert hätte, eher im Gegenteil. Inzwischen haben beide im Mundraum Krebs, was auf den übermäßigen Alkohol- und Nikotingenuss zurück zuführen ist. Sie sind beide abgemagert und mein Vater sogar bettlegerich.

    Mein Bruder hatte innerhalb der letzten 2 Monate 2 Nervenzusammenbrüche und wird psychologisch behandelt. Da ich nun 130 km weit weg wohne und meinen Bruder schützen möchte, habe ich einen Antrag auf Einrichtung einer Betreuung für beide gestellt. Die Beamtin und Ärztin waren optimistisch, dass das Gericht die Notwendigkeit dafür erkennt, da beide ja nicht mehr normal denken und nicht ausreichend für sich sorgen können.
    Die ersten Tage danach habe ich mich dafür geschämt, aber mittlerweile bin ich froh, dass ich das gemacht habe!

    Ich frage mich, wie wird es weiter gehen?
    Ist es sinnvoll, wenn ich mich als Betreuer zur Verfügung stelle?
    Muss ich mir evt. Vorwürfe von meinen Eltern und Verwandtschaft gefallen lassen?
    Wie reagiert man am Besten auf Vorwürfe?

    Habt Ihr schon Erfahrung mit so etwas gemacht?

    Vielen Dank im vorraus!!!

  • Servus cauchemar,

    ich frag' dann einfach mal ganz direkt: bist Du denn dem gewachsen, wenn es zum Äußersten kommt - und das wird es eines Tages zwangsläufig, denn Alkoholismus endet (unbehandelt) einfach tödlich.

    Hast Du denn die Zeit, die es braucht, um einer Betreuung gerecht zu werden?
    Hast Du die Kraft, die physische Kraft, zu helfen?
    Bist Du psychisch so weit, dass Du Dir diese Betreuung zutraust?
    Zieht Dein Partner (sofern vorhanden) mit Dir mit - hält Deine Beziehung das aus?

    Denk einfach mal darüber nach und gib Dir selbst eine ehrliche Antwort darauf, nix beschönigen!

    Ich wünsch' Dir viel Kraft auf Deinem Weg.

    LG
    Spedi

  • Hey Cauchemar,

    Ich kann die Frage von Spedi nur bekräftigen. Bist Du Dir gaaaaanz sicher, dass Du diese Betreuung wirklich machen willst?? Du musst das nicht, es gibt keine Verpflichtung für Angehörige, eine solche Betreuung zu übernehmen. Bedenke dabei auch, dass Du Dich im Fall des Falles (z.B. bei Ungereimtheiten welcher Art auch immer) ggf gegenüber dem Gericht rechtfertigen musst. Hast Du Dich in der Beziehung schon beraten lassen?? Der Sozialdienst eines Krankenhauses oder die Caritas/Diakonie oder ggf auch ein Anwalt kann Dir da sicher mehr Auskünfte erteilen.
    Bitte bedenke auch, dass eine Betreuung nicht das Allheilmittel ist, getreu dem Motto "Sie werden betreut, jetzt wird alles gut!". Auch dann dürfte es schwierig sein, etwas gegen den Willen Deiner Eltern durchzusetzen.

    Vorwürfe wirst Du Dir mit Sicherheit anhören müssen. Von Deinen Eltern ganz bestimmt, da sie ja den Ernst ihrer Situation gar nicht mehr einschätzen können. Die würd ich, wenn Du es schaffst, einfach in den Skat drücken, sprich "links rein, rechts raus".
    Bei der Verwandtschaft sieht's ein wenig anders aus. Ist Deine Verwandtschaft denn über die Situation bei Euch im Bilde, will heissen, ist allgemein bekannt, dass Deine Eltern Aklis sind??
    Wenn ja, dann kannst Du auf Verständnis hoffen, zumindest ging's mir so (ich habe zwar keine Betreuung für meine Mutter beantragt, das wurde von Amts wegen gemacht, aber ich hab mit Verwandtschaft und Bekanntschaft geredet und da hat keiner auch nur ansatzweise irgendwelche Vorwürfe abgesondert). Dazu ist allerdings bei Verwandtschaft und Bekanntschaft eine gewisse Menge Wissen über Alkoholkrankheit erforderlich.
    Wenn nein, dann könntest Du Dir ja im Vorfeld ein paar kurze prägnante Sätze zurechtlegen, oder Du schreibst das alles mal auf, damit Du's nicht zehnmal erzählen musst. Denn wie gesagt, Wissen über Alkoholismus ist eine wichtige Voraussetzung um zu verstehen, wie sich ein Angehöriger verhält. Das Wichtigste dabei ist sicher, dass man versteht, dass niemand Schuld daran ist, dass jmd Alki wird/ist und auch, dass nur der Alki selbst sich da wieder raus holen kann, dass man als Aussenstehender nichts tun kann ausser sich selbst so gut es geht zu schützen, um nicht mit runtergezogen zu werden. Das geht leider häufig nur durch den Abbruch jeglicher Kontakte zu dem/den Alki/s. Gern wird das von aussen (und auch von den Alkis selbst) dann so ausgelegt, dass die armen Alkis ja deswegen saufen müssen, weil sich niemand um sie kümmert, aber dabei werden Ursache und Wirkung leider völlig verdreht..!! :cry:

    Also, informier Dich ruhig bei den o.g. Quellen und schreib hier ruhig, was Dich bedrückt oder auch, welche (hoffentlich erfolgreichen) Schritte Du gerade unternimmst, hier gibt's immer ein offenes "Ohr".

    Dir noch ganz viel Kraft

    Allse Gute und bis bald

    Der Insulaner

  • Danke für Eure Antworten Spedi und Insulaner.

    Ich habe gestern nochmal ein langes Gespräch mit meinem Lebensgefährten gehabt. Er ist der Meinung, ich sollte auf gar keinen Fall die Betreuung übernehmen, weil es zu viel für mich wäre, bürokratisch und vorallem psychisch.
    Ich habe die letzte Nacht schlecht und unruhig geschlafen und bin ein paar mal wieder wach geworden, weil mich die ganze Geschichte jetzt schon wieder fertig macht. Ich habe für mich beschlossen, die Betreuung nicht zu übernehmen.
    Heute machen die Beamten mit der Amtsärztin bei meinen Eltern einen Hausbesuch. Spätstens dann werden meine Eltern erfahren, dass ich den Antrag gestellt habe.
    Mir ist schon den ganzen morgen schlecht und ich bin mega nervös.

    Unsere Verwandten wissen von dem Alkoholproblem meiner Eltern. Und das schon länger, als ich und meinem Bruder. Das ist ja das Schlimme!!
    2 von unseren Tanten und Onkels sind sogar Mediziner, sie haben auch immer gesagt, dass es eine Krankheit ist. Aber geholfen hat keiner, weder meinen Eltern, noch uns Kindern.
    Das was ich bis heute nicht verzeihen kann ist, dass sie wussten, wir Kinder (damals ca. 12 + 9) waren ohnmächtig unseren Eltern gegenüber und teilweise auch verzweifelt, aber es kam keine Hilfe. Dieses Gefühl von sich verloren und verlassen fühlen nagt bis heute an mir.

    oh man ... mein Magen .... ich brauch jetzt erstmal einen starken Kaffee

  • hi couchemar

    Zitat

    Mir ist schon den ganzen morgen schlecht und ich bin mega nervös.


    kann ich mir gut vorstellen, weiß noch wie nervös ich war w ich wußte das mei mutter den brief vom jugendamt bekommen hat, boah war ich da zittrig unterwegs :(

    begeistert werden deine eltern wohl kaum sein, da wirste bestimmt einige vorwürfe dir anhören dürfen - ja ich weiß, willste nicht hören, hast eh scho angst, aber beschönigen bringt ja au nix :?
    ich kann dir nur sagen das ich's gut finde das du's ausprobierst und noch besser das du erkannt hast, das du die betreuung nicht übernehmen kannst und möchtest! ich drück dir die daumen das es klappt mit der betreuung!

    die liebe verwandtschaft :twisted: leider oft gut dabei beim zusehen, aber handeln ein fremdbegriff.
    hab auch einige klasse exemplare, das ich mit meiner verwandtschaft so gut wie nichts zu tun hab, muss ich wohl nicht hinzufügen. für sie alle is meine mutter die arme, tut ihnen so leid und lauter so nen mist - ich hab noch nie von einem davon die frage gehört: wie gehts denn dir und deinen geschwistern damit??? mein kleiner bruder is erst 14, kriegt alles voll mit und bräuchte die mutter eigentlich, interessiert kein schwein. meine tante hat als krankenschwester mit suchtkranken gearbeitet, von ihr kommen gegenüber meiner oma die allerbesten ratschläge *ironie*

    ich versteh auch nicht, wie sie euch mit allem allein lassen konnten, evtl unwissenheit über die krankheit - aber so wirklich kann ich das als entschuldigung nicht akzeptieren. das du und dein bruder dringend hilfe gebraucht hättet auch ein blinder sehen müssen :twisted:

    Zitat

    Wie reagiert man am Besten auf Vorwürfe?


    du weißt das du das für dich richtige tust, laß dich nicht verunsichern, egal was andere sagen. erklären musst du nichts, wenn dir danach ist, kannst du es versuchen - bin mir aber nicht so sicher ob du verständnis erhälst, zumindest von seiten deiner eltern.

    liebe grüße

  • Zitat

    meine tante hat als krankenschwester mit suchtkranken gearbeitet, von ihr kommen gegenüber meiner oma die allerbesten ratschläge *ironie*

    Ja *lach* das sind die Besten! "es wäre doch für die Psyche besser, wenn ihr für sie da seid" ... blablabla ... da möchte man am liebsten amoklaufen, den jenigen schütteln und auf den Kopf hauen. Aber selbst das würde nix bringen.

    Kann denn das Jugendamt nichts für Deinen Bruder tun??? Ich meine, mit 14 Jahren ... er ist doch mitten in der Pupertät, er hat doch irgendwann einen Knacks weg, wenn man ihm da nicht hilft!!!

  • sers couchemar

    ja genau, solche sprüche in etwa - die kenn ich auch zugenüge. läßt sich ja auch leicht daherreden wenns ein selber net direkt betrifft :twisted:

    tja und jugendamt is so ne sache, ich sag mal ganz vorsichtig "die wollen nicht". sorry, aber genau will ich etz nicht drauf eingehn, sowas is ein kritisches thema und ich denke das nicht alle jugendämter so desinteressiert sind wie das wo hier zuständig is. möchte da keinen verunsichern.

    wie geht es dir heute? was von deinen eltern gehört oder is von ihrer seite etz erstmal das große schweigende beleidigtsein angesagt? egal was, laß dich nicht verunsichern!

    liebe grüße

    Einmal editiert, zuletzt von summerdream (6. Juni 2008 um 22:33)

  • Die Jugendämter arbeiten wirklich unterschiedlich, das stimmt. es kommt immer auf den Sozialbearbeiter an.

    Heute gehts mir schon besser. Ich hab grad mit der Beamtin telefoniert, die gestern mit beim Hausbesuch war. Auf jedenfall passiert jetzt etwas und da bin ich wirklich froh drüber.
    Mir war neu, dass mein Vater eine Vorsorgevollmacht/Patientenverfügung gemacht hat. Meine Tante, mein Onkel und mein Bruder sind bevollmächtigt. Dadurch sind dem Amt erstmal die Hände gebunden, aber sie nehmen jetzt Kontakt zu den Bevollmächtigten auf und wollen sehen inwiefern da was passiert. Z.Bsp.: Überprüfung der Pflegestufe und der Versorgung.
    Bei meiner Mutter sind geistige Defizite aufgefallen, aber sie wäre wohl mit einer Betreuung durch mich einverstanden *wunder* ... aber ich will nicht.

    Ja, nun gehts mir besser ... meine Eltern haben wohl nicht gefragt, wer sie "geschickt" hat und man hat auch nicht gesagt, dass ich "der Buhmann" bin.

    Ich soll in 14 Tage noch mal anrufen und dann kann mir die Frau genauer sagen, was nun wie passieren wird.

  • Seit meinem letzten Eintrag hier, ist Seitens der Behörden nicht viel passiert.

    Nun wird sich das aber auch erledigt haben!!!

    Meine Mutter hatte am WE einen schweren Verkehrsunfall und wird an den Folgen sterben, wann wissen die Ärzte nicht, in einer Stunde, in einem Tag .... in drei Tagen.

    Mein Vater ist seit der Nachricht total apathisch. Wir haben ihn jetzt in ein Hospitz gebracht, er ist ja zu allem Unglück im Endstadium Krebs. Jetzt hat er allen Lebenswillen und -mut verloren. Es zerreist mir das Herz, wenn ich ihn sehe .... es ist so schlimm und tut so weh

    Jetzt ist das passiert, wovor ich immer so große Angst hatte.

  • Hallo cauchemar,

    mir fehlen jetzt irgendwie die tröstenden Worte!

    Ich würde Dich gerne virtuell in den Arm nehmen und ganz fest drücken!

    Es ist schrecklich, was der Alkohol aus den Menschen macht!

    Ich wünsche Dir ganz viel Kraft für die nächste Zeit und hoffe, Du bist nicht ganz alleine mit Deinem Schmerz!

    Alles Liebe für Dich und wir sind für Dich da, wenn Du uns brauchst!

    Herzlichen Gruß
    Speedy

  • hallo cauchemar...

    auch ich möchte dir unsere hilfe anbieten..nimm sie an und bleibe nicht allein mit deinen sorgen und ängsten..

    wir sind immer für DICH da!

    alles erdenklich gute und kraft wünscht DIR

    caro

    dem was über mich einstürmt,möchte ich gelassen gegenüber stehen...

  • hallo couchemar

    holy shit, ich vermute die frage nach deinem wohlergehen wird dir momentan verständlicherweise lächerlich vorkommen. ich wünsche dir viel kraft für die nächste zeit und das du menschen an deiner seite hast die für dich da sind soweit es möglich ist. wenn dir nach aufschreiben zumute is dann tu das - danach ist zwar nichts anders, aber helfen tut es dann doch oft irgendwie.

    laß dich ganz feste drücken, wenn auch nur virtuell...

    liebe grüße -Dani-

  • Hallo cauchemar,

    ich bekam letzten Dezember den Anruf von meinem Vater morgens auf der Arbeit, meine Mutter lag im Sterben, hirntot auf der Intensivstation. Nachts die Treppe runter gefallen, zum x-ten mal, diesmal waren die Blutungen zu stark und hatten ein Hirnödem zur Folge. Es war auch das was wovor ich immer Angst hatte, meine schlimmsten Ängste waren wahr geworden. Sie musste nur einen Tag warten, dann durfte sie gehen, endgültig. Ich wünsche Euch, Ihr, Dir, Deinem Bruder und Deinem Vater, die gleiche Gnade.

    Ich weiß noch gut wie ich mich gefühlt habe, selbst leer und apathisch mit der Endgültigkeit konfrontiert, mit ihr überfordert. Auf einmal vor die Tatsache gestellt, meine Mutter geht, unwiderruflich, es gibt keine Chance mehr, keine Hoffnung, aus, vorbei. Ich habe mich orientierungslos gefühlt, wie ein kleines Kind ohne seine Mutter. Jetzt musste ich alleine laufen, ohne sie, und ich wollte verdammt noch mal nicht, egal was war, ich wollte nicht, doch ich musste. Gleichzeitig war da mein Vater, der so verloren aussah ohne sie, das tat ebenso weh.

    Ich möchte Dir soviel sagen, um Dich zu trösten und doch finde ich keine Worte. Weiß ich doch, dass es im Grunde keinen Trost gibt, aber es ist ein Zeichen, dass Du nicht allein bist. Es tut mir leid für Dich, ich fühle mit Dir….

    Skye

  • Vielen Dank für Eure Anteilnahme ... das tat gut.

    Anfang der Woche ist meine Mutter nach 10 Tagen Koma von uns gegangen. Auch wenn ich gewusst habe, dass es so kommt, hat es mich ganz schön umgehauen. Die Ärztin sagte, dass Muttern nichts mehr mitbekommen hat und dass sie schmerzfrei gehalten wurde. Das war wenigstens ein kleiner Trost ...

    Jetzt gilt es für uns "Licht ins Chaos" zubringen, aber das werden wir packen.

    Mir grault es jetzt schon fürchterlich vor der Gerichtsverhandlung bzw. derem Ausgang. Ich hoffe für unsere Familie und alle Angehörigen, dass meine Mutter keine Schuld hatte (aber vermutlich wird der Alkohol uns einen Strich durch die Rechnung machen).
    Allerdings tut mir der Autofahrer auch leid, es ist bestimmt ein beschissenes Gefühl einen Fahrradfahrer umzufahren und zu wissen, dass der jetzt tot ist.

    Hoffentlich haben wir es schnell hinter uns.

    Liebe Grüße

  • hallo couchemar

    mein aufrichtiges beileid zum tod deiner mutter.

    ich wünsche dir viel kraft und die zeit um um sie trauern zu können - mehr als dir unser zu leihen können wir leider nicht, aber das darfs du jederzeit in anspruch nehmen.

    liebe grüße & fühl dich umarmt

    -Dani-

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