Mit mir selbst zufrieden leben

  • Heute Morgen hatte ich eine Empfindung, die mir zeigte, dass ich mich ziemlich verändert habe seit der Zeit als ich mit „meinem Alki“ zusammenlebte. Ich habe mich beim Aufwachen einfach nur wohl gefühlt, weil ein freier Tag vor mir liegt. Weil ich gut geschlafen hatte und mich ausgeruht fühle. Weil ich heute der einzige Mensch bin, auf den ich Rücksicht nehmen muss.

    Das war, weiß Gott, nicht immer so. Es hat eine ganze Zeit gedauert, bis ich mich an das Leben mit mir gewöhnt habe und es nun auch genießen kann. Sicherlich gibt es Momente, wo ich gerne mit jemanden leben würde. Manchmal fehlt mir ein Ankuscheln vor dem Einschlafen oder beim Aufwachen das halbschläfrige in den Arm nehmen, das mir früher den Start in den Tag nicht so abrupt erscheinen ließ. Und manchmal fände ich es auch deutlich einfacher, nicht für den ganzen Haushaltssch....... alleine verantwortlich zu sein.

    Ich werde einfach mal versuchen, meinen Weg bis hierher aufzuschreiben. Vielleicht kann er eine Hilfe sein, Hoffnung machen, dass mit der Trennung von einem trinkenden Partner nicht alles vorbei ist. Ich dachte immer, ich bin nicht in der Lage, alleine zu leben und habe die Menschen, die dies tun, verständnislos und mit einer Art Mitleid betrachtet. Ich konnte es mir nicht vorstellen, dass jemand gerne alleine lebt. Ich konnte es mir nicht vorstellen, weil es für mich selbst unvorstellbar war.

    LG
    Ette

    Im Schmerz von gestern liegt die Kraft von heute.
    ("Handbuch des Kriegers des Lichts" v. P.Coelho)

  • Ja, es hört sich nicht nur gut, es fühlt sich auch gut an, wenn es auch nicht jeden Tag gleich gut ist. Werkzeuge waren für mich wichtig. Zwei davon sind diese beiden Threads:
    https://beispiel.rocks/beispiel.rocks…pic10562-0.html
    https://beispiel.rocks/beispiel.rocks…opic9541-0.html

    Ein tägliches sich bewusst Machen, dass nicht alles davon abhängt, ob meine Partner trinkt oder nicht. Ob ein Mensch für mich da ist oder nicht. Vom Kopf her war dieses Bewusstsein deutlich früher da als ich es vom Empfinden her wahrnehmen konnte.

    Erst irgendwann im letzten Jahr hatte ich so eine Art Schlüsselerlebnis. Plötzlich konnte ich es fühlen, was ich die ganze Zeit mir immer wieder vorgesagt hatte.

    Genau ausdrücken kann ich es immer noch nicht, aber ich hab es in eine kleine Geschichte gepackt:

    Im Schmerz von gestern liegt die Kraft von heute.
    ("Handbuch des Kriegers des Lichts" v. P.Coelho)

  • Die Meerfrau

    Versonnen saß die Frau auf einem dieser grauen Steine am Strand, die gerundet ob ihrer Wanderung durch die Ozeane, irgendwann von der Macht der Wogen und des Windes an Land gespült worden waren. Sie ließ ihren Blick über das Wasser schweifen bis zum Horizont, der Linie, an der das Graublau des Wassers in das lichtere Blau des Himmels überging. Das luftige Azur spiegelte sich in diesem Wasser, das ruhig auf und ab wogte im endlosen Kommen und Gehen. Gleichmäßig rauschend schoben sich die Wellen mit ihrem schneeig schäumenden Saum über den Sand, um sich umgehend wieder zurückzuziehen. In neuem Anlauf, wie mit feuchten streichelnden Fingern nach dem Sand greifend, kühlten sie ihn und ließen ihn duften nach Muscheln und Tang.

    In den Haaren der Frau spielte der Wind, der stetig über das Wasser wehte und am Himmel zarte Wolkengespinste dahinreisen ließ. Sie konnte ihn salzig auf ihren Lippen schmecken. In ihren Ohren gellten die Schreie der Möwen, die wie tollende Kinder durch die Luft flogen in der Hoffnung, irgendwo einen Schnabel voll Futter zu erhaschen.

    Die Frau hielt ein Kind auf dem Schoß. Geborgen in ihren Armen, wiegte sie es im Rhythmus der Wellen. Ihr ganzer Körper ein Auf und Ab wie ein Teil des Meeres. Als sie ein leises Wimmern vernahm, senkte sie ihren Blick auf das Kind, das sie mit Augen ansah, in denen alle Weisheit der Welt schimmerte. Augen, die alles zu wissen schienen, was es für ein Leben in dieser Welt zu wissen galt. Sie versenkte ihren Blick in den Augen des Kindes, dieses Kindes, das sie vor vielen Jahren einmal selber gewesen war. Sanft legte sie eine Hand unter den Kopf des kleinen Wesen und barg das Köpfchen an der Stelle, an der ihr Hals in weichem Bogen in die Schulter überging. Schmiegte ihre Wange an das zarte, lockige Kinderhaar und summte beruhigend mit weich geschlossenen Lippen eine kleine Melodie. Das Kind beruhigte sich und schloss verstrauensvoll die Augen. Und das Auf und Ab der Wellen, das Summen und Wiegen ihres Körpers ließen die Frau sich eins fühlen mit allem um sich herum und mit dem Kind. Sie spürte einen großen Frieden in sich aufsteigen, der sie mit Zuversicht und Sicherheit erfüllte.

    Ein tiefer Atemzug entrang sich ihrer Brust, jedoch war es keiner von diesen sorgenbeladenen Seufzern. Eher ein Aufatmen der Erleichterung, wenn etwas Großes, Schwieriges zu einem guten Ende gebracht ist. Sie sah um sich, als ob sie eben aus einem wunderschönen Traum erwacht wäre und fühlte sich doch ganz im Hier und Jetzt. Bemerkte, dass der Bus an der Endstation angelangt war, an der sie aussteigen musste. Als die Tür sich mit einem hydraulisch fauchenden Zischen öffnete, trat sie auf die Straße und ging mit erhobenem Kopf und geraden Schulter, sicher und geschmeidig wie eine Massaifrau unter der Sonne Afrikas, mit schwingenden Hüften durch den Regen, der den Asphalt auf den Straßen der Stadt wie Onyx schimmern ließ. Sie war auf ihrem Weg.


    LG
    Ette

    Im Schmerz von gestern liegt die Kraft von heute.
    ("Handbuch des Kriegers des Lichts" v. P.Coelho)

  • Guten Morgen,

    pünktlich zum Herbstanfang ist also heute bei uns das Schietwetter angekommen, das sich gestern schon phasenweise angekündigt hatte. Dies ist nicht wirklich ein Genuss. Es heißt aber auch, Zeit für Tee und heißen Kakao, die sich genüsslich in kleinen Schlucken schlürfen lassen. Wenn ich beide Hände um den Becher mit dem heißen Getränk lege und mir die Hände daran wärme, fällt mir immer meine Oma ein, weil sie auch so ihren Tee trank - mit beiden Händen um den Becher. Ich erinnere mich gern an sie.

    Manchmal, wenn ich den Spiegel sehe, merke ich, dass ich ihr immer ähnlicher werde. Überhaupt seitdem ich mir die Haare nicht mehr färbe und nun nach und nach immer mehr „silbermetallic“ mein Haar durchzieht. Sie hat ihr Leben ganz alleine auf die Reihe bekommen, drei Kinder erzogen, ein Haus gebaut und das alles ohne Mann, da dieser im Krieg gefallen war. Sie war eine starke Frau, ohne despotisch zu sein. Die Erinnerung an sie versöhnt mich mit manchem, was in meiner Kindheit nicht so gut gelaufen ist. Vielleicht sollte ich einfach öfter an sie denken.

    LG
    Ette

    Im Schmerz von gestern liegt die Kraft von heute.
    ("Handbuch des Kriegers des Lichts" v. P.Coelho)

  • Hallo elle und smilla,

    ich seh euch gerade online und wink mal heftig in euere Richtung. Ich hoffe, es geht euch gut.

    LG
    Ette

    Im Schmerz von gestern liegt die Kraft von heute.
    ("Handbuch des Kriegers des Lichts" v. P.Coelho)

  • Ein Leben ohne Aufregung fand ich immer langweilig. Es musste etwas passieren und zwar ständig, ansonsten fühlte ich mich alt und ungesehen. Tanzen gehen, herumflirten, ausprobieren, ob Männer auf mich reagieren. Mein Exmann, eher ruhig und häuslich, zog zwar mit, hat aber von sich aus nie die Initiative für irgendwelche Unternehmungen ergriffen. Weder wenn es darum ging, einen Urlaubsort auszusuchen, noch sich mit Bekannten zu verabreden. Er hat mir aber im Haushalt geholfen, wenn ich ihm sagte, was zu tun sei. Ein braver Junge eben. Irgendwann trennte ich mich von ihm, weil ich dachte, das kann doch nicht alles gewesen sein. Endlich richtig leben wollte ich, wobei ich mir nicht wirklich klar war, was ich als richtig leben empfinden sollte.

    Nächte durchtanzen, mir den ein oder ONS auftun und, wie bequem, von zu hause am PC aus meine Fühler in die weite, weite Welt ausstrecken. Dort ist es schließlich recht leicht, sich jemanden zu angeln. Einsame Herzen, Existenzen, die im realen Leben nicht unbedingt Glück beim anderen Geschlecht haben, eine Gesellschaft von Suchenden, die da Nacht für Nacht durchs www schwirrt und ich mitten drin. Ich empfand mich als fortschrittlich und aufgeschlossen und es blieb nicht aus, dass ich mich mit dem ein oder anderen traf. In der Realität wurden mir die Cyber-Prinzen recht schnell zum Frosch, aber wahrscheinlich erging es ihnen mit mir nicht anders. Bis, ja bis ich IHN dann das erste Mal traf.

    Ich kannte seine Geschichte, er hatte sie mir in nächtelangen Telefonaten erzählt und schließlich absolvierte er gerade eine LZT. Und das einzige, was mir bei seiner Krankheit einfiel, dass es dann eben keinen Alkohol mehr geben könne. Blauäugig ging ich davon aus, dass dies die einzige Einschränkung in unserem Leben sein würde. Ich glaubte die Geschichten von der Ungerechtigkeit, von der Ignoranz und von den Schuldzuweisungen seiner Ehefrau, die ihn als krönenden Abschluss auch noch aus dem Haus geschmissen hatte und, natürlich, die Kinder gegen ihn aufhetzte. Danach war er in Therapie gegangen. Voller Mitleid und Verständnis war ich für ihn und vor allem war ich mir sicher, dass ich ihn viel mehr lieben würde, als dies seine Noch tat. Und natürlich viel besser verstand. Seine Sensibilität, seine Intelligenz und seine Redegewandtheit, die seine Noch gar nicht richtig zu würdigen wusste. Mit meiner Liebe würde er BESTIMMT nicht mehr trinken. Wir beide würden der Welt und der Sucht die Stirn bieten. Seelenverwandt wie wir waren, würden wir bestimmt glücklich und gesund bis ans Ende unserer Tage miteinander leben. So träumte ich.... und fand alles wahnsinnig aufregend.

    LG
    Ette

    Im Schmerz von gestern liegt die Kraft von heute.
    ("Handbuch des Kriegers des Lichts" v. P.Coelho)

  • Hallo Ette,

    ich hoffe du verzeihst mit, wenn ich in dein kleines schönes Reich der Zufriedenheit so einfach einbreche, aber deine Zeilen haben mich wieder mal zurückerinnern lassen. :)

    Ja warum brauchen wir so die Aufregung? Ich habe mal zu meinen Schatz gesagt „Du hast immer wieder nur Katastrophen für mich bereit, das macht mich so krank, das will ich nicht .. ich will auch mal was schönes von dir!“ und was habe ich gemacht ... ich habe mich mit Begeisterung in seine Katastrophen gestürzt und habe sie zu unseren gemacht.
    Auch ich war mir sicher, dass ich ihn viel mehr lieben würde, als alle anderen vor mir, denn ich tuh ja sooo viel mehr und versuche soo harmonisch zu sein und in zu verstehen.
    Und weißt du was mich ganz schön getroffen hatte! ... als er mir erzählt hatte, der Frau vor mir, hat er sofort erzählt, das er Alkoholiker ist und in dieser Beziehung hat er nicht getrunken und wenn sie nicht gestorben wäre, wäre er auch noch heute mit ihr zusammen.
    Und ich hab dagesessen und es kam mir wie ein Schlag ins Gesicht vor! Ne nicht weil ich auf diese Frau eifersüchtig bin ... jeder hatte ein Leben vorher .. na ja oder vielleicht doch, aber nur in dem Sinne, weil ich mir sagte „Warum konnte er nicht so ehrlich zu mir sein? Zu mir, wo ich ihn doch so liebe, wo ich doch immer für ihn da war, in so gut verstehe?“ Nicht die gerade gewonnen Tatsache, das er Alkoholiker ist, hat mich in diesem Augenblick beunruhigt, das hat mich eher noch angespornt ... nein die Erkenntnis, dass da jemand war, zu dem er ehrlicher war als zu mir, damit bin ich gar nicht klar gekommen und hab mich so schlecht gefühlt ...

    Lieben Gruss
    M.

    Ich bin nicht auf der Welt um so zu sein, wie andere mich haben wollen!

  • Hallo Charmenida,

    du musst mich nicht um Verzeihung bitten, wenn du hier schreibst. Dafür ist der Thread schließlich da.

    Zu deinem Posting mach ich mir grad noch Gedanken. Ich hatte wenig Zeit heute.

    LG
    Ette

    Im Schmerz von gestern liegt die Kraft von heute.
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  • Hallo Charmenida,

    ich glaube, wir Co´s brauchen die Aufregung und den Thrill, weil wir sonst merken würden, dass unser Leben und wir leer sind. Wir haben nicht gelernt, unsere Leben für uns zu leben und alleine ist uns ganz einfach zu langweilig. Wir brauchen etwas gegen diese „Langeweile“. Selbst Katastrophen haben dann etwas Gutes. Wir müssen uns nämlich kümmern, helfen, lieben..... und brauchen nicht zu spüren, dass wir uns nicht spüren. Die erste Zeit, als mein Freund nicht mehr bei mir wohnte, fand ich es schrecklich ruhig, wenn ich nach hause kam, obwohl mir vorher immer grauste, weil ich nie wusste, wie er drauf war. Das ging von himmelhoch jauchzend über zänkisch-rechthaberisch bis hin zum absoluten Weltschmerz.... aber jeden Abend war irgendeine Form von Theater. Es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich die Ruhe genießen konnte. Ich wusste nichts mit mir anzufangen....so ganz ohne Katastrophe.

    Die Eifersucht auf die Vergangenheit kenne ich auch. Schließlich standen da wenige Jahre gegen 25 Ehejahre. Und er nahm immer noch mehr Rücksicht auf sie als auf mich in der Anfangszeit. Zu Anfang hieß es noch, er wüsste nicht, ob er wieder zu ihr zurück geht.... die Entscheidung überließe er ihr. Und ich Rind, hab drauf gewartet, was sie tut. Schön blöd, find ich heute.

    Dass er dir erzählt, bei der anderen Frau wäre er ehrlich gewesen von Anfang an und bei ihr hätte er nicht mehr angefangen zu trinken, halte ich für eine Schutzbehauptung bzw. für eine ganz perfide Art, dir eine Schuld einzureden. Makaber formuliert, könnte man auch behaupten, die andere Frau ist vielleicht nur zu früh gestorben. Hätte sie länger gelebt, wärs womöglich auch irgendwann soweit gewesen. Aber in erster Linie, denke ich, will er dich verletzten, weil er sich selbst ziemlich sch..... fühlt, wenn er wieder trinkt. Lass dir den Schuh nicht anziehen. Es war schließlich seine Entscheidung, wieder zu trinken. Da hat weder die andere Frau noch du mit zu tun. Oder hast du ihm die Pulle an den Hals gesetzt? Sicher nicht! Außerdem solltest du in Betracht ziehen, dass diese Aussage nur SEINE Form der Wahrheit ist, eine Form, damit er nicht der wirklichen Wahrheit ins Auge gucken muss, nämlich der, dass er rückfällig geworden ist.

    Halt die Ohren steif!

    LG
    Ette

    Im Schmerz von gestern liegt die Kraft von heute.
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  • Stimmt, grafitti,

    das wär was für den obersten Thread....dort unser Co-Punkte gesammelt werden.

    LG
    Ette

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  • Guten morgen, ihr habt ja Recht. Heute sehe ich das ja auch schon etwas gelassener. Zu dem Zeitpunkt hätte er mir wahrscheinlich alles gesagt, nur damit wir wieder zusammen kommen.
    Wie sagt man so schön .. da frist der Teufel Fliegen! Aber das er damit bei mir in ein Wespennest gestochen hat, war im ganz bestimmt nicht klar. Denn als ich mich dann fragte „bin ich eigentlich wirklich so schlecht, dass mich ein Mann erstmal schön trinken muss? da war bei mir das Maß so voll … ich war wütend und in meinem tiefsten innern habe ich das nicht geglaubt und ich habe angefangen so richtig zu bohren, warum mir das immer passiert. Unbewusst hat er mir neben den Tritt auch noch einen Schubs gegeben.
    Heute bin ich hier und es juckt mich immer weniger .. na ja ab und zu sticht es noch, aber ich versuche eben immer mehr darauf zu achten, das er mir gut tut und nicht, das ich ihm was gutes tuhen kann mit dem Hintergedanken, dass er mich dann lieber hat, egal wie es mir dabei wirklich geht ..

    Ist verdammt schwer, aber ich arbeite daran!

    Ich bin nicht auf der Welt um so zu sein, wie andere mich haben wollen!

  • Zum Thema Katastrophen… bis vor ein paar Wochen war ich noch fest davon überzeugt, dass ich auch gut mit mir alleine sein kann. Ich hätte das sogar unterschrieben. Aber wenn ich mir so überlegen, wann ich denn mal wirklich in meinem Leben mit mir alleine war.. eigentlich nie. Vielleicht mal ne kurze zeit nach meiner Trennung von meinem ex-mann, aber dann trat auch gleich ne gute „Freundin“ in mein Leben … frisch getrennt genau wie ich und wir haben uns gegenseitig zugejammert. Was ich damals nicht wusste, aber heute denke, sie ist eine co-abhängige wie sie im buche steht. irgendwann hat nur noch sie gejammert und ich habe mich tag täglich von ihr als persönlicher Mülleimer missbrauchen lassen und habe auch noch versucht sie auf den richtigen Weg zu bringen. Natürlich vergeblich! Und ich bin immer unzufriedener geworden. Heute hab wir keinen Kontakt mehr bzw. guten Tag und guten Weg, weil sie sich von mir nicht verstanden fühlt! Ich hab sie gerne und wünsch ihr alles Gute!

    Ich bin nicht auf der Welt um so zu sein, wie andere mich haben wollen!

  • ...wahnsinnig aufregend...

    Da hatte ich ihn also gefunden, den absolut seelenverwandten Übermann, dessen Vorzüge all die anderen Menschen bisher nicht wahrgenommen hatten. Schließlich hatte ich den Blick der tiefen, aufopferungswilligen Liebe, mit dem ich ihn betrachtete. Meine Zeit wurde wochenend-getaktet. Ich lebte von Freitag bis Sonntag und wartet von Sonntagabend auf Freitagmittag. Morgens meine erste „Amtshandlung“ war ein Telefonat und abends meine letzte ebenso. Manchmal hatte ich dabei das Gefühl, dass er nicht „alleine“ sei. Sein Verhalten war anders als an den Wochenenden, er redete über Dinge, über die er sonst nicht redete. Ich freute mich darüber, weil ich dachte, wir kämen uns näher. Aber es war wohl lediglich der Alk, der in vergessen ließ, seine brave Fassade aufrecht zu erhalten. Doch diese Erkenntnis kam mir erst viel später.

    Alles war eitel Freude und Sonnenschein. Bis ich ihn immer wieder im Chat sah, zu Zeiten in denen er angeblich in der SHG war. Mit einem anderen Nick, den er mir irgendwann erzählt hatte, es aber wohl wieder verbuddelte hatte, dass ich ihn kannte. Darauf angesprochen, erhielt ich nur die lapidare Antwort, dass er keine Lust gehabt hätte und sich, hätte er mir die Wahrheit erzählt, vor den dann folgenden Auseinandersetzungen schützen wollte. Natüüürlich glaubte ich ihm das.

    Ich war zwischenzeitlich aus meiner Ehewohnung ausgezogen, geschieden und wohnte in einer schnuckeligen, kleinen Drei-Zimmer-Wohung. Groß genug für mich allein. Da er ohne Arbeit war, machte ich irgendwann die Rechnung auf, dass zwei kleine Wohnungen ja teuerer waren als eine große und wir zudem noch die ewigen Fahrt- und Telefonkosten sparen könnten. Und so wurde mein Glück fast perfekt, denn wir zogen zusammen, das heißt er zog um in meine Stadt. Seltsamerweise hatte ich, als wir die gemeinsame Wohnung aussuchten, ein seltsames Gefühl. Und ich hatte beim Aussuchen darauf geachtet, dass ich sie notfalls auch alleine finanzieren konnte. Mein Verstand war also noch nicht vollkommen durch den Wind.

    Manche Tage waren göttlich und es war so, wie ich es mir vorgestellt hatte. An anderen war er so fürchterlich durch den Wind. Weinte vor Weltschmerz und Existenzangst. Oder war stur und rechthaberisch, erzählte mir fünfmal das gleiche, wenn er sich über etwas aufgeregt hatte, was ich tat. War himmelhoch-jauchzend und zu Tode betrübt. Wenn ich dahinter Alkohol vermutete, erzählte er mir von seinen Depressionen. Als ich ein Buch darüber las, sah ich schon so ähnliche Verhaltensweisen, wie er sie an den Tag legte, jedoch waren auch in einem Buch über Alkoholabhängigkeit derartige Verhalten zu finden. Selbstverständlich glaubte ich an die Depression. Es tat mir auch so leid, dass er so ein schweres Leben hatte. Ich konnte verstehen, dass ihn seine Situation – ohne Arbeit, ohne Kontakt zu seinen Kindern wegen der bösen Ex, ein quasi wirtschaftlich von mir abhängig sein – sehr belastete und depremierte.....

    Im Schmerz von gestern liegt die Kraft von heute.
    ("Handbuch des Kriegers des Lichts" v. P.Coelho)

  • ...Trotz seiner manchmal schlechten Stimmung, fühlte ich, dass wir uns ebenbürtig waren. Und im Grunde waren wir das ja auch in unseren Suchtstrukturen. Nur fiel mir das erst sehr viel später auf. Ein kluger Mensch sagte während dieser Zeit zu mir, dass wir wie zwei hungrige Kinder wären, die die Sättigung vom jeweils anderen erhoffen. Solange wir jedoch nicht selbst dafür sorgen konnten, „satt“ zu werden, hatten wir wenig Chancen auf Zufriedenheit. Aber das wurde mir erst sehr viel später klar. Zu dieser hab ich ihn einfach immer nur geliebt....gehofft....verzweifelt agiert, um ihm ein Umfeld zu geben, in dem er das Trinken sein lassen konnte. Nur – er hat es gar nicht gewollt...

    In unserem Zusammenleben nahmen er und seine Befindlichkeit einen immer größeren Platz ein. Total fixiert erlebe ich mich in der Rückschau. Alles war unwichtig, solange es ihm schlecht ging. Alles, was ich sagte, wurde vorher von mir innerlich geprüft, ob es vielleicht seine Stimmung verschlechtern könne, wenn sie gut war. Jedes Wort wurde daraufhin überdacht, dass es ja keinen Anlass bieten konnte, ihm einen Grund zum Trinken zu liefern. Und dazwischen fühlte ich mich toll, weil „er“, dieser phantastische Mensch, mit mir lebte. Trotzdem hatte ich immer wieder das Gefühl, dass er trank. Nicht offen, aber das hatte er nie getan. Manchmal hatte er einen seltsamen Mundgeruch. Wenn ich ihn darauf ansprach, erzählte er etwas von zuviel Magensäure oder aber er aß stark riechende Lebensmittel, Knoblauch, Zwiebeln, Hering, sodass ich ihm schon nicht so nah kommen mochte und er nichts erklären brauchte.

    Immer wieder Problemgespräche, stundenlang und oftmals nach einem anstrengenden Arbeitstag. Ich fühlte mich immer mehr ausgelaugt und erschöpft. Seine nächtlichen Wanderungen durch die Wohnung machten mir Kummer, denn ich vermutet Alk dahinter. Also fing ich an zu suchen. Ohne Erfolg – bis, ja bis ich eines Morgens eine angefangene Wodkaflasche fand. Per Zufall. Einerseits ein Gefühl, als ob eine eiskalte Hand mein Herz packt, andererseits ein lautes: „Hab ich’s doch gewusst!“ in meinem Kopf. Natürlich Beteuerungen, dass es die erste sei, und dass er es natürlich wieder sein lassen würde. Vorrübergehen ließ er es aber erst sein, als ihn die Polizei mit alkoholisiert anhielt und er für einige Tage zur Entgiftung ging. Von dort aus beantragte er gleich eine ambulante LZT, zu der er die ersten paar Mal noch angetrunken auftauchte.

    Tagelang ließ er sich in der Wohnung nicht blicken. Streunte tagsüber draußen herum und verkroch sich nachts betrunken was weiß ich wo. Ich hatte Albträume, sah ihn irgendwo ertrunken, gestürzt, halb tot liegen. Bis heute weiß ich nicht, wie ich diese Zeit überstanden habe. Mehrfache Suizidandrohung, dass ich ihn mit der Polizei suchen ließ. Und irgendwann wieder einmal war er verschwunden und ich hatte die Nase endlich so voll, dass ich losfuhr und mir einen Stapel Umzugskartons besorgte. Alles, was von ihm in der Wohnung war, packte ich ein. Als die Kartons voll waren, stopfte ich den Rest einfach in Müllsäcke und schaffte alles in den Keller. Ich weiß nicht, wo ich Kraft hernahm, weiß nur, dass ich mich innerlich wund, zerrissen, abgestorben fühlte. Dem Nervenzusammenbruch nah. Aufrecht gehalten nur von einer unbändigen Wut, denn beim Ausräumen hatte ich noch ein paar nette Kleinigkeiten gefunden, die mir zeigten, dass alles nur eine große, perfekte Schauspielnummer gewesen war....

    Im Schmerz von gestern liegt die Kraft von heute.
    ("Handbuch des Kriegers des Lichts" v. P.Coelho)

  • Guten Morgen,

    nun wäre ich doch fast der Versuchung erlegen, hier die ganze Geschichte aufzuschreiben. Dabei ist dies gar nicht erforderlich. Ich halte es für viel wichtiger, zu sehen, was ich in der ganzen Zeit, nachdem er nicht mehr bei mir wohnte, für mich getan hatte.

    Mich mit dem Thema Alk und Co auseinander zu setzen, habe ich ja relativ früh getan. Allerdings eher auf einer sehr verstandesmäßigen Ebene. Mein Kopf wusste recht gut, wie Co-Abhängigkeit funktioniert und bei Anderen konnte ich auch ganz klar die Strukturen erkennen und erkenne sie heute noch. Jedoch dauerte es noch eine ganze Weile, bis ich das, was ich mit dem Kopf wusste, in meine Gefühlswelt integrieren konnte. Zumal mir dabei auffiel, dass ich in jeder meiner Beziehungen Beziehungsabhängigkeit gelebt hatte. Sie wurde nur nicht als Co-Abhängigkeit bezeichnet, weil die Männer keine Alkoholiker waren. Aber die Strukturen waren die gleichen. Dafür sorgen, dass alles läuft, zu wissen, was gut für „ihn“ ist, Veränderungen nur von „ihm“ zu verlangen. Und wenn es nicht richtig läuft in meinen Augen, den Abflug machen.

    Durch die Tatsache, dass ich einen alkoholabhängigen Partner hatte, hatte ich eine echte Chance bekommen, mich zwangsläufig mit mir selbst auseinander setzen zu müssen. Denn ich hatte meinen eigenen Tiefpunkt erreicht. Er half mir, zu erkennen, dass ICH für MICH etwas ändern musste. Denn kein anderer Mensch kann dafür sorgen, dass ich mit mir zufrieden bin.

    Es war und ist inzwischen ein jahrelanger Lernprozess., in dem ich immer wieder feststelle, dass Vieles von dem, was ich im Außen suchte, längst in mir ist, von mir aber nicht akzeptiert wurde, weil ich mir selbst die Kompetenz absprach, zu wissen, was gut für mich und an mir ist.

    LG
    Ette

    Im Schmerz von gestern liegt die Kraft von heute.
    ("Handbuch des Kriegers des Lichts" v. P.Coelho)

  • Zitat von Ette

    Durch die Tatsache, dass ich einen alkoholabhängigen Partner hatte, hatte ich eine echte Chance bekommen, mich zwangsläufig mit mir selbst auseinander setzen zu müssen. Denn ich hatte meinen eigenen Tiefpunkt erreicht. Er half mir, zu erkennen, dass ICH für MICH etwas ändern musste. Denn kein anderer Mensch kann dafür sorgen, dass ich mit mir zufrieden bin.

    das könnte ich auch unterschreiben! :)

    lieben Gruss
    M.

    Ich bin nicht auf der Welt um so zu sein, wie andere mich haben wollen!

  • Aufstehen ist schwierig zur Zeit. Ich stehe deutlich einfacher auf, wenn es morgens bereits hell ist. Also kommt für mich nun aufstehtechnisch die anstrengendere Jahreszeit. Dabei fand ich sie gestern nachittag dennoch richtig schön.

    Draußen goss es wie aus Eimern. Der Wind zauste die Bäume und zusammen mit dem Regen sausten Blätter durch die Luft. In meinem Wohnzimmer war es warm und trocken, ich hatte ein leckeres Essen und jemanden, der mit mir Karten spielte. Einfach so, mitten in der Woche mal einen auf Sonntagnachmittag machen. Schön!

    LG
    Ette

    Im Schmerz von gestern liegt die Kraft von heute.
    ("Handbuch des Kriegers des Lichts" v. P.Coelho)

  • Zitat von Ette

    Als ich damals immer wieder das Gefühl hatte, dass mein Freund trank, habe ich Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um etwas dagegen unternehmen zu können. Und habe immer wieder von all den Menschen, die etwas von der Materie verstanden, den Satz zu hören bekommen: Frau Ette tun Sie etwas für sich. Ziemlich verständnislos habe ich diesen Satz immer wieder wahrgenommen. Verständnislos deshalb, weil ich der Meinung war, ich täte doch schon genug für mich. Ich hatte Hobbies, Interessen, viel Ablenkung im Außen. Heute, im nachhinein, stelle ich fest, dass ich mir gewünscht hätte, dass mir jemand klipp und klar gesagt hätte, dass mein Verhalten aus einer KRANKHEIT resultiert. Niemand hat mir knallhart gesagt, dass mein Verhalten eine eigene Sucht, eine eigene Krankheit ist. So habe ich eine ganze Zeit gebraucht, um selbst herauszufinden, dass das, was ich für eine absolute Seelenverwandtschaft, eine alles umfassende Liebe hielt, nichts anderes war, als meine eigene Angst, alleine, zu nix nütze, nicht wertvoll zu sein. Also eine seelische Erkrankung, ein Defizit in meiner eigenen Persönlichkeit. Es hat lange gedauert, bis ich das für mich herausgefunden habe. Und dieser Satz: ...tun Sie etwas für sich.... bekam dann eine ganz andere Bedeutung. Es ging dann nicht mehr um kleine Ablenkungen im Außen, sondern darum, MEINE Krankheitssymptome zu bearbeiten. Ich hätte es früher in Angriff nehmen können, wenn ich die Klarheit darüber gehabt hätte.

    LG
    Ette

    Hallo Ette,

    wieso nur steht am Anfang wohl die Kapitulation gegenüber dem Alkohol und gleich anschließend die geistige Genesung;
    um sich der Bedeutung der geistigen Genesung überhaupt bewußt zu werden, benötigen wohl viele "etwas mehr" um Sich überhaupt erstmal selbst eingestehen zu können, das an Ihrem Denken und Fühlen etwas nicht in Ordung sein könnte, oder?

    Reflektierst Du für Dich den in den Schritten?

    Ich habe aus heutiger Sicht für mich festgestellt, daß Sich alleine durch die Auseinandersetzung, nicht nur Fortschritte aktivierten, sondern dahinter sich auch die Lösung verbarg!

    Einer der ersten Sätze die ich hörte war; "Ich brauche nur bei mir zu bleiben, nichts hinzufügen und nichts weglassen."

    Allein die praktische Umsetzung der manchmal so einfachen Sätze, bzw.
    deren Bedeutung (für Rückmeldungen) führte für mich zu Fortschritten, obwohl ich es am Anfang nicht verstehen konnte.

    Gruß Hermann

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