Was versteht ihr unter "eigenen Erfahrungen" ?

  • Hallo miteinander,

    ich habe mal wieder eine richtig doofe Frage an Euch alle :wink:.

    Im Ernst:

    Ab und an wird ja hier im Forum gerne der Hinweis erteilt, dass wir uns primär auf den Austausch eigener Erfahrungen beschränken sollten. Das ist denke ich von Grundsatz her auch völlig in Ordnung, aber wie weit können (oder sollen) denn die eigenen Erfahrungen jetzt gefasst werden? Wie nah muss ich eine „Geschichte“ miterlebt haben, um sie im Rahmen der Selbsthilfe als Erfahrung verwenden zu dürfen?

    Ich möchte das jetzt gar nicht weiter ausführen, sondern das Wort an Euch weitergeben, also:

    Was versteht ihr unter „eigenen Erfahrungen“?

    Liebe Grüße
    J.

    Was ist, ist - was nicht ist, ist möglich! ///// 17.07.07

  • hallo jd

    also für mich ist das recht einfach, ich muß es erlebt haben, entweder selbst oder als betrachter. hier gehört nichts her was ich in büchern lese oder was ich vom hören sagen weiß. bücher sind nicht mein geistiges eigentum, hier greift urheberrecht, und bei hören sagen weiß doch jeder was raus kommt wenn man stille post spielt. jeder dichtet sich was dazu und am ende ist die maus ein elefant.

    doro

    Alkohol ist ein prima lösungsmittel es löst familien arbeitsverhältnisse freundeskreise und hirnzellen auf.
    trocken seit 18.10.2001

  • Hallo Doro,

    ich danke Dir erstmal für Deine Antwort (leider bislang die einzige).

    Auf das Thema „Bücher“ mag ich gar nicht weiter eingehen – ich hätte dazu zwar auch etwas, aber wir haben hier ja klare Regeln in unserem Forum und daher wäre jede Diskussion darüber ohnehin müßig.

    Folgendes wollte ich mit meiner Frage eigentlich etwas genauer beleuchtet haben:

    Zitat von dorothea

    [...] also für mich ist das recht einfach, ich muß es erlebt haben, entweder selbst oder als betrachter [...]


    Ab wann ist man als Betrachter so nah am Geschehen, das man dies als eigene Erfahrung deklarieren kann? Ich möchte die Frage gerne noch mal mit zwei kleinen Beispielen und dem Grundsatz, dass nur eigene Erfahrungen im Rahmen der Selbsthilfe verwendet werden sollen/dürfen, präzisieren:

    1. Alkoholismus ist eine tödliche Krankheit.

    Eine doch sehr häufig zu findende Formulierung, die in besonderer Deutlichkeit auf den Ernst unserer Erkrankung hinweist. Nun stelle ich diesen Satz selbstverständlich nicht in Frage, muss aber doch hinzufügen, dass mir selbst die Erfahrung von Intensivstation oder anderen, lebensbedrohlichen Zuständen erspart geblieben ist. In den letzten 15 Monaten habe ich auch niemanden bei einer solch lebensbedrohlichen Situation beobachtet. Also fußt die obige Aussage in meinem Falle einzig und allein auf den Berichten derer, die eine solche Situation bereits durchlebt haben. Streng genommen dürfte ich diesen Satz also nicht verwenden, weil er eben aus der Reflexion von Erzähltem und Gelesenem entsteht und nicht aus meiner eigenen Erfahrung. Oder darf ich doch :?:

    2. Nur nicht Trinken reicht nicht.

    Auch ein sehr verbreitetes Theorem und ich möchte auch gar keine Zweifel an der Richtigkeit desselben hegen, aber auch hier frage ich mich nach der Berechtigung, mit der ich dieses letztendlich im Rahmen der Selbsthilfe als eigene Erfahrung verwenden darf. Mir selbst sind bisher Rückfallerfahrungen erspart geblieben (und das soll auch so bleiben), ich habe daher auch nicht die Möglichkeit, retrospektiv mein eigenes Verhalten auf Mängel in der Trockenheitsarbeit zu überprüfen, die in der Analyse zu obiger Formulierung führen. Im Laufe der Zeit habe ich aber durch die intensive Beschäftigung mit dem Thema Alkoholismus schon ein Gefühl dafür bekommen, ob ein „Frischling“ seinen Weg ernsthaft und konsequent in Angriff nimmt, oder ob doch nur eine Trinkpause entsteht. Dies habe ich sowohl hier im Forum, als auch im RL feststellen müssen. Nun gilt aber auch hier: Dieses Erkennen von Fehlerhaftigkeit basiert ausschließlich auf der Reflexion von Erzähltem bzw. Gelesenem. Eine wirklich am eigenen Leib entstandene Erfahrung ist dies jedoch nicht, also auch hier die Frage, ob ich denn überhaupt die Berechtigung habe, jemandem diesen Satz mit auf den Weg zu geben :?:

    So, ich hoffe, meine Frage so ein wenig genauer umrissen zu haben :wink:.

    Freue mich natürlich über jede weitere Antwort.

    Liebe Grüße

    J.

    Was ist, ist - was nicht ist, ist möglich! ///// 17.07.07

  • Servus JoeDoe,

    dass Alkoholismus eine tödlich verlaufende Krankheit ist (sofern sie nicht gestoppt wird) kann uns niemand aus eigener Erfahrung berichten. Die, die es könnten, sind alle bereits verstorben. Aber Du kannst es getrost als Fakt der Schulmedizin so vermitteln, eben mit der Einschränkung.

    Zu Deinem zweiten Punkt: hat es bei Dir gereicht, einfach nur nichts zu trinken? Oder musstest Du -um zu Deiner heutigen Erkenntnis uns Befindlichkeit zu gelangen- mehr tun? Es ist nicht zwingend eine eigene Rückfallerfahrung notwendig um festzustellen, dass zur Erreichung der eigenen Ist-Situation "mehr" gehörte, als nur "nicht zu trinken". Deine Erfahrung ist gefragt.

    Also was hindert Dich, diese zwei Erfahrungen so anzusprechen? :wink:

    Davon abgesehen: ich muss ja niemand sagen, dass es so ist. Sehr oft ist es wirksamer, denjenigen zu Fragen ob es so ist oder nicht - und den Betroffenen selbst darüber entscheiden zu lassen, warum seine bisherigen Wege nicht zum Ziel der dauerhaften und zufriedenen Trockenheit geführt haben.

    LG
    Spedi

  • hihi spedi nu wieder

    dem ist nichts hinzuzufügen, ganz meine meinung.

    doro

    Alkohol ist ein prima lösungsmittel es löst familien arbeitsverhältnisse freundeskreise und hirnzellen auf.
    trocken seit 18.10.2001

  • Hallo Spedi, Hallo Doro,

    Dies hier:

    Zitat von Spedi

    dass Alkoholismus eine tödlich verlaufende Krankheit ist (sofern sie nicht gestoppt wird) kann uns niemand aus eigener Erfahrung berichten. Die, die es könnten, sind alle bereits verstorben. Aber Du kannst es getrost als Fakt der Schulmedizin so vermitteln, eben mit der Einschränkung.


    kam mir so auch in den Sinn, allerdings habe ich mir erlaubt, Nahtoderlebnisse oder Aussagen wie „Da haben Sie aber noch einmal verda##t viel Schwein gehabt“ aus fachkundigem Munde auch als Verifikation der potentiellen Tödlichkeit des Alkoholismus gelten zu lassen :wink:. Aber Scherz beiseite: Irgendjemand wird wohl tatsächlich einmal an den Folgen des Alkoholkonsums verstorben sein und irgendjemand anderes wird dies wohl auch mitbekommen haben, um der Welt darüber zu berichten. Und das Ganze wird sicher auch kein Einzelfall gewesen sein, denn sonst hätte diese Erfahrung ja nicht die Berechtigung ein Fakt der Schulmedizin zu sein. Der Hinweis auf die Letalität des Alkoholismus hat seinen Bezug also immer auf fremde Erfahrungen und bedient sich darüber hinaus auch der Bewertung der Schulmedizin.

    Zum zweiten Punkt: Ob die eigene Rückfallerfahrung jetzt eine zwingende Notwendigkeit ist, oder eben nicht, entzieht sich freilich meiner Kenntnis und ich habe auch gar kein Interesse, an dieser Stelle meine eigenen Erfahrungen entsprechend zu ergänzen, aber ich kann natürlich schon zuweilen feststellen, dass andere Personen unter Missachtung bestimmter Regeln, die ich für mich einhalte, wieder zur Flasche gegriffen haben. Als Beispiel: Karneval. Eine Veranstaltung, die prinzipiell doch sehr alkoholschwanger daherkommt und an deren Teilnahme so manch ein Alkoholiker seine Trockenheit verloren hat (keine eigene Erfahrung, sondern Erlebnisberichte, die mir zugetragen wurden). Beim Oktoberfest wird das vielleicht sehr ähnlich sein. Durch die Beschreibungen von solchem Geschehen werden meine Handlungsweisen letztendlich also durch Fremderfahrungen bestätigt. Wenn ich jetzt einen frisch Entgifteten, der sich schon ganz ganz dolle auf seinen ersten nüchternen 11.November freut, frage, ob er das jetzt für eine gute Idee hält bzw. was er sich davon erwartet, dann referenziere ich (zumindest in Gedanken) natürlich auf Rückfallerfahrungen, die ich eben auf Grund meiner Handlungsweise nicht habe machen müssen. Anders gesagt: Ohne die Erfahrungen anderer kann ich meinen Weg und die Veränderungen, die ich vorgenommen habe, doch gar nicht auf Erfolg in Bezug auf meine eigene Trockenheit prüfen :!:.

    So, nu hat der Joe sich selbst den Sinn und die Wichtigkeit von Selbsthilfegruppen hergeleitet. Der Tag fängt ja gut an :wink:.

    Liebe Grüße

    J.

    Was ist, ist - was nicht ist, ist möglich! ///// 17.07.07

  • Servus JoeDoe !

    Für mich bedeutet Erfahrungen weiterzugeben in erster Linie auf meine eigenen erlebten und wahrgenommenen Erlebnisse zurückzugreifen.
    Wenn ich Erfahrungen anderer weitergebe muss ich mir immer im klaren sein, dass ich diese nicht auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüfen kann.
    Das sollte man eben auch erwähnen, wenn die Rede auf Erlebnisse anderer kommt.
    Daneben gibt es natürlich auch Fakten die durch die Schulmedizin belegt sind (eben dass Alkoholismus eine tödlich verlaufende Krankheit ist,etc.).
    Und Rückfälle weisen auf Fehler in der Trockenheitsarbeit hin. Diese [/b]Fehler muss ich aber nicht selbst gemacht haben. Da kann ich sehr wohl aus den Fehlern der anderen lernen um diese dann zu vermeiden.
    Darin liegt ja auch der Sinn und Zweck einer SHG.

    Meine Gedanken dazu!

    LG
    Andreas

    carpe diem

  • hallo jd

    ich bin krankenschwester und kann aus eigener anschauung sagen das man durch alk nicht einfach nur so stirbt, sondern elendiglich verreckt, das habe ich mehrfach live und in farbe, vorwiegend gelb, miterlebt. ich habe auch genug leute gesehen die es zwar nicht geschafft haben ihre leber und bauchspeicheldrüse hin zu kriegen, dafür aber ihr hirn. sabbernde idioten die sich nicht mal mehr die schuhe zubinden können. alles die folge davon das diese leute ja sooo gern party gemacht haben.


    ich bin auch ohne rückfall trocken, ich weiß auch so das man auf saufgelagen nichts zu suchen hat. anfangs hab ich einfach auf die leute gehört die es wissen mußten, dann hab ich mich so nach nem jahr mal auf ne grillparty getraut und mir ging das nicht gut dabei, also bin ich gegangen. eine erfahrung die, wenn ich sie zuende denke, für mich die klare aussage zur folge hat, solche anlässe führen zum rückfall.

    bei mir hört es ganz klar da auf, wo ein bekannter von einem bekannten und dessen opa.....

    doro

    Alkohol ist ein prima lösungsmittel es löst familien arbeitsverhältnisse freundeskreise und hirnzellen auf.
    trocken seit 18.10.2001

  • Hallo doro,

    Zitat

    bei mir hört es ganz klar da auf, wo ein bekannter von einem bekannten und dessen opa.....


    Da sind wir völlig einer Meinung. Das hat etwas von stiller Post und das Ergebnis ist dann wohl auch sehr fragwürdig.

    Zitat

    ich bin krankenschwester und kann aus eigener anschauung sagen das man durch alk nicht einfach nur so stirbt, sondern elendiglich verreckt, das habe ich mehrfach live und in farbe, vorwiegend gelb, miterlebt. ich habe auch genug leute gesehen die es zwar nicht geschafft haben ihre leber und bauchspeicheldrüse hin zu kriegen, dafür aber ihr hirn. sabbernde idioten die sich nicht mal mehr die schuhe zubinden können. alles die folge davon das diese leute ja sooo gern party gemacht haben.


    Hier glaube ich Deinen Worten selbstverständlich und nehme Deine Erfahrung als für meine Trockenheit durchaus relevante Information für mich mit. Aber auf meine ursprüngliche Frage bezogen: Darf ich diese Information auch im Rahmen der Selbsthilfe weitergeben? Oder wäre z.B. die aus meiner Bewertung Deiner Beschreibungen resultierende Anregung: „Frag doch einmal eine Krankenschwester, wo der Alkohol Dich hinbringen kann“ streng genommen bereits eine Verletzung des Gebotes, nur eigene Erfahrungen wiederzugeben? Oder gilt die längere Beschäftigung mit dem Thema (und die sich dadurch natürlich immer wiederholenden Beschreibungen) per se auch ab einer gewissen Zeit als eigene und damit verwendbare Erfahrung?

    Na ja, eigentlich ja auch gar nicht so wichtig, oder?

    Liebe Grüße

    J.

    Was ist, ist - was nicht ist, ist möglich! ///// 17.07.07

  • Servus Joe,

    Zitat

    Na ja, eigentlich ja auch gar nicht so wichtig, oder?

    Hier fehlt schon seit längerer Zeit ein Applaus-Smilie.

    In diesem Fall weniger für die Aussage, sondern für's selber draufkommen! Und das meine ich ernst, nicht sarkastisch oder zynisch oder sonstwie! 8)

    LG
    Spedi

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