Hallo Ihr,
vorweg, ich bin selbst süchtig (was Alkohol betriftt, jetzt aber immerhin schon 4 Jahre abstinent), lebe mit einem ebenfalls Süchtigen zusammen, der es aber leider nicht geschafft hat, seine Trockenheit zu erhalten (war er überhaupt je richtig trocken?).
Mein eigener Alkoholismus hängt stark mit Beziehungen zusammen. Ich war verheiratet, unzufrieden in meiner Ehe, habe meine Bedürfnisse vernachlässigt, bzw. gar nicht gekannt (geht mir heute auch noch viel zu oft so), fand das sogar "normal".
Meine Mutter hat oft genug gesagt, dass man in einer Ehe/Beziehung zurückstecken muss. Mal ist ja vielleicht okay, zum Schluß hatte ich allerdings das Gefühl, dass ich so gut wie immer zurückstecken muss und mein damaliger Mann macht einfach, was er will, dem geht's gut, und was ist mit mir?
Ich habe es also nie gelernt, für mich selbst zu sorgen... Meine Mutter ist sozusagen Weltmeister im Leiden, und obwohl ich nie so werden wollte wie sie, bin ich ihr immer ähnlicher geworden.
Selbst heute, einige Jahre nach der Scheidung und Trennung kommen von ihr Bemerkungen, dass die Leute ja heute viel früher auseinander gehen als eben früher usw.... und es klingt sehr verächtlich.
Heute wünsche ich mir, ich wäre tatsächlich viel früher gegangen.... Ich hatte auch Tendenzen dazu.... So gab es auf meine Initiative hin eine vorübergehende Trennung, aber merkwürdigerweise kam immer dann, wenn ich mich loslösen wollte, mein Ex-Mann mehr auf mich zu, und ich war so erfreut und dankbar und voller Hoffnung, dass auch ich mich wieder ihm zugewandt habe und alles wieder von vorne anfing.
Dann wurde ich immer depressiver und fing dann auch verstärkt an, mich mit Alkohol zu trösten....
So viel zu meiner Ehe.
In meiner Entgiftungs-/Therapiezeit lernte ich einen anderen Mann kennen. Bei mir war es "Liebe auf den ersten Blick" und er sagt, dass es bei ihm genauso war.
Nach einiger Zeit zog ich mit ihm zusammen, obwohl ich natürlich gehört/gelesen hatte, dass man besser einige Jahre allein verbringt um wirklich selbständig zu werden. Alle Bedenken warf ich aber über Bord, mein neuer Partner "half" mir auch sehr dabei, denn im Grunde wollte ich nichts lieber, als eine neue feste Beziehung eingehen mit gemeinsamer Wohnung usw.
Und es hat nicht lange gedauert, bis ich mich sehr ähnlich verhielt, wie in meiner Ehe zuvor.
Auch die Vorsätze/Ideen, die ich während der Therapie entwickelten, dröselten sich immer ins Unerkennbare auf, das machte mir aber anfangs nichts aus, weil ich ja glücklich (zuerst) in meiner neuen Beziehung.
Er fing irgendwann wieder an mit dem Trinken (heimlich). Alle Anzeichen dafür nahm ich zwar, sie werden aber von ihm "wegrationalisiert" oder geleugnet: "Du bist doch selber Alkoholiker, das müsstest du doch merken, wenn ich was getrunken hätte".
Manchmal habe ich was gemerkt, manchmal war ich mir wirklich nicht sicher, und nun fing ich wieder an, mich nur noch damit zu beschäftigen, ob er nun wirklich trinkt und wenn wie oft, und wieso und so weiter und so fort.... Wenigstens hatte ich nun so wieder genug zu tun und brauchte mich nicht mit mir selbst zu beschäftigen....
Zwar habe ich mir meine Trockenheit erhalten, da fühle ich mich auch nicht gefährdet, ich glaube auch in etwa zu wissen, was Sache ist, andererseits möchte ich geliebt und gebraucht werden und bin noch nicht endgültig zu einer Trennung bereit....
Mir ist klar, dass ich NIE mit einem nassen Alkoholiker zusammenleben kann, aber vielleicht kriegt er ja doch noch die Kurve.
Ich habe tierische Angst davor z. Zt., dass er besagte Kurve nicht findet, bin aber wenigstens schlau/erfahren genug, mich nicht von ihm für sein Trinken verantwortlich machen zu lassen....
Trotzdem: es kostet mich wahnsinnig viel Kraft.
Jetzt habe ich ihm gesagt, dass er ausziehen soll. Das akzeptiert er auch und unternimmt auch Schritte in Richtung Entgiftung/Therapie, wie ernst es ihm damit ist, weiß ich (noch?) nicht, es ist alles noch ganz frisch, aber immerhin ist ein Hoffnungsschimmer vorhanden.
Dieser kleine Schimmer lässt mich schon wieder Zukunftspläne schmieden, ich weiß, dass dazu zwei gehören und dass seine Pläne nicht mit meinen übereinstimmen müssen.... ist auch okay, wenn er denn überhaupt welche in positiver Richtung unternimmt und sich nicht dem Alkohol ergibt.
Einerseits weiß ich, dass ich ihn selbst machen lassen muss, andererseits will ich ihn quasi therapieren. Ich muss mich in Geduld und Gelassenheit üben, mir selbst und ihm gegenüber.
Aber es gibt auch durchaus freudige Momente: So will ich selbst nicht in der alten Wohnung bleiben sondern auch umziehen, irgendwas Schnuckliges finden, damit ich auch nicht so lange zur Arbeit fahren muss. Ich wünsche mir, dass ich nicht wieder auf halbem Weg stecken bleibe und mich nur noch damit beschäftige, wie mein Partner sich verhält (ob wunschgemäß oder nicht ). Dass ich es lernen kann, es zu akzeptieren, wie immer es dann auch konkret aussehen mag und dass ich die Kraft, die ich ab und zu durchaus in mir empfinde, gut für mich selbst nutzen kann, auch wenn er sich für die Sucht entscheidet, auch wenn es mir wahnsinnig weh tun wird.........
Ich schwanke, ist ja auch alles noch frisch, gefühlsmäßig hin und her zwischen Enttäuschung/Selbstmitleid/Aufbruchstimmung/Glaube in meine eigene Kraft.
Es wird schon werden - der Alkohol hat mich nicht gekriegt und früher oder später werde ich es lernen, immer besser für mich zu sorgen...
So entschuldigt mein Durcheinander, das war sozusagen eine aktuelle Bestandsaufnahme und ich vermute stark, dass das Durcheinander noch eine ganze Weile anhalten wird.....