Hallo,
Ich schreibe jetzt einfach mal das, was Ihr über mich vielleicht schon im Vorstellungsbereich geschrieben habe.
Ich habe hier schon eine Weile immer mal in diesem Forum gelesen, aber mich vorher noch nicht dazu aufraffen können, zu schreiben - irgendwie fehlten mir die Worte, obwohl es eigentlich soviel zu sagen gibt. Nach jedem Besuch hier war ich sehr nachdenklich, aber ich bin wohl ein Verdrängungskünstler.
Am besten stelle ich mich erst mal vor:
Ich bin 52 Jahre alt und bin seit 18 Jahren mit meinem Lebensgefährten zusammen. Habe es vor diesen 18 Jahren aus einer auch drogenbestimmten Partnerschaft herausgeschafft (mit seiner hilfe) und direkt hinein in eine neue mit ihm - wissend, daß er getrunken hat, aber völlig naiv über das Ausmaß dieser Sucht. Gegen Heroin, dachte ich, ist Alkohol doch nichts und mit Willen und Hilfe in den Griff zu bekommen.
Ausserdem war er ein humorvoller, warmherziger, offener und grosszügiger Mensch, sehr emphatisch gegenüber anderen Menschen - sowas kannte ich bis dato gar nicht. Und wir hatten viele Gemeinsamkeiten - leider auch die, wie zwei Zahnräder zusammen zu funktionieren. Aber das habe ich erst später gemerkt (und nichts getan, abgesehen von ein paar Ausbrechern, die nach ein paar Tagen wieder vorbei waren, weil ich weich wurde).
Es gab auch alkoholfreie Zeiten - die längste dauerte ca 5 Jahre, es waren die besten unserer Beziehung, abgesehen von der Anfangsphase. Solche Zeiten hatten mir dann immer wieder viel Hoffnung eingegeben - bis zum staunenden Entsetzen, wenn es damit wieder vorbei war, bis hin zu meiner momentanen inneren Resignation, daß es überhaupt jemals noch etwas wird mit einer dauerhaften Abstinenz.
Inzwischen kenne ich die Fratze “Alkohol” in- und auswendig, nach diesen Jahren mit 1000 Rückfällen, 2 LZ`s und neuerlichen Rückfällen, weiß ich wohl, womit ich es zu tun habe, aber - ich kann immer noch nicht loslassen.
Ich schäme, hasse, verachte mich für meine Feigheit, aus dieser Spirale auszusteigen, zittere bei dem Gedanken an übelste Konsequenzen, wie: Das Vor-die-Hunde-gehen-lassen dieses Menschen, den ich irgendwie immer noch liebe und der, wenn er auch auf DEM absteigenden Ast sitzt, immer noch etwas Besonderes ist... nicht endende Schuldgefühle, Schmerz beim Gedanken an Dinge, die wir gemeinsam “gewuppt” haben, trotz aller Schwierigkeiten... und...und...ja. und auch gewalttätige Konfrontation, denn er hat sich manchmal nicht mehr im Griff.
Aber ich weiß, SO kann es nicht mehr gehen und eigentlich sehne ich mich inzwischen nur noch nach Ruhe und einem Leben, so wie ich es mir vorstelle, d.h.: Keine Angst mehr haben zu müssen, wenn ich unterwegs bin (Wie sieht es zu hause aus?), keine Respektlosigkeiten mehr, keine Angst vor Ausrastern, ach, ich denke, Ihr wisst, was ich meine... Ich habe sogar manchmal Gedanken wie: Es wäre doch besser, Du könntest Dich benehmen, wie ein menschliches Ungeheuer: Zack, Wohnung kündigen, rupf, meine Sachen rausholen und dann nichts wie weg...!
Aber da sind auch die Ängste: In eine stille Wohnung zu kommen, Tage, an denen niemand anruft, Einsamkeit...auch wenn ich weiß. es liegt an MIR, ob ich einsam sein werde oder nicht...
Zur Zeit hängt er wieder total in den Seilen, hat einen Termin für ein Vorgespräch zu einer erneuten Kurzzeit-Therapie, aber das kann erst in einem Monat losgehen, wenn dort Platz ist.
Leider hängen wir auch beruflich zusammen, und ich habe durch zwei Krankheiten keine finanziellen Reserven mehr - aber, ich bin wieder an einem Punkt angekommen, wo ich arbeiten kann, nur: Was? - Unsere Tätigkeiten haben sich ergänzt.
Mein Arbeitsplatz ist in unserer gemeinsamen Wohnung, und ich hänge in dem Dilemma, hier arbeitstechnisch nicht wegzukönnen, aber hierbleiben kostet mich unendlich viel Nerven.
Die Klinik, die ihn aufnehmen wird, hat mir geraten, solange er nicht entgiftet ist, nicht über Trennung zu reden, sondern damit zu warten, bis er bei ihnen ist.
Aber ich weiß bald nicht, wie ich diesen Monat noch aushalten kann - kaum bin ich mal aus der Tür, dreht er durch, behält nicht, wenn ich ihm vorher gesagt habe, wann ich wieder da bin, etc...
Genug gejammert, kurz gesagt, ich weiss nicht, was ich tun soll. Heute habe ich mir das erste Mal eine Wohnung angeschaut und kam mir dabei vor wie ein Verräter.
Und das ist das Schlimmste für mich: wenn er mich auch schon tausendmal verletzt hat: Sein regelrechtes Kinder-Vertrauen, daß alles wieder gut wird, wenn er wieder trocken ist (wie lange das auch sein mag), und sein unbedingter Glaube, daß ich immer eine offene Hand für ihn habe.
Dann kommen wieder Gedanken hoch wie: vielleicht schaffen wir es mit einer Paartherapie, mit psychologischer Behandlung für Ihn nach seiner Entgiftung- er war vor diesem letzten Rückfall jetzt schon in therapeutischer Behandlung und ich bin es auch... Ihr seht, ich bin hin- und hergerissen, und manchmal glaube ich, mein klares Denken setzt da komplett aus...
Traurige Grüße
Gabriele