Jahre später ...

  • Hallo,

    ich bin Mitte 40 und Tochter eines schon vor ca. 20 Jahren verstorbenen Quartalstrinkers.

    Ich habe schon früh, so mit 14, 15 massive psychische Probleme bekommen und mit Mitte 20 dann eine Therapie gemacht, die mir auch sehr geholfen hat.

    Aber irgendwie "bin ich mir wieder abhanden gekommen" (anders kann ich es im Moment nicht ausdrücken) und auch meine Kindheit holt mich wieder ein. :(

    Das fing schon im vorletzten Jahr mit einem an sich ganz banalen Erlebnis an, das mich wieder mit den körperlichen Mißhandlungen in meiner Kindheit konfrontierte. Es war übrigens meine Mutter, die mich am meisten geschlagen hat, nicht mein alkoholkranker Vater. Obwohl meine Mutter mit dem Erlebnis, das meine Erinnerungen wieder wachrief, nichts zu tun hatte, habe ich den Kontakt zu ihr noch mehr reduziert als ohnehin schon. Ich konnte ihre Gegenwart einfach nicht ertragen. Vor allem wollte ich nicht mehr bei ihr übernachten.

    Im Dezember hatte meine Mutter dann einen Schlaganfall, sie ist mittlerweile in einem Pflegeheim. Meine Schwester, die in ihrer Nähe wohnt, hat sich zwar um alles gekümmert, aber so wie früher kann ich die Distanz natürlich nicht wahren. Ich habe Schuldgefühle, dass ich sie in letzter Zeit fast gar nicht besucht habe. Und auch ein schlechtes Gewissen meiner Schwester gegenüber. Obwohl das Verhältnis zwischen uns beiden mehr als zwiespältig ist. Für mich ist da ganz viel Unausgesprochenes zwischen uns, wie sie es empfindet, weiß ich nicht.

    Demnächst werden wir wohl den Haushalt meiner Mutter auflösen müssen. Davor habe ich jetzt schon Angst, nicht wegen der Arbeit, sondern wegen der Konfrontation mit der Vergangenheit. Meine Mutter hat allein in einem eigenen Haus gewohnt und da sie soviel Platz hatte, wurde nie etwas weggeworfen.....

    Ich überlege mir jetzt, ob ich wieder eine Therapie anfangen soll oder in eine EKA-Gruppe. Aber im Moment traue ich mich nicht... :roll:

    Liebe Grüße
    Faith

  • hallo und herzlich willkommen bei uns kindern!

    warum traust DU dich nicht?

    wäre doch für dich nen wichtiges auffangnetz...

    die wohnungsauflösung deiner mutter wird bestimmt nicht einfach...

    nimm hilfe an wo du nur kannst!

    wir begleiten dich sehr gern durch deine schwierige zeit...

    liebe grüsse caro

    dem was über mich einstürmt,möchte ich gelassen gegenüber stehen...

  • Hallo und willkommen hier!

    Ich finde auch, dass du dir das gönnen solltest...so eine Wohnungsauflösung - wie du selbst schon geschrieben hast - bringt soviel Vergangenes mit sich. Das wird sehr schmerzlich sein. Da tut Unterstützung gut.

    Ich wünsch dir alles Gutes.

    Rina

  • Hallo Caro, hallo Rina,

    vielen Dank für die nette Begrüßung :) .

    Zitat

    warum traust DU dich nicht?

    wäre doch für dich nen wichtiges auffangnetz...

    Weil eine Therapie manchmal auch ganz schön hart sein kann. Außerdem habe ich schon 9 (!) Jahre Therapie hinter mir, wenn ich das einem Therapeuten erzähle, wird er mich da nicht gleich für einen hoffnungslosen Fall halten?

    Und zu einer EKA-Gruppe traue ich mich im Moment nicht, weil ich mir nicht vorstellen kann, vor Leuten, die real vor mir stehen, zu sagen, dass mein Vater Alkoholiker war. Das ist mir hier im Internet schon schwer genug gefallen. Ich hab mich hier ja schon im September angemeldet und als ich freigeschaltet wurde, hatte mich der Mut schon wieder verlassen. In der Nacht, nachdem ich den ersten Beitrag im Vorstellungsbereich geschrieben hatte, wurde ich mit dem Gefühl wach, mir würde was ganz schlimmes passieren, wenn ich über meinen Vater schreibe. Hört sich ziemlich verrückt an, oder :oops::oops::oops: ?
    Mir ist das in meiner Therapie auch immer wahnsinnig schwergefallen, über den Alkoholismus meines Vaters zu sprechen. Und nachdem ich so ungefähr ein Jahr Therapie hinter mir hatte, ist mein Vater gestorben und ich hab das Thema ganz weit weggeschoben.

    Liebe Grüße
    Faith

  • Zitat


    Weil eine Therapie manchmal auch ganz schön hart sein kann. Außerdem habe ich schon 9 (!) Jahre Therapie hinter mir, wenn ich das einem Therapeuten erzähle, wird er mich da nicht gleich für einen hoffnungslosen Fall halten?

    Stimmt, eine Therapie ist hart. Meine Therapie mache ich jetzt seit etwas mehr als einem Jahr (mit Pausen zwischendurch).
    Aber man muss wissen, wofür man es macht. Die Vergangenheit ist auch schonungslos gewesen und genauso so schonungslos müssen wir dem ins Auge blicken, um es verarbeiten zu können.
    Du hast ja schon gute Schritte in die richtige Richtung gemacht - du bist hier und schreibst über dich und du denkst erneut über eine Therapie nach. Warum jetzt zögern?
    Hab keine Angst vor den Gefühlen - sie gehören zu dir. Ich weiss, als Kind durften wir nicht fühlen und haben alles verdrängt, sonst hätten wir nicht überlebt aber jetzt darfst du einfach leben!
    Verleugne dich nicht selbst, wie viele andere hier jahrelang.

    Und: Ein guter und professioneller Therapeut darf dich erstens nie für einen Hoffnungslosen Fall halten, sonst sollte er sein Amt abgeben und zweitens, spielt es gar keine Rolle, was dein Therapeut über dich denkt (er wird vielleicht höchtens denken: Mensch, die hat es aber nicht einfach gehabt). Das ist der Grundsatz überhaupt, um Vertrauen haben zu können. Solange du dich für deine Gefühle schämst und dich selbst als hoffnungslosen Fall hälst, ist es schwierig, anderen Leuten zu vertrauen, dass sie es gut mit dir meinen. Weil du von dir auf andere schliesst.
    (klingt jetzt vielleicht nach Moralapostel. Sag also, wenn es für dich nicht stimmt!).

    Und ob neun Jahre Therapie oder nicht - wie lange hast du denn zu Hause diese schlimmen Dinge miterlebt? Sicher mehr als neun Jahre, oder? Bei manchen geht es vielleicht schneller, und bei anderen dauert es viele Jahre. Wobei ich der Meinung bin, dass dies eh ein lebenslanger Prozess ist - es ist nun mal ein Teil unseres Lebens. Das hat dich aber auch zu dem Menschen gemacht, der du jetzt bist.

    Alles Gute weiterhin.
    Rina

  • Servus Faith,

    ein Teil des "Nährbodens" für die Familienkrankheit Alkoholismus ist die Verschwiegenheit.

    Wir Kinder haben es jahrelang "gelernt", nichts zu sagen, "das Thema" nicht anzuschneiden, nach außen hin die "heile Welt" zu mimen...

    Du hast für Dich sehr viel erkannt. Es ist also nicht mehr mangelndes Wissen. Und du hast für Dich einen Punkt erreicht, an dem Du Veränderung möchtest. Es ist also Bewegung entstanden.

    Nutze diese beiden Faktoren für Dich, Dein Wissen und Deinen Wunsch nach Veränderung. Du kannst nur gewinnen - persönliche Freiheit.

    Ich wünsche Dir viel Kraft, Dein Leben in für Dich gesunde Bahnen zu lenken.

    Mein Motto: wer will, findet Wege - wer nicht will, findet Gründe.

    LG
    Spedi

  • Hallo Faith,

    auch von mir ein herzliches Willkommen bei den EKA.

    Mein Vater war ebenfalls Quartalstrinker. Er ist im November 2007 verstorben. Meine Mutter trank und schluckte Tabletten. Hauptsächlich sie machte uns das Leben zur Hölle.

    Es dauerte jahrelang, bis ich akzeptieren konnte, dass meine Kindheit der Grund für meine gesundheitlichen (physisch und psychisch) Probleme ist. Auch wenn ich da schon lange in Psychotherapie war, habe ich es immer verleugnet. So tief war ich im Schweigen verankert. Also damals ein hoffnungsloser Fall :lol: . Aber ich bin nach wie vor bei der gleichen Therapeutin und jetzt, da ich das Leugnen aufgegeben habe, hat die Therapie auch eine andere Qualität für mich.
    Also scheu dich nicht davor, eine neue Therapie anzufangen. Die Therapeuten sind da ganz professionell. Sie wollen ja helfen.

    Mir fällt es auch noch schwer, gegenüber anderen über die Sucht meiner Eltern zu sprechen. Wobei es ja eh bei uns im Dorf ein offenes Geheimnis war. Aber ich arbeite daran.

    Liebe Grüße
    Renate

  • Hallo Faith,

    die Wohnungsauflösung wird sicher nicht leicht, aber vielleicht gelingt es dir es als chance zu sehen, noch mal aufzuarbeiten, dich noch mal mit allem zu konfrontieren und dann frieden schließen und loszulassen.

    Eine Therapie als Begleitung wär da aber sicherlich nützlich, da würde ich mir an deiner Stelle keine Sorgen machen, dass man dich als hoffnungslosen fall sieht.

    Im Übrigen kann ich dir auch den Besuch einer Selbsthilfegruppe nur wärmstens empfehlen und da alle das gleiche Schicksal teilen fällt es dann doch leichter als man vielleicht erwartet darüber zu reden. Und wenn dir am Anfang noch nicht danach ist, da musst du dann auch nichts groß sagen.

    Es kostet überwindung, die sich lohnt. ABER nur du kannst wissen ob es der richtige zeitpunkt oder überhaupt das richtige für dich ist, nur manchmal findet man selbst das eben auch nur durch ausprobieren aus.

    Alles Gute jedenfalls, Roa

  • Hallo,

    vielen Dank für Eure Antworten.

    Gar nicht so leicht, was dazu zu schreiben, das nicht in die Kategorie "Ausrede" fällt :roll: .

    Ich versuch's trotzdem mal:

    Ich bin enttäuscht von mir, dass ich die Hilfe, die ich bekommen habe, nicht besser nutzen konnte (Klingt nicht nach Moralapostel, was Du schreibst, Rina, es stimmt einfach).

    Mit der Entscheidung, noch eine Therapie zu machen, ist für mich auch die Erkenntnis verbunden, dass ich mir in vielen Punkten ganz schön in die eigene Tasche gelogen habe. Das ist einfach frustrierend.

    Und entschieden habe ich mich schon vor längerer Zeit, ich drück' mich einfach noch vor den Schmerzen, die damit verbunden sind.


    Darüber, warum es mir so schwer fällt, über das Alkoholproblem meines Vaters zu reden, schreibe ich morgen was. Ich bekomme das heute nicht mehr hin.

    Liebe Grüße
    Faith

  • Liebe Faith

    Ich kenne das "Von-mir-selbst-enttäuscht-sein" zur Genüge. Lass das nicht zu und rede dir gut zu! Es hat alles seine Zeit. Dass du die damalige Therapie genutzt hast war gut und richtig. Man kann auch nicht alle Themen auf einmal bearbeiten. Manches sitzt zu tief und zu fest...

    Du bist sehr ehrlich zu dir selbst. Wir Kinder sind manchmal aber auch fast zu hart zu uns. Die Gefühle, die da in uns sind, tun weh, sehr weh. Ist es da nicht normal, dass man sie nach so vielen Jahren, in denen man sie nicht anschauen konnte, wieder verdrängen möchte?

    Setz dich nicht selber unter Druck. Wenn du die Therapie beginnst, musst du ja auch nicht gleich alles auf den Tisch packen. Eine Therapie kann dir ja auch behilflich sein, alles Stück für Stück hervor zu holen.

    Also nur Mut!

    lg
    Rina

  • Servus Faith,

    Zitat von Faith

    Mit der Entscheidung, noch eine Therapie zu machen, ist für mich auch die Erkenntnis verbunden, dass ich mir in vielen Punkten ganz schön in die eigene Tasche gelogen habe. Das ist einfach frustrierend.

    viel frustrierender finde ich es, etwas zu wissen, aber nichts dagegen zu unternehmen!

    LG und viel Kraft auf Deinem Weg,
    Spedi

  • Zitat von Spedi

    Servus Faith,

    viel frustrierender finde ich es, etwas zu wissen, aber nichts dagegen zu unternehmen!

    LG und viel Kraft auf Deinem Weg,
    Spedi

    Stimmt, Spedi, es ist frustrierend, aus Angst wider besseres Wissen zu handeln bzw. in diesem Fall NICHT zu handeln.
    Und ein kluger Mensch hat mir mal gesagt, da wo die Angst ist, da geht's lang .... :roll:


    Vielen Dank nochmal allen, die mir was zum Thema Therapie geantwortet haben. Da waren viele gute Anregungen dabei, wenn ich auch nicht alles hier explizit aufgegriffen habe. Ich muss da jetzt einfach noch ein bisschen drüber brüten. :)

    LG
    Faith

  • Hallo Faith,

    wie geht es Dir heute?

    Möchtest Du mit uns zusammen weiter Dein Denken und Fühlen ausbrüten, durch die Rückmeldungen hier, durfte ich Verhaltensänderungen umsetzen.

    Das Rauchen gehört, dank diesem Austausch hier, nicht mehr zu meinem Leben.

    Schrittchen für Schrittchen Faith können wir unserem Ziel entgegen gehen.

    Wir müssen nicht mit Riesenschritten vorwärts gehen.

    Ich hatte eine trinkende Mutter und einen trinkenden Bruder, beide sind daran jung gestorben. Schamgefühle halten mich im realen Leben davon ab, darüber zu sprechen, es hat mir gut getan es hier zu dürfen.

    Alles Liebe Weitsicht

  • Hallo Weitsicht,

    danke für Deinen Beitrag und ja, ich möchte weiter MIT EUCH brüten. :)

    Was das Thema Therapie anbelangt, da gibt's erst wieder was zu brüten, wenn ich einen Termin ausgemacht habe. Ich werde wohl einen Termin in einer Erstberatungsstelle ausmachen, in der Hoffnung, dass ich da klären kann, welche Therapieform für mich am besten geeignet ist. Außerdem dürften die auch den Überblick haben, wo es bei uns in der Region noch freie Plätze gibt. Ich will hier aber nicht jeden Tag posten: ich will 'ne Therapie anfangen, traue mich aber nicht, irgendwo anzurufen. Deshalb habe ich geschrieben, ich muss noch ein bisschen drüber brüten (bis ich mich traue halt).

    Am Mittwoch habe ich ja angekündigt, ich schreibe noch, warum es mir so schwer fällt, über das Alkoholproblem meines Vaters zu sprechen.
    Das Blöde ist: so genau weiß ich es gar nicht, ich hab nur so 'ne vage Idee.
    Wir haben natürlich auch immer geschaut, dass wir nach außen eine heile Fassade zeigen, aber innerhalb der Familie wurde schon darüber gesprochen. Es war sozusagen das "Lieblingsthema" und Haupterziehungsmittel meiner Mutter, so im Sinne von "wenn ihre streitet, geht der Papa weg und trinkt".

    Und außerdem hat sie mich gnadenlos als Waffe eingesetzt, um ihn zu demütigen. Ich galt als sein Liebling und war deshalb wohl besser geeignet als meine ältere Schwester. Wenn er nachts volltrunken nach Hause kam hat, sie mich oft aus dem Bett geholt mit den Worten "sieh Dir Deinen Vater an". Und ich hab angefangen, ihn zu verachten und sie zu hassen.

    Bei allem, was mir heute zu meinem Vater einfällt, weiß ich einfach nicht, was meine Gedanken und Gefühle sind und was ihre.
    Und irgendwie fühle ich mich auch wieder wie eine Waffe in der Hand meiner Mutter, wenn ich über meinen Vater rede. :cry:

    Ich glaub', ich lass das Thema jetzt mal wieder.

    Eigentlich geht's mir heute ganz gut, habe bei dem schönen Wetter richtig Frühlingsgefühle bekommen :) .
    Und wie geht's Dir?

    Liebe Grüße
    Faith

  • Hallo Faith,

    Wenn wir Dir in Gedanken die Hand halten, traust Du Dich dann, anzurufen?

    Ich habe bei meinen Kinder immer eine Kerze angezündet, bei ihren Prüfungen, und ihnen versprochen in Gedanken bei ihnen zu sein, ich glaube das hat ihnen etwas geholfen. Gehen und schreiben mussten sie alleine, das konnte ich ihnen nicht abnehmen, ich konnte ihnen nur ihren Rücken stärken.

    Das können wir im Forum auch für Dich tun, Deinen Rücken stärken, gehen musst Du. Weisst Du wieso Du Dich nicht traust? Hast Du hier schlechte Erfahrungen gemacht?

    Ich war auch eher eine Vatertochter, wollte ihn schützen, da er von den Eltern meiner Mutter abgelehnt wurde. Na ja das geht leider schief, da es eine Rollenverteilung war, die mir nicht gut getan hat. Mein Vater hätte mich schützen müssen nicht umgekehrt.

    Ist schon fies von Deiner Mutter gewesen, Deinen Vater mit seinem Trinken, als Erziehungsmittel einzusetzen und Dich noch nachts aus dem Schlaf zu holen, wenn er betrunken nach Hause kam. Manche Eltern wissen nicht was sie ihren Kindern antun.


    Zitat

    Bei allem, was mir heute zu meinem Vater einfällt, weiß ich einfach nicht, was meine Gedanken und Gefühle sind und was ihre.

    Das ist es, wir haben vieles von ihnen verinnerlicht, hier aufzuräumen und zu trennen was unser Eigenes ist, und was zu ihnen gehört, ist unerlässlich, um gesunde Verhaltensweisen zu lernen, das ist unsere heutige Aufgabe. Dabei kann uns ein Therapeut oder eine SHG unterstützen.

    Hast Du Bücher gelesen z.B. "Um die Kindheit betrogen", oder "Familienkrankheit Alkoholismus", hier konnt ich mich in meinem Denken und Fühlen oft wiederfinden und somit mich besser verstehen lernen.

    Ja es wird Zeit, dass der Frühling und die Sonne unseren Tag begleitet. Der Winter war lange, wir sehnen uns alle nach Licht und Wärme.

    Alles Liebe Weitsicht

  • Hallo Weitsicht,

    vielen Dank für Deine liebe Antwort, sorry, dass ich erst jetzt was dazu schreibe.

    Zitat von Weitsicht

    Weisst Du wieso Du Dich nicht traust? Hast Du hier schlechte Erfahrungen gemacht?

    Ja, aber nicht in meiner ersten Therapie, die hat mir schon sehr geholfen. Ich bin wegen einer Sozialphobie und Depressionen in Therapie gegangen und nach einer Weile hatte ich wesentlich weniger Symptome. Ich hab's wieder geschafft soziale Kontakte zu knüpfen, hatte zum ersten Mal eine längere Beziehung und bin mit diesem Mann auch zusammengezogen. Beruflich lief es auch besser. Mein Therapeut hat dann irgendwann immer deutlicher darauf hingewiesen, dass ich die Therapie auch mal beenden müsse. Er meinte ich hätte eine "gute Grundlage erworben, um alleine weiterzukommen". Ich hatte zwar nicht das Gefühl, "fertig" zu sein, aber ich fand seine Argumentation, dass ich aufgrund meines Perfektionismus nie ganz zufrieden mit dem Ergebnis der Therapie sein würde, schlüssig.

    Nach der Therapie lief es ein paar Jahre auch ganz gut. Dann ist meine Beziehung kaputtgegangen, gut ein Jahr später habe ich meinen Job verloren (betriebsbedingte Kündigung) und es ging mir wieder schlechter.
    Da habe ich mich an eine Beratungsstelle gewandt. Ich hatte dort auch einige Gespräche, aber dann meinte der Therapeut, ich wüsste schon so viel, ich müsste das einfach umsetzen. Und dann hat er noch aus der Bibel zitiert "nimm dein Bett und geh...". Eine Arbeitsstelle hatte ich schon wieder gefunden und nochmal Hilfe suchen wollte ich nach der Erfahrung nicht.

    Ich hab durch die erste Therapie viele Verhaltensmuster ändern können, habe aber oft nicht die passenden Gefühle dazu. Also ich sage z.B. nein, wenn mich jemand um was bittet, das ich nicht tun will, habe aber hinterher ein schlechtes Gewissen. Zuerst dachte ich, mit der Zeit ändert sich das. Aber da tut sich gar nichts :( Bloß, ob da eine weitere Therapie hilft?


    Danke übrigens für die Buchtipps, ich lese gerade "Um die Kindheit betrogen".

    Liebe Grüße
    Faith

  • Zitat

    Nach der Therapie lief es ein paar Jahre auch ganz gut. Dann ist meine Beziehung kaputtgegangen, gut ein Jahr später habe ich meinen Job verloren (betriebsbedingte Kündigung) und es ging mir wieder schlechter.
    Da habe ich mich an eine Beratungsstelle gewandt. Ich hatte dort auch einige Gespräche, aber dann meinte der Therapeut, ich wüsste schon so viel, ich müsste das einfach umsetzen. Und dann hat er noch aus der Bibel zitiert "nimm dein Bett und geh...". Eine Arbeitsstelle hatte ich schon wieder gefunden und nochmal Hilfe suchen wollte ich nach der Erfahrung nicht.

    Hallo Faith,

    da hattest Du ja einiges zu verkraften und zu verarbeiten.

    Nicht alle Therapeuten sind uns hilfreich, nur gut, dass Deine erste Therapie gute Erinnerungen bei Dir hochkommen lässt.

    Die Chemie zwischen Therapeuten und Klienten sollte stimmen, ohne Vertrauen können, geht garnichts. Ist ein blöder Satz von dem Menschen aus der Beratungsstelle gewesen "Nimm Dein Bett und geh", bist Du überhaupt gläubig? Ich sollte schon mit dieser Aussage etwas anfangen können.


    Zitat

    Ich hab durch die erste Therapie viele Verhaltensmuster ändern können, habe aber oft nicht die passenden Gefühle dazu. Also ich sage z.B. nein, wenn mich jemand um was bittet, das ich nicht tun will, habe aber hinterher ein schlechtes Gewissen. Zuerst dachte ich, mit der Zeit ändert sich das. Aber da tut sich gar nichts Bloß, ob da eine weitere Therapie hilft?

    Das ist genau unsere Problematik als EKA`s, da wir uns als Kinder schon früh von unseren Gefühlen trennen mussten, ansonsten hätten wir unsere Kindheit in einer Suchtfamilie nicht ausgehalten.

    Als Erwachsene können wir lernen, dass unser Denken und Fühlen übereinstimmen sollte, erst dann können wir authentisch uns fühlen und danach handeln.

    Verhaltenstherapie reicht nicht aus, tiefenpsychologisches Arbeiten ist für EKA`s wichtig, da es meist frühkindliche Folgeschäden sind, die uns begleiten. Vom Kopf her nur wissen reicht nicht, das Fühlen können bringt Dich weiter.

    Solch einen Therapeuten, wenn Du das möchtest, würde ich an Deiner Stelle suchen, denn Wissen hast Du, jetzt heisst es alle hochkommen wollenden Gefühle zuzulassen, sie möchten Dir etwas mitteilen, um authentischer und liebevoller mit Dir umgehen zu können.

    Glaube an Dich selber und Du schaffst es Kontakt zu Deinen Gefühlen zu bekommen. Wollte ich auch lernen, ich wurde auch durch meine Angstneurose gezwungen, hinzusehen was mit mir nicht stimmte. Ich lerne täglich weiterhin, das Schreiben und der Austausch hier, helfen mir dabei sehr, da ich mich in vielen spiegeln kann.

    Alles Liebe Weitsicht

  • Hallo Weitsicht,

    Zitat von Weitsicht

    Die Chemie zwischen Therapeuten und Klienten sollte stimmen, ohne Vertrauen können, geht garnichts. Ist ein blöder Satz von dem Menschen aus der Beratungsstelle gewesen "Nimm Dein Bett und geh", bist Du überhaupt gläubig? Ich sollte schon mit dieser Aussage etwas anfangen können.

    Nein, ich bin nicht gläubig und danach hat er auch nie gefragt. Aber es war halt eine Beratungsstelle der Diakonie und der Therapeut war Theologe. Zusammen mit dem, was er noch gesagt hat, war mir schon klar, dass er an meiner Motivation zweifelt. Aber trotzdem habe ich nach der Sitzung noch nach dem Bibelzitat gegoogelt. Ich muss bei dem Gedanken gerade grinsen. Patient googelt nach der Sitzung, damit er kapiert, was der Therapeut alles gemeint haben könnte. Da konnte ja nicht viel bei rauskommen. War aber auch typisch für mich: statt zu sagen, "ich bin mir nicht sicher, ob ich Sie richtig verstanden habe", ziehe ich mich zurück und versuche alleine klar zu kommen.


    Zitat von Weitsicht


    Verhaltenstherapie reicht nicht aus, tiefenpsychologisches Arbeiten ist für EKA`s wichtig, da es meist frühkindliche Folgeschäden sind, die uns begleiten. Vom Kopf her nur wissen reicht nicht, das Fühlen können bringt Dich weiter.

    Ich habe eine analytisch orientierte Gesprächstherapie gemacht und es ging natürlich auch um Gefühle und um Kindheitserlebnisse :roll:

    Also doch ein hoffnungsloser Fall? :oops:

    Naja, ich habe nächste Woche einen Termin in einer Beratungsstelle (diesmal vorsichtshalber keine kirchliche :wink: ). Mein Ziel ist erstmal mir Klarheit zu verschaffen, ob mir eine weitere Therapie was bringen könnte oder nicht. Nicht mehr und nicht weniger.

    Liebe Grüße
    Faith

  • Das Gespräch in der Beratungsstelle war ziemlich enttäuschend für mich. Die Psychologin war mir nicht unsympathisch, aber irgendwie haben wir keinen Draht zueinander gefunden.

    Aber das Gespräch war für mich Anlass, so eine Art "Bilanz" zu ziehen, wie ich früher war und heute bin, welche von meinen Zielen ich erreicht habe und welche nicht. Insofern hat mir der Termin zumindest indirekt geholfen.

    Und egal, wie ich mich entscheide; die aktuellen Probleme, die ich durch die Wohnungsauflösung meiner Mutter habe, muss ich alleine lösen. So schnell würde ich ohnehin keinen Therapieplatz bekommen.

    Liebe Grüße
    Faith

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