einen Trinker ertragen vs. ohne ihn leben

  • Servus,
    habe mich heute hier angemeldet, weil ich hoffe, hier vielleicht ebenso Betroffene zu finden. Ich habe mich vor 2,5 Jahren vom Vater meines Kindes (jetzt 4, damals 1,5Jahre) getrennt, weil er trinkt. Trinken heisst in seinem Fall, täglich mindestens 3 Halbe unter der Woche und mindestens 5 am WE. Nie morgens, ausser am WE mal wenn Biergartenwetter ist. Das praktiziert er schon seit er 15 ist so und ist nun 29. Sein Vater hat sich sprichwörtlich "zu Tode gesoffen" (Gicht und weder seine verschriebene Medizin genommen, noch Bier aufgegeben; ich kannte den nicht, aber er muss ziemlich elendig verstorben sein als mein Freund - ich nenn ihn Freund weil Kindsvater zu kalt klingt - 15 war und die Eltern schon aufgrund der Sauferei getrennt waren.). Hinzu kommt, dass er immer schon, also auch seit ca 14 Jahren, immer wieder Phasen hatte, in denen er alle möglichen chemischen Drogen zu sich nahm. Bevor unser Kind kam, war er natürlich nicht so drauf.
    Nach der Trennung ging es ihm wohl sehr schlecht, nahm 20kg ab, aber tröstete sich weiterhin mit Party/saufen/ auch alleine abends auf dem Sofa/Psychoterror. Trotzdem haben wir seit Nov.07 es wieder versucht. Es scheiterte immer wieder daran, dass Kind+ich immer 2.Geige waren, wenn Kumpels anriefen wurden wir versetzt, Ausflüge vorzeitig abgebrochen, etc. Nicht immer, aber eben so oft, dass es mich störte. Hinzu kommt, dass es unangenehm ist, neben einem Trinker zu sitzen. Die typische Vorabend-Fahne, die bis Sonntag weht, kenne ich nur zu gut.
    Manchmal bin ich wieder heim gefahren, wenn ich ihn besucht habe, weil er doch trank. Er hat nie auch nur einmal für uns aufs Trinken verzichtet, weil es für ihn so dazu gehört.
    Bei ihm gab es natürlich alles typische, was es nur geben kann: Heimlich trinken, verharmlosen ("waren ja nur 3" dabei roch er wie min.5), Schuld umkehren in "du meckerst nur", bis hin zu "ich bin nun mal so" oder "ich belaste dich, ich bin nicht gut für dich" oder "ich weiss auch nicht warum ich so bin".
    Vor einer Woche um 11 uhr samstags rief ich ihn an, weil wir an sich zuammen ein Geburtstagsgeschenk für unseren Kleinen kaufen wollten. Erst druckste er rum, dann war das Wetter Schuld, dass er im Biergarten mit seinen Kumpels (alle unter seinem Niveau = auch typisch) saß und unsere Pläne also wieder hinfällig waren. Ich habe gesagt, das sei ja auch geistreich am WE mit x und y zu saufen, es sei deprimierend, legte auf,heulte aber nur kurz, muss ja fürs Kind funktionieren. Seine Mutter ist natürlich auch nur fertig wegen ihm (Einzelkind), und da sie den Kleinen manchmal betreut, haben wir sehr guten Kontakt. Ihr gegenüber äußerte er dann, dass er eben so ist, das ist sein Leben, so geht es ihm gut, er will sich nicht ändern. Und ab da Funkstille, nur wegen Angelegenheiten bezüglich Kind (war beim Arzt, Geschenk, bevorstehende Geburtstagsfeier etc) telefonierten wir.
    Der Gipfel war dann am 22., wo er kurz zum Kindergeb. kam, Samstagabend-Fahne voran, dumme Sprüche "mir gehts so gut wie noch nie, wie langweilig wenn ihr kein Bier da habt"), Kumpels riefen an, er "muss noch was erledigen" und weg war er. Wo war er hin ? Mit einem seiner schlimmsten Kumpel treffen, Fussball schauen, saufen; diese drei Dinge kommen nieee getrennt vor. Das war also der 4.Geburtstag. Mama musste wieder mal Fassade aufrecht erhalten, den ganzen weiteren Tag einen schönen Geburtstag zaubern, dabei wollte ich lieber heulen, vor Fassungslosigkeit erstarren. Da ich Vollzeit arbeite, ging ich heut zum Arzt (bin eh erkältet) und bis Mittwoch muss ich wieder fit sein und es irgendwie ertragen, dass ER LIEBER FUSSBALL SCHAUEN MIT EINEM VOLLIDIOTEN GEHT ALS DEN 4.GEBURTSTAG SEINES KINDES ZU FEIERN. Er hat ja die Wahl was er wann macht, ich nicht, die Alleinerziehenden, die sich wegen dem "schlechten " Partner trennen, sind diejenigen, die fortan allein zuhause hocken müssen, kein Geld für Ausgehen haben, wenige Kontakte haben können, usw.
    Ich bin so deprimiert, weil er jetzt tatsächlich mehr oder weniger offiziell sich gegen uns und für die Trinkerei entschieden hat. So heftig wie derzeit war er noch nie; wir haben immer über das Trinkproblem diskutiert (immerhin), jetzt nicht mehr.
    Übrigens hatte er auch schon einen Gichtanfall, mit knapp 29. Hält ihn nicht vom Trinken ab.
    Wie erträgt man, dass es Menschen gibt, denen Saufkumpel wichtiger sind als die Familie? Ich muss zuschauen wie er sich ruiniert. Ich habe zweimal geträumt er wäre gestorben, ich habe ein ganz mulmiges Gefühl hinsichtlich seiner Lebenserwartung. Was mich auch manchmal dazu verleitet, zu denken, ob ich sein Trinken nicht doch aushalten sollte, nur um nicht eines Tages mir sagen zu müssen, es ist zu spät.
    Aber ich ertrage es so schwer, das Trinken und die damit verbundene Vernachlässigung der Familie, den Geruch, die Enttäuschung immer wieder.
    Ich weiss nicht, ob es besser war das auszuhalten oder ob es besser ist, gegen sein Trinken nun verloren zu haben. wie kann man so sein wie er ?
    Ich versteh die Welt nicht mehr seit gestern. Ich kann mich nicht wirklich damit trösten, zu denken "er ist eben krank".
    Vielleicht hat hier jemand einen Tipp oder kennt Ähnliches?
    Ist fallenlassen so richtig, wie immer behauptet wird?
    Ich bin wirklich verzweifelt!

    LG
    morgan

  • Danke,Erdling.
    Ich frage mich immer, was an dem was er sagt nur Sprüche/Fassade/Schauspiel sind und was er wirklich im stillen mit sich darüber denkt, ob ihm das bewusst ist, was er falsch macht, ob er auf Hilfe wartet, was weiss ich.
    Ich weiss, was es heisst mit einem alkoholkranken Elternteil aufzuwachsen, weil mein Vater auch einer war (aber lebt; kein Kontakt mehr seit 1990).
    Was ist, wenn er es nicht merkt, wenn er zu schwach ist seine Freunde (die alle saufen, die treffen sich niemals ohne zu trinken!) aufzugeben, wenn ich / wir ihn an den Alkohol verlieren (was ja an sich schon so ist). Dann ist es doch nichtmal die berühmte Hilfe durchs Fallenlassen, weil die Hilfe nicht ankommt. Da zuzuschauen ist die Hölle!!! Wo wir wieder beim Mitleid wären. Wenn er zB "nur" neben mir trinkt, dann sind es "nur" 4 Bier - wenn ich ihn fallenlasse und er mit den Freunden trinkt, sind es 10 Bier.
    Es ist so schrecklich traurig und schwer, ihn aufzugeben und quasi seinem Schicksal zu überlassen. Von "ich liebe ihn und er hat die und die guten Seiten" sehe ich ab; denn wenn es nicht so wär, hätte ich es nicht immer wieder versucht und wäre nicht so am Ende.
    Wie erträgt man den Schmerz, den Kampf und die Sorgen IHN aufzugeben ??? Ich fühl mich dabei so kalt.
    :'-(
    LG

  • Zitat von morgan


    Was ist, wenn er es nicht merkt, wenn er zu schwach ist seine Freunde (die alle saufen, die treffen sich niemals ohne zu trinken!) aufzugeben, wenn ich / wir ihn an den Alkohol verlieren (was ja an sich schon so ist). Dann ist es doch nichtmal die berühmte Hilfe durchs Fallenlassen, weil die Hilfe nicht ankommt. Da zuzuschauen ist die Hölle!!! Wo wir wieder beim Mitleid wären. Wenn er zB "nur" neben mir trinkt, dann sind es "nur" 4 Bier - wenn ich ihn fallenlasse und er mit den Freunden trinkt, sind es 10 Bier.

    Hallo Morgan,

    willkommen hier im Forum, in dem du sicherlich auch schon ein wenig gelesen hast, bevor du schriebst.

    In deinem Posting lese ich heraus, dass du gern die Verantwortung dafür tragen würdest, dass er (neben dir) weniger trinkt als mit seinen Freunden. Das ist nicht deine Aufgabe. Dein Partner ist erwachsen und somit auch für sein Leben verantwortlich. Wenn du ihn weit genug loslässt, kann er dies auch mehr tun, als wenn du durch deine Anwesenheit als Regulativ für seinen Alk-Konsum fungierst. Damit kannst du unter Umständen sein Verharren in der Sucht verlängern und dir tut dies sicherlich auch nicht gut. Ich weiß, dass es sehr schmerzhaft ist, die eigene Machtlosigkeit gegenüber dieser Krankheit einzugestehen. Aber, wie du hier auch immer wieder lesen kannst, müssen und mussten wir alle schmerzhafte Erfahrungen machen, bevor wir uns auf den Weg zu unserer eigenen Genesung machten. Morgan, deine eigene Gesundheit und dein zufriedenes Leben ist das einzige wofür du verantwortlich bist und wofür du etwas tun kannst. Dein Partner ist ein erwachsener Mensch und wenn er sich dafür entscheidet, zu trinken, ist es einfach seine Entscheidung. Vielleicht, wenn du mehr für dich selbst als für ihn sorgst, findet er den Willen und den Weg, den Alkohol loszulassen. Noch entscheidet er sich für den Alk und seine Saufkumpane statt für den Kindergeburtstag. Wahrscheinlich ist er einfach noch nicht soweit, etwas gegen seine Sucht zu unternehmen. Ich denke auch nicht, dass du ihn durch deine Verhalten schneller dazu bringst, etwas zu unternehmen.

    Du wiederum kannst aber für dich entscheiden, ob du dein Leben durch ihn gestalten lässt oder ob du es selbst in die Hand nimmst. Ich weiß, dass es schwer ist, aber hier hast du die Möglichkeit, Verantwortung für dich und dein Kind zu übernehmen. Und auch das kann niemand für dich tun, genauso wenig wie du es für deinen Partner tun kannst.

    LG
    Ette

    Im Schmerz von gestern liegt die Kraft von heute.
    ("Handbuch des Kriegers des Lichts" v. P.Coelho)

  • Hallo, liebe Morgan,
    eigentlich habe ich keine Zeit, aber Deine Zeilen haben mich so sehr an mich erinnert innerhalb meiner fast 10 jährigen Partnerschaft, dass ich doch "loslegen" möchte.

    Weißt Du, ich war todtraurig, dass meinem Ex das gesellige Trinken mit den Kumpels wichtiger war als ich. Dann hatte er wie Du es schreibst "noch was zu tun" musste im Keller am Auto basteln und und und.

    Erst viel zu spät bemerkte ich, dass meine Eiferscuht auf Kumpel und Co. besser gerichtet wäre auch die dritte in unserer Beziehung: die Sucht. Alle Eifersucht "der Kumpel ist wichtiger" war so was von umsonst und kräftezehrend, dass es zum heulen ist, wie ich mich dadurch selber klein gemacht habe.

    Hast Du Angst vor dem alleinsein? Es hört sich teilweise so an. Schau, ich bin Teenagerspätlese, 48, vielleicht auch für mein Leben nun solo (auch weil ich derzeit noch gar nicht in der Lage wäre eine Partnerschaft zu führen). Aber ist alleinsein wirklich schlimmer als die tagtäglichen Belastungen? Das ständige "auf der Hut sein was passiert".

    Du weißt gar nicht Morgan, wie Recht Erdling mit seinen Zeilen hat und damit, dass die Sucht sich steigert. Es kann von heute auf morgen einen Schlag tun und nichts mehr ist wie es mal schien - obwohl es schon schlimm genug erschienen war.

    Ob fallenlassen richtig ist?
    Ich kann Dir nur sagen, ich habe es lange Jahre nicht getan und dadurch die Sucht meines Ex unterstützt. Ich habe ihm seine Verantwortung abgenommen und ihn davor bewahrt in sein wahres Gesicht sehen zu müssen. Ich habe ihn durch Kontrolle der regelmässigen Mietzahlungen, Strom ect. vor dem Auflaufen geschützt und dadurch dafür gesorgt dass er viele, viele Jahre weitertrinken konnte und seinen Konsum gesteigert hat.

    Egal aber, ob das Fallenlassen für ihn gut oder nicht war - ich beginne zu leben. Ich tat das innerhalb der Beziehung schon lange nicht mehr. Ich empfinde pure Freude, das ging innerhalb der Suchtbeziehuhung schon lange nicht mehr. Die schlechte Laune des anderen hatte ich schon angenommen. Die Unzufriedenheit mit meinem Leben machte mich missmutig.

    Meine Freunde wurden madig gemacht und es wurde unbewußt immer isolierter um mich herum. Es gab gute Freunde, Gott sei Dank, diese ermöglichten mir mein gehen und nun ein Leben, welches als Leben bezeichnet werden kann.

    Lieben Gruß von Dagmar

  • Hallo Morgan,

    deine Geschichte ist deine Geschichte. Deine Ansichten sind deine Ansichten.
    Dazu gehört auch das ER ist wie er ist. DU kannst Ihn nicht ändern. Er geht seinen eigenen Weg. So hart das alles ist. Es lohnt sich wirklich nicht deswegen das eigene Leben nicht zu genießen.
    Du hast auf deinem Weg mit deinen Möglichkeit die Wahl. Du kannst Ihm nachtaruern, alles schrecklich finden, viel und oft und schlecht an Ihn denken. Doch das wird nichts ändern.
    Du sagst er kann machen was er will. Das kannst Du auch. Oder möchtest Du das machen was er macht?
    Freue Dich das Du dein Kind mitbekommst. Was er verpasst ist nicht nachholbar. Doch es ist seine Entscheidung. Sein Leben.
    Denke an Dich....So habe ich mich aus den großen Abhängigkeiten befreit.
    Was sind Deine Bedürfnisse. Wie kannst Du Sie Dir selber erfüllen?
    Ich denke es ist wichtig zu erkennen das Wir einen anderen Menschen nicht ändern können. Jeder, wirklich jeder geht seinen eigenen Weg und lebt sein Leben mit seinen Mitteln und Entscheidungen.
    Auch wenn Du Dir einen Vater wünscht. Er kann es nicht anders als so. Du kannst das nur erkennen.
    Es werden sich Wege finden und Dinge ergeben. Und wenn Du Dich um Dich und dein Kind sorgst werden das Gute Dinge sein.
    Loslassen, ich nenne es auch gern sein lassen ist generell das Beste. In meinen Augen. Das geht nicht von Heute auf Morgen. Und die alten Muster sind oft sehr stark. Doch wenn Du Dir darüber bewußt wirst kannst Du damit umgehen.
    Wo ist deine Mitte...von da aus kannst Du gehn.

    Liebe Grüße
    Und viel Geduld, auch mit Dir selbst,
    wünscht Dir Karotte

    Das Leben ist Widerspruch: Das eine ist und das andere auch.

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