die richtige Entscheidung

  • Guten Abend an Alle hier..
    ich bin 49 Jahre alt und habe mich vor einem halben Jahr nach 20 Jahren Ehe von meinem Mann getrennt, mein Mann ist alkoholabhängig.
    Es hat sehr lange gedauert bis ich das begriffen habe.
    Er trinkt nie so viel, dass er wirklich "richtig" betrunken ist, aber er braucht immer einen gewissen Alkoholpegel. Diese Prozess war sehr schleichend, das gemütliche Feierabendbier, der Verteiler nach dem Essen und das Glas Wein, viel beruflicher Stress und langsam, langsam immer mehr.
    Ich habe lange gegen diesen ja, Feind gekämpft, den Kampf aber leider verloren.
    Nachdem ich ausgezogen bin, dachte ich, ich habe dieses Kapitel abgehackt, leider merke ich immer öfter, wie sehr mich das alles noch wirklich im Griff hat, berührt und ich absolut keinen Abschluss finden kann. Wie schaffe ich es, mich nicht schuldig zu fühlen? Gibt es hier Menschen die ähnliche Erfahrungen haben, sehr gerne würde ich von Euch lernen.
    Es gehen mir tausend Gedanken durch den Kopf und mir fallen viele Sachen ein, die ich gern hier loswerden würde
    Vielen Dank für`s lesen und ich hoffe auf Eure Antworten...
    Gesche

  • Zitat von gesche

    Es gehen mir tausend Gedanken durch den Kopf und mir fallen viele Sachen ein, die ich gern hier loswerden würde

    Hallo Gesche,

    herzlich willkommen hier im Forum. Dann mal Gas, denn hier kannst Du alles los werden.

    20 Jahre sind nicht in wenigen Monaten aufgehoben, gib Dir Zeit.

    Ich wünsche Dir einen guten Austausch.

    Sie standen dar und fragten sich warum und nur einer meinte: warum nicht.

  • Guten Abend Kaltblut,

    vielen Dank für die aufmunternden Worte

    Dann gebe ich mal Gas:
    Auf der einen Seite bin ich stolz auf mich, das ich es geschafft habe, mich zu trennen, denn das hat mir gezeigt, dass ich mir selber noch etwas Wert bin...dann kommt aber wieder die andere Seite, so kleine Teufel im Ohr, die mir sagen hast Du wirklich alles versucht, alles gegeben um deinem Mann zu erklären, warum es Sch... ist zu trinken, habe ich nie die richtigen Worte gefunden, die ihn erreichen.

    War ihm unsere Ehe nie wirklich wichtig?
    Wir haben eine lange Zeit eine gute Ehe geführt, das haben wir Beide so empfunden und auch gelebt.
    Wir waren stolz auf uns und unsere Beziehung.
    Für meinen Mann hat der Alkohol immer schon eine viel größere Rolle gespielt als für mich, aber wer will dann schon immer der "Spielverderber" sein, die nörgelnde Ehefrau die dem hart arbeitenden Mann nicht mal das Feierabendbier gönnt. Wie schon geschrieben wurden es dann leider immer mehr und ich habe mich eine Zeitlang auch daran beteiligt, gutes Essen guter Wein, romantische Abende, gesellige Abende.
    Ist alles gut und schön, aber der nächste Tag, die nächsten Tage ohne Alkohol, für mich selbstvständlich, für meinen Mann unmöglich.

    Soviel zum Anfang vom Ende.

    Gesche

  • Liebe Gesche,
    Deine Fragen haben mich in meiner Situation auch lange begleitet. 10 Jahre Freundschaft alles nur Lüge?

    Ich für mich habe akzeptiert dass wir beide uns in andere Richtungen entwickelt haben. Ich habe akzeptiert dass für ihn der Genuß von Alkohol Lebensfreude (?) und Wunsch ist, was ich persönlich so nicht nachvollziehen kann.

    Mit den Jahren gab es immer mehr Alltagsprobleme weil wir Dinge (aufräumen, einkaufen, Finanzen) anders sahen. Alles Dinge, die ich akzeptieren musste. Auch die Tatsache, dass die von mir einmal gespürte "Liebe" nur noch Gewohnheit war. Wir konnten uns nicht mehr finden ... war es der Alk? War es er oder war es ich???

    Meine Aufgabe sah ich erst mal darin überhaupt mich zu finden, denn ich war verloren gegangen und weder optisch, noch gefühlsmässig noch im Alltag diejenige, die ich zuvor war und jetzt wieder beginne zu sein.

    Die Zeit, die Kaltblut anspricht, ist ein ganz wichtiger Faktor. Ich brauchte - und brauche noch - zum verarbeiten Zeit und viele Gedanken, aber das ist nicht schlimm. Ich bin gegangen, habe mein Leben aufgebaut und empfinde immer mehr Glück in meinem Leben, da müssen nun eben die Schatten der Vergangenheit auch noch aufgearbeitet werden - um Platz zu lassen für die Sonne der Zukunft. Die Schatten müssen weichen, damit das neue, unbekannte, seinen Raum finden kann.

    Lieben Gruß von Dagmar

  • Guten Morgen an Alle hier,

    vielen Dank, liebe Dagmar für deine hilfreiche Antwort.
    Natürlich war nicht alles Lüge, ich denke das gilt auch für Dich?
    Lebensfreude? Ja, aber leider nur mit prozentiger Unterstützung....

    Ich arbeite daran, zu erkennen, das Zeit für mich ganz wichtig ist, um wieder zu mir Selbst zu finden.
    Du schreibst von der Akzeptanz sich in verschiedene Richtungen entwickelt zu haben. Mich hat es völlig hilflos gemacht, seine Entwicklung zu erleben.
    Es war unglaublich schwer für mich, mir einzugestehen, dass ich nicht helfen kann. Mein Mann hat seine Abhängigkeit nicht akzeptiert, im Gegenteil ich bin krank und brauche Hilfe.

    Vor ca. 5 Jahren habe ich immer wieder starke Nackenverspannungen bekommen, es kamen dann Angszustände und starke Panikattacken hinzu.
    Dieses alles hatte viele Arztbesuche zur Folge. Jeder Arzt/Ärztin hat mir dann geraten, nach der Ursache für meine Erkrankung zu forschen.
    Genau die Fragen sind es, ist es der Alkohol, ist er es, bin ich es?
    Wir haben uns verloren, und gleichzeitig er sich und ich mich.

    Ich habe dann eine Reha-Maßnahme gemacht. Mein Mann hat mich dort besucht. Er war eine Stunde dort, völlig hilflos, wie er mir begegnen sollte. Sein Abschiedsatz war: Wenn Du wieder zuhause bist, bist Du wieder normal, oder wir müssen uns trennen.

    Als ich wieder zuhause war, habe ich versucht, wieder normal zu sein, und habe dann ganz langsam festgestellt, das nicht ich die Kranke bin, sondern er.
    Es folgten drei Jahre harter Kampf um meine Ehe.
    Ich bin jetzt froh, diesen Schritt gemacht zu haben. Aber ich vermissse auch sehr viel, die schöne Zeit die wir mal hatten, mein Zuhause, mein persönliches Umfeld, alles hat sich geändert
    Ich hatte einen schönen Garten, in dem ich sehr gerne gearbeitet habe. Gerade an so einem schönen Frühlingstag wie heute.
    Dann kommt natürlich auch das Alleinsein hinzu.
    Es hilft mir dann meistens wenn ich mir sage, dass ich vorher einsam war und jetzt nur alleine bin.


    Es ist unheimlich schwer, die richtigen Worte zu finden, aber das schreiben hilft mir sehr.
    Ich hoffe, das ist jetzt nicht alles zu verworren.

    Danke für die Unterstützung
    Gesche

  • Liebe Gesche,
    nichts ist verworren, habe ich den Eindruck. Viele von uns erleb(t)en selbiges wie Du. Zehn oder zwanzig Jahre sind nicht einfach weg - ich kann sie mir zumindest nicht "wegsaufen", also muss ich sie ver- oder bearbeiten, wie Du wohl auch.

    Weißt Du Gesche, ich kann nunmehr nicht mehr beurteilen, was oder ob alles oder ein Teil Lüge war. Es spielt in meinem Leben heute keine Rolle mehr - ich hoffe auch, dass es keine Verletzungen gibt in und an mir, unter denen später mal ein anderer Mensch leiden muss. Aber das kann ich noch nicht beurteilen.

    Deine Fragen er, der Alk oder Du - die würde ich ganz anders beantworten. Ich würde einfach sagen, die Kombination passt nicht! Jeder Mensch für sich ist o.k., das Konsumgut Alk mag auch o.k. sein (wenn auch nicht für mich) aber in Eurer (meiner) Kombination ging es schief. Nicht mehr und nicht weniger. Schuldfrage unwichtig! Deine Zukunft und Deine Wünsche empfinde ich als wichtig!!!

    Ich habe das geniale Glück, meine Wohnsituation und die meiner Katzen genial verbessert zu haben. Ich lebe nun im Grünen und meine Botanik (die auch Dir wichtig ist) kann blühen und grünen. Ich bin ziemlich alleine in meinem Hexenhaus. 50 m weiter lebt der erste Nachbar. Drumherum gibt es ältere leere Häuser, bei einem - gegenüber - wird ein Blockhaus gebaut. Also Menschen da, aber nicht unmittelbar.

    Das hat sehr viel zu meinem Glück beigetragen. Jede Pflanze, die erblüht, jedes glückliche Toben der Tiere gibt mir etwas. Vielleicht wäre Dir ein Umzug möglich, auch wenn es ein schlimmer Aufwand ist?

    Lieben Gruß von Dagmar

  • Hallo liebe Dagmar,
    vielen Dank für deine Sicht der Dinge.

    Ich wünsche Dir von ganzem Herzen, das keine wie auch immer gearteten Verletzungen zurückbleiben, so das Du irgendwann wieder offen bist und auf den Menschen der Dir dann viel bedeutet zugehen kannst.

    Meine Wohnsituation ist gut, so dass ein weiterer Umzug, auch aus finanzieller Sicht für mich ersteinmal nicht in Frage kommt.
    Ich habe bewusst einen anderen Stadtteil meiner Stadt gewählt, in der Nähe meiner Schwester.

    Ich habe richtig Heimweh, nach meinem Leben, so wie es war, bevor der Alkohol oder mein Mann unser Leben über den Haufen geworfen hat
    Das ist es auch, was ich ihm ganz persönlich übel nehme, das er nicht erkennt, wie krank er ist und mir die Schuld an allem gibt. Er verweigert mir immer noch jede Aussprache und lehnt jeden Kontakt zu mir ab, weil ich "bekloppt" bin und mich selber verwirklichen will.

    Es ist gut für mich, das ich mittlerweile weiß, das nicht ich die Schuldige an dem Trinkverhalten meines Mannes bin, das hat er lange versucht mir einzureden und auch teilweise geschafft.
    Es gibt immer noch diese Gedanken, wenn Du dich in dieser oder jenen Situation anders verhalten hättest, wäre er dann vielleicht nicht abhängig geworden.
    Mich hat es fast umgehauen, wie sicher viele andere hier auch, den körperlichen Verfall mitzuerleben ohne das er selber darauf reagiert und für sich die Notbremse zieht.

    Die Veränderungen im Umgang mit mir, diese Agressivität, nicht körperlich, aber verbal, es stand ein mir völlig fremder Mensch vor mir, den ich 23 Jahre kenne.

    Jeder soziale Kontakt ist nach und nach von ihm eingestellt worden. Die Schuld daran gibt er aber nicht sich sondern der Familie, die ihn angeblich nie akzeptiert hat, unseren langjärigen guten Freunden, die sich in der oder jener Sitiuation falsch verhalten haben und es immer noch tun

    Sicher kennt der Eine oder der Andere das auch so.
    Ich würde mich sehr freuen, zu erfahren, wie dieses Alles von Euch verarbeitet wird und wurde.

    Ich wünsche Euch allen ein fröhliches, sonniges Osterfest.

    Herzliche Grüße an Dich Dagmar und an Alle hier.

    Gesche

  • Hallo Gesche,

    Zitat

    Das ist es auch, was ich ihm ganz persönlich übel nehme, das er nicht erkennt, wie krank er ist und mir die Schuld an allem gibt. Er verweigert mir immer noch jede Aussprache und lehnt jeden Kontakt zu mir ab, weil ich "bekloppt" bin und mich selber verwirklichen will.

    warum ist dir das so wichtig? Was würde es für dich ändern?

    Liebe Grüsse
    Elocin

  • Hallo gesche

    was du hier schreibst, kenn ich nur allzugut. Es war immer ich, die anderen, der Arbeitgeber oder sonst wer schuld. Letzthin, als wir uns wegen Unterhalt für die Kinder unterhalten haben, hat mein Mann gemeint, ich sei selbst schuld, daß ich so wenig Geld hab, ich hätt mich ja nicht von ihm trennen müssen.
    Ich war auch 20 Jahre verheiratet, hab mir in dieser Zeit immer einreden lassen, ich mach alles falsch. Wir hatten keine Freunde mehr, zum Teil war es mir zu peinlich überhaupt noch mit ihm wegzugehen.
    Heute leb ich für mich, kümmer mich um mich, daß es mir und meinen Kindern gut geht. Es ist nicht immer einfach, aber meistens geht es mir gut.
    Denk an dich, schau daß es dir gut geht, mach was Schönes für dich.

    Frohe Ostern

    julchen

  • Liebe Gesche,
    vielen Dank für Deine guten Wünsche, ich hoffe auch mal, dass ich dann eine andere Basis habe oder finde. Ich denke aber schon, weil es auffällig ist, wie anders die Leute mit mir - und ich mit ihnen - umgehe.

    Schau, Dein Mann verweigert die Aussprache weil Du "bekloppt" bist. Das ist viel einfacher und weniger entlarvend als wenn das tatsächliche Thema wirklich auf den Tisch kommt. Wer weiß, vielleicht ahnt er schon dass sein Trinkverhalten nicht normal ist? Aber sich das ganze bewußt anzuhören bedarf einer gewissen Einsicht, die nicht alle Abhängigen haben.

    Gesche, mach Dich frei vom "wenn ich mich anders verhalten hätte". Wir alle sind nicht fehlerfrei und Beziehungen sind nicht leicht zu führen. Es gibt aber tausend andere Wege mit Problemen fertig zu werden, die nicht Alk oder Sucht heißen.

    Für mich bedeutet dir Flucht in Alk oder Drogen, also Substanzen, immer dass diese als Selbstmedikation eingesetzt werden. Vielleicht nicht am Anfang, aber irgendwann verspürt der Trinkende wohl Erleichterung oder Wohlfühlgefühl. Ab da wird das Suchtmittel (wie bei uns) der Begleiter. Vielleicht will der Trinkende (wie wir) beweisen dass er/sie noch alles im Griff hat?

    Ich dachte auch, ich werde nicht fertig mit der Veränderung der Person, die ich einmal als liebenswert empfunden hatte. Der Mensch mit Geduld und Entgegenkommen gegenüber anderen Menschen wurde eine tickende Zeitbombe. Er wurde immer aggressiver und unzufriedener. Wie auch ich Gesche, in seiner Nähe, es steckte nämlich an.

    Viel zu spät - aber noch so schnell, dass ich meine ureigenen Hobbies und Vorlieben hatte - bin ich ausgestiegen. Ich konnte meine Interessen mitnehmen, die Dinge, die mir etwas bedeuten: Garten, Botanik, Tiere, Freunde und viele Kleinigkeiten.

    Genau diese Dinge konnte mein Expartner nicht mehr empfinden. Erst lange nach dem Ende der Beziehung habe ich registgriert dass es bei ihm "Glück" nicht sichtbar gab. Er war sich wohl selber nicht grün, oder der Stoffwechsel spielte verrückt, oder oder oder.... Ganz viele Möglichkeiten - aber für mich dadurch nur ein: rennen, was das Zeug hält, bevor ich ähnlich missgestimmt werde.

    Mein Hausarzt sagte mal, es sind so und so immer die anderen schuld. Die sozialen Kontakte waren bei mir andere als bei meinem Expartner, gemeinsame Freunde gab es nicht. Während es sich bei ihm eben auch um Menschen handelte, die mal gerne ein Gläschen tranken, so ist natürlich auch logisch, dass sich der Freundeskreis immer mehr voneinander weg entwickelt, der Süchtige oftmals (gilt auch für uns Co) in der Einsamkeit gefangen ist und sich selber isoliert.

    Ja, der Verfall ist entsetzlich anzusehen! Aber es geht uns nichts an! Es ist die Entscheidung des Trinkenden zu sagen ich will den Alk und die damit verbundenen Änderungen der Person. Genau wie wir sagen können ich will die Beziehung nicht mehr, die sich so verändert hat. Wir - wie auch der Trinkende - sind verpflichtet Verantwortung nur für uns selber zu tragen. Schwer einzusehen, denn Menschen sind eine Solidargemeinschaft und sollten sich helfen - wohl kommen wir auch deshalb so schwer aus unserer Rolle heraus.....

    Aber ich muss mich vor die Gesellschaft stellen und meine Energien erhalten, um der Gesellschaft dann etwas zukommen lassen zu können. Die Suchtbeziehung hat meine Ladestation ganz schön geschwächt ;)

    Schau Gesche, ich bin raus aus der Beziehung, dennoch bewegen mich manche Gedanken und Fragen, dazu waren 10 Jahre eine zu lange Zeit um einfach einen Cut zu machen.

    Aber ich sehe was jetzt mein Leben ist, ich sehe meine veränderte Optik, meine farbenfrohe Kleidung und meine Psyche, die langsam ruhiger wird. Angstgefühl weichen (denn auch die waren sehr ausgeprägt, von Jahr zu Jahr mehr, vielleicht auch hier eine gegenseitige Steigerung der Ängste).

    Verarbeiten, liebe Gesche, können wir das wohl alles nur mit Zeit und dem Bewußtsein, wir sind weder schuld, noch hätten wir etwas ändern können.

    Liebe Gesche, ich dachte damals mein Leben ist vorbei und es viel mir alles andere als leicht in und an den Neustart zu gehen. Aber jetzt bemerke ich - mit fast 50 - das Leben beginnt erst.

    Halt Dich wacker,

    lieben Gruß von Dagmar

  • Hallo Gesche,

    ich kenne vieles von dem auch, was du beschreibst.

    Die extremen Schuldzuweisungen und das Leugnen der eigenen Krankheit.
    Er irritiert mich damit zwar immer noch, aber wenn ich mal ruhig darüber nachdenke, ist es offensichtlich, dass es der Suchtwahn ist, der ihn so reden lässt, sonst nichts. Er hat offenbar noch nicht den Willen, sich wirklich seiner Sucht zu stellen. Und sich einzugestehen, dass man selbst daran schuld ist und sonst niemand, das ist eben auch zu schwierig und ist typisch für Sucht.

    Nun hast du ja wirklich den Abstieg deines Mannes in die Sucht von Anfang an mitbekommen und das Vorher auch, das macht es vielleicht schwieriger.
    Bei mir wars etwas anders. Als ich ihn vor 16 Jahren kennen lernte, war er schon total im Alkisumpf drin und zwar ziemlich schlimm, aber damals passte das total in mein Weltbild, hier jemanden retten zu können.
    Und Jahre später habe ich mich getrennt und noch mal Jahre später wurde er trocken und dann hatten wir 5 trockene Jahre, das war seine gute Zeit seit Ewigkeiten. Und jetzt macht er wieder alles kaputt.
    Also, diese Schuldfrage, die hab ich mir so schlimm nie gestellt, weil er eben vorher schon getrunken hat.

    Und was auch interessant ist: Als er damals trocken wurde, hat er mir absolut keine Verantwortung für seine Sucht mehr zugesprochen. Er meinte, all sein aggressives Verhalten, seine Ablehnugn mir gegenüber usw. (Zärtlichkeitsverweigerung und so) hätte absolut nichts mit mir zu tun gehabt, hat er beteuert. Und das glaub ich ihm auch.
    Es hat nichts mit mir zu tun!

    Irgendwie kommt es mir manchmal einfach wie eine ganz schwere Erkrankung vor, gegen die niemand etwas tun kann. Manche Süchtige schaffen es, sich dagegen zu wehren, manche nicht. Warum manche es früher schaffen und andere nie, das scheint mir mit Schuld nicht so viel zu tun zu haben.
    Also, irgendwie bin ich nicht mehr böse auf ihn, er will bestimmt nicht, was jetzt passiert, aber er kann nicht anders, die Sucht ist wie ein böser Dämon, der ihn beherrscht. Ich glaub ja eigentlich nicht an den Teufel, aber Alkoholismus ist wirklich was, das kommt mir wie ein Beweis vor, dass es den Teufel doch gibt, weil es so unendlich böse ist.

    Bloß ich bin noch viel machtloser als er und ich muss einfach mich und die Kinder in Sicherheit bringen, weil es mich total mit runterzieht und weil er mir gegenüber nie einen vernünftigen Abstand respektieren würde. So geht einer vor die Hunde, wenn ich zu ihm zurückkehren würde, wären es vier (mit den Kindern).

    Vielleicht wird er eines Tages wieder so weit sein, dass er noch einmal aufhört, aber das weiß niemand, ob und wann.

    Was mich auch sehr traurig macht, ist, dass es keine Aussprache oder sowas gegeben hat bei uns. Aber auch da steht einfach die Sucht im Weg. Er ist einfach nicht er selbst. Alle Gespräche enden im Nichts, in Schleifen von Vorwürfen und Aggressionen von seiner Seite.
    Aber das scheint irgendwie auch nicht untypisch zu sein.

    Ich bin ja noch nicht ganz raus aus der Sache, unsere Trennung liegt erst drei Monate zurück und wer weiß, was noch kommt.
    Aber im Augenblick geht es mir ganz gut damit, einfach im Hier und Heute zu leben. Ich bin ziemlich demütig gestimmt im Augenblick.
    Es ist schon so viel wert, dass ich meine positiven Stimmungen ausleben kann, ohne dass er mir immer wieder alles madig macht und immer wieder runterzieht und kleinmacht.
    Ich hoffe, dass ich mir diese Haltung auf Dauer angewöhnen kann. Und wenn das gelänge, dann wäre das alles für mich zu etwas gut gewesen.

    Vielleicht kannst du einfach akzeptieren, dass dein Leben eben mehrere Abschnitte hat. Die guten Zeiten mit deinem Mann sind ja nicht verloren, die ERinnerung daran kann dir keiner mehr nehmen.
    Und nun hast du die Möglichkeit, ganz neue ERfahrungen zu machen, vielleicht andere, aber nicht minder schön.

    Ich habe ja nun auch noch den krassen Übergang: Komme aus der Großstadtmitte und bin - mit meinem Mann aufgrund seines Jobs - in die absolute Provinz gezogen und noch in ein anderes Bundesland. Das ist echt ein ganz anderes Leben. Noch bin ich nicht lange hier und weiß noch nicht, ob es mir in fünf Jahren immer noch gefällt, aber ich habe eine Ahnung davon, dass beide Lebensstile ihre Schönheiten haben und einfach unterschiedlich sind. Hier dreht sich alles um Haus und Garten und man hat viel Ruhe, aber auch viel Arbeit damit. In der Großstadt die tausend Möglichkeiten und ich war viel mehr unterwegs. Viel Trubel, viel Kultur, Kneipen und Cafes. Was zu Hause zu tun ist, ist viel schneller erledigt - einfach eine andere Art zu leben, scheint mir.

    Bei dir wirds wieder ganz anders sein, aber vielleicht entdeckst du auch, dass dein neuer Lebensabschnitt wieder ganz andere Schönheiten hat.

    Liebe Grüße
    Doro

  • Guten Morgen Julchen, Dagmar und Doro,

    ein liebes Dankeschön für eure lieben und offenen Antworten.
    Es ist wirklich hilfreich für mich zu erleben, das ihr mich so gut versteht.

    Sicher ist das alles für Euch noch schwerer zu ertragen, eure Kinder sind ja leider dann auch immer mit betroffen und die gilt es dann zu schützen.

    Durch eine körperliche Erkrankung meines Mannes haben wir keine Kinder. Wir konnten da auch sehr gut mit leben und zur Zeit bin ich über diese Kinderlosigkeit sehr froh.

    Als ich anfing, mir einzugestehen, das mein Mann alkoholabhängig ist, habe ich alles mögliche versucht ihn davon wegzubringen, all die üblichen Geschichten, reden, streiten, schweigen, verweigern.
    Wir sind jeden morgen gemeinsam zur Arbeit gefahren und viele, viele Male habe ich dann gesagt, Du hast eine unglaubliche Fahne, was sagen die Kollegen, der Chef. Die Pfefferminzbonbons gingen nie aus.

    Ich habe dann irgendwann unser Haus abgesucht und im Hobbykeller geöffente Weinkanister gefunden, der Wein wurde nicht mehr in Flaschen sondern in Kartons zu drei oder vier Litern gekauft..., ich habe meinen Mann darauf angesprochen, das wurde mir dann als Vertrauensbruch ausgelegt, man schnüffelt nicht in den Sachen des anderen.
    Und außerdem trinke ich ja auch Wein und er schleppt den auch für mich mit an.

    Als mein Entschluss dann feststand, mich wirklich zu trennen, habe ich mich mit seiner Schwester, seinen Eltern und unseren Freunden ausgetauscht, ja mein Herz ausgeschüttet. Ich hätte es gut gefunden, wenn seine Schwester oder seine Mutter sich mehr um ihn gekümmert hätten, ich konnte es nicht mehr.
    Mein Mann hat mir das dann wieder als absoluten Vertrauensbruch vorgeworfen und es folgte eine Zeit mit nur noch heftigen verbalen Attacken, die es mir dann wirlich unmöglich machten, weiter mit ihm zu leben.

    Seine Schwester und ich stehen immer noch in freundschaftlichem Kontakt, mein Mann und sein Alkoholkonsum sind kein Thema, so klappt das wirklich gut. Sie hat ihren Bruder lange nicht gesehen.

    Meine Schwiegermutter verschliesst die Augen völlig vor der Tatsache wie es ihrem Sohn geht. Dort bin ich die Schuldige, ich gönne ihrem Sohn das Glas Wein oder Bier nicht. Und für den Haushalt und den großen Garten hätte ich auch besser sorgen können, was will Gesche eigentlich sie hat doch alles. Und die Verweigerung der sozialen Kontakte ist natürlich auch meine Schuld, warum habe ich mich nicht gekümmert, als gute Ehefrau macht man das doch.

    Unsere Freunde sind wirklich die Einzigen, die sich viel mit uns beschäftigt haben, sie waren ja auch die Leidtragenden.
    Einladungen zu gemeinsamen Aktivitäten die von mir dann abgesagt wurden, weil mein Mann so lange irgendeinen Streit herbeigeführt hat, bis ich wirklich keine Lust mehr hatte und das gilt auch im wahrsten Sinne des Wortes. Ich war diejenige die den Kontakt aufrechterhalten hat, das ist jetzt auch der Vorwurf, die halten zu mir, und das nur, weil ich ihn bei den Freunden schlecht gemacht habe, eine wahre Hetzkampagne gestartet habe.
    Ich habe gemerkt, wie unwohl er sich in solchen Situationen gefühlt hat, völlig verkrampft, die Lockerheit, kam dann erst nach dem 3. oder 4. Bier oder Wein.
    Es sind alles kleine Mosaiksteine, die sich zu einem Bild zusammenfügen.
    Auch ich habe dann angefangen, viele Sachen allein zu unternehmen.
    Das hat mir oft sehr weh getan.

    Gemeinsame Aktionen wurden immer anstrengender, da wir immer rechtzeitig wieder da sein mußten, wo ein Kühlschrank mit Bier oder Wein ist, sicher ist Euch bekannt, was ich meine und wie anstrengend das ist.
    Manchmal habe ich dann darauf bestanden, irgendetwas gemeinsam zu machen, z.B. meinen Geburtstag zuhause mit der Familie und den Freunden zu feiern. Die ganze Vorbereitung, wurde dann mir überlassen und wenn dann irgendetwas fehlte, z.B. der Ouzo nach dem grillen, war ich diejenige, die nichts auf die Reihe bekommt und wir sollten so etwas doch lieber lassen.

    Vieles von dem was ihr schreibt und auch was ich gerade jetzt geschrieben habe, wird mir erst jetzt richtig bewusst und ich fange an, wieder Mitleid mit ihm zu haben, aber aus anderen Motiven und einer anderen Sicht auf sein Verhalten, vor allem sich selber gegenüber.

    In den ersten 2-3 Wochen hier, mit mir allein in meiner Wohnung war ich völlig verkrampft und habe immer alles schnell, schnell erledigt, bis ich das selber gemerkt habe und dann bewusst einen Gang zurückgeschaltet.
    Ich merke das meine unglaubliche Nervosität ein wenig besser wird.

    So, nun habe ich wieder sooo viel geschrieben.

    Heute ist wieder ein schöner, sonniger Tag und ich werde gleich meine Familie besuchen.

    Ich wünsche Euch allen einen schönen Ostersonntag.

    Ganz herzliche Grüße an Euch
    Gesche

  • Hallo Gesche,

    Zitat

    Das ist es auch, was ich ihm ganz persönlich übel nehme, das er nicht erkennt, wie krank er ist und mir die Schuld an allem gibt. Er verweigert mir immer noch jede Aussprache und lehnt jeden Kontakt zu mir ab, weil ich "bekloppt" bin und mich selber verwirklichen will.

    warum ist dir das so wichtig? Was würde es für dich ändern?

    Liebe Grüsse
    Elocin

    P.S.
    Die frage hatte ich dir auf der anderen Seite schon gestellt.

  • Guten Morgen Elocin,

    vielen Dank für deine Frage.
    Es ist mir wichtig, damit ich meinen Entschluss vor mich selber rechtfertigen.

    Aber das ist Quatsch, denn ich habe mich entschieden, mein Entschluss war richtig und es ist nicht wichtig, was er davon hält.
    Wenn ich das eben geschriebene für mich wirklich verinnerliche, dann bin ich auf dem richtigen Weg.

    Deswegen noch einmal vielen Dank für die beiden Fragen.

    Frohe Ostern

    Herzliche Grüße
    Gesche

  • Guten Morgen,

    beim lesen und schreiben in diesem Forum habe ich gemerkt, wieviele gute Stimmungen, gute Gefühle, positive Gedanken in den letzten Jahren von mir nicht gedacht oder empfunden wurden, einfach weil ich nicht so empfunden oder gedacht habe.
    Euer Zuspruch, eure Gedanken, eure Fragen haben mich darauf gebracht.

    Ich bin froh und dankbar, das ich dieses Forum gefunden habe, und das ihr hier alle, trotz eurer eigenen Probleme so viel Lebensmut weitergeben könnt und ich hier so viel Zuspruch finde.
    Es ist für mich sehr schön, zu erleben, wieviel Vertrauen mir hier entgegengebracht wird, Vertrauen in mich.
    Wie schafft ihr das? Empfindet ihr das für euch auch als hilfreich?

    Mir hilft es sehr, zu erfahren, das es wirklich Menschen gibt, die genauso denken und fühlen, die das Gleiche erleben. obwohl ich keinen von Euch kenne.

    Natürlich wusste ich, dass es viele Menschen gibt, mit Alkoholproblemen und das deren Angehörige genauso betroffen sind.
    Als ich den Mut gefunden habe, die Trennung wirklich durchzuziehen, habe ich mit den Menschen, denen ich vertraue sehr offen darüber gesprochen. Die Reaktionen waren immer gleich, Betroffenheit und oft das Eingeständnis, ja, das haben wir uns schon gedacht, das er Probleme hat.
    Ich habe dann auch viel Zuspruch und Bestätigung erfahren.

    Ich war bin stolz auf mich, das ich so offen war und es hat mich erleichtert. Vorher habe ich oft gedacht, was denken die von Dir, wenn du jetzt einfach deine Probleme erzählst.
    Das ist wirklich falsch, erstmal ist man oft anderen Menschen nicht so wichtig, das sie so genau hinschauen, wie es dem anderen wirklich geht, und die Menschen denen man wirklich wichtig ist, die akzeptieren die Entscheidung. Meine Kollegen, Freundinnen haben gemerkt, wie sehr ich mich verändert habe und mich oft gefragt, was hast Du? Diese Frage konnte ich aber erst beantworten, als ich es selber wusste.

    Das öffentliche Eingeständnis das ich zugegeben habe, das mein Mann Alkoholier ist, war für mich ein Schritt des Loslassens, so ausgesprochen ist das Tatsache und kann nicht mehr von mir innerlich verleugnet werden.

    Gestern habe ich mit meiner Familie einen Strandspaziergang gemacht und mich einfach an den Strand gesetzt und mir die Sonne ins Gesicht scheinen lassen. Beim in mich hineinhorchen spürte ich Ruhe und hatte den Anflug eines Glücksgefühls, wie schön doch so ein Tag sein kann, ohne dieses ständige Getriebene, das auslosten der Stimmung, das abwägen meiner oder anderer Menschen Worte. :idea:

    Ich würde mich sehr freuen, wenn ihr mich an euren Gedanken und Gefühlen teilhaben lasst und vielleicht kann ich auch ein Stück dazu beitragen, das es uns besser geht und wir uns und unsere Situationen leichter ertragen, verstehen und verarbeiten können.

    Herzliche Grüße
    Gesche

  • Liebe Gesche,
    zum Teil erkannte mein Umfeld, sofern das Möglich ist, den Spiegeltrinker besser als ich. Andere merkten es nicht, hatten aber den Aha-Effekt als ich darüber sprach.
    Im Freundeskreis habe ich damit kein Problem.

    Aber....
    Als ich auszog, die Beziehung beendete und einen neuen Arbeitsplatz fand, da "dachte" ich die letzten 10 Jahre einfach verdrängen zu können. Pustekuchen: es entwickelte sich ein Kontakt zu einem Menschen, wo selbst wenn ich vor diesem Kontakt flüchten wollte, immer wieder Querverbindungen auftauchen. Am Anfang wollte ich "türmen" weil dieser Mensch eben meinen Ex kennt und ich auf keinen Fall das zum Thema haben möchte.

    Dieser neue Kontakt weiß nichts davon und ich werde einen Teufel tun ihn darauf anzusprechen. Sollte der Kontakt sich intensivieren werde ich nicht umhin kommen. Mir zueigte sich da aber der Unterschied: Menschen die mich kennen und ihr Urteil über mich gebildet haben, die dürfen gleich die Wahrheit erfahren. Bei "noch-Fremden" fühle ich mich nicht wohl, wenn sie wissen "der" war das.

    Ja Gesche: es können wieder so viele Lebensgeister in uns geweckt werden wenn wir uns entschließen unser - dein - mein Leben selber zu leben. Ein Leben, welches bei mir eine Symbiose zum Expartner war. Leider umfasst diese "Symbiose" auch Gefühle. Wenn diese jetzt nur negativ sind, dann bekomme auch ich das negative ab und lebe es. Genau das ist etwas, dass ich auf keinen Fall mehr möchte. Somit ist es für mich ein heftiger Lerneweg, der sich nicht nur auf Partnerschaften bezieht.

    Ich muss nämlich auch bei lockeren Kontakten ab und zu mal abbrechen wenn mir Menschen gut tun. Schweren Herzens zwar, aber nie mehr die Gefahr einer Abhängigkeit. Ist wohl so ähnlich wie bei einem Alkoholiker: dieser muss sein Suchtmittel meiden - ich dieses Zufriedenheitsgefühl wenn es nicht aus mir selber kommt.

    Ja Gesche, das Leben bekommt ganz andere Facetten und Farben. Neue Menschen und Erlebnisse. Bei mir musste allerdings erst ein Totalzusammenbruch vorausgehen. Dadurch hatte ich alles verloren - es gab nichts mehr, was ich hätte verlieren können - somit habe ich ein neues Leben "geschenkt" bekommen.

    Wie ich das bei Dir lese kommst Du mit Deiner Situation gut klar und bist Dir bewußt über all die Traurigkeit und die Gefühle, die überwunden werden müssen, bevor es wirklich "aufwärts" geht. Der Vorgang des Verarbeitens wird auch bei mir noch länger dauern - aber er behindert nicht mein neues, glückliches Leben, wenn auch ohne Mäuschen ;) als arme Kirchenmaus :)

    Lieben Gruß von Dagmar

  • Hallo liebe Dagmar,

    gestern und heute komme ich mit meiner Situation gut klar. Wie lange das so bleibt, ich weiß es nicht. Ich weiß aber, das meine Traurigkeit, meine Unsicherheit und auch Angst vor dem Alleinsein, der Zukunft mich immer wieder treffen werden, vielleicht nicht mehr so hart und ich merke, dass das vergeht und ich aus jedem Tal ein wenig positiver auftauche, das habe ich schon oft gelesen, dass es so sein wird, aber ich glaube es jetzt es wirklich, weil ich es spüre.

    Ja, Dagmar auch mein Umfeld hat den Spiegeltrinker beser erkannt als ich.
    Du schreibst, sofern es möglich ist, stimmt genau.
    Und genau das ist doch auch das Unglaubliche, was sicher auch dem Betroffenen die Einsicht so schwer macht: Vermeindlich hat er ja alles im Griff, steht morgens auf, pflegt den Körper, geht der Arbeit nach, erfüllt seine Pflichten und denkt alles im Griff zu haben.
    Das ist aber nur oberflächlich so, jede kleine Abweichung von der eingeprägten Routine, wirft ihn dann völlig aus dem Bahn.
    Frühlingssituation: Sonnenschein, Heimweg von der Arbeit. Ich frage im Auto, könnnen wir kurz beim Gärtner vorbeifahren, um ein paar Pflanzen zu holen.
    Das ging nicht, es folgten dann anscheinend plausible Begründungen, wie die Terasse muss erst gereinigt werden.
    So war es zu Anfang, später dann einfach nur das entschiedene nein. Jetzt weiß ich warum, ich habe damit dem Weg zum Kühlschrank und zum ersten Bier versperrt, also schuldig.

    Liebe Dagmar, Du schreibst von einem neuen Kontakt. Wenn dieser Mann sich wirklich für Dich interessiert, wird er doch sicher wissen wollen, wie dein Leben bisher verlaufen ist und nicht um Dich dann im negativen Licht zu sehen, sondern einfach nur um Dich näher, besser kennenzulernen, also im Idealfall reines freundliches Interesse.

    Hast Du Angst davor, das es dann ein prägendes Thema wird? Oder das dieser Mann dich dann mit anderen Augen sieht?
    Ich hoffe meine Fragen sind nicht zu aufdringlich,
    oder gehen in die falsche Richtung.
    Ich kann hier "klug" schreiben, weiß aber wirklich nicht, wie es wäre wenn ich einen anderen Mann kennenlernen würde und das oben genannte Interesse an mir hätte, wie oder wann ich mich dahingehend öffnen könnte.
    Vor ungefähr zwei Jahren, habe ich einen Kollegen, wir kennen uns schon länger, und waren uns immer schon sympatisch, näher kennengelert.
    Die absolut klassische Situation, er verheiratet, zwei Kinder, ich verheiratet, aber beide absolut empfänglich für das, was dann folgte...
    Für mich war das eine Flucht, Anerkennung, Zärtlichkeit und................viele Tränen, Liebekummer bis heute. Er hat mir viel von sich erzählt, ich habe nichts von meiner Situation erzählt, ich konnte es nícht.
    Leider arbeiten wir jetzt enger zusammen und kommen beide mit der Situation nicht zurecht.

    Meinen zweiten totalen Zusammenbruch habe ich dadurch vermieden, in dem ich die Notbremse gezogen habe, Beendigung des Verhältnisses, Auszug und Ruhe suchen.

    Ich weiß, das ich nie wieder im meinem Leben solchen Kummer und solche Schmerzen erleben möchte.

    Tja, Dagmar, das Leben ist immer für eine Überraschung gut oder auch schlecht-
    Ich wünsche Dir und mir gute Überraschungen oder keine Überraschungen, das ist auch gut.

    Ganz herliche Grüße
    Gesche

  • Hallo Gesche,
    du hast angesprochen, dass dir das Forum hilft.

    Mir hilft es enorm.
    In der ersten Krise hatte ich viele Leute, die sich ständig dafür interessierten, wie es mir geht. Jetzt flaut das INteresse etwas ab, aber in diesem Forum schreiben die Leute noch lange Zeit später.

    Außerdem fühle ich mich bei meinen Freunden oder Verwandten auch oft nicht richtig verstanden. Da gibt es die, die sich auch immer nur um SEINEN Zustand drehen, die immer wissen wollen: Was macht er? Während ich verzweifelt versuche, Abstand zu wahren und so wenig wie möglich über ihn nachzudenken.
    Andere verstehen nicht richtig, wieso mir das überhaupt so schwer fällt, von ihm loszukommen, wo er doch solch eine Enttäuschung war.
    Wieder andere sehen in mir nur die Gescheiterte, Bemitleidenswerte und haben keine Ahnung, wie gut es mir streckenweise geht.

    Und am wichtigsten ist für mich:
    Immer wieder bei anderen die Parallelen zu lesen.
    Dass ich Verhaltensmuster erkenne. Das erleichtert enorm.
    Zum Beispiel eben diese Schuldzuweisungen. Das ist ja nun wirklich bei allen das gleiche. Also kann ich mich leichter davon distanzieren.
    Oder was du von deinen Feiern und dem Ouzo schreibst, dass du alles machen musstest und dann aber die warst, die nicht alles im Griff hatte. Genau das gleiche habe ich auch regelmäßig erlebt.

    Wir übernehmen zu viel Verantwortung.
    Aber unsere Partner haben uns auch ganz schön immer die Verantwortung zugeschoben.

    Liebe Grüße
    Doro

  • Hallo liebe Gesche,
    ich hatte einen wunderbaren "hallo-wach-Moment" beim Lesen Deiner Zeilen. Betreffend meiner Angst vor neuen Kontakten bzw. meiner Vergangenheit. Es ist doch wohl so, dass mich da noch immer etwas begleitet, was mit der alten Beziehung zusammen hing, die absolut nicht gesund war. Manch einer sagte mir das .... Oft unterstellte ich diesen Leuten dass sie das nicht für mich sagten sondern für sich, um ihren "Saufkumpel" nicht zu verlieren. Unterstellt von mir - ganz einfach etwas in den Mund geschoben.

    Deine Zeilen erinnerten mich nämlich an etwas: es gibt einen "bösen Buben" den ich dennoch schätze, weil er mir gegenüber nie bös war und wir auch keinen nahen Bezug haben. Der sagte mal: geh ganz schnell, der lässt Dich eh nur alleine.

    Wenn so ein "böser Bube" schon ganz genau blickt was Sache ist, was ist dann erst mit anderne Menschen, die klarer sehen.

    Ich glaube tatsächlich Gesche, ich hatte Angst, dass ich in eine Schublade gelegt werde, wie ich es ursprünglich mit diesem Menschen auch tat (dass, was Du nicht willst, dass man Dir tut, ja ja liebe Dagmar .....)

    Dabei hast Du so Recht! Wenn ich hier etwas "implementiere" so verhalte ich mich komisch und somit muss der anderen ja denken bei der piepts.
    Es ist ein vorsichtiger Kontakt, der noch keinesfalls in Richtung einer Beziehung läuft , aber einer von dem einfach zu spüren ist, dass er gewünscht ist und nicht immer so ganz reibungslos funktioniert. Gleichzeitig aber (und genau das finde ich sehr schön) sich immer wieder ein anknüpfen ergibt. Ich habe gelernt dass nichts heute oder morgen geschehen muss - wenn überhaupt. Ich habe dadurch gelernt den Moment zu genießen - egal was vorher war oder nachher kommt. Einfach nur ein nettes Gespräch - aus - basta....

    Deine Flucht in andere Arme, die kann ich mehr als gut nachvollziehen. Ich denke, so lief mein Leben früher. Probleme im Job - vielleicht macht es eine neue Liebe wett..... Irrglaube .... Aber wohl erst jetzt kann ich es umsetzen.
    Das was Du schreibst, dass Ihr nun damit nicht umgehen könnt, dass kann ich mir nur zu gut vorstellen: auf der einen Seite Nähe - auf der anderen Seite aber "Hilfe, ich will mich nicht verbrennen".....

    Ja, liebe Leser, es liegt noch manches vor uns :)

    Und Doro muss ich so Recht geben: egal, was von außen kommt es beeinflusst. Und sei es nur dadurch, dass an die Zeit gedacht wird. Somit wirft es einen zurück.

    Diese Verantwortung, die wir übernommen haben, liebe Doro, für die wird es Zeit sie abzugeben. Was mich betrifft auch im Kontakt zu anderen Menschen, die mir nicht gut tun. Beginnen zu spüren, was wir wollen oder nicht und auch lernen "no" zu sagen.

    Lieben Gruß von Dagmar

  • Hallo liebe Doro und liebe Dagmar,

    im Moment bin ich beruflich sehr eingespannt, das ist für mich sehr gut, ich bin dann wirklich abgelenkt und die traurigen Gedanken kann und muss ich hintenanstellten.

    Leider komme ich aber deswegen auch erst jetzt wieder dazu hier mal zu schreiben. Dazu mag ich es doch dann ruhig haben.

    Ich habe sehr viel über eure Antworten nachgedacht und ich emfpinde es genauso wie Du, liebe Doro.
    Ich habe viel zu viel Verantwortung übernommen, zum Teil gewollt, zum Teil aber auch wirklich unbewusst und im Nachhinein auch ungewollt. Und genau das ist es dann auch was bei mir zu diesen Panikattacken geführt hat.
    Mein Körper und meine Seele haben die Notbremse gezogen. Es gab keine Zuverlässigkeit, keine Vertrauensbasis mehr und dieser Weg, das zu erkennen und zu akzeptieren war unglaublich schwer für mich. Ich war sehr verunsichert und hatte Angst vor der Entscheidung, vor meiner Zukunft, bis ich eben die für mich richtige Entscheidung, eben Trennung, getroffen habe.

    Oft ist es auf der Arbeit auch so, dass ich in Situationen befinde, wo ich einfach mal nein sagen muss. Da habe ich auch die Verantwortung für meine Handlungen, und das ist ein Vorgang der für mich selbstverständlich ist. Oder ich denke dann, hier warst Du nicht konsequent, dass musst Du ändern, das klappt.

    Leider hat es im Privatleben nicht mehr geklappt, aber das zu ändern, daran arbeite ich. Ich finde das ist ein guter Vorsatz für mich.
    Man kann auch nett, freundlich und zufrieden sein, ohne ständig für alles und jeden die Verantwortung zu übernehmen und sich immer über alles Gedanken zu machen, vielleicht versteht ihr was ich meine.

    Dagmar, es freut mich sehr, dass meine Worte Dir dieses Erlebnis beschwert haben.
    Genau, das war es, Flucht in andere Arme um zu vergessen. Ist natürlich nicht gelungen, aber das habe ich zu dem Zeitpunkt nicht sehen wollen.
    Ich habe die Zeit wirklich genossen, die Komplimente, die Schmetterlinge, das Verliebtsein, die Vertrautheit...ich fange richtig an zu schwärmen....
    aber wie ich schon geschrieben habe, möchte ich den Liebeskummer, den ich zum Teil immer noch habe, und auch diesen Trennungschmerz nicht wieder erleben. Und die momentane wirklich unerfreuliche Situation auch nicht.

    Wie Du schon schreibst, liebe Dagmar es liegt noch viel Aufarbeitung vor uns.

    Ich wünsche uns Allen, das unsere Zeit immer besser wird. Ich lese aus euren Beiträgen hier so viel Mut und Lebenswillen, das freut mich sehr für Euch

    Das Wetter ist schön, die Luft ist klar und ich finde, das hilft beim Verarbeiten, sprich klarer sehen.

    Ja, hier zu lesen und zu schreiben ist wirklich sehr, sehr, hilfreich.

    Ganz herzliche Grüße
    Gesche

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