Der stille Trinker

  • Hallo,
    bin seit heute neu dabei und möchte mich kurz in Eurer Gemeinschaft vorstellen.
    Ich bin seit 20 Jahren mit meinem Mann zusammen, seit 3 Jahren verheiratet. Unser Sohn ist jetzt 14. In den vergangenen Jahren hat es bei uns viele Höhen und verdammt viele Tiefen gegeben. Mich hat eine agressive Autoimmun-Krankheit erwischt, die mich in regelmäßigen Abständen an den Rand der Existenz bringt. Das Wiederaufstehen fällt schwer, bis jetzt hat es immer funktioniert. Unser Junior und "Sonnenschein" ist uns vor 5 Monaten abgeklappt. Mit Depressionen und Panikattacken in die Klinik. Konnte einfach nicht verkraften, dass er seinen Leistungssport nicht mehr machen konnte (die Knie wollen nicht). Zum selben Zeitpunkt hatte ich einen akuten Schub. Und hier kommt mein Mann ins Spiel. Genau ab diesem Zeitpunkt konnte ich zusehen, wie er abnahm (mindestens 10 Kilo!), das Bier am Wochenende gabs dann schon eine Stunde nach dem Frühstück! Angebahnt hat es sich auf lange Zeit. Nur war es nie so auffällig, da wir uns unter der Woche selten sehen, er ist beruflich meist auf Montage. Oft habe ich versucht, das Thema anzusprechen. Doch er reagiert einfach nicht. Höchstens mit einem "Ich weiß" und einem Kuss.
    Das ist übrigens so richtig schlimm! Denn ich kann ihm nicht mal böse sein. Man merkt nie, wann er ein Limit erreicht hat. Er streitet sich nicht mit uns, er wird nie laut, ist immer richtig lieb und kümmert sich um alles mögliche (wenn er diverse Dinge nicht gerade notorisch vergisst). Er richtet sich einfach nur mit der Trinkerei zugrunde! Und ja, wir lieben uns und manchmal denke ich, dass er auch meine gesundheitlichen Probleme einfach nicht verkraften kann.
    Die ersten alkoholbedingten Ausfallerscheinungen der Nerven wurde gestern diagnostiziert und zum ersten Mal hat ein Arzt ihn auf seinen Alkoholkonsum angesprochen. Keine Ahnung, wie weit er durchgedrungen ist. Am Abend äußerte mein Mann das Vorhaben: "Ab morgen ist Schluss".
    Ihr seht, wir stehen hier ganz am Anfang, und ich bin mächtig aufgwühlt. Ich hoffe, mein Lieber versteht die Diagnose als Aufbruch bzw. 5 vor 12.
    Viele Grüße an alle!
    mauve

  • Hallo mauve,

    Auch ich bin erst seit ein paar Tagen hier und habe mich heute vorgestellt.

    Ich hoffe, daß Du hier viel Hilfe und Unterstützung für Dich finden kannst.

    Ich habe schon in einige Threads hinein gelesen und dabei das Gefühl bekommen, daß es schon sehr helfen kann, sich hier einfach mal jemanden mit seinen Sorgen anvertrauen zu können.

    Da wir beide quasi am gleichen Tag unseren Einstieg hier haben, möchte ich gerne Deine Entwicklung mit beobachten.

    liebe Grüße und alles gute auf Deinem Weg

  • Hallo mauve,

    noch ein herzliches Willkommen hier im Forum und einen guten Austausch und einen guten Anfang.

    LG Kaltblut

    Sie standen dar und fragten sich warum und nur einer meinte: warum nicht.

  • Danke für das Willkommen, Kaltblut!
    Ich hoffe sehr, dass ich hier auch ein wenig Rückhalt finde für die Zeit, die jetzt vor mir liegt!

    Hallo, Neraa!
    Gerne können wir uns hier gemeinsam durch die nächste Zeit kämpfen, ausheulen, gut zureden etc. Ich bin absoluter Neuling in der Nutzung von Foren etc. und ich freue mich einfach doch auch riesig über die persönliche Ansprache-antiquiert, oder?
    Im Moment komme ich nicht so richtig weiter. Mein Mann schweigt sich aus. Sagt mir weder, wie er nun mit seiner Diagnose umgehen will, ob er die Abstinenz allein versuchen will (Kann mir nicht vorstellen, dass das gutgeht), will er zur Entgiftung, will er überhaupt aufhören....? Ich steh also richtig im Wald!
    Ich möchte jetzt erstmal so viel wie möglich erfahren, wie man im Praktischen mit unserer Situation umgeht. Bedeutet: was, wie, wann sagt man Familie und Freunden, muss der Haushalt komplett alkoholfrei sein, damit keine Versuchung da ist, was erfährt unser Sohn? (Wie gesagt, mein Mann kann seine Sucht perfekt verstecken.) Ich werde also jetzt erstmal die verschiedenen Foren durchforsten und einen Weg des Umgangs mit der Situation für mich finden müssen.
    Herzlichst
    mauve

  • Hallo Mauve,

    Auch ich habe erst vor drei Monaten entdeckt, daß das Internet doch eine ganz tolle Sache ist.

    Ausgerechnet mein Mann hat mir den Laptop geschenkt, wenn der wüßte, was ich jetzt damit anfange.

    Mein Mann hat sein Problem leider noch nicht erkannt, er trinkt halt einfach sein ihm zustehendes Feierabendbier und am Wochenende muß man doch entspannen!

    Ich hoffe, daß Dein Mann mit seinem Weg, den er jetzt einschlagen will, mehr Erfolg hat, als in den vielen anderen Fällen, die ich hier bereits gelesen habe.

    Ich wünsche Euch, daß er durchhält und es schafft.

    Liebe Grüße
    Neraa

  • Hallo, alle zusammen,
    es sind zwei alkoholfreie Tage geschafft! Das hört sich zwar noch ziemlich lächerlich an, doch im Moment rechne ich noch in Stunden! Erstaunt hat mich meine Reaktion: die Sache mit dem Vertrauen ist sehr schwierig. Jedesmal, wenn mein Mann an mir vorbeikommt, versuche ich verräterischen Alk-Geruch zu erschnüffeln, gestern hab ich sogar noch die einzige noch vohandene Weinflasche auf Unversehrtheit überprüft! Meine innere Stimme sagt mir : Unbedingt sein lassen, doch einfach ist das nicht. Gestern wollte er sich eigentlich mit einem Ex-Mitarbeiter treffen, hat aber dann kurzfristig abgesagt. Das hat mich massiv aufatmen lassen, so konnte er die Versuchung umgehen. Andererseits wird er sich wohl auch gerade bei guten Freunden irgendwann outen müssen, oder?
    Morgen wird unser Junior aus der Klinik entlassen, nach 5 Monaten ! Eigentlich bräuchte er jetzt beide Elternteile stabil wie Eichenbäume, doch nun muss ich ihm irgendwie beibringen, dass sein Papa in den letzten Monaten massiv abgerutscht ist. Denn wenns um das Kind geht, versteh ich keinen Spaß! Da kann ich keine Rücksicht auf Ehrgefühl meines Mannes nehmen. Und mein Junior ist mit 14 hoffentlich alt genug, um die Sucht als Krankheit zu begreifen und zu verstehen, dass es nichts mit Desinteresse an ihm zu tun hat, wenn sein Papa sich zurückzieht.
    Übrigens, mit dem Hintergrund von 2 alkoholfreien Tagen( :) , ab wann ist man eigentlich aus dem Gröbsten raus, und die Gedanken kreisen nicht mehr nur um den Stoff?
    Denkt mal an mich, ich will grad ganz stark sein!
    LG mauve

  • Hallo mauve,

    der körperliche Entzug ist, laut den "Trockenen" in meiner realen SHG eine Sache von ein paar Tagen. Was mir bei deinen Posting mehr Kummer macht, ist die Frage, ob dein Mann, da er nun entzieht, dies mit Hilfe seines Arztes tut oder aber "kalt", sprich ohne evtl. Medikamte und ärztliche Aufsicht. Das kann unter Umständen ziemlich gefährlich sein.

    Wenn sich bei deinem Mann bereits Nervenschädigungen zeigen, zeigt dies, dass ja wohl schon länger Alkoholmissbrauch stattgefunden hat. Was noch mehr für eine Entgiftung unter ärztlicher Aufsicht spricht. Im Grunde ist es aber seine Verantwortung, hier für sich und seine Gesundheit zu sorgen.

    Kannst du mit ihm darüber sprechen?

    LG
    Ette

    Im Schmerz von gestern liegt die Kraft von heute.
    ("Handbuch des Kriegers des Lichts" v. P.Coelho)

  • Hallo Ette,
    im Moment macht er einen kalten Entzug! Habe ihn mehrfach darum gebeten, unsere Ärztin aufzusuchen-übrigens eine total engagierte!- doch er ist der festen Überzeugung, er kanns allein!
    Das ist sein Leitthema: ja nicht um Hilfe bitten oder evtl. sogar annehmen. Wie gesagt, er lebt still, trinkt still, jetzt entzieht er still. Deshalb mache ich mir ja so riesige Sorgen!
    Ich kann ihm auch wirklich nicht bös sein, da er eben so ist wie er ist, nämlich still und sehr lieb zu uns! Aber ich dringe einfach nicht zu ihm durch, wenn es um ihn selbst geht!
    Ich glaub manchmal, er ist der Meinung, all seine Bedürfnisse unter die der Familie stellen zu müssen. Hier komme ich wieder zu dem Punkt meiner Krankheit. Er nimmt manchmal so viel Rücksicht, dass er sich selbst vergisst! Dabei möchte ich das gar nicht, denn trotz meiner Erkrankung möchte ich gern so normal wie möglich leben.
    Hier bin ich nun am Punkt des Verstehens und des Verständnisses. Ich kann verstehen, was ihn zum Trinken bringt, habe aber definitiv kein Verständnis dafür, das er es tut!

    LG mauve

  • Hallo Mauve,

    Was einen Entzug angeht kann, ich leider noch nicht mitreden, ich denke so weit sind wir noch lange nicht, daß habe ich gerade gestern Abend wieder festgestellt.

    Mein Mann sieht seinen Alkoholkonsum nicht als Problem. In seiner Denkweise bin ich das Problem.

    Deine Anmerkung mit dem Vertrauen hat mich heute morgen angesprochen.

    Auch ich habe mich heute nacht gefragt, ob man je wieder ein Vertrauensverhältnis aufbauen kann.

    Auch daß mit dem Verstehen kann ich gut nachvollziehen, ich kann meinen Mann auch verstehen, warum er trinkt und daß es ihm sicherlich nicht leicht fallen wird, damit aufzuhören.
    Ich rauche und habe schon so meine Erfahrungen gemacht, wie schwer es mir fällt das sein zu lassen.

    Was mich allerdings verletzt ist, daß mein Mann offensichtlich nicht verstehen kann, wie es mir damit geht.

    Ich hoffe Dein Mann hält an seinem Entschluß fest.
    Und mit Deinem Sohn wünsche ich Dir alles Gute.

    Liebe Grüße
    Neraa

  • Zitat von Neraa

    In seiner Denkweise bin ich das Problem.

    Hallo Neraa,

    was denkst Du denn, wie wäre das Problem zu beheben?

    LG Kaltblut

    Sie standen dar und fragten sich warum und nur einer meinte: warum nicht.

  • Hallo Kaltblut,

    Wie das Problem zu beheben ist?

    Da bin ich mir eigentlich auch nicht sicher.
    Auch ich denke einerseits, daß ich das Problem bin, weil ich es nicht schaffen kann, darrauf zu vertrauen, daß es keine Attaken mehr von seiner Seite gegen mich gibt.

    Aber so lange er weiter wie selbstverstädlich sein Bier trinkt, kann ich das nicht, auch wenn es jetz schon seit Monaten gutgegangen ist.

    Also wird das Problem wohl nur zu beheben sein, wenn ich darrauf vertrauen kann, daß er sich nicht merhr so besäuft.

    L.G.
    Neraa

  • Liebe Neraa,
    um Himmelswillen NEIN, Du bist nicht das Problem!!! Dein Mann hat Euer Vetrauensverhältnis mit Füßen getreten bzw. im Alkohol ersäuft!!! Und er muss auch auch beweisen, dass er Vertrauen wert ist!
    LG mauve

  • ich bin zwar noch sehr neu und ein "Grünling" hier.

    Aber ich glaube es ist leider normal, daß der Süchtige seiner
    Umwelt die Schuld für sein eigenes Fehlverhalten gibt.
    Mein Mann hat das auch immer gerne gemacht.
    Meistens war ich der Depp, weil ich die Frechheit hatte,
    zu sagen was schief läuft. Hätte ich geschwiegen, hätte in
    Ruhe weitertrinken können, weil ich nicht geschwiegen hatte,
    war ich der Grund für seine schlechte Laune, die wiederrum
    ein Grund war, zu trinken

    Wie dem auch sei, gesoffen hätte er sowieso
    Und ich glaube, wenn jemand saufen will, tut er es, egal
    ob sich die Umwelt korrekt, liebevoll und nett verhält

    ich schätze mal, wenn er süchtig ist, wird er trinken, egal
    was Du tust..

  • Hallo Xenica,

    Ich fange auch langsam an zu begreifen, daß ich offensichtlich so viel reden kann, wie ich will.

    Liebe Mauve,

    ich habe Dir gerade in meinem Thread geantwortet.

    Dein um Himmelswillen NEIN hat mich richtig zusammenzucken lassen.

    Aber wie ich schon sagte, ich kann es selber nicht verstehen, warum meine Gefühle offensichtlich meinen Verstand außer Kraft setzen.

    Liebe Grüße

  • Ne, reden nützt nichts...
    Schimpfen, schreien, schlagen, alles sinnlos ..
    Logische Argumente.. kann man vergessen
    die Sucht ist stärker
    selbst wenn man im lichten Moment erkennt
    der Partner hat recht, man kann nicht anders ..

    :(

  • Liebe Xenica,

    Ich hab´es bisher meistens mit logischen Argumenten versucht.
    Mein Versuch gestern scheint zumindest doch ein Nachdenken bei ihm ausgelöst zu haben.
    Heute Abend hat er zum Essen wenigstens kein Bier getrunken, und das obwohl mein Schwager da ist, und der hat eins getrunken.

    Mal sehen ob es ein wirkliches Einsehen ist.

  • Ich wünsche Dir es, Neraa..
    doch ich kann nur von mir und meiner Beziehung
    berichten.. man ist als Angehörige oft blind.
    Als Alkoholikerin ist man sich selbst gegenüber
    blind.
    Ich arbeite im medizinischen Bereich und
    betreue einige austherapierte Alkoholiker.
    Ich hätte es besser wissen müßen.. an mir selbst
    die Symptome und die Zeichen einer Sucht erkennen
    müßen- viel früher.. ich habe sie gesehen und doch
    nicht registriert

    Verstehst Du, was ich meine?
    Man sieht oft nur das, was man sehen will

  • ja, das kann ich nachvollziehen.

    ich habe meinem Mann gestern auch an seine Schwester und den Mann seiner anderen Schwester erinnert und an seine Kommentare zu deren Verhalten.
    Auch die beiden sind alkohliker.

    Mein Schwager ist einige Jahre älter als mein Mann, so daß mein Mann eigentlich schon von Kind an ein bißchen davon mitbekommen hat, wie sich die Beziehung mit einem Alkohliker verhält.
    Auch seine Schwester hat einiges mit ihrem Mann erlebt.

  • logische Argumente können vielleicht ein schlechtes
    Gewissen machen, aber wenn der Partner nicht selbst
    will und sich nicht selbst als das sehen will, was er ist
    dann nützt alles reden ja nichts ..

  • Nach dem was ich bisher hier gelesen habe, gebe ich Dir Recht.
    Aber auch ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, daß mein Mann zu den gehört, die es einsehen.

    Darum werde ich jetzt den laptop ausmachen.
    Mein Schwager ist gerade gegangen und jetzt möchte ich mit ihm auf jeden Fall diesen Abend genießen an dem er offenbar nicht trinkt.

    Ich wünsche auch Dir einen schönen Abend

    Liebe Grüße

    Neraa

Unserer Selbsthilfegruppe beitreten!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!