Mein Problem mit dem Feierabendbier

  • Nachdem ich die schleichende Wandlung vom "Feierabendbier" in die totale Sucht erlebt habe bemerke ich bei mir ein Gefühl von unangenehmen Berühertsein, wenn vom "Feierabendbier" die Rede ist oder ich diesen symbolischen Akt "miterleben" muss.

    Allerdings habe ich den Unmut mit mir selber. Ich finde es nicht gut, dass ich den Alk-kranken-Ex (der sich alleine abfüllte) in einen Topf werfe mit jenen, die zum Feierabend gemeinsam ihr Bierchen trinken. Erschwerend kommt für mich hinzu, dass dieses Feierabendbier eben tatsächlich nach Feierabend gegen 11.30 Uhr genossen wird.
    Logisch, die Jungs beginnen um 0.00 Uhr zu arbeiten, sind dann oftmals erst gegen 12.00 Uhr fertig und dann gibt es noch eine gemütliche Runde, die nie ausartet, mir aber einfach in mir ein Unwohlgefühl vermittelt.

    Ich merke nun, und genau das finde ich nicht gut, dass ich mich vor diesen Menschen (die ich sehr mag) zurückziehe. Ich denke mal, dass ich da auf einen neutraleren Stand gelangen sollte. Klar, ich bin froh, dass ich niemanden missioniere - aber ich wäre noch froher, wenn mich das nicht berühren würde. Dem ist leider nicht so.

    Dummerweise läuft halt auch da ein Muster ab: Um noch mal kurz ein Gespräch zu führen lässt "man" die Flaschen gegeneinander klingen, dass ich es nicht überhören kann. Statt also dem sonst netten Gespräch ziehe ich mich also doppelt zurück. Es wird genau der gegenteilige Effekt ausgelöst, von dem was beabischtigt ist.

    Wie geht Ihr mit solchen Situationen - falls ihr sie kennt um? Gelang es Euch mit der Zeit das neutraler zu sehen oder sind da einfach die eingebrannten Erfahrungen so begleitet von Widerwillen, dass da schon von vorne herein alles auf Abwehr steht?

    Lieben Gruß von Dagmar

  • Hallo Dagmar!

    Zitat

    Wie geht Ihr mit solchen Situationen - falls ihr sie kennt um? Gelang es Euch mit der Zeit das neutraler zu sehen oder sind da einfach die eingebrannten Erfahrungen so begleitet von Widerwillen, dass da schon von vorne herein alles auf Abwehr steht?


    Ich hasse es mitansehen zu müssen - also gehe ich weg.
    Mir schnürt es oft den Magen zu, da ich mit diesem Feirabendbier in meiner Umgebung sehr unschöne Erfahrungen gemacht habe.
    Selbst trinke ich so gut wie nie Alkohol, da mich die Erfahrungen mit meiner Familie anwidern.
    Vielleicht tue ich Menschen damit Unrecht, aber ich persönlich mag es nicht.
    Rosita

  • So geht es mir auch - aber genau das ist der Punkt: ich denke sehr wohl, dass ich da ein Vorurteil mitbringen. Nicht nur ein Vorurteil, sondern mich selber belaste durch diese "Erwartungshaltung". Ich kann ja auch nicht jeden "verliebten" verdammen weil ich Co-Abhängig bin.

    Jedes Ding hat ja, in Maßen, seine Berechtigung. Woher nehme ich mir das Recht - meine Vorverurteilung oder Angst - Menschen ohne Vorbelastung in selbigen Stiefel stecken zu wollen?

    Ich beraube mich durch mein Verhalten, nicht die anderen. Ich kapsle mich ja ab, was natürlich keiner verstehen kann ;) wie auch....

    Anders wäre es für mich, wenn es mich einfach nur als Thema aneckeln würde, aber innerhalb der Begegnungen sind die Erfahrungen des Ex dabei. Es ist also nicht einfach "ich gönne Euch den Genuß nicht" sondern "ich will keine Steigerung erleben, also breche ich den Kontakt mit Dir ab". Nicht so sehr klug, eigentlich kleinkariert und dümmlich...

    Na ja, mal sehen, wie ich da mit meinem Gehirn oder abder der Situation arbeiten kann. Denn in der Konsequenz würde das ja bedeuten, dass ich sämtlichen Orten (was ich derzeit auch tue) auf Dauer fernbleiben muss, an denen konsumiert wird. Das bedeutet, dass ein Genußmensch, der einmal im Vierteljahr ein Viertele trinkt von mir ebenso beurteilt wird wie der Spiegeltrinker. Wobei beim einen eventuell gar kein Suchtcharakter angezueigt ist. Dieses schwarz/weiß denken an mir gefällt mir nicht.

    Vielleicht benötigt es aber einfach noch seine Zeit, bis ich in den Farben die Zwischentöne erkennen kann.

    LIeben Gruß von Dagmar

  • Hallo Dagmar

    Ich hab grad mal überlegt, wie das bei mir ist, Gott sei Dank hab ich dieses Problem nicht.
    Wir waren ja im Juli übers WE zelten, da wird von sehr vielen schon am späten Vormittag die erste Flasche getrunken. Das stört mich jedoch nicht, ist nicht meins. Ich bemerke es mehr als früher, hege auch oft Vermutungen, das viele davon bestimmt auch Probleme damit haben. Ich finde es auch erschreckend, wie "normal" das in unserer Gesellschaft ist. Letzthin erst in einem Freizeitpark, zwei Drittel der Männer hat zum Mittagessen ein Bier da stehen.
    Wenn ich jedoch irgendwo in einer Schlange ansteh undes weht mir ein Alkoholgeruch in die Nase, da wird mir schlecht, das kann ich schlecht aushalten. Da geh ich auch automatisch auf Abstand, nicht nur körperlich. Ich könnte mir auch nicht vorstellen, einen Partner zu haben, der nach Alkohol riecht. Das würde gar nicht gehen!

    Schöne Grüße

    julchen

  • Hallo Dagmar,

    interessantes Thema, ich lebe hier in einer Gesellschaft in der das Feierabend Bierchen und der regelmaessige Pub-Besuch zum guten Ton gehoert. Allerdings habe ich kein Problem wenn Leute mal ein Bierchen trinken oder auch am Wochenende mal Gas geben - da geb ich Julchen recht, das ist nicht meins. Ich trinke auch mit Freunden mal einen Wein zum Essen und das finde ich nicht verwerflich.

    Allerdings bin ich mit dem Leuten die ich in der Kneipe sehe oder am Wochenende beim Tanzen gehen nicht emotional verbunden.

    Bei meinem Noch-Mann bekomm ich schon Kotzreiz wenn ich den Kronkorken ploppen hoere. Und dann mach ich ganz schnell zu, mach mein eigenes Ding und verzieh mich. Bei ihm ist es so offensichtlich das es sich bei dem Bierchen nicht um Genuss handelt sondern um eine selbstzerstoereische Sucht und das ist eben das Problem.

    Liebe Gruesse von unten rechts.

    dR.

  • Hallo, liebe "unten rechts" ;)
    liebe Reisende,

    ich denke genau das ist der Punkt, den Du ansprichst: die Trennung von Genuß und Sucht.

    Und mein Ego - den vermutlich traue ich mir selber nicht zu das eine vom anderen zu unterscheiden. Es gäbe sonst keinen Grund, dass ich alles aus meinem Dunstkreis schieben möchte, dass nur ansatzweise eine Gefahr darstellt.

    Genau dieses differenzieren - den Mut zu haben und zu lernen dass das des einen nicht das Problem des anderen sein muss. Kann es werden, keine Frage, aber auch dann ist es nicht mein Problem. Ich frage mich auch manchmal, ob das nicht vielleicht ein an den Haaren herbei gezogener Grund ist um mich zurück zu ziehen..... Ein Trick 17 um manches schlecht zu denken, bevor es normal sein kann.

    Ich selber trinke halt auch nicht, für mich ist es somit kein Genuss, weil ich den Geschmack nicht mag. Somit natürlich noch schwerer diesen Genuß des anderen nach zu vollziehen.

    Aber ich habe mir für mich vorgenommen mich dem einfach bewußt zu stellen. Nicht immer weg zu blicken und alles zu überhören was mit Kronkorken & Co zu tun hat. Bewußt wahrnehmen, dem anderen dabei in die Augen zu sehen und meine Augen auf zu halten. Denn in der Alkbeziehung habe ich wohl geflissentlich weg gesehen. Als Gegenstück meine ich vielleicht jetzt "zuviel" sehen zu müssen.

    Ich denke, auch das ist ein Teil des Lernweges: die Relationen anders, besser oder passender zu setzen. Auch hier eine gewisse Art von Mut und Grundvertrauen mit zu bringen oder zu entwickeln.

    Lieben Gruß von Dagmar

  • Hallo dagmar,

    ich möchte dies nicht verallgemeinern, sondern nur aus meiner persönlichen Sicht mal da lassen, daß ich aus meinen beiden Ex-Beziehungen, meinem eigenen Alkoholproblem, genug habe Alkohol fliessen sehen, daß ich Situationen meide, in denen getrunken wird, angeblich auch nur aus Genuß. :roll:

    Es mag extrem klingen, weil ich ja nicht das Problem habe, nicht alle verdammen kann, aber ich möchte da mal einen Gedanken zu einwerfen.
    Bei mir triggert der Anblick von trinkenden Menschen meine Erinnerungen an die Zeit, in der ich mich aufgab. Sozusagen mein *Suchtgedächtnis*
    Hinzu kommt mein neuer Partner, der zum Glück auch genauso sein Leben ohne Alkohol lebt, so daß ich mir diese und andere Lebenssituationen, Menschen in meinem Umfeld, alkoholfrei gestalte.

    Dies mal aus meiner eigenen Sicht.

    Lieben Gruß

    Susanne

  • Hallo, liebe Susanne,
    so war auch mein Leben - Ausnahme der alkoholkranke Partner - auch seit Lebenszeit ausgerichtet. Einfach weil ich nichts trinke und im Regelfall ein Nüchterner unter Angeheiterten nicht immer so das Non-Plus-Ultra ist.

    Du sprichst von Triggern und Selbstaufgabe. Betrifft Dich das speziell als Co oder mehr als selber konsumierende?

    Ich selber muss für mich einfach mal die Zeit und meine Erfahrungen die ich noch machen werde abwarten. Und dann noch ein Grillfest in vier Wochen, wo ich dann schon verflixt gespannt bin auf mich selber. Aber ich habe zumindest einen Chef, der dort auch NULL trinkt, was mir sehr entgegen kommt.

    Na ja, ich arbeite an dem Thema und weiß noch nicht, wohin es mich führt. Mein Wunsch wäre eigentlich, dass mir das alles komplett egal ist was die anderen tun oder konsumieren. Solange ich nämlich noch dazu Emotionen habe stecke ich im Bereich Co, meiner Meinung nach, noch gut drin.

    Aber auch das wird die Zeit zeigen.

    Lieben Gruß und Danke für Eure Meinungen. Wobei ich Julchen und die Reisende beneide, denn das finde ich schön und gelassen. ... das fehlt mir noch...

    Lieben Gruß von Dagmar

  • Zitat von dagmar007


    Wobei ich Julchen und die Reisende beneide, denn das finde ich schön und gelassen. ... das fehlt mir noch...

    Huhu Dagmar,

    ja, waere zu schoen wenn ich die gleiche Gelassenheit gegenueber meines Lebensabschnittsgefaehrten auch haette :lol:

    Das fehlt mir auch noch :roll:

    Liebe Gruesse von der Reise!

  • Hallo Dagmar,

    Du fragst, ob es bei mir hinsichtlich der Co-Abhängigkeit oder als Betroffene um das Thema Suchtgedächtnis geht.

    Da ich ja hauptsächlich bei mir an meiner Co arbeite, schau doch mal hier :wink:

    Liebe Grüße

    Susanne

  • Hallo Dagmar,
    ich bin zur Zeit im Verkauf tätig. Nachdem ich hier dein Thema gelesen habe wurde mir bewusst...Jaaaa !!! Ich habe ein negative Gefühl wenn Kunden täglich ihr Sixpack (Flachmann, hart Alk)bei mir kaufen. Ein lockeres, fröhliches Gespräch ist dann von meiner Seite leider nicht möglich. Irgendwas blockiert. ganz schlimm wird es wenn dann noch ne Fahne rüberweht. Es ist aber kein Gefühl der Abwertung oder der Ablehnung des Kunden, sind alle supi nett. Es ist das Produkt das dieses Gefühl auslösst.Ein Gefühl der Befangenheit, Wut und vielleicht sogar Traurigkeit ..Hilflosigkeit gegenüber dieser Macht den der Alk über viele Menschen hat.

    Meine Gedanken dazu
    Liebe Grüße Spiritdancer

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