• Hallo und Guten Abend.

    Ich bin 39 Jahre alt, seit knapp zwei Jahren Alkoholikerin, co-abhängige Tochter eines jetzt trockenen Alkoholikers, seit neun Tagen klar und nüchtern und im Moment aufgeregt und unsicher. Ich bewege mich seit Tagen durch Euer offenes Forum und fühle mich reich beschenkt. So viele Denkanstöße, einige Parallelen, bin ja gar nicht allein und -wow!- hier wird ja auch gelacht! Ich hoffe, das ist einer meiner ersten Schritte in eine gute Richtung. Stehe halt noch sehr am Anfang. ... aber ich habe ihn in der Hand!


    ... das ist mein Text aus dem Vorstellungsbereich.

    Aus aufgeregt wird so langsam rappelig und das ist gar nicht so gut zur Zeit. Neun Tage sind halt nicht viele und mein vermeintliches Streßbewältigungsverhalten der letzten Jahre ist sehr präsent. Ich verspüre nicht den Druck Alkohol zu trinken (=>dabei hab ich ihn im letzten Jahr gar nicht getrunken ... gekippt trifft's eher), aber der Gedanke "das täte ich jetzt, wenn ich's noch täte" blitzt mich stündlich an.
    Beim Lesen Eurer Beiträge in den letzten Tagen hab ich viel über Achtsamkeit im Umgang mit sich selbst gelernt. Und schau jetzt mal, dass ich was umsetze. Vielleicht mag ja jemand noch antworten, wenn nicht, geh ich halt schlafen und schau morgen nochmal hier rein.

  • Herzlich willkommen, Jule!

    Deine Verunsicherung kann ich gut verstehen. Ich hatte am Anfang auch Angst, wie es mit mir und meiner Trockenheit weiter- bzw. ausgehen würde.

    9 Tage sind schon viel, denn es sind 9 Tage ohne Alkohol. Gute Tage, oder?

    Der Umgang mit sich selbst ist sehr wichtig, aber werd nicht ungeduldig mit Dir.

    Kannst Du denn eingrenzen, wo Deine Druckpunkte entstehen?

    Gruß

    Lobanshee

  • Hallo Lobanshee.

    Da klopft mein Herz - und ein bißchen freu ich mich: Dich "kenn" ich nämlich schon aus meinen letzten Tagen hier im Forum (in denen ich mir unterschwellig wie ein Voyeur vorkam).

    Oh ja! GUTE TAGE!!!!!!! Fühle mich recht ruhig und bei mir. Freue mich manchmal über Gedanken und Gefühle, die ich lange nicht wahrgenommen habe und die doch so sehr zu mir gehören. Schaue in den Spiegel und erkenne so langsam mein Gesicht wieder mit klaren Augen und immer deutlicheren Konturen. Kann den Menschen um mir herum begegnen, aufrecht und wach, ohne dass meine Ressourcen für Schauspiel draufgehen. Gute Tage. YEP!

    Aber auch schwere Momente. Mir wird das Ausmaß der Katastrophe klar, die ich da angezettelt habe. Bei mir und auch bei den Menschen in meiner Nähe. Laß ich zu, forciere es aber nicht. Das kommt, soll kommen und seine Zeit haben. Und seinen Ort besser nicht nur in mir.

    Sind mehr die "Druckpunkte" auf die ich schaue. Gelingt ganz gut, kenne mich eigentlich in vielem auch ganz gut. Also: so'n paar Punkte sehe ich und versuche, sie im Auge zu haben.

    Grüße von Jule

  • Hallo Jule,

    Zitat von Jule25

    Kann den Menschen um mir herum begegnen, aufrecht und wach, ohne dass meine Ressourcen für Schauspiel draufgehen.

    Das ist ein schöner Satz! Den nehme ich mal gedanklich mit zu mir! :)

    Da sprichst Du wirklich was Wahres an. Oftmals frage ich mich, wie das alles nur auszuhalten war, das Lügen, das Heranschaffen, das Wegschaffen, das Durchhalten bis zum nächsten Schluck.

    Die Freiheit, die ich heute habe, wirklich in jeder Situation und jeder Tageszeit ohne Alkohol im Blut herumzulaufen, sprich keine Fahne zu haben, immer parat zu sein, immer ans Telefon zu gehen :) ohne zu lallen, genieße ich ohne Ende. Auch jetzt erinnere ich mich oft an vergangene Zeiten.

    Aber, und so habe ich es gemacht, in meinen ersten Monaten, zu sehr in die Vergangenheit abzutauchen, was war und wen ich eventuell verletzt haben könnte oder auch mit Gewißheit, das habe ich ein bisschen von mir weggeschoben, nicht, um zu vergessen, sondern erstmal mit mir selbst klarzukommen. Das klingt sehr egoistisch, war ich ja vorher mit meiner Trinkerei auch, nur ich hatte Angst, mir den Weg nach vorne zu verbauen.
    Meine Mauer sollte ja fallen und nicht, jetzt im klaren Kopf, noch höher wachsen.

    Das ist ein Spagat zwischen "sich plötzlich dem Leben stellen" und dem "plötzlich aufwachen und genau zu sehen, wie groß der Scherbenhaufen ist".

    Und es braucht Geduld und wirklich auch eine gefühlte Veränderung der Lebensstruktur.
    Ein guter Zugang zu sich selbst, half mir, denn ich fing an, ehrlich zu mir selbst zu werden, abzutauchen zu meinem Schwächen oder Fehlern, die in Wirklichkeit gar nicht so definiert werden müssen. Eigentlich brauchen sie keine Beschreibung, denn sie würden von jedem anders interpretiert werden. Aber sie zu kennen, sich an sie zu gewöhnen und dafür neue Lebensstrukturen zu entwickeln, war mein Weg, mir am Anfang nicht zu viele Hürden aufzubauen. Und sie sind es immer noch.

    Sei herzlich gegrüßt

    Lobanshee

  • Hallo Jule

    Herzlich Willkommen auch von mir!!

    Genauso,wie Lobanshee es beschrieben hat ist die erste Zeit der Abstinenz...
    auch ich war voller Freude über die ersten trockenen Tage.
    Da ich aber "quartalsmäßig" unterwegs war,gab es öfter diese alkfreien Tage ja sogar Wochen.
    Das ich es diesmal ernst meinte,glaubte mir natürlich kein Mensch!:-(
    Voller Sorge und Mißtrauen schaute meine Familie mir in's Gesicht,in die Augen ,achtete auf meinen Gang,meine Sprache...
    Wie oft hatte ich sie enttäuscht.
    Es dauert! Alles!
    Die Zeit bringt das Vertrauen zurück,Gespräche über die Sucht,über deine alkoholisierten "Untaten" werden möglich werden wenn die Zeit dafür reif ist.
    Das Selbstbewußtsein steigt jeden trockenen Tag ein bißchen mehr.
    Schau nach vorne und freue dich weiter über jeden trockenen Tag!
    Alles,wirklich Alles geht ohne Alkohol viel besser!

    Es grüßt dich
    Backmaus

  • Hallo Lobanshee und hallo Backmaus!

    Danke für Eure Antworten. Ihr beschreibt ziemlich gut, wie ich mich zur Zeit fühle und bewege. Das ist so befreiend, nicht mehr seitwärts zu atmen, nicht ständig Supermarkt und Altglascontainer zu wechseln, Telefonate nicht abrupt zu beenden, weil die Artikulationsfähigkeit leider wieder perdu ist, ...
    Das genieße ich zur Zeit bewußt. Und hab ansonsten das Bedürfnis, mich immer mal wieder einzuigeln, lese viel, okkupiere Bad und Wanne.

    Aber die anderen Gedanken sind halt auch da. Zumal von den Kollateralschäden, die ich vielleicht oder sicher angerichtet habe, auch meine drei (noch recht jungen) Kinder betroffen sind. Aber das anzugehen ist sicher nicht meine Baustelle 2009. Ich muß erst zu MIR kommen und selbst wissen und fühlen, dass ich ein verlässliches Gegenüber bin.

    Das war ein ganz guter Tag heute. :) Ich hatte einen fröhlichen, wuseligen Vormittag mit meiner Familie und später Besuch von einer guten, nahen Freundin, der ich mich geoutet habe. Sie selbst hat eine Bulimiegeschichte in ihrem Gepäck und bei allem Ernst und trotz mancher Träne haben wir uns immer wieder mal angestrahlt, Parallelen entdeckt und miteinander gelacht. Das war gut und rund und richtig.

    Und einen historischen Moment gab es gestern: Ich habe mich und meine üble Bronchitis zum Arzt gefahren und als es an die Rezeptierung ging, meinen Sohn rausgeschickt und dem doc erzählt, dass er beachten muß, dass ich Alkoholikerin bin. Das hat sich richtig und unspektakulär angefühlt ... erstaunlicherweise blieb das Gefühl der Scham, das mich so lange schon verfolgt, aus. Gut so!

    Jetzt mag ich noch lesen, wie es Euch so geht und vielleicht noch ein wenig an die Luft gehen (es geht die Mär, es habe aufgehört zu regnen :)), bevor eine Teilmenge meiner Familie wieder heimkommt.

    Habt einen schönen Abend!!!

    Jule

  • Hallo Jule

    Ich finde,du machst das ganz toll!

    Den Arzt informiert...viele Medis enthalten Alkohol und können somit das Suchtgedächnis wecken.

    Deine Freundin mit ihrer eigenen Suchtgeschichte war/ist der richtige,verständnisvolle Gesprächspartner und je mehr Menschen -die dir etwas bedeuten -von deiner Sucht wissen umso einfacher wird der trockene Weg sein.
    Wenn's dir mal nicht gut geht,hast du Menschen zum Reden.
    Alles Gute für dich und einen schönen 1. Advent!

    wünscht
    Backmaus

  • Guten Morgen, Ihr alle.

    Bin unruhig und nervös heute. Ich sitze hier motzig vor der Rappelkiste und bin ganz klar der am wenigsten adventlich gestimmte Teil der Familie.

    - Mir fehlt reichlich Schlaf, meine Bronchitis läßt mich seit Tagen nicht zur Ruhe kommen, die Rippenbögen tun vom Husten weh, der Kopf ist matschig. Ich fühle mich wie ein Zombie, eine tickende Zeitbombe.

    - Die nächsten Tage bieten nicht viele Nischen für mich, dabei würde ich mich gerne noch ein wenig einigeln und in Watte packen. Aber drei Kinder, Berufstätigkeit, Haushalt und Weihnachtszeit fordern klar ihren Tribut. Habe in meinem Kalender die Stunden geblockt, die ich für mich sehe, da laß ich auch nichts rankommen. Trotzdem geh ich mental in die Knie.

    - Es gab viel Gutes in den letzten Tagen, aber der Weg, für den ich mich entschieden habe, ist ein anstrengender. So gab es einige sehr kippelige Situationen.
    Der Schritt, mich hier zu registrieren, hat mir am Freitag Abend viel abverlangt. Mein Bewältigungsmuster der letzten Jahre drängte sich auf: Mut und Antrieb ansaufen (was natürlich never ever klappte). Hab's anders und aus mir heraus hinbekommen, aber am Ende des Tages war ich ausgelaugt und leer.
    Mein Outing vor meiner Freundin gestern war richtig und wohltuend und warm und nah. Das hätte ich vor einigen Tagen noch begossen. Auch gute Gefühle, auch Freundschaft und Intensität konnte ich nur bedröhnt aushalten. War schwer gestern Abend, mich und meine Gefühle ohne auszuhalten (zumal das Thema Alkohol nach diesem Nachmittag überpräsent war). Ich habe die Leere ausgehalten, sie annehmen können, war auch nicht wirklich versucht, zum Alkohol zu greifen. Ich habe mir vorgestellt, was passieren würde, wenn ich zur Flasche greife und wußte sicher, dass ich das nicht WILL. Das war eine gute Erkenntnis. Es ist kein 'ich darf das nicht', es ist ein 'ich WILL nicht'. Damit war kein Verhandeln mit mir (der Ausgang war mir eh klar), kein Hadern nötig. Aber einsam war ich, leer war es in mir, traurig auch. => Willkommen Gefühle.
    Um halb zwei war ich im Bett, stündlich wach wegen der blöden Husterei und jetzt muß ich dringend kreativ in mich gehen, um dem Tag einen Schubs in eine bessere Richtung zu geben. Hier zu schreiben war schon der erste Schritt.

    Habt einen schönen Tag! Jule

  • Mir fällt noch etwas ein:

    Bei meinem Outing-Gespräch mit meiner Freundin gestern gab es jede Menge schräger Situationen. Und infolgedessen reichlich Lacher.

    So hab ich zur Zeit eine beachtliche Klobesuchsfrequenz (die vielen Liter Tee, bin halt erkältet, wollen nun mal irgendwo gelassen werden). Als meine Freundin sich über den Grund meines ständigen Geflitzes wunderte, gestand ich ihr, dass ich da eine Weinflasche deponiert habe ...

    Und nett war auch der Moment bei der Verabschiedung, als sie auf meine Nachfrage hin erzählte, dass sie noch mit einer Freundin zum Sekttrinken verabredet sei ... Das passte einfach wie die Faust aufs Auge.

    Kennt das jemand von Euch, dass solche übermütigen Albernheiten bei aller Ernsthaftigkeit und Betroffenheit ewas Erleichterndes haben, Ventil sein können?

  • Hallo Jule ...

    erstmal wünsche ich dir gute Besserung; und das dein Husten dich heute nacht schlafen läßt!

    Gefühle -gute wie schlechte- aushalten ohne Alkohol muß erst mal wieder gelernt werden.
    Durch den Alk"nebel" kam's ja "gedämpft" bei uns an und ab einer best. Dosis garnicht mehr!:-(

    Schlechte Tage gehören sind sozusagen "Neuland".
    Gut,dass dein Wille stark ist; ich hoffe dein Haushalt ist trotzdem alkfrei !?

    Klar,so 'ne Art "Galgenhumor" gehört ein bißche zur Verarbeitung dazu. Unterhalte dich mit Alkoholikern über ihre "Untaten" und alkbedingten Mißgeschicke und du kommst aus dem Lachen nicht mehr 'raus...
    Tut zwischendurch gut zu lachen "bis der Arzt kommt" ; vergesse aber nie,die Alkoholsucht kann tödlich enden wenn die Ernsthaftigkeit und der starke Wille sowie die Trockenarbeit überhaupt fehlen.
    Ich wünsche dir einen schönen Rest-advent ...bin gleich in der Klinik ...
    Liebe Grüße von
    Backmaus

  • Hallo Jule und herzlich Willkommen hier im Forum,

    Du hast vorhin in meinem Thread geschrieben, darüber habe ich mich sehr gefreut und möchte Dich nun auf diesem Wege in deinem Thread erreichen.
    Ja, es scheint bei uns alles sehr ähnlich zu sein. Du schreibst von den eigenen Bedürfnissen und den Auszeitmomenten, die für uns einfach überlebensnotwendig sind. Diese Dinge aber einzufordern, sprich das Ganze, was man theoretisch weiß auch praktisch umzusetzen, dass dauert und ist ein sich hinziehender Lernprozess. Ausserdem kostet es halt wirklich unheimlich viel Kraft. Es ist natürlich sehr viel einfacher, sich diese Auszeiten in Form von Alkohol zu "gönnen". Denn dann müssen wir ja nicht lange reden (...wir wollen jetzt mal nicht gestört werden; ich muss jetzt mal alleine raus....) und auch die permanenten Störungen (wenn Kinder im Haus sind, wird man doch immer wieder gestört), zerren dann nicht an unseren Nerven. Weil unsere Auszeit ist ja die Wirkung des Alkohols - alles andere prallt dann an uns ab. Hört sich super an - Alkohol, dass Wundermittel. Wir wissen aber, dass es das nicht ist.
    Naja, ich selber befinde mich trotz mittlerweile 9 Wochen Abstinenz immer noch am Anfang. Ich lerne und lerne und lerne. Jeden Tag gehe ich einen kleinen Schritt weiter.
    Ich wünsche Dir auf Deinem Weg alles Gute, lass uns hier in Kontakt bleiben. Ganz liebe Grüße von Bianca

  • Hallo Backmaus!

    Ich sehe grad, dass ich Deine Frage nach unserem hoffentlich alkoholfreien Haushalt gar nicht beantwortet habe ...

    ... isser nich :( isser noch nich :)

    Hier steht noch DAS Gespräch mit meinem Mann aus. Für mich ist das völlig unfaßbar, aber ich gehe davon aus, dass er nicht weiß, nicht sehen will, dass seine Frau seit zwei Jahren Alkoholikerin ist und im letzten Jahr fast täglich einen Liter Wein konsumierte.
    Nun haben wir es nicht leicht mit Gesprächen miteinander. Da gibt es eine lange Enttäuschungsgeschichte, Gesprächsverweigerung über Jahre von seiner Seite, extreme Wortgewaltigkeit (in den letzten Jahren unter Alkoholeinfluß auch aggressiv) von meiner.
    Ich habe aber übers WE, vor allem durch Lesen Eurer threads, verstanden, wie wichtig das ist, Menschen in der Nähe zu informieren und im Idealfall ins Boot zu holen. Und eine alkoholfreie Umgebung zu schaffen. Gerade auch weil ich viel Zeit zuhause mit Innendienst verbringe, will und möchte ich hier safe und geschützt sein.
    Ich kann mir auch vorstellen, dass dieses Gespräch gut für unsere Beziehung ist. Und ich weiß, dass ich da bei meinem Mann gut aufgehoben bin. Der ist nämlich ein feiner und auch wenn wir zur Zeit manches nicht mehr sind, sind wir seit zwanzig Jahren Freunde und wollen einander Gutes.
    Der Alkohol im Keller gehört ihm: 1,5 Kisten Bier und einige Weinflaschen, die er aus einem Urlaub im Sommer aus der Pfalz mitgebracht hat. Hab schon gute Ideen wohin mit dem Vorrat, nur sprechen muß ich erst mit ihm.
    Und das werde ich morgen Vormittag tun. Da hat er Spätdienst und die Kinder sind in ihren diversen öffentlichen Verwahranstalten, so dass Ruhe ist und Zeit.

    :):):) neun (NEUN!) Stunden durchgeschlafen letzte Nacht.

    Am Freitag werde ich ins Suchtberatungszentrum gehen, da gibt es dort eine offene Sprechstunde für "solche wie mich". Mir ist klar, dass die Sucht nur die Spitze des Eisbergs ist und da brauche ich Hilfe.

    An einer Selbsthilfegruppe bin ich sehr interessiert. Ich muß aber schauen, wie ein regelmäßiger Besuch realisierbar ist. Ist ein Wechseldienstproblem. Aber vielleicht fällt mir gemeinsam mit meinem Mann eine Lösung ein, froh wär ich darüber.


    Sei lieb gegrüßt von Jule

  • Hallo Ihr.

    Alles zuviel in diesen Tagen.
    Weiß nicht, wie ich die Nochmehrbelastung im Advent schaffen soll.
    Habe Angst vor dem Besuch im Suchtberatungszentrum. Und Angst, dass ich die Kurve dahin nicht schaffe.
    Will mit dem Kopf durch die Wand, wie immer. Bin ja noch dieselbe Jule. Mit der Erfahrung, mir dabei dreimal den Schädel einzuschlagen und dann komplett aufzugeben.
    Würde zumindest den Sack 'erste Angänge' lieber gestern schon zugemacht haben.
    Habe Angst vor Weihnachten und Silvester. Das pack ich nicht, das pack ich nicht.
    Die Große formatiert ihre Frontallappen um, sprich pubertiert. Das ist gar nicht gut, beide Mädels von Launen geschüttelt, ein dichtes, nervenaufreibendes up and down.
    Traue mich in keine shg.
    Der Auslöser für meinen Absturz vor mehr als zwei Jahren war eine tiefe Verletzung. JETZT kommt der Schmerz wieder, nichts verarbeitet, nur gesoffen.
    Allein mit allem. Wer will schon so eine Jule. Die ist doch die, die immer alles schaffen soll und seit jeher dazu gedacht ist, aufzubauen, abzufedern, auszugleichen, Bescheid zu wissen.
    Ist schon ein Schritt für mich, das so zu schreiben. Dass ich nicht klarkomme.

  • guten morgen jule!

    etwas verspätet - aber nicht zu spät: herzlich willkommen hier im forum! hier bist du richtig. und glückwunsch zu deinen ersten trockenen tagen!!! toll gemacht :)

    ich bin peter, seit ca. 3 1/2 jahren trocken und immer nüchterner :)

    gerade habe ich deine texte gelesen... das kommt auch mir irgendwie bekannt vor: gestern warst du noch voller elan, dinge anzupacken - heute bist du betrübt und weisst nicht weiter...

    du bist die schwierigen ersten schritte gegangen: du hast dich getraut, dich hier anzumelden. du hast dich deiner freundin offenbart, was dir sehr gut tat. nun ist dein mann an der reihe.. und nun merkst du scheinbar, wie schwer es dir fällt und siehst einen berg von problemen vor dir. kennen wir alle, sag ich dir ;)

    reden hilft, sich öffnen und den menschen, an denen einem etwas liegt, die wahrheit sagen... was besseres kannst du nicht für dich und andere tun.

    es ist sauschwer und man hat angst... das ist so und es wird erst besser, wenn man durch diese wand durch ist.

    DU schaffst das... glaub´an DICH...

    ich wünsche dir viel kraft!

    lieben gruss
    peter

  • Hallo Ihr alle und hallo Peter.

    peter : ich danke Dir sehr für Deine Antwort heute Vormittag. Sie erreichte mich punktgenau in dem Moment, in dem ich anfing, mit mir zu verhandeln, dass vielleicht heute doch nicht der richtige Tag für das Gespräch mit meinem Mann sei, weil a ... - ... z. Danke, dass Du mir den nötigen Schubs gegeben hast!


    Er hat es tatsächlich nicht gewußt. Sein Stand war: sie trinkt gerne Wein, aber nicht täglich (das war in etwa 2007 Stand der Dinge). Jetzt weiß er, dass ich lange schon bei täglich und einem Liter angekommen war.

    Das war ein so gutes Gespräch, er hat aufmerksam zugehört, nichts tabuisiert, nichts bagatellisiert, gar keine Vorwürfe.

    Von sich aus gesagt, dass er "seinen" kompletten Alkohol wegschafft, dass es für ihn selbstverständlich ist, dass der Haushalt alkoholfrei bleibt und er damit auch. Überlegt, wie er mir die Belastungen, die ich im Advent und an Weihnachten fürchte, abnehmen kann. Meine Hauptsorge ist ein Krippenspiel der Kinder + Proben, Tradition, schon angeleiert, für mich aber mit Menschen verbunden, die sehr zu meiner Suchtgeschichte gehören. Sein Vorschlag war: ich fahre die Kinder, vergiß den Weihnachtsgottesdienst, geh nicht mit. Das ist der Hammer, churchy wie wir sind. Und für mich zumindest eine Option, die mir Druck nimmt.

    Geweint hat er.
    "Ich bin schuld"
    "Bist Du NICHT. Ich habe entschieden, zu trinken. Jeden einzelnen Schluck."
    "Aber ich bin Teil des Systems. Ich muß da auch ran."
    Und sagt, er informiert sich über diese Krankheit und Themen der Angehörigen.

    Jetzt muß sicher einiges erstmal sacken und ankommen, aber wir sind im Gespräch.

    Mir fehlen die Worte. Bin erstmal still. Weiß, dass ich etwas geschenkt bekomme, auf das ich keinen Anspruch habe. Das anzunehmen weh tut. Auch bei mir muß einiges sacken und ankommen.


    Jule

  • Hallo Jule

    Was heißt "ich habe keinen Anspruch auf das Geschenkte" ??
    Freue dich über deinen tollen Mann,über sein Hilfsangebot,sein Sichschlaumachenwollen über Alkoholismus...ist doch super klasse!!!

    Mein Mann sagte damals-als ich nach langer Rumeierei endlich "zu mir kam" :
    "in guten wie in schlechten Zeiten...hatten wir uns das nicht irgendwann mal versprochen? "

    Ich war damals auch sehr still,voller Selbstvorwürfe,Selbstzweifel,Zukunftsängste "ohne Ende"....brauchte MEINE Zeit.
    ...ich war unendlich dankbar....mir war klar,ich hätte ihm AUCH meine Hilfe angeboten..wäre ER der Suchtkranke.
    Lass' das intensive Gespräch erstmal sacken;
    freue dich auf eine weniger stressige Vorweihnachtszeit; so bleibt auch mehr Zeit für DICH.
    Liebe Grüße von

    Backmaus

  • Nochmal hallo.


    Sonst war der Tag sehr anstrengend und sehr "ernüchternd". Lerne einige meiner Klippen im Alltag kennen und weiß noch nicht, wie ich ihnen anders begegnen kann.

    - ein Zuviel an Arbeit, Wegen, Gesprächen. Reizüberflutung.

    - Leere, Kummer, Einsamkeit


    Wenn ich irgendwann einmal sagen kann, dass ich gelernt habe, da gut mit mir umzugehen, dann bin ich stolz auf mich. Da will ich hin.
    Und den Weg dahin will ich auch. Ich bin neugierig auf mich und mein Leben.
    Vermisse mich. Tut weh.
    Ich glaube, unter der Scham und den Verkrustungen mag ich mich ganz gerne. Tut irgendwie auch weh.


    Bin fertig für heute. Das Gute an den Abenden ist das Wissen, morgen früh klar und einsatzfähig aufzuwachen.

  • Hallo,an Lobanshee, Jule , Backmaus, Peter , und alle anderen .
    Ich bin zwar ( in eurem Sinne ? ) kein Leidensgenosse von euch , aber ich habe vor jedem von euch totalen Respekt das ihr es geschafft habt einen Weg in ein neues und besseres Leben einzuschlagen .
    Vielleicht sehe ich das falsch ? aber ich bin der Meinung das sowohl ein Alk.
    als auch ein Co. einiges gemeinsam haben !
    Wie ist eure Meinung dazu?
    Ich sehe es einfach so , das es sehr sensible Menschen gibt die durch viele Verletzungen und Enttäuschungen in ihrem Leben , entweder zum Alk. oder zum Co. werden . Hoffe sehr , das ich jetzt kein dummes Zeug schwätze aber das ist im Moment gerade meine definition. Und deshalb habe ich sehr großen Respekt und ich bin echt stolz auf jeden der es schafft seine nasse Zeit hinter sich zu lassen , oder auf die Co/s die es schaffen aus ihrer abhängigkeit heraus zu kommen .
    Ich tu mir zur Zeit noch sehr schwer damit etwas gegen meine co-abhängigkeit zu tun . Ich gehe zwar in eine shg . , habe einen lieben Therapeuten , und schreibe jetzt noch hier bei euch . Vor ein paar Wochen dachte ich das ich schon etwas weiter wäre , aber zur Zeit habe ich das Gefühl ich trette auf der Stelle . Warum ist das nur so schwer ? Und warum bedeutet es immer den Verlußt eines geliebten Menschen .
    Euch wünsche ich alle Kraft der Welt um nie von eurem trockenen Weg ab zu kommen.
    GGLHG. Ulrike

  • SO... das muss ich doch mal sagen!


    DER JULE GANZ DOLL AUF DIE SCHULTER GEKLOPFT...

    das hast du richtig gut gemacht...

    :P


    *schulterklopf*


    weiterhin viel kraft und schreib dir alles von der seele, jule!


    peter

  • Jut, schreib ich's mir von der Seele.

    Völlig erschöpft vom Tag. War früh um zehn in der nächsten Stadt, da gab's schon keine Parkplätze mehr. Immerhin gefühlte 3/5 der Weihnachtsgeschenke erworben. Hat was. Nur die CD, die ich mir jetzt und heute selbst schenken wollte, gab's nirgends.

    Danach der normale Haushaltspunk bis die Kinder kamen.
    Kind 2 zur Ergo gefahren, Kind 1 ins Wartezimmer mit den Französischvokabeln, sehr unwilliges Kind 3 wieder ins Auto gestopft.
    Wochenmittegroßeinkauf in einem bekannten Discounter getätigt, Kind 3 weint 20 Minuten bitterlich und laut auf meinem Arm, weil Mama ihm das Auto mit Fernbedienung partout nicht kaufen will. Saublöde hingegrinste Bemerkungen von anderen Kundinnen: "nana, junger Mann, wenn das der Weihnachtsmann sieht ..." HALLO!!?!! GEHT'S NOCH????? 1. ist der Kummer nachvollziehbar, der Knabe ist erst fünf und das Auto war definitiv groß und toll und genau so eins, wie der große Bruder hat; 2. haben auch Kinder ein Recht auf sowas wie Privatsphäre, z.B. wenn der Kummer groß ist und die Tränen fließen und 3. gibt's den Weihnachtsmann gar nicht, was soll denn das Christkind von uns denken?
    Zurück zur Ergo, Kind 1 ist vokabelfit, Kind 2 flitzt an uns vorbei und raunt: "Durchfall!". Alle wieder ab ins Auto, ohne Inkontinenzzwischenfälle zu Hause angekommen.
    Beim Abendessen bricht das Küchenregal von der Wand. Egal, eins nach dem anderen, erst die Kinder versorgen, dann die Schadensbegrenzung. Kind 3 darf zur Gutenachtgeschichte die Kerze am Adventskranz anzünden und fackelt dabei den Tischläufer an. Egal. Ruhig bleiben, Kinder versorgen. Kind 3 im Bett, Kind 2 in der Wanne, Kind 1 liest: super - guck' ich Tagesschau. Häh? Kein Bild ... Bildröhre platt, Fernseher kaputt.

    So war der Tag und nun ist er rum. Trocken rum. Alkohol war in dem ganzen Gewusel nicht als Lösungs- oder Durchhaltestategie in meinem Kopf. Und das finde ich beachtlich, für mich war der Tag nämlich Streß und Zusammenreißen pur, bin nicht sehr belastbar zur Zeit.

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