• Hallo,

    ich bin zwar schon ein Jahr im Forum angemeldet, aber ich glaube, dass das hier der erste Beitrag ist, den ich im offenen Bereich schreibe.

    Diese Berührungsängste mit einem wesentlichen Teil meines Lebens sind schon merkwürdig, oder eben auch nicht.

    Ich bin 26, meine Mutti trinkt vermutlich seit 1990 +/- x
    Seit einigen Jahren wohne ich nicht mehr zu Hause und besuche meine Familie alle Monate mal.

    Sorgen mache ich mir schon immer, aber besonders, nachdem nun ein guter Bekannter unter dem Malory-Weiss-Syndrom litt, da ist mir die Gefährlichkeit sehr bewusst geworden. Ich konnte oft nicht schlafen, hatte Beklemmungen und Ängste- das sowas meiner Mutti passieren könnte, dass sie daran sterben könnte...

    Nun haben mein Bruder und ich versucht meinen Vater davon zu überzeugen, dass er keinen Alkohol mehr vor ihr trinkt...ihr doch zumindest nichts mehr anbietet. Aber er nimmt das nicht ernst. Er dreht sich da im Kreis, zwischen "ja stimmt, da könntet ihr Recht haben" und "ist doch alles übertrieben".... Der Gedanke dahinter ist, dass man sie nicht noch in ihrem Alkoholkonsum bestärken soll, es nicht noch im "normalen" Alltag dulden darf (so stand das zumindest in einem Selbshilfebuch, das ich gelesen habe).

    Dann habe ich letzte Woche eine Mail an meine Mutti geschrieben (persönlich war ich zu feige), in der ich geschrieben habe, dass wir uns Sorgen machen und wollen, dass sie endlich glücklich wird. Dass der Alkohol sie nicht glücklich macht, sondern dass es ihr schlecht geht. Dass es Möglichkeiten gibt, es zu heilen. Dass wir sie unterstützen wollen, da sind. Und ob denn unser Gefühl, dass sie sich befreien will, stimmt.
    Also eher verständnisvoll, nicht anklagend ... die Hand reichend.

    Das war letzten Donnerstag ... ich habe bisher keine Antwort bekommen.
    Auf meine Mail an meinen Vater, in dem ich offen über meine Sorgen und Ängste gesprochen habe und davon erzählt habe, wie ernst das doch alles ist - vor zwei Wochen geschrieben - bekam ich auch nichts zurück. Wird wahrscheinlich ein Bogen darum gemacht. Mein Vater ist über 70 ... vielleicht ein zu großes Tabu?! Mit meinem Bruder hat er darüber gesprochen und meinte wohl, dass die Mail übertrieben sei :roll: ...

    Aber mehr kann ich nicht tun, glaube ich. Nun denke ich, heißt es warten, bis einer von beiden darauf reagieren möchte.

    Oder gibt es noch etwas?

    Viele Grüße und Danke für's Lesen!

  • Lieber schlafender Schutzengel,

    bitte wach auf und erkenne, dass Du ein Mensch bist. Mit allem, was dazu gehört.
    Du musst Dein Leben nicht opfern, um das Leben von Dir (noch) nahe stehenden Menschen zu regeln. Sie sind es gewohnt , sich auf Dich stützen zu können.

    Schau in den Spiegel und überlege, was DU DIR vom LEBEN wünschst.
    Dann mach Dich an die Verwirklichung, denn Du hast ein Recht auf ein schönes, selbstbestimmtes Leben ohne Leiden!

    Liebe Grüße,
    Lavandula

  • Hallo Lavandula,

    ich weiß, dass ich mich mehr um mich kümmern muss. Aber man darf den Menschen, der krank ist, doch auch nicht ignorieren, oder?
    Ein bisschen möchte man doch da sein...

    Ich bin jetzt auch an dem Punkt, dass ich sage "mehr kannst du nicht machen, nun ist es an ihnen" das war es sicher schon davor, aber ganz die Augen davor verschließen, das geht doch auch nicht?

    Hm, ich habe eine konkrete Frage. Seit ich meiner Mutti die Mail geschrieben habe, hat sie sich nicht gemeldet und taucht auch nicht mehr im Chat auf.

    Sollte ich warten, bis sie sich selbst meldet oder auch mal eine "normale" Mail schreiben?
    Wir haben es nicht so mit telefonieren. Die Gründe von meiner Seite kann man sich sicher denken.

    Liebe Grüße

  • Hallo schlafender Schutzengel,

    sicher, es ist Deine Entscheidung, Dein Leben weiterhin um die alkoholkranke Mutter kreisen zu lassen.

    Es geht auch gar nicht darum, jemand kranken zu ignorieren - kennst Du die Merkmale der Alkoholkrankheit?

    Aus welchem Grund möchtest Du Dich denn mit ihr auseinander setzen? Möchte Deine Mutter das?

    Ich für meinen Teil habe vor einigen Jahren erkannt, dass es ein unerfüllbarer Wunsch ist, dass eine seit langer Zeit (ich war noch klein) Süchtige ihre Mutterrolle übernimmt.
    Das Loslösen ist zwar schmerzhaft, aber andernfalls geht man mit unter, wenn die Süchtige sich nicht VON SELBST dazu entscheidet, zu ihrer Krankheit zu stehen und sie behandeln zu lassen. Dazu kam es bisher bei meiner Alk.Mutter nur einmal ganz kurz, die Phase hielt 2-3 Wochen an.
    In dieser Zeit haben meine Schwester und ich ihr auch das Angebot gemacht, den Kontakt zu verbessern, aber nur falls sie sich ernsthaft gegen den Alkohol entscheidet.
    Als sie wieder zuhause war, ging alles von vorne los und noch viel ärger als vorher, da sie Höhenflüge bekam und sich von ihrem zweiten, ebenfalls süchtigen Mann trennte und sich eine recht große Wohnung nahm. Sie konnte sie nicht halten und kam mit Unterhaltsforderungen auf mich zu - einfach so, ich sei ja schließlich ihre Tochter. Seit dieser Zeit lebt sie bei Bekannten, der Mann ist ebenfalls süchtig. Was soll ich sagen? Sie hat ja kein Problem. Flucht über ihren sch... Körper, der nicht mehr funktionieren mag. Für mich ist dies alles der Gipfel der Lieblosigkeit, die man sich antun kann. Und immer sind die andern schuld, ganz klar.

    Mir half da nur ein klares NEIN, ach, eines, VIELEVIELE NEINS!!!

    Der Prozess der Ablösung, des Herausdividierens aus der so sehnsüchtig gewünschten 'Familie' dauerte viele Jahre. Was kann man schon von Menschen erwarten, die unbewusst vor sich hin vegetieren und ihre Gaben und Intelligenz verrotten lassen oder abtöten? Meine Mutter war eine intelligente, hübsche Frau mit einer schweren Kindheit. Die 'falsche' Ehe und lose Moralvorstellungen und Werte, das Hängenlassen und absichtliche Zerstören von Schönem haben das ihrige bewirkt.

    Ich habe immer mein möglichstes versucht, sie glücklich zu machen. Und bin fast daran zerbrochen. Du bist nicht ihr Schutzengel!!

    Ich habe den Kontakt vor nunmehr zwei Jahren (endlich!) rigoros abgebrochen, weil ich nicht mehr bereit war unter der miesen Beziehung, ihrem Benehmen mir gegenüber und unter dem Benehmen ihres 2. Mannes mir gegenüber zu leiden. Ich habe damals beschlossen, dass ich ihr nicht weiter dabei zuschaue, wie sie sich zugrunde richtet. Seitdem geht es mir noch schneller besser und besser. Vorher hab ich ihr einfach wie selbstverständlich immer einen Gutteil meiner Energie zur Verfügung gestellt, sie seelisch umsorgt und alle möglichen für mich völlig verkehrten Rollen übernommen...

    Solange alle um den Alk.Kranken herum hüpfen, braucht er sich ja keine Gedanken zu machen, keine Mühe zu geben, sich nicht aufraffen.

    Du hast ja sicher schon hier im Forum alles mögliche gelesen, ich verstehe gerade deshalb nicht, warum Du an dem kranken Familiensystem festhältst. Solange wir EKAs uns nicht auf den Weg machen, hängen wir in der kranken Familie fest.

    Denkst Du nicht, dass Du Dein Wissen auch umsetzen könntest - Dir zuliebe? Das ist nicht verboten, auch wenn es sich erstmal so anfühlt.

    Du kannst Deine Mutter nicht ändern, das kann sie nur selbst.
    Bei meiner war nur ein 'falscher' Blick schon der Grund für's einschnappen - so eine Mail, wie Du sie geschrieben hast, konfrontiert jemanden, der eventuell absolut nichts einsehen möchte und einfach so weitermachen möchte, mit seinem angeblich nicht vorhandenen Problem.

    Deine Eltern entscheiden selbst über ihr Leben. Ihnen Deine Sorgen und Gefühle mitzuteilen ist sicher wichtig für Dich, aber Du kannst sie nicht ändern, mit diesem Versuchen reibst Du Dich nur auf.

    LG,
    Lavandula

  • Hallo Lavandula,

    vielen Dank für deine lange Antwort! Das ist sehr lieb von dir in dem Maß auf mich einzugehen!

    Ich habe in diesem Forum bisher noch nicht viel gelesen, eher Wikipedia und ein Selbsthilfebuch, aber eben keines für Eka's sonder für Alkoholiker. Erst hier habe ich davon erfahren, dass man uns als EKAs bezeichnet, dann habe ich im Internet gefunden, dass es sogar ganze Verbände gibt, die sich dem Leid der Kinder von Alkoholikern annehmen. Das weiß ich erst eine knappe Woche. Gut, mir war immer klar, dass ich auch viel erlitten habe und keine normale Kindheit hatte. Aber das vergisst man, vielleicht hab ich das auch verdrängt, denn nun lebe ich einige hundert Meter von zu Hause entfernt. Jedenfalls habe ich mich selten damit auseinandergesetzt. Außer man ist zu Besuch, dann kommen die Ängste wieder und die Hilflosigkeit, wenn sich die Ängste bestätigen. Ich merke aber, dass ich gerade an den Punkt gelange, dass ich kapiere, dass ich nichts daran machen kann. Das konnte ich als Kind nicht, dass kann ich auch jetzt nicht- zumindest kommt das jetzt so langsam bei mir an. Da ist es dann nicht hilfreich, wenn mir eine Freundin sagt "Hol sie doch zu dir, vielleicht wird es dann besser, wenn sie von deinem Vater weg ist" ... nach außen ist man dann ja auch irgendwo die lieblose Tochter - aber da weiß ich schon, das würde nichts nutzen.

    Den Schritt, den du gegangen bist ... ich habe großen Respekt davor!
    Ich kann mich von meiner nicht komplett zurückziehen- aber das ist vielleicht auch eine andere Situation ... alle paar Wochen fahre ich für einen Tag, über Nacht schon mal gar nicht. Aber mir wird nun auch bewusst, dass es dabei keine große Freude auf meiner Seite gibt ... arg...das macht Kopfschmerzen darüber nachzudenken. :shock:

    Danke für deine Zeilen

    Liebe Grüße

  • Hallo Schlafender Schutzengel,

    ich antworte dir mal hier.

    Meine Müdigkeit kam, weil ich mich über sehr lange Zeit darin erschöpfte Dinge für andere zu tun. Mich selbst habe ich hintangestellt und wurde immer kraftloser.

    Es ist unmöglich, die trinkenden Eltern zu retten. Ihr Alkoholismus ist ihre Lebensentscheidung, die in ihrer Biographie begründet liegt. Ich ahne inzwischen, warum sich meine Mutter für die Flasche entschieden hat, das ist aber ihre Sache und ich habe diese Entscheidung zu respektieren. Wenn sie wollte könnte sie ihre Erkrankung zum Stillstand bringen, ärztlich begleiteter Entzug, Therapie, Nachsorge usw., will sie aber nicht. Meine Eltern sind auch so etwa in dem Alter wie deine Eltern. Die haben sich so eingerichtet, auch miteinander.

    Mein Vater ist Co-abhängig, schafft Flaschen bei, schafft Leergut weg, sammelt die herumliegende Frau auf und trägt sie mit 70 irgendwie ins Bett und macht den Dreck weg. Und erzählt uns Kindern, daß "es" ja gar nicht so schlimm ist. Auch seine Sicht der Dinge habe ich zu akzeptieren.

    Und wenn ich es 100mal "besser" weiß, ich kann nicht IHR Leben leben, ich selber kann es für mich besser machen, suchtstrukturfrei.

    Wenn du magst, lies mal die 13 Seiten 'Merkmale für ein EK', von vielen EK hier im Forum zusammengetragen. Ich konnte mich in sehr vielem wiederfinden. https://beispiel.rocks/beispiel.rocks…topic16098.html


    Lieber Gruß, Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Hallo Schutzengel,

    jetzt hab ich auch deine Seite gefunden. :)

    Ich kann mich Lavandula und Linde nur anschließen - sie sprechen mir aus der Seele, wobei ich gerade erst dabei bin, das so zu begreifen. Das herz kommt nur langsam dem Verstand hinterher.

    Reib dich nicht auf. Wenn beide eure Sorgen ignorieren und dich nicht mal einer Antwort würdigen (wie respektlos!!), dann lohnt es nicht. Sie können ja kommen, wenn sie Hilfe brauchen, aber du musst ihnen diese Hilfe nicht immer hinterhertragen.

    ...Aber es macht traurig und man hat Angst, die Mama oder den Papa zu verlieren. Immer in Hoffnung, dass es doch alles gut wird...

    LG
    Trillian

  • Danke für eure Beiträge. Es hilft zu wissen, dass man nicht alleine ist. Es ist schön hier angekommen zu sein. Ich glaube ich habe mich noch nie so viel und intensiv mit mir selbst beschäftigt. Gleich morgens oder nach der Arbeit sehe ich im Forum nach. Ok, ich muss aufpassen, ich vernachlässige schon wieder wichtige Dinge, aber irgendwo bin ich ja auch wichtig, nicht?

    Was mich beschäftigt und mir vor Wochen das Blut in den Adern stocken ließ ist, dass meine Mutti wohl das Gleiche durch machte, wie wir damals. Ich wusste zwar, dass mein Opa im Alter viel Alkohol konsumierte, ab einem bestimmten Alter, da war er schon gestorben, war mir dann auch bewusst, dass er Alkoholiker war. Neuerdings weiß ich auch, dass er daran gestorben ist. Jedenfalls habe ich nun erfahren, dass er wohl schon so war, als sie noch eine Jugendliche war :shock: ! Das ist so traurig! Das schnürt mein Herz zusammen. Ich fühle mit ihr, ihrer Jugend und doch ekelt mich die Schwäche, die sie an den Tag legte, weil sie genauso wurde und ihren Kindern nichts besseres bot, an- und dazu kommt nun die Sorge, dass es mir genauso gehen kann, wenn ich nicht aufpasse?!

    Und meine Oma, vor Jahren gestorben, tut mir so leid! Wie muss sie gelitten haben! Erst der Mann, dann die Tochter ... das mit anzusehen. Da kommen mir bald die Tränen! :(

  • Gestern habe ich mal wieder etwas von meiner Mutter gehört, sie hat mir gemailt. Mit keinem einzigen Wort ist sie auf meine letzte Mail , die ihr Alkoholproblem thematisierte, eingegangen. Sie schrieb, als wäre gar nichts gewesen. Ich denke, ich habe meine Antwort. Nicht die, die ich erhofft habe, aber nun weiß ich, dass ich nichts tun kann, wenn sie nichts tun will. Dann bleibt alles wie es ist ... Dank des Forums, dank euch also, glaube ich aber besser mit IHRER Entscheidung umgehen zu können.

    Ich muss mich darauf vorbereiten, dass es nicht besser werden wird, sondern eher schlimmer.

    Liebe Grüße und trotz all unserer Sorgen wünsche ich euch allen ein schönes Wochenende und einen netten Nikolaustag

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