Liebe Forumsmenschen.
Kürzlich habe ich auf Umwegen, ohne zu suchen und ich weiß gar nicht genau wie oder warum, dieses Forum gefunden, genauer: den Thread, in dem es darum ging, was EKAs ausmacht.
In Vielem, was dort beschrieben wurde, habe ich mich genau wiedererkannt, in anderem nicht. Trotzdem war der Wiedererkennungswert groß genug, daß mir schwindlig wurde und ich mich auf seltsame Weise verstanden gefühlt habe.
Mein erster Impuls war es, mit euch reden zu wollen. Der zweite, gleich danach, war es, mich wieder zu blocken. (sehr typisch.)
Ich möchte euch zuerst fragen, ob ich überhaupt ein Recht habe, hier zu sprechen.
Im Vergleich zu dem, was ich hier gelesen habe, was viele von euch erlebt haben, ist meine Situation und Vorgeschichte absolut unproblematisch. Meine Mutter ist trocken, seit ich 14 war - das ist 14 Jahre her - und ich habe eine gute Beziehung zu ihr.
Auch bevor ihrer Therapie war sie zwar eine süchtige, aber keine extreme Trinkerin - nicht ständig betrunken, nicht gewalttätig. Ich mußte keinen Alkohol für sie kaufen gehen und nicht die Verantwortung übernehmen, das hat sie alles gut selbst geschafft.
Alles in allem glaube ich eine gute Kindheit gehabt zu haben.
Da muß aber auch anderes gewesen sein.
Dinge, die vielleicht von außen betrachtet Kleinigkeiten waren, aber für mich als Kind große Bedrohungen.
Vielleicht erinnere ich mich auch an Manches nicht.
Jedenfalls habe ich etwas in mir, das mich lähmt, bei allen möglichen Unterfangen, die ich eigentlich angehen könnte. Erst letztes Jahr habe ich begonnen, verschiedenste Probleme, die ich habe, in Verbindung zu bringen. Meine schreckliche Angst, auch nur den kleinsten Fehler zu machen. Meine Angst vor Wettbewerben. Meine Panik beim Autofahren auf dem Beifahrersitz. Daß ich Herausforderungen, alles was schiefgehen könnte und bei dem jemand anderes bemerken könnte, daß es schiefgegangen ist, so lange ich irgend kann vor mir herschiebe, nicht nur aus Faulheit, sondern weil ich mich gelähmt fühle, vor Panik.
Jemand in dem besagten Thread hat etwas von "Angst vor dem Tod" geschrieben. Genau das ist es, Todesangst, die vom Leben abhalten kann.
Da ist in mir ein kleines Kind, das folgende Logik kennt:
Wenn von dir etwas verlangt wird, kannst du scheitern.
Du wirst auf jeden Fall scheitern, weil du schlecht bist. (Hierin steckt ein extremes Schamgefühl.)
Scheiterst du - und alles was nicht perfekt ist, ist Scheitern! - dann lenkst du negative Aufmerksamkeit auf dich.
= Haß
(mein inneres Kind hier kennt zwischen Liebe und Haß nichts)
Wenn Haß auf dich gelenkt wird, dann wirst du vernichtet werden.
Der Haß wird zwangsläufig auf dich gelenkt werden. An allem Schlechten, was dir geschieht, bist du selbst schhuld.
Wenn du nichts tust, ist das auch falsch. Auch dafür wirst du gehasst werden.
Folgerung: mach dich unsichtbar. Bewege dich auch keinen Fall. Erstarre.
Ja, und das habe ich immer wieder getan und tue es.
Ich werde unsichtbar und erstarre und tue nichts.
Für was ich tue oder nicht tue schäme ich mich.
Alles dreht sich in meinem Kopf um meine Mutter - nicht meine Mutter, wie sie jetzt ist, sondern wie dieses Kind sie kannte. (daran habe ich keine bewußte Erinnerung.) Alles was ich tue muß durch diese Mutterrepräsentation gebilligt werden.
Mein großer Wunsch, mein tiefstes Bedürfnis ist es laut und bunt und heftig sein zu können, ganz ICH, und das mit Karacho.
Bunt bin ich schon, aber laut - nein, das geht nicht. Viel zu gefährlich. Würde Haß auf mich lenken. ich mache mich klein und enge mich selbst ein dabei. Nehme mir meine Handlungsfreiheit, weil ich mich keinem Urteil aussetzen will.
Meine Freundin hat es mit mir schwer, weil sie mit meiner Hyperaufmerksamkeit leben muß, mit der ich ständig panisch beobachte, wie ihre Stimmung ist. Könnte ich etwas falsch gemacht haben? Wird sie mich jetzt endlich mal hassen?
Männern gegenüber bin ich sehr viel entspannter und kann mich besser von ihnen distanzieren. Aber von den reaktionen von Frauen auf mich kann ich mich nicht abtrennen. Die sind eine Instanz, die gefürchtet wird.
Wenn ich so schreibe und überlege, fallen mir noch viele andere Symptome ein, die ich nach und nach analysiert und reflektiert, aber emotional nur teilweise aufgearbeitet habe. Und die erkenne ich hier, in euren Beschreibungen.
-----
Jetzt wollte ich gerade auf meinen Anfang zurückkommen. Was ich sagen wollte war, daß ich nicht ablenken will von denen unter euch, die ein echtes großes Problem haben und Hilfe brauchen.
- Das will ich auch wirklich nicht. Ich bin in keiner Notsituation, wie andere.
Aber was hinter dieser Einrahmung meines Posts steht, ist natürlich mein Selbstschutz. Ich bin nämlich gar nicht da. Also, ich will schon beachtet werden. Hallo!!! Hier! Ich!
aber, nein, lieber doch nicht, zu gefährlich. Ich mache mich groß und mache damit einen Fehler, weil ich hier gar nicht verdient habe, hier zu sein, und dann ernte ich den verdienten Haß.
O nein.
Lieber mach ich mich klein und stelle mich auf den letzten Platz des Wettbewerbs. (Alles ist Wettbewerb, sagt das Kind in mir.) Dann wird man nicht so böse zu mir sein.
Ja und, dieser Teil von mir gewinnt auch, weil ich mich wirklich nicht traue, anders zu enden.
Ich hab zu viel über mich geredet, nicht?
Derailing, Ablenkung von denen, um die es wirklich geht, den weniger Privilegierten.
Vielleicht auch Off Topic, weil ich nicht direkt über meine Erlebnisse mit dem Alkoholismus meiner Mutter gesprochen habe?
Ich weiß nicht, aber hey, ich erwarte das Schlimmste. Darin bin ich super.
(Und zweite Absicherung:
Ich kenne mein Forenverhalten. Die Kommentare, die man mir schreibt, lese ich immer und weiß sie sehr zu schätzen. Allerdings antworte ich oft nicht, weil mir die perfekte Antwort nicht gelingt, oder weil ich es nicht versuche. Sollte das hier auch so sein, so wißt, daß ich euch trotzdem für alles was ihr mir sagt dankbar sein werde.
Und ich möchte euch schon jetzt danken, für das, was ihr hier geteilt habt, was ich lesen konnte und wodurch ich mich verstanden gefühlt habe. Und daß ich dies hier mit euch teilen darf. Danke.
Margo