Alleine schaffst du es nicht, nur mit professioneller Hilfe

  • „Alleine schaffst du es nicht, nur mit professioneller Hilfe“

    Hallo,

    Anfang 2006 stellten sich für mich bewusst die ersten Entzugserscheinungen ein. Das mein Alkoholkonsum nicht normal war, wusste ich schon länger, verdrängte es aber immer wieder. Rückblickend betrachtet habe ich den Alkohol benutzt, um meine Unsicherheit im Umgang mit anderen Menschen zu überspielen, meine Einsamkeit erträglicher zu machen und den Arbeitstress auszugleichen.

    Ich war an einem Punkt angelangt, wo meine Tagesabläufe immer gleich waren, denn ich musste jetzt trinken. Es hat mich eine enorme Kraft gekostet diese Tagesabläufe, die aus Arbeiten, Beschaffung und Entsorgung bestanden, aufrecht zu erhalten. Der Leidensdruck nahm ständig zu und somit auch die Bereitschaft etwas zu ändern.

    Ich las im Internet viel über die Alkoholkrankheit und fand auch dieses Forum. Nach einigen Zögern habe ich mich dann angemeldet. Gezögert habe ich deswegen, da ich hier schon viel gelesen hatte und die Antworten ja eigentlich schon kannte. Ja, ich hatte Angst vor den Antworten, sie lauteten nämlich: „Alleine schaffst du es nicht, nur mit professioneller Hilfe“. Doch diese konsequenten Schritte zu gehen war ich in keinster Weise bereit, ich wollte mich über einen kalten Entzug aus der Sucht stehlen.

    Dieser halbherzige Versuch scheiterte nach 46 Tagen und leitete weitere leidvolle 14 Monate ein, bis ich endlich am 29.07.2007 bereit war in eine Entzugsklink zu gehen. Dort verbrachte ich dann 16 Tage und meine neue „Zeitrechnung“ bzw. mein neues Leben begann am 30.07.2007.

    So das soll für den Anfang reichen.
    Bis bald, Andreas

    "Und mein Weg ist immer noch nicht zu Ende, und wird es auch nie sein, denn die Alkohol-Krankheit tragen wir in uns, zwar schlafend solange wir abstinent leben, und abgespeichert in unserem Suchtgedächtnis." (Rose)

  • Hallo Andreas,

    ich freue mich, mal wieder Deinen Namen hier zu lesen! :lol:

    Klasse, dass Du uns an Deiner "Trockengeschichte" teilhaben lassen willst.

    Ganz liebe Grüsse
    Speedy

    lieben Gruß

    Speedy

    Jeder Weg beginnt mit dem ersten Schritt

  • Hallo,

    lange hat es gedauert das hier weiter schreibe, doch was lange währt wird gut, sagt man doch so ;)

    Kurz nach meiner Entgiftung habe ich im geschlossenen Bereich des Forum über meine Erfahrungen und Eindrücke während der Entgiftung geschrieben. Diese möchte ich nun hier weiter geben, vielleicht hiflt es jemanden, der in einer ähnlichen Situation wie ich damals steckte.

    Teil 1: Ende der dunklen Tage?

    Die Woche vor dem 29.07. war ich alleine im Büro, mein Arbeitskollege hatte Urlaub. Das Telefon auf mein Handy umgestellt und Alkohol einkaufen. So verbrachte ich die Woche mehr zu Hause im Rausch als auf der Arbeit. Habe mich aber natürlich auch "krankheitsbedingt" abgemeldet.

    Als wenn ich es nicht besser wüßte, bin ich am Sonntag mit starken Entzugserscheinungen aufgewacht. An Essen war nicht zu denken und selbst die Tasse Tee konnte ich nicht in der Hand halten. Naja hat ja schon so oft geklappt, den Sonntag überstehen und Montag wieder auf Arbeit, das schaffst du diesmal wieder alleine.

    Doch diesmal war es ein Trugschluß, die Entzugserscheinungen wurden schlimmer. Also kam doch der Gedanke an den Gang zur Notaufnahme in das Krankenhaus, aber in welches. Nicht das es bei uns mehrere gibt, nein man kennt mich ja dort. Ein Krankenhaus in der Nachbarstadt wäre da ja viel anonymer.

    Nach einiger Überlegung habe ich mich für das Krankenhaus in der Heimatstadt entschieden, da ich ja auch später zu meiner Alkoholkrankheit stehen muß. Gesagt, getan, gegen Mittag ab in das Krankenhaus in die Notaufnahme.

    In der Notaufnahme stellte ich mein Alkoholproblem dar und wurde durch den Arzt ausführlich berfagt. Er hinterfragte die Ernsthaftigkeit meines Entschlusses und schien auf diesem Gebiet sehr kompetent zu sein. Nach ca. 15 min Gespräch eröffnete er mir die Möglichkeit in der Nachbarkreisstadt eine Entgiftung in einer Suchtklinik machen zu können, wenn ein Bett frei ist.
    Nach einer halben Stunde kam dann das ok. und ich ließ mich dort hin fahren.

    Auf dem Hinweg habe ich dann meinen Arbeitgeber, einen meiner Arbeitskollegen und zwei enge Freunde und dessen Partnerinnen telefonisch unterrichtet und nur positive Rückmeldungen bekommen. So kam ich erleichtert in der Suchtklinik an. Die erste Nacht verbrachte ich in der geschlossenen Aufnahmestation und bekam zur Linderung der Entzugserscheinugen das Medikament - edit, bitte keine Medikamentennamen nennen, danke, Linde - .

    Vorher kam noch die Aufnahmeuntersuchung durch den Stationsarzt. Die körperliche Untersuchung war ja ok, aber was er dann für Fragen stellte! Ich meinte der denkt ich bin durchgeklallt, oder war es nur ein Test um meine Ernsthaftigkeit zu testen?
    Dann die ernüchternde Information, eigentlich ist ab morgen kein Bett frei, mit der Frage ob eine ambulante Therapie ober ein späterer Termin für mich in Frage kämen. In diesem Moment war ich wieder am Boden abgekommen.
    Das Bettproblem wurde auf den nächsten Tag verschoben, vielleicht geht ja doch noch was.

    Teil 2: War da nicht eben ein Licht zu sehen?

    Die Nacht in der Aufnahmestation verbrachte ich mehr schlecht als recht. Neben den Entzugserscheinungen und der Ungewissheit ein Bett zu bekommen, bekam ich gegen 21:30 noch einen ca. 80-jährigen Zimmernachbarn, der wie ein guter Freund von mir immer sagte, wenn jemand schnarcht, die normalen Arbeitszeiten wohl nicht kennt.

    Nach dem Aufstehen wurde mir Blut abgenommen und es ging zum Frühstück. Danach wurden die anderen „Neuankömmlinge“ auf verschiedene Stationen verlegt.
    Gegen 09:00 Uhr kam es zu einem weiteren Gespräch mit dem Stationsarzt und dem Chefarzt.
    Die Befragung war ähnlich wie am Vortag, mit der Prüfung meiner Entschlossenheit den Entzug durchzuziehen. Erst später als ich auf der Station war habe ich begriffen, warum die beiden mich so in die „Mangel“ genommen haben.

    Nach dem Mittagessen hieß es Sachen packen und umziehen in die Entzugsabteilung. Als ich auf der Station ankam, herrschte dort reges treiben. Eine Schwester zeigte mir im Schnelldurchgang die Einrichtung, mein neues Zimmer (eigentlich ein Doppelzimmer, jetzt mit einem zusätzlichen dritten, meinem Bett) und meine Mitbewohner. Meine erste innerliche Reaktion, ich will hier weg!!!

    Nachdem ich meine Sachen ausgepackt hatte, wurde ich durch die Stationsärztin zum Erstgespräch geladen. Es war das erste Gespräch das ich jemals so tiefgründig mit einer Person geführt habe, in dem es um meine Alkoholkrankheit geht und wie es dazu kam, bzw. was die Auslöser waren.
    Das Gespräch endete mit der Aussicht, dass die Drittbelegung nur vorübergehend ist und ich gute Aussichten hätte in den nächsten Tagen sogar ein Einzelzimmer zu bekommen.

    Kurz vor dem Kaffee auf der Station, sah ich ein bekanntes Gesicht unter den Patienten. Von einem weitläufigen Bekannten der Sohn war auch hier zur Entgiftung. Er erkannte mich auch sofort und wir unterhielten uns. Diese Fügung sollte sich beim weiteren Aufenthalt als Glücksfall erweisen.

    Als ob das nicht genug wäre stellte sich heraus, dass ich auch eine Angestellte des Hauses (Sekretärin) kannte (die Welt ist ein Dorf). Diese beiden Personen haben mir sehr über die ersten Tage in der Entgiftung geholfen.

    Teil 3: Das Licht breitet sich aus!

    Die Nacht zu dritt in einem Zimmer war nicht gerade besser als die vorherige, an Schlaf war kaum zu denken. Nach dem Frühstück wurde ich von der Sozialberaterin der Station zum Gespräch gebeten, Thema: Was passiert nach der Entgiftung?
    Erstes Thema LZT, könnte ich mir vorstellen, muß es aber noch mit meinem Arbeitgeber abklären, ob und wann ich 12 Wochen „ausfallen“ kann.
    Als vorläufiges Standbein bot sie mir über die Oberärztin an, an deren SHG alle 14 Tage teilzunehmen. Das hat mich positiv überrascht und ich sagte zu.
    Weiterhin wurde über die Kontaktaufnahme mit der Suchberatung in meiner Heimatstadt gesprochen.

    Nach dem Gespräch die erlösende Nachricht, Umzug in ein Einzelzimmer. Der Tag endete mit Gesprächen mit meinem Bekannten und dem kennen lernen anderer Patienten.
    Wie nicht anders zu erwarten war, ist die Raucherinsel (Terasse) der geeignete Platz dafür.
    Was da am Tag geraucht wurde geht auf keine Kuhhaut, Wahnsinn, wahrscheinlich eine Art Suchtausgleich zum Nichttrinken. Von den ca. 24 Patienten haben 4 nicht geraucht.

    Die erste und die weiteren Nächte im Einzelzimmer waren ein Segen. Ab heute nahm ich auch aktiv an den angebotenen Therapien teil, obwohl diese sehr rar gesäht waren und somit der Tag sehr lang werden konnte, wenn man sich nicht selber zu beschäftigen wusste.

    Die Abende auf der Raucherinsel wurden auch immer langweiliger, da man immer die gleichen Geschichten hörte und spätestens jetzt hatte ich begriffen, warum die Rückfallquote so hoch ist. Die üblichen Themen: was man früher alles vertragen hat, wer hat die meisten Entgiftungen hinter sich (der Spitzenreiter lag bei 97, ich habe ihn während meiner 16 Tage dort zwei mal gesehen), wie man das Personal während einer Entgiftung bzw. einer LTZ getäuscht hat, oder wie viele Therapieabbrüche man schon auf dem Buckel hat.
    Was wollen diese Leute eigentlich in der Entgiftung? Ist das nur ein Einzelbeispiel, oder habt ihr ähnliche Erfahrungen gemach? Oder bin mit falschen Vorstellungen in die Entgiftung gegangen (war ja nun meine erste und hoffentlich letzte professionelle)? Von den von mir kennen gelernten Patienten, haben es nach meiner Ansicht nur ca. 25% ehrlich gemeint, für den Rest war es Art „Volkssport“.
    Prägend war aber die Aussicht, wohin mich der Alkohol weiter treiben kann, wenn ich nicht damit aufhöre, Beispiele gab es zur genüge.

    Nun stand der Besuch meiner ersten SHG an. Die Leitung übernahm die Oberärztin der Station. Mitglieder waren alles ehemalige Patienten dieser Suchtklinik, von denen man es keinem ansah, das er Alkoholiker ist. Ich war am Anfang sehr nervös und nahm mir vor, mich vorzustellen und sonst eigentlich nur zuhören zu wollen.
    Zu Beginn unterhielt man sich kurz über belanglose Dinge, dann stellte ich mich vor und war somit der Mittelpunkt der restlichen Zeit, was ich ja gar nicht wollte. Ok, die Gespräche waren für mich auch sehr aufschlussreich, doch hätte ich gerne gewusst, wie die Runde ohne mein zutun abgelaufen wäre? Hätten sie überhaupt das Thema Alkohol bzw. Alkoholsucht angesprochen? Vielleicht sehe ich das falsch, aber ich sah mich im Nachgang betrachtet als eine Art der „Blutauffrischung“ der SHG. Vielleicht hat ja jemand von euch ähnliche Erfahrungen gemacht. Den nächsten Termin werde ich aber mit Sicherheit wieder wahrnehmen.

    So, dass waren meine Eindrücke von damals. Liebe Grüße an alle die mich noch kennen. Auch wenn ich hier nicht mehr aktiv bin, so lese ich in unregelmäßigen Abständen immer noch.

    Bis bald
    Andreas

    "Und mein Weg ist immer noch nicht zu Ende, und wird es auch nie sein, denn die Alkohol-Krankheit tragen wir in uns, zwar schlafend solange wir abstinent leben, und abgespeichert in unserem Suchtgedächtnis." (Rose)

  • Hallo Andreas,

    ich kenne dich noch :) !
    Liebe Grüße zurück. Schön, wieder was von dir zu hören. Danke für deine Einblicke in deine ersten Tage ohne Alkohol.

    Viele Grüße
    Aurora

    Willst du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten.


    chinesische Weisheit

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