Ein weiterer Schritt

  • Hallo,

    ich möchte mich nach einiger Zeit auch mal wieder zu Wort melden. Ich bin hier seit einiger Zeit angemeldet, habe Anfang März mit dem Trinken aufgehört und neben einigen kleinen Beiträgen, die ich im Forum verfasst habe, immer wieder mit gelesen.

    Mir geht es gut. Das heißt: normal. Ich verspüre keinen Saufdruck, denke so gut wie gar nicht an Alkohol. Unsere Hausgemeinschaft (4 Parteien) hat neulich ein Grillfest im Garten veranstaltet. Ich habe überlegt, ob ich hin gehe, weil ich weiß, dass es dort immer Bier gibt. Ich hatte aber keine Lust mehr, zu trinken. Ich hatte mich ja schon längst entschieden, dass ich nie wieder Alkohol trinke. Also bin ich nachmittags nach unten, als einer der Bewohner schon dort saß und habe mit ihm gesprochen. Ich habe ihm offen gesagt, dass ich keinen Alkohol mehr trinke, weil es bei mir einfach zu viel war, dass ein Bier nicht reicht, sondern, dass ich unfähig bin, aufzuhören, wenn ich angefangen habe. Er hat sehr interessiert reagiert. Eigentlich habe ich erwartet, dass so etwas kommt wie "Ach komm, ein Bier" (so etwas hatte ich von einem Arbeitskollegen mal gehört). Aber er nickte nur, und meinte, es sei okay. Fast so, als hätte er das Ganze schon gewusst - was ich aufgrund meines Verhaltens auf den letzten Grillfeiern nicht ausschließe.

    Also haben wir gegrillt. Es waren insgesamt acht Leute dort, und auf einmal ist mir aufgefallen, dass die meisten von denen eben *nichts* getrunken haben. Ich war verwundert, da ich Grillen grundsätzlich mit Alkohol (Bier) assoziiert habe. Mein Nachbar und sein Freund haben Bier getrunken. Es hat mich in keinster Weise gestört. Das war allerdings auch kein Experiment, sondern ich war davon fest überzeugt - zudem war es auch kein Saufgelage, dem ich beigewohnt habe.

    Ich weiß, das Damoklesschwert schwebt in solchen Situationen dennoch über einem. Ich weiß es, und ich habe es auch bemerkt, aber ihm nicht mehr diese Macht verliehen, denn meine Entscheidung war, dass ich nichts mehr trinke, und dafür bin ich verantwortlich.

    Fazit war: Es war ein schöner Nachmittag. Wir haben gelacht, geredet, gegessen, nur eben nicht getrunken (naja, meine Nachbarn ein wenig). Dieses Erlebnis, auch zusammen mit meinem Outing dem Nachbarn gegenüber, hat mich ein Stück stärker gemacht. Ich hätte nicht gedacht, dass es ein gutes Gefühl sein könnte, zu resignieren, einfach vor Jemandem, den man gar nicht so gut kennt, zuzugeben, dass man keinen Alkohol mehr trinken kann, weil man alkoholkrank ist. War es aber.

    Nun, auch wenn ich mich also längere Zeit nicht gemeldet habe, mir geht es gut (d.h. normal). Ich erfreue mich an den Dingen des Lebens, habe das Gefühl, einige Dinge, die ich mit Alkohol nur leidlich hinbekommen habe, besser zu machen, und werde meinen Weg weiter gehen.

    Eine Ersatzdroge ist für mich mittlerweile mein Yogi-Tee geworden, den ich abends trinke. Er ist ein Getränk, dass mir wirklich gut schmeckt, den ich als etwas Besonderes wahr nehme, auf den ich mich freue. Ich freue mich, abends den süßlichen Geschmack von Gewürzen wahr zu nehmen, die mir keine Kopfschmerzen und ein schlechtes Gewissen bereiten.

    So, dass war erst mal wieder ein kleiner Erlebnisbericht von mir.

    Ich kann mir vorstellen, dass einige mit dem erhobenen Zeigefinger kommen und mir schreiben werden, dass die Grillfeier eine gefährliche Situation war. Ich denke, dass muss jeder für sich entscheiden. Hätte ich mich unwohl gefühlt, hätte ich angefangen an ein Bier zu denken, wäre ich sofort gegangen und hätte Gegenmaßnahmen ergriffen (eine Freundin weiß auch, dass ich aufgehört habe zu trinken - ich wäre zu ihr und hätte mich dort abgelenkt). Ich sehe es *für mich* aber so, dass ich vor dem Alkohol resigniere. Den Kampf gegen ihn aufgebe, da ich ihn bereits verloren habe. Den Kampf mit meinem Leben habe ich aber nicht verloren - und mich still in mein Kämmerlein zurück zu ziehen, würde mich eher wieder der Flasche zutreiben als eine Grillfeier (ich habe früher meist alleine getrunken)

    Andreas

  • Hallo Andreas :D

    ... Du hast den Zeigefinger ja selbst schon erhoben!
    Bleib wachsam !!
    Beobachte gut, ob Du verzichtest – also nur „aushälst“,
    oder ob sich (tiefere) Veränderungen einstellen ...

    Trockenen Gruß
    Pittchen

    Das Ziel ist die ZUFRIEDENE Abstinenz !!

  • Hi

    Zitat von Pittchen


    Bleib wachsam !!
    Beobachte gut, ob Du verzichtest – also nur „aushälst“,
    oder ob sich (tiefere) Veränderungen einstellen ...

    Ich würde verzichten, wenn ich auf Dinge wie Grillen verzichte. Klar: Einfach aushalten und keinen Alkohol trinken ist nicht der richtige Weg. Allem aus dem Weg gehen allerdings auch nicht. Das nennt sich dann "Vermeidungsverhalten". Ob bei diesem Verhalten nicht eher eine Art von "aushalten" vorliegt, sei mal dahin gestellt.

    Das Leben ändern? Das tue ich. Beispielsweise assoziiere ich seit dem grillfest auf dem Hof Grillen plötzlich gar nicht mehr mit Alkohol... Ist auch eine Art, sich zu ändern.

    Andreas

  • Hallo Tegan,

    mir persönlich wäre es zu gefährlich, auf so ein Grillfest zu gehen.

    Mein Suchtteufel :twisted: würde nur auf so eine Situation warten um mich dann zu verführen.
    Ich halte mich an die Grundbausteine, auf die hier im Forum ja sehr eindrücklich aufmerksam gemacht wird und meide im ersten Jahr jegliche Situationen, die mich in Versuchung bringen könnten :idea:

    Wir haben jetzt im Juni auch ein grosses Firmengrillfest, wo auch die Familien miteingeladen sind, da wird es sicher auch nett werden.
    Ich werde da aber sicher nicht hingehen, weil ich mich dafür noch nicht sicher genug fühle!

    Ich habe lange genug mit meinem Leben gespielt und gewisse Situationen bewusst in Kauf genommen, weil ich mir selbst was beweisen wollte.
    Das will und muss ich heute nicht mehr, ich habe die Verantwortung für mein trockenes Leben bedingungslos angenommen.
    Wenn ich mit dem Alkohol ''spiele'' werde ich verlieren, denn der Gewinner steht von Anfang an fest.

    Soweit meine Gedanken dazu

    Gruss

    Frank

  • Hallo Tegan,

    schön das du mal wieder geschrieben hast und es dir recht gut zu gehen scheint. Ich denke nicht, dass dir hier jemand mit erhobenen Zeigefinger schreibt. Wir können hier „nur“ unsere eigenen Erfahrungen und Sichtweisen mitteilen und noch paar Denkanstöße geben. Jeder nimmt sich das mit was er brauchen kann auf seinem Weg.

    Ich habe am Anfang meiner Nüchternheit solch Grillfeste nicht besucht. Ich kannte das von meinen zig Trinkpausen. Manchmal habe ich Wochen "geschafft" nichts zu trinken aber habe sonst nichts geändert. Ich wollte es diesmal anders machen und habe mich an die Grundbausteine gehalten denn mit meinen eigenen Versuchen kam ich ja nicht weiter und endete recht schnell wieder dort wo ich angefangen habe.

    Pass auf dich auf. Das Suchtgedächnis ist nicht zu unterschätzen.

    Gruß
    Kijara

    Ohne Alkohol seit 20.08.06

  • Hallo Kijara und alle Anderen,

    ich möchte die Erfahrung von langjährigen trockenen Personen nicht in Frage stellen, auch nicht die Grundbausteine, die ich sehr wohl gelesen habe.

    Ich möchte auch nicht diskutieren, was richtig oder falsch ist. Ich habe meine Entscheidung getroffen, und auch *ich* habe meine Erfahrungen mit Trinkpausen gemacht.

    Ich orientiere mich, auch wenn das nicht so aussehen mag, sehr wohl an den Grundbausteinen und dazu gehört ein alkoholfreies Umfeld. Aus diesem Grund habe ich keinen Alkohol bei mir zu Hause, was gut ist.

    Ich denke jeder Mensch ist anders. Auch Alkoholiker sind unterschiedlich. Der eine trinkt in der Kneipe, der andere heimlich zu Hause. Ich war immer einer von denen, die heimlich zu Hause getrunken habe. Klar, auf Grillfesten auch, aber der Kick, die wirkliche Gewohnheit, war das allabendliche Saufen, alleine vor dem Fernseher oder auf der Fensterbank. Grillfeste habe ich zwar mit Alkohol assoziert, aber auch oftmals gesehen, dass ich schnell genug weg komme, um mir zu Hause alleine die Kante zu geben.

    Bewusst auf ein Grillfest zu gehen, mich meiner latenten Sozialphobie zu stellen, den Abend *nicht* alleine zu Hause zu verbringen, ist für mich eine ziemlich große Änderung. Eine Änderung, die mir Spaß gemacht hat, weil ich zum ersten Mal gesehen habe, dass ich auch einfach so unter Leute gehen kann.

    Das mein Nachbar ein Bier trinkt, kann ich nicht ändern. Ebensowenig kann ich ändern, dass ich täglich an dem Kiosk vorbei komme, an dem ich früher mein Bier gekauft habe.

    Ich wollte mit meinem Posting *nicht* aussagen, dass es generell richtig oder in Ordnung ist, auf ein Grillfest zu gehen, wenn dort Alkohol getrunken wird (in Maßen wie gesagt - das Grillen und gesellschaftliche stand dort im Vordergrund). Ich für meinen Teil habe entschieden, dass ich hin gehe. Mit der Überzeugung, nichts zu trinken. Das stand für mich nicht zur Debatte.

    Das Suchtgedächtnis? Ja, das schlägt sicherlich ab und an mal zu. Ich halte es im Zaum, in dem ich meine Konzentration auf andere Dinge lenke, bzw. *nicht* weiter das tue, was ich früher getan habe: Sinnlos vor der Glotze rumhängen. Für viele mag es gut sein, nicht mit alten Freunden rumzuhängen, die Alkflaschen aus der Wohnung zu packen und fern zu sehen. Für mich ist es genau die Situation, die mich am ehesten wieder zurück treiben würde.

    Wichtiger als Dogmen hinter her zu laufe ist für mich, an meiner Trockenheit zu arbeiten. Das zu tun, was hier immer wieder gepredigt wird. Situationen zu meiden, in denen ich in Versuchung kommen kann. Und diese Situationen, in denen *ich* in Versuchung kommen kann (ja, die gibt es), kenne *ich* am Besten, weil *ich* sie analysiert habe. Und ich bin mir bewusst, dass diese Situationen nicht gleichermaßen auf alle Alkoholiker zutreffend sind.

    Andreas

  • Hallo Tegan,

    nur noch mal ganz kurz bevor ich mich aus deinem Fred zurück ziehe.

    Disskutieren was nun richtig oder falsch ist liegt mir fern. Ich hab dir meine Erfahrung und Sichtweise geschrieben.

    Zitat

    Und diese Situationen, in denen *ich* in Versuchung kommen kann (ja, die gibt es), kenne *ich* am Besten, weil *ich* sie analysiert habe.

    Schön das du dich schon so gut "kennst"....ich arbeite da täglich dran und bin oft verblüfft wann und in welch "komischen" Situationen mein Suchtgedächnis anschlägt.

    Gruß
    Kijara

    Ohne Alkohol seit 20.08.06

  • Hallo tegan 71!

    Wie du die sache angehst,finde ich richtig und du bist wieder um eine erfahrung reicher.
    Es bringt dir nämlich nichts, wenn du dich in deinem zimmer einigelst und vor deiner sucht die flucht ergreifst.
    Trocken sein, heisst nicht nur den alk weglassen und der rest erledigt sich von selbst, sondern bedeutet arbeit und dabei auch einige dinge ausprobieren um festzustellen was sie in mir auslösen.
    Ich sehe dein beisein zum grillen mit den nachbarn positiv, den die gesellschaft ist nun mal so wie sie ist. Da du dich entschlossen hast, keinen alk mehr zu trinken, hast du gegenüber anderen dies deutlich gemacht in dem du dich geordet hast.
    Du bist offen damit umgegangen und hast damit den anderen den wind aus den segeln genommen die vielleicht mit bohrenden fragen an dich heran getreten wären.
    Dieses konntest du aber nur, weil du vor dem alk kapituliert hast.

    Herzlichst heinrich

    Der Mensch muss sich verändern wollen.
    Sonst ist jedes Bemühen sinnlos, jedes Wort zuviel und jede Anstrengung vergebens.

  • Hallo Tegan,

    für mich persönlich Trocken sein heißt nicht ausprobieren, sondern Veränderungen.
    Am Anfang meiner Trockenheit und wenn es mir schlecht ging, Suchtdruck hatte, habe ich mich tatsächlich im Zimmer eingeschlossen und mit dem Forum an mir gearbeitet.
    Solche Versuche wie Grillen oder vor einem Glas zu sitzen würden für mich in dieser Zeit tödlich enden.
    Aber nun ich habe Jahre lang Trinkpausen gemacht, nichts verändert und immer wieder bei der Flasche gelandet und jedes mal ein Stück tiefer unten.
    Ich betreibe Risikominimierung auch heute das heißt nicht dass ich nicht lebe, ich lebe Alkoholfrei, mein zu Hause ist auch Alkoholfrei und dieses Leben lebe ich meinem Kind vor auch mit dem Gedanken das die Gesellschaft sind ja auch wir Alkoholiker, kranke Menschen.
    Na ja ich will dich nicht überzeugen weil das ja dein Leben ist, es ist nur meine Sichtweise und Erfahrungen.

    LG
    maria

  • Hallo Tegan,

    Zitat

    Das mein Nachbar ein Bier trinkt, kann ich nicht ändern. Ebensowenig kann ich ändern, dass ich täglich an dem Kiosk vorbei komme, an dem ich früher mein Bier gekauft habe.

    dass dein Nachbar Bier trinkt ist seine Sache, dass du täglich am Kiosk vorbei kommst aber deine.

    Oder wohnst du direkt neben dem Kiosk und kannst keinen anderen Weg nach Hause gehen ?

    LG Martin

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