Woher kommt die Angst

  • Ich möchte von meiner Spinnenphobie erzählen.

    Von klein auf habe ich panische Angst vor Spinnen gehabt bzw. vor allem, was ähnliche Beine wie eine Spinne hat. Insekten, sogar Ameisen waren für mich eklig und grauenerregend.

    Mein bisheriges Leben hat mich in der Hinsicht ziemlich abgehärtet, da ich immer wieder Wohnungen bewohnt habe in denen es viele Spinnen gab und ich erkannt habe, dass diese keine Bedrohung für mich darstellen. Auch musste ich oftmals selbst zusehen, wie ich mir die Viecher vom Leib schaffe, da ich viel allein gelebt habe bzw. war.

    Ein Rest der Angst ist geblieben, bezieht sich nun aber nur noch auf die wirklich großen Spinnen die in unseren Breitengraden vorkommen. Los werden könnte ich sie jetzt auch, ich würde sie dem Staubsauger opfern, allerdings mit schlechtem Gewissen, weil ich eigentlich nicht wirklich irgendwas töten will.

    Nun zu meiner neusten Erkenntnis. Mir ist erst vor ein paar Tagen eingefallen, dass mich meine Oma als Kleinkind wohl öfters in den Keller geschickt hat, wenn ich ein für sie nicht akzeptables Verhalten an den Tag gelegt hab. "Wenn Du nicht lieb bist, musst Du zu den Ratten und Spinnen in den Keller!"
    Ich erinnere mich, dass ich wie gelähmt auf der Kellertreppe stand. Nach oben in das Haus durfte ich nicht, weil ich Angst vor meiner Oma und ihrer Wut auf mich hatte. Nach unten in den Keller traute ich mich auch nicht, weil ich mich von den Spinnen und Ratten, die es dort tatsächlich gab, bedroht gefühlt habe.

    Mir ist endlich bewusst geworden, dass ich tief in mir drin davon überzeugt gewesen bin, dass diese Viecher nur darauf warten dass ich zu ihnen komme, damit sie mir was antun können.

    Ausserdem ist mir klar geworden, dass ich als Kind die Angst vor Spinnen zeigen durfte, die Angst vor den verschiedenen Bezugspersonen nicht.

    Nur kurz zur Erklärung, alle näheren Bezugspersonen in meinem Umfeld waren entweder Alkohol- oder Medikamentenabhängig und waren in der Tat beängstigend für mich.

    ~Wir selbst sind der Preis~

  • Liebe Sisu,

    ganz ehrlich, 'ne Spinnenphobie ist 'ne Spinnenphobie. Hab ich in gewissem Rahmen auch und mir fallen auf die Schnelle wahnsinnig viele Menschen ein, die die auch haben. Ist halb so wild und wäre für mich nicht nachdenknswert.
    An der von Dir erzählten Geschichte sollte das von Dir erlebte Trauma bzgl. der damit verbundenen Menschen wesentlich wichtiger sein.

    Ich liebe ja solche Sätze.

    Zitat

    "Wenn Du nicht lieb bist, musst Du zu den Ratten und Spinnen in den Keller!"

    Was heisst das denn tatsächlich? Wenn Du nicht lieb bist. Was für ein blöder Spruch.

    Wenn Du nicht so bist wie ich es für richtig halte setz ich Dich Deine größten Angst aus!

    Und was passiert langfristig bei Dir?

    Wenn ich nicht so bin wie die anderen es wollen und mich für richtig halten bin ich nicht lieb und nicht liebenswert und muss alleine verängstigt auf einer Kellertreppe klar kommen.

    Super hinbekommen liebe Omi. Kinder sind so leicht manipulierbar, wissen das leider aber nicht und können sich nicht wehren.

    Deine Angst vor Spinnen und Ratten hab ich irgendwie auch. Ist vernachlässigbar finde ich.

    Liebe Grüße

    Kaleu

  • Lieber Kaleu,

    gut dass Du da bist und schön von Dir gelesen zu werden.

    Dieses "Wenn Du nicht so bist wie wir Dich haben wollen..." hat sich im Grunde durch meine gesamte Kindheit gezogen. Oma ist austauschbar durch Mutter, Vater, Onkel, Tante u.s.w.

    Wie ich damals war, war nie richtig. Immer irgendwie zu lustig, zu traurig, zu unakzeptabel :roll:

    Ich kann mich daran erinnern, dass ich meine Persönlichkeit im wahrsten Sinne aufgegeben habe um nicht permanent auf Ablehnung zu stossen. Meine Fantasiewelt war mein einziger Zufluchtsort, weil es Menschen in Büchern scheissegal ist wie der Leser grad drauf ist.

    ....und Musik spielt trotzdem weiter, - der Zuhörer ist uninterressant. Welch eine Wohltat!!!

    Lieben Gruß,

    Sisu

    ~Wir selbst sind der Preis~

  • Liebe Sisu,

    kommt mir alles ein wenig bekannt vor. Deswegen fällt es ja so schwer, zu glauben wenn irgendwann einer sagt, Du bist wie Du bist schon völlig in Ordnung, sei so wie Du bist, dann machst Du automatisch alles richtig.

    Häh?

    Vor allem kommt dann die nächste Frage - wer und wie bin ICH eigentlich? Wenn man seine persönlichkeit aufgegeben hat um die Anforderungen anderer zu erfüllen um wenigstens einen Hauch Bestätigung zu erfahren, ist natürlich vom Ich auch nicht viel da was einem bekannt und vertraut ist.

    Deswegen sind die ersten Schritte ja auch so kompliziert, im Grunde weiß man ja gar nicht wo man anfangen soll. Ich hab irgendwann gemerkt, daß das aber auch ein Vorteil ist. Wenn ich nicht weiß wo ich anfangen soll kann ich überall anfangen ohne was falsch zu machen. Solang ich nur einfach anfang.

    Nur den Fehler alle Baustellen zeitgleich zu bearbeiten sollte ich nicht machen, weil dann die Energie für das Hin- und Herspringen drauf geht und nichts fertig wird.

    Liebe Grüße

    Kaleu

  • Lieber Kaleu,

    ich freu mich, dass Du verstehen kannst in welchem Dilemma ich mich grade befinde.

    Wie ich bin weiss ich nicht. Wie hättest Du mich denn gerne?

    Was ich will weiss ich nicht. Was willst Du denn von mir?

    Ich werde mich jetzt erst einmal damit abfinden müssen, dass ich völlig verwirrt bin und den Gedanken zulassen, dass ich in kleinen Schritten Veränderungen herbeiführen darf und eben auch kann.

    Mit mir selbst bin ich sehr ungeduldig und erwarte immer von mir, dass ich mit einer Art "Urknall" alles zum Guten wenden kann/ muss. Ich beschäftige mich ja nicht erst seit Heute mit meiner Vergangenheit und dieser Umstand treibt mich eben auch total um.

    Ich müsste doch schon viel weiter gekommen sein :roll:

    ~Wir selbst sind der Preis~

  • Liebe Sisu,

    vielleicht bist Du schon weitergekommen und hast es gar nicht bemerkt?

    Du gestattest Dir zur Zeit, nicht zu wissen wie's nun genau weiter gehen soll und irgendwie gehst Du trotzdem Deinen Weg. Vielleicht noch ein wenig vorsichtig und unbewusst, aber es ist doch schon ein Unterschied wenn Du sagen kannst, ööööh...also...irgendwie...ich blicks nicht so ganz. Aber halb so wild, ich geh trotzdem weiter und behalt die Richtung bei, immer weiter zu mir hin.

    Ist das nicht schon eine große Veränderung?

    Liebe grüße

    Kaleu

  • Angst ist immer eine Reaktion auf etwas Unbekanntes und Unvertrautes. Man nimmt heute an, dass je weiter ein Lebewesen von seinem Körperbau her vom Menschen entfernt ist, ein umso größeres Angstpotential besitzt. Spinnen sind also weiter vom Menschen entfernt als Fische, denn diese haben wenigstens eine Wirbelsäule und rudimentäre Arme und Beine.
    Persönlich habe ich nichts gegen Spinnen und finde sie teilweise recht faszinierend, wenngleich sich mir beim Anblick eine Geisselspinne

    - edit, bitte im offenen Bereich keine Bilder einstellen, auch keine Links zu Bildern, Linde -

    auch der Magen umdreht. Aber die Viecher leben irgendwo im Dschungel, hab also eh keine Berührungspunkte damit.

    Ich würde an deiner Stelle den Spieß rumdrehen und mir eine Hausratte und ein Spinnenterrarium zulegen. Dann kannst du zu deinem inneren Kind sagen: Na und? Dann gehe ich eben zu den Spinnen und den Ratten. Die sind sowieso viel netter als die Irren in meinem Umfeld.

    Was hältst du von der Idee?

    Ich wünsche mir eine EDIT-Funktion...

  • Hi Marcello,

    Zitat von Marcello

    Dann gehe ich eben zu den Spinnen und den Ratten. Die sind sowieso viel netter als die Irren in meinem Umfeld.

    Was hältst du von der Idee?

    Du hast zwar Sisu gefragt, doch ich möchte hier trotzdem intervenieren.
    Sich selbst ausgrenzen halte ich immer für eine sehr miserable Idee.

    Wenn Ratten und Spinnen ein besseres Umfeld darstellen, als mein tatsächlich vorhandenes menschliches Umfeld, sollte ich mich mal fragen mit welchen Menschen ich mich umgebe und warum und vielleicht mein Umfeld Stück für Stück umbauen statt mich vollständig aus der Gesellschaft auszugrenzen.

    Nur so ein Gedanke.

    Liebe Grüße

    Kaleu

  • Ja, sicher. Wenn du meinen Traum betrachtest, dann gebe ich dir vollkommen recht. Es ging mir in diesem Ansatz aber darum, einer missbräulichen Person eine WAffe aus der Hand zu nehmen. Wenn die Drohung darin besteht "Ich schicke dich zu den Spinnen und den Ratten", dann würde ich sagen "Mach doch. Ich mag Spinnen und Ratten". 1:0 für mich, so würde ich das sehen. Wenn die Auswahl aber darin besteht, aus dem Haus zu gehen und über die Brücke in die goldene Stadt zu gehen (siehe Traumthread) dann ist das selbstverständlich die bessere Option.

    Ich wünsche mir eine EDIT-Funktion...

  • - edit, bitte im offenen Bereich keine Bilder einstellen, auch keine Links zu Bildern, Linde -


    schade...die viecher sind echt scary...naja, Geisselspinnen kann jeder mal googeln, wers mag.

    Ich wünsche mir eine EDIT-Funktion...

  • Na, spitze, Marcello. Willste mir jetzt noch zusätzlich Angst machen :lol:
    Hab mir grad mal wieder alles gegeben und mir die netten Kollegen per Google angetan und spontan Gänsehaut auf´m Kopf gekriegt.

    Haustiere im Allgemeinen habe ich bewusst nicht, da ich jegliche zusätzliche Verantwortung nicht haben will. Zu meiner derzeitigen Erkrankung bin ich ja noch Mutter von 2 Kids für die ich versuche da zu sein so viel es mir möglich ist, auch wenn das grad verschwindend gering ist. Sie leben beim Papa mit dem ich eine platonische Liebesbeziehung habe. Mehr geht grade gar nicht.

    Ich hoffe, dass der Weg in die Klinik eine Art "Brückengang zur goldenen Stadt" für mich werden wird!

    ~Wir selbst sind der Preis~

  • [quote='Kaleu']
    Sich selbst ausgrenzen halte ich immer für eine sehr miserable Idee.


    Hallo Kaleu, Marcello und überhaupt, ihr Menschen hier...

    Auf dieses "sich selbst ausgrenzen", da möchte ich näher drauf eingehen. Ich erkenne nämlich, dass ich das viele Jahre getan habe, aber nicht so wie ich es hätte tun sollen.

    Ich begann mein Äusseres zu verändern und empfand eine große Genugtuung, wenn ich grade meiner Familie und anderen Menschen die ich blöde fand nicht gefiel. Haare in schrillen Farben färben und hoch toupieren, Haare abrasieren, fast Glatze u.s.w. Schwarze Kleidung, und das wirklich um mich abzugrenzen. Ich war zu der Zeit der Exot in der Kleinstadt und habe noch bis vor kurzem eher mit der Aussenseiterrolle gespielt als diese aufzugeben. Grosse Tattoos rundeten die Sache ab, das konnte wirklich niemand mehr in meiner Herkunftsfamilie nachvollziehen und das war anscheinend sehr gut für mich.

    Ich hatte früher vorgehabt mir eine Art Rüstung auf Rücken und Schulter stechen zu lassen, mittlerweilen den Gedanken verworfen obwohl ich zugeben muss, dass ich immer wieder mal damit liebäugle.

    Räumlich habe ich meine Familie schon lange verlassen, emotional nie. Immer wieder auf ein Neues Psychoterror in mir, weil ich keinen klaren Schlussstrich ziehen konnte.

    Meine Worte haben nie ausgereicht um mich abzugrenzen, Anfeindung, Unverständnis und Spott war das, was ich erntete.

    Dadurch, dass ich immer anders sein und aussehen wollte als andere Menschen, habe ich aber auch nie einen wirklichen Zugang zu ihnen finden können. Nur wenige Freunde kennen mein sensibles und verstörtes Innenleben.

    Noch jetzt ist in mir der Wunsch individuell zu sein, natürlich individueller als alle anderen Individuen. Tja, schauen wir mal, wie ich es schaffe, mich damit auszusöhnen.

    So, genug erzählt, bis später mal, ihr Individuen :wink:

    ~Wir selbst sind der Preis~

  • Liebe Sisu,

    war's in dem Thread oder in einem Anderen in dem wir das Thema "Individuum vs. soziales Wesen" angeschnitten haben?

    Merkst Du den Zusammenhang?

    Indem man sich abgrenzt wird aus Individuum und soziales Wesen eins - Yin und Yang. Ich bin ein Individum innerhalb einer sozialen Gruppe die ich mir aussuche/aufbaue.

    Indem man sich ausgrenzt trennt man Individuum vom sozialen Wesen so sehr, daß sich keine Brücke mehr bauen lässt und man zwischen beidem hin- und herpendeln muss!

  • Lieber Kaleu,

    ja, ich merke den Zusammenhang, - war in dem anderen Threat.

    Ich hoffe, ich laber euch nicht hier zu viel zu :oops: Hab grad das Gefühl, dass ich tagelang durch erzählen könnte und wär immer noch nicht am Ende meiner Worte und dem Mitteilungsdrang angekommen.

    Lieben Gruß,

    Sisu

    ~Wir selbst sind der Preis~

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