Synchrontrinken - (Un)typisch Co?

  • Hallo liebe Forumsteilnehmer,

    Ich war bisher nur im Alkoholikerforum unterwegs https://beispiel.rocks/beispiel.rocks…topic25950.html und bin seit nunmehr 4 1/2 Monaten trocken.
    Neben meinem eigenen Alkoholismus habe ich noch die weitere Baustelle Co-Abhängigkeit, und was klingt, als sei es ein "Neben"schauplatz, ist in vielleicht sogar mein größeres Problem. (Vielleicht kann man/ich diese beiden Süchte, die eine stoff-, die andere personengebunden, aber auch gar nicht auseinanderhalten - aber da sind wir schon mitten in der Materie...)

    Ich möchte jetzt hier an dieser Stelle gar nicht so ausführlich auf meine momentane Situation eingehen, dieses werde ich in einem eigenen Thread, vllt auch erst im geschlossenen Bereich, tun. Nur soviel zum Verständnis meiner Geschichte: Nach anfänglich missbräuchlichem Trinken in meiner Jugend bin ich durch die Beziehung zu dem Vater meiner Kinder an den "point of no return" gelangt, sprich, ich begann, täglich zu trinken, wobei mir währenddessen perfiderweise sonnenklar war, dass ich das eigentlich nicht will. Ich wollte nicht wahrhaben, dass er Alkoholiker ist, und habe es ihm gleichgetan, und mir eingeredet, so seinen Konsum rechtfertigen zu können.

    Meine Frage/Diskussionspunkt dreht sich um folgenden Umstand:

    Ich habe bisher selten von Fällen gehört, wo jemand, der von seiner Strukur her co-abhängig ist, auch (mit)trinkt. Hin und wieder lese ich, dass jemand schreibt, er/sie habe "mal mitgetrunken"(im Sinne von nicht-süchtigem Trinverhalten, vielleicht aus dem Versuch heraus, "besser auszuhalten", der dann aber aufgegeben wird).
    Generell scheint mir jedoch, dass eigener Alkohlismus und Co-Verhalten sich ausschließen. Viele typische Co-Verhaltensweisen würden nicht greifen, tränke man selber, denn man macht sich nicht gut in der Helferrolle, wenn man selber betrunken in der Ecke liegt. Von dieser Sichtweise ausgehend, bietet sich an zu sagen, dass ich selbst gar nicht Co sein kann, sondern ausschließlich mittlerweile trockene Alkoholikerin.
    Aus der Perspektive eines Langzeittrockenen würde ich mir selbst auf meine Vergangenheitsbeschreibung antworten: Du hast lediglich Gründe gesucht, um selbst trinken zu können, und es einfach deinem Partner, der selbst Alkoholiker war, untergeschoben, daran schuld zu sein. - Davon mal abgesehen, jemand der nicht Alkoholiker ist, trinkt nicht in dem Maße, auch nicht, um jemand anderen in falscher Sicherheit zu wiegen.
    Ich will an dieser Stelle nicht meinen eigenen Alkoholismus in Frage stellen, aber es scheint mir das nur die halbe Miete zu sein, zu sagen: "Ich habe getrunken, weil ich trinken wollte, alles andere ist Augenwischerei." Denn ich kann mich an meine eigenen Gedanken erinnern, ich konnte meinem Gegenüber nicht selbstbewusst entgegentreten und sagen: "Dein Trinkverhalten ist nicht ok. So möchte ich das nicht. So kann ich mit dir nicht leben." Anstattdessen habe ich selbst getrunken, um ihn nicht in die Position bringen zu müssen, seinen eigenen Tiefpunkt zu erreichen. Ist das nicht der Inbegriff extremen Co-Verhaltens?


    Mir ist klar, dass mir hier niemand mich selbst erklären kann, ich wäre jedoch dankbar für ein paar Meinungen, vielleicht gibt es ja Leute, die auch auch auf beide Arten süchtig sind.

    LG
    Clara

  • Hallo Clara,

    ich habe während meiner Beziehung eine Zeitlang Alkoholmissbrauch betrieben.
    Offen, nicht heimlich.
    Irgendwie war es eine Mischung aus Hilfeschrei und dem Wunsch,mein Partner könnte in mir einen Spiegel haben und sehen,wie grauenhaft die Sauferei ist.
    War natürlich ein sehr ungesunder und völlig sinnloser Weg.

    Ich musste ,als ich aus diesem System ausgestiegen war,sortieren,um genau bei mir gucken zu können.

    Die Flucht in eine stoffliche Sucht ist bei Coabhängigen eine häufige Begleiterscheinung und kann sich zu einem eigenständigen Problem entwickeln.

    Grüße
    Susanne

  • Hallo Clara,

    ich habe auch schon öfters mitgetrunken. Allerdings in einem völlig anderen Maß. Als Beispiel habe ich 2 Gläser Wein zum Essen getrunken, während mein Partner dann noch 3 Flaschen getrunken hat.
    ich habe es irgendwann so gesehen, dass ich mir ein Glas Wein zum Essen nicht kaputt machen lassen will.
    Mittlerweile trinke ich gar nichts mehr.

    Viele Grüße

    Lisa

  • Hallo Susanne,

    Zitat


    Ich musste ,als ich aus diesem System ausgestiegen war,sortieren,um genau bei mir gucken zu können.


    ja, genau darum geht es, zu sortieren. Ich versuche so gut es geht, mich auf meine Trockenheitsarbeit zu konzentrieren. Er trinkt weiter, und ich bin durch die Kinder in weiterem Kontakt mit ihm. Auf der einen Seite ist es auch positiv, dass ich durch den Kontakt auch immer wieder sehe, wo ich im Umgang mit ihm aufpassen muss. Andererseits wäre es leichter, wenn ich ausschließlich nach vorne schauen könnte.
    Wie ist denn dein Partner mit deinem Trinken zu der Zeit umgegangen, also bzw, wie hat der darauf reagiert?

    Hallo Lisa,

    Zitat

    Mittlerweile trinke ich gar nichts mehr.

    Wie kam es denn zu dieser Entscheidung? Irgendwie würde das ja zu meiner Einschätzung passen, dass eigenes Trinken der Co-Abhängigkeit im Wege steht.

    Liebe Grüße
    Clara

  • Liebe Clara,

    ich muss etwas richtig stellen: Ich trinke gar nichts mehr in der Gegenwart meines Freundes. Wenn ich mit Freunden Essen gehe oder bei meinen Eltern bin, trinke ich schon mal ein Glas Wein.

    Eigentlich war das gar keine bewusste Entscheidung, irgendwie habe ich unterbewusst damit aufgehört. Es fühlt sich für mich falsch an, an etwas teilzunehmen, was ich bekämpfe. Vielleicht ist das zu vergleichen mit Dingen die man tut, aber nicht vor Kindern. Beispielsweise Schimpfwörter benutzen. Natürlich sage ich "scheisse", wenn mir was hinfällt und das finde ich auch nicht schlimm, aber wenn kleine Kinder im Raum sind, sage ich das nicht. Sie sollen sich das ja jetzt nicht abgucken und dann den ganzen Tag "Scheisse" sagen. Oder beim Autofahren kann ich auch ganz gut fluchen, geht natürlich auch nur ohne Kinder.
    Verstehst Du was ich meine?
    Ob das eigene Trinken der Coabhängigkeit im Wege steht ist ein interessanter Aspekt, da muss und werde ich noch mal drüber nachdenken und Dir was zu schreiben, also wie es aus meiner Sicht ist :)

    liebe Grüße

    Lisa

  • Hallo Clara,

    ich trinke keinen Alkohol mehr.
    Ich halte mich von alkohollastigen Veranstaltungen und Orten fern...ich kann nichts mehr damit anfangen.

    Mein Mann hat immer getrunken,wann,wo und wieviel er wollte.
    Tut er heute noch.

    Hat er völlig abgespalten,dass Alkohol schädlich ist.
    Er fährt auch betrunken Auto ,er DARF das.

    Für mich ging es darum,zu meiner Coabhängigkeit und Traumatisierung,nicht noch eine Suchtproblematik an der Backe zu haben.

    Ich hatte nie Probleme mit Alkohol....bis zu dieser Beziehung.
    Und da ich nie wieder Probleme damit haben will,trinke ich keinen mehr.

    Grüße
    Susanne

  • Servus clara nocte,

    Zitat

    Ich will an dieser Stelle nicht meinen eigenen Alkoholismus in Frage stellen, aber es scheint mir das nur die halbe Miete zu sein, zu sagen: "Ich habe getrunken, weil ich trinken wollte, alles andere ist Augenwischerei."

    Darauf fällt mir nur eines ein: nur wer Alkohol trinkt, kann auch Alkoholiker werden.

    Kein Alkoholiker, den ich kenne, hat irgendwann beschlossen, "ich werde jetzt Alkoholiker". Alle sind über eine Zeit des Missbrauchs in die Abhängigkeit gerutscht, und alle wohl wissend, dass es diese Krankheit Alkoholismus gibt.

    Was Dir "passiert" ist, ist wohl allen "passiert": wir waren an einem Punkt unseres Lebens nicht fähig, uns adäquate Strategien zum Umgang mit Situationen zu erarbeiten, die uns belastet haben. Dies haben wir angefangen, mit Alkohol zu kompensieren.

    Nur: ist das heute für Dich wichtig? Ich meine: werde erst mal stabil trocken, bevor Du Dich in irgendeiner Ursachensuche "verlierst", die sich im Nachhinein als unwichtig herausstellt.

    Irgend ein schlauer Kopf hat mal gesagt, dass es genau so lange dauern wüde trocken zu werden, wie die Missbrauchs- und Trinkzeit zusammen gedauert hat. Ich kann mit dieser Aussage heute nach acht Jahren Trockenheit was anfangen und stimme diesem Menschen zu.

    Also, verlier dich nicht auf der Ursachensuche, und nutze Deine Energie vorrangig, um Deine Trockenheit zu stabilisieren, zu festigen und "Normalität" werden zu lassen.

    LG
    Spedi

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