Hallo,
nach langer Zeit poste ich wieder mal etwas im Forum. Ich hatte es eigentlich gar nicht vor, aber aus aktuellem Anlaß hatte ich mich heute mit Co-Abhängigkeit beschäftigt und bin dann wieder auf das Forum gestoßen. Es ist schön, bekannte Namen zu lesen.
Ich weiß gar nicht, wann ich das letzte Mal etwas gepostet habe. Ich glaube, es war nach meinem Burnout und dem Ende des Klinikaufenthaltes. Ich hatte eine Wiedereingliederung in meinen alten Job versucht und dann festgestellt, dass ich da Fehl am Platz bin und ich nicht mehr zurück will, sondern die Chance zu einem Neubeginn nutzen möchte.
Danach war ich noch einige Monate krankgeschrieben und hatte Zeit, mir über mein "neues Leben" Gedanken zu machen. Ich ließ viel los in dieser Zeit, verkaufte und verschenkte den größten Teil meiner Bücher und merkte, wie gut mir das tat.
Ende 2010 entschied ich mich, für einige Monate ins Ausland zu gehen, um dort einen "Break" zwischen meinem alten und meinem neuen Leben zu machen. Ich kündigte meine Wohnung, verkaufte oder verschenkte fast alle Möbel und lagerte den Rest ein. Anfang 2011 verließ ich Deutschland, nur mit der Sicherheit von 6 Wochen Sprachkurs, aber mit keinen sonstigen Plänen.
Diese Reise änderte mein ganzes Leben. Ich lebte mit Gastfamilien und wurde als Familienmitglied behandelt. Ich merkte zum ersten mal, dass ich Stärke in mir habe, die aber durch mein verbogenes Leben überhaupt nicht sichtbar geworden war. Während der ersten Wochen kümmerte ich mich um eine Stelle als Freiwillige und fand eine wunderbare Möglichkeit, mit einem Pfarrer für zwei Kirchengemeinden zu arbeiten. Dort unterrichtete ich Englisch und lebte wieder in wunderbaren Gastfamilien. ich tauschte mich viel mit dem Pfarrer und den Familien aus, was wunderbar war. Der Abschied im Sommer fiel mir sehr schwer und die ersten Wochen zurück in Deutschland waren wie ein Kulturschock.
Aber auch hier kam ein guter Schritt nach dem anderen. Eine Freundin nahm mich auf, bis ich ein wunderbares Zimmer in einer WG gefunden hatte, wo ich mich sehr wohl fühle. Zur gleichen Zeit bereitete ich alles für eine Selbständigkeit vor und zog den Schritt auch durch. Seit einigen Monaten bin ich freiberuflich tätig.
Ich startete mit viel Elan, aber es läuft nicht so an, wie ich es mir gedacht habe. Die Werbung für meine Dienstleistungen fällt mir schwer. Wo andere von mir überzeugt bin, bin ich es nicht und deswegen mache ich da viel zu wenig. Mein Körper meldet sich mit Schmerzen und Müdigkeit und ich habe diese Gedanken, wie schön es doch wäre, umsorgt zu werden und die Verantwortung wieder abzugeben, die mich manchmal schier erdrückt.
Ich merke, dass ich schon wieder auf der Leistungsschiene unterwegs bin, ich möchte mit meiner Dienstleistung Leute beeindrucken und "bekannt" werden. Es ist ganz mein Ding, mit dem ich mich selbständig gemacht habe, keine Frage. Aber ich merke, wie sehr ich mich wieder von den Meinungen anderer abhängig mache und mich schäme, weil es nicht so läuft, wie ich vollmundig überall verkündet habe.
Ich merke, wie ich immer noch so kontrolliert bin, ich kann mich schlecht gehenlassen, einfach Spaß haben. Ich mag meinen Körper nicht, finde mich altbacken und habe auch etwas zugenommen, was ich ebenfalls nicht gut finde. Mein Profil fühlt sich verschwommen an.
Ich weiß, dass ich sehr viele Fortschritte gemacht habe und mein Coach, zu der ich 1x im Monat gehe, spiegelt mir das auch jedes Mal. Trotzdem fühle ich mich manchmal, als ob ich keine Fortschritte mache. Ich bin Anfang 40 und weiß nicht, wie man richtig lebt.
Letzte Woche bin ich so erschrocken, als ich mit meiner Mutter telefonierte. Bei all dem Chaos bei uns zuhause hatte ich meine Mutter so lebendig wie nie erlebt, als sie mir von all den Ärzten erzählte, die sich jetzt um ihre Wehwehchen kümmern. Das ist genau das Muster, das ich gelernt habe. Entweder Leistung bis zum Umfallen und Anpassen oder Krankheiten. Das ist absolute Sch.... und macht mich manchmal so wütend, dass ich schreien könnte.
Jeden Tag erkämpfe ich mir und ich gehe weiter, obwohl es mir schwer fällt, aber ich möchte endlich mal wissen, wie das ist, zu leben. Ich habe mich auf "meinen Weg" gemacht, aber es ist so mühsam, zum Ziel zu kommen. Manchmal möchte ich einfach aufgeben.
Ein langer Text, aber es tat gut, es zu schreiben.
Liebe Grüße,
Sonnenstrahl