Hallo Anirak,
wenn ich Deine Texte lese, schrillen bei mir die Alarmglöckchen, wobei ich natürlich weiß, dass Du versuchst, das beste für Deine Kinder zu tun. Ich schreibe jetzt mal meine Eindrücke aus Sicht einer, die das selbst als Kind im Alter zwischen 12 und 22 mit der Mutter erlebt hat:
Zum einen seh ich es wie die anderen, dass Deine Jüngste diejenige ist, die es genau richtig macht. Sie kann mit dem Verhalten, dass ihr Vater dank seiner Sucht an den Tag legt, nicht umgehen, also bricht sie den Kontakt ab. Das ist schlichtweg Selbstschutz und damit verhindert sie, dass sie aus der ganzen Situation nen noch größeren Schaden nimmt. Denn jeder Süchtige lebt seinen eigenen Kindern ein extrem unsoziales Verhalten vor. Das macht die Alksucht, denn der Alk steht immer an erster Stelle. Das schafft nichts als Lügen, Misstrauen und Enttäuschung...Sie gibt ihrem Vater keine Chance, ihr überhaupt irgendwas vorzuleben, sie schaut da gar nicht mehr hin und das ist gut so! Ich kann verstehen, dass Du Dir Sorgen darum machst, dass sie sich irgendwann Vorwürfe machen wird, wenn er nicht mehr da ist und sie nichts mehr rückgängig machen kann, ihm nichts mehr sagen kann, was sie ihm vielleicht gerne gesagt hätte. Aber genau in diese Gewissensbisse solltest Du sie nicht bringen, denn es hätte jetzt doch gar keinen Sinn, ihm irgendwas zu sagen, weil er so lange, wie er nass ist, sowieso nicht er selbst ist. Da ist nur die Sucht. Und damit ein Mensch, den sie so nicht mehr kennt. (Umso mehr kann ich den Kontaktabbruch verstehen.)
Du schreibst, Du verkraftest das ganze ganz gut und dann den folgenden Absatz.
Zitat
Meine Kinder sind schon soweit, daß sie sich nichts mehr vorwerfen. So wie ich. Wir haben alles gemacht. Und meine Kinder und ich geben uns auch keine Schuld an seinem Leben.
Das versucht nur er immer. Aber wenn er das tut, dann schütteln wir meistens nur den Kopf.
Es ist halt nur manchmal für mich schwer, auf ihre Reaktionen einzusteigen. Weil ich für jedes Kind eine eigene Methode erarbeiten muss, um sie von Situation abzulenken.
"Das ganze ganz gut zu verkraften" bedeutet, Du hast Dir nen dicken Panzer zugelegt, um dem irgendwie gewachsen zu sein, es auszuhalten. Klar, Du willst ja auch weiter für Deine Kinder funktionieren. Aber wie siehts in Dir drin aus? Weißt Du das noch? Oder hast Du es soweit versteckt, dass Du Mühe hast, es selbst zu finden? Damit wärst Du definitiv nicht die erste, der das so gehen würde. Les Dich hier mal um...
Will sagen: schau auch mal auf Deine eigenen Bedürfnisse, sonst geht Dir irgendwann die Kraft aus...Und nein, das ist Deinen Kindern gegenüber nicht egoistisch, denn wenn Du Dir selbst vormachst, dass Du das alles ganz gut verkraftest, dann machst Du es auch ihnen vor und hier gilt das gleiche wie oben. Das ist nicht ehrlich. Sie orientieren sich an Dir. Sie sehen, dass Du das aushältst und "verkraftest" und meinen, sie müssten das auch...stark sein...Und genau das beschreibst Du ja auch in dem obigen Absatz. "Sie haben keine Schuldgefühle...schütteln nur den Kopf über ihn." Klar, das zeigen sie Dir, weil sie sich ein Beispiel an Dir nehmen. Aber wie sollen sie ehrlich sein, zu sich selbst und Dir, wenn Du es auch nicht bist? Wie sollen sie das alles noch einordnen? ICh kann mir da eigentlich nichts anderes vorstellen, als innerlich ein totales Gefühlschaos und äusserlich eine abgeklärte Fassade, die sagen will: ich habe alles im Griff. Sowas baut ganz, ganz dicke Mauern und es ist sehr schwer, die wieder einzureißen und sich selbst unter diesen Mauern überhaupt wieder zu finden.
Du möchtest sie von der Situation ablenken? Oder möchtest Du sie von ihren Gefühlen ablenken, die diese Situation bei ihnen auslöst? Oder bei Dir? Weil Du weiß, dass sie sich damit quälen? Das hab ich selbst lange auch getan, weil ich mit der Situation und meiner damit verbundenen Gefühlswelt natürlich völlig überfordert war. Hat dazu geführt, dass ich mich später immer dann abgelenkt habe, wenn ich mit etwas überfordert oder mir etwas unangenehm war. Ich hatte ja nichts anderes gelernt. Ablenken ging gut: Mit Fernsehen, mit Essen...völlig egal, womit...so entstehen neue Süchte...Aber Ablenkung schafft innere Leere, denn wenn ich mich immer von meinen Gefühlen ablenke, weiß ich auch nicht was gut für mich ist, was mir was bedeutet und was mir was gibt. Von der Leere will ich mich dann wieder ablenken...
Ich schreibe das jetzt alles natürlich sehr überspitzt, aber vielleicht wirds dadurch plakativer.
Ich habe selbst keine Kinder und kann mich deshalb nur bedingt in Deine Situation hineinversetzen aber ich weiß, wie sich dieses Chaos mit 13, 16 und 18 anfühlt und deshalb kann ich Dir nur empfehlen: Seid offen und ehrlich zueinander, wie es Euch mit dem ganzen Mist geht und sucht euch eine therapeutische Begleitung (dabei könntest Du selbst den Anfang machen). Gelegentliche Gespräche reichen da mit Sicherheit nicht aus.
Gruß Gela