Eine EKA und ihr Gehirn

  • Puh, schnuffig! Das ist ziemlich heftig. Unglaublich, dass das in einer Menschenmenge passiert ist. Du sprichst von Männern, in Plural. Ist dir das öfter passiert?
    Du hast Recht, schämen musst du dich nicht. Das ist nicht deine Schuld.

    Ich hatte ein ähnliches Erlebnis, was ich bis grad vollkommen vergessen hatte. Aber nun spüre ich das gleiche wieder, wie du es beschrieben hast.
    Ich war damals mit meiner Mutter im Freibad schwimmen. Wir waren im Schwimmbereich, dort war das Wasser so tief, dass ich nicht stehen konnte. Als wir eine Runde zogen, sahen wir den Mann meiner Musiklehrerin und haben uns mit ihm dort im Wasser unterhalten. Irgendwann zog er mich mit dem Rücken zu sich rüber und klammerte sich von hinten an mich und hielt mich fest. Ich habe meine Mutter angeguckt, war total geplättet und wusste nicht, wie ich reagieren sollte. Mir war das total unangenehm- aber meine Mutter reagierte nicht. Ich dachte, er darf das; dass es okay ist, wenn er mir so nahe kommt, weil Mutter es zulässt. Auch wenn ich das nicht will. Irgendwann lies er mich dann wieder los, Mutter fragte mich, warum ich mich nicht gewehrt habe? Und ich fühlte mich ziemlich verraten und im Stich gelassen.
    Danach hatte ich Angst, zu meiner Musiklehrerin zu gehen (das war immer bei ihr zu Hause, daher kannte ich den Mann) und habe mich davon abgemeldet.

    Auch ich fühlte mich wie gelähmt.
    Danach hatte ich noch zwei Situationen, in denen ich aber schon volljährig war, in denen ich auch keine Grenze ziehen konnte. Ich war wie blockiert und habe die Situation erst später richtig erfasst.
    Im Nachhinein kann ich eins und eins zusammen zählen- zu Hause durfte ich auch nichts sagen, mir wurde immer abgesprochen, die Wahrheit zu erkennen und ich traute mich nicht, das, was ich fühle, als richtig zu erkennen.. Deswegen habe ich dann auch nicht den Mund aufbekommen.

    Haben dir deine Eltern danach geholfen?

  • Hi Zimttee!
    Es waren vier. Ich weiß dass ich mich nicht schämen muss. Ich glaube früher habe ich mich aber auch geschämt weil ich wusste dass ich mich nicht schämen muss und es trotzdem tat.
    Grob gesagt soll man sich in vielen Teilen der Welt und auch bei uns noch dann anständiger Weise doch schämen, weil sich nach solchen Taten vor allem Väter und Brüder oft so benehmen als hätte jemand dem es nicht zusteht (der also nicht sie selbst sind) ihre Ware beschädigt.

    Mir fällt zu deinem Erlebnis, wo ich dankbar bin, dass du es mitgeteilt hast, ein Märchen ein, das immer noch sehr beliebt ist um kleine Kinder vor den Gefahren dieser Art zu warnen.

    Die Oma eines kleinen Mädchens ist krank und das kleine Mädchen soll der Oma was zu essen bringen.
    Dafür muss sie durch den Wald gehen.
    Ihre Mutter sagt ihr eindringlich sie soll auf dem Weg bleiben und ja nicht in den Wald laufen.
    Das Mädchen pflückt trotzdem einen Strauss Blumen die abseits des Weges wachsen und dann wird es gefressen.

    Die gängige Moral von der Geschichte: Hättest du auf deine Mama gehört und wärst nicht in den Wald gelaufen wäre dir das nicht passiert.
    Ende.

    Nur. Wieso hat die Mutter das Kind eigentlich so eindringlich gewarnt und nicht etwa einfach gesagt: Lauf zur Oma, die freut sich sicher wenn du kommst.
    Weil sie das nur gesagt hätte, wenn sie nicht schon gewusst hätte, dass da ein Wolf im Wald ist.
    Deshalb die Warnung.
    Die Mutter wusste vom Wolf.
    Und wieso, wenn sie es wusste, ist sie denn nicht mitgegangen durch den Wald. Wieso hat sie nicht auf ihre Tochter aufgepasst sondern sie einer solchen Gefahr ausgesetzt?Was sie wohl so wichtiges zu tun hatte in der Zwischenzeit? Fenster putzen?

    Wichtig ist jedenfalls, für die Erwachsenen, dass sie die Schuld beim Verhalten des Kindes festmachen können.
    An seinem Ungehorsam, oder sonstigem fehlerhaften Benehmen.
    So wie deine Mutter, die dich fragte warum du dich nicht gewehrt hast, statt dich zu schützen, wie es eigentlich ihre Aufgabe gewesen wäre.

    Keinem von ihnen kann man erzählen was man erlebt hat und Hilfe erwarten, denn sie sind ja selber Betroffene, sind ja selber gelähmt vor Angst bzw verlassen nicht mal als Erwachsene die Männer unter denen sie so sehr leiden und verdrängen was weh tut.


    Liebe Grüße!

  • Hallo schnuffig,

    habe gerade alles gelesen und kann mich den anderen nur anschließen. Finde es sehr bewundernswert, wie Du für all das Worte findest.

    In einigen Dingen finde ich mich wieder. Manipuliert werden, bis ich mir selbst nichts mehr glaubte und zutraute. Familie zusammen stoppeln, mit Menschen, die einen respektieren und nicht dauernd niedermachen. Die sich überhaupt für einen interessieren...Das hab ich auch getan und das war gut so. Diesen Menschen bin ich heute noch unendlich dankbar, weil sie mir gezeigt haben, was überhaupt Wertschätzung bedeutet. Deshalb kann ich das unterscheiden und merke, wenn da was nicht richtig läuft. Mir gegenüber oder anderen gegenüber. Sie haben mir auch geholfen, zu lernen, auf meine eigene Stimme zu hören und sie nicht als komplett bekloppt abzustempeln. Ich schwanke nach wie vor zwischen Selbstverurteilung und Selbstakzeptanz. Aber ich weiß dank ihnen immerhin, wie sich Selbstakzeptanz anfühlt und kann mich immer weiter in diese Richtung bewegen. Und ja, bei meinen Eltern sehe ich auch, dass da schon Generationen vorher viel falsch gemacht wurde. Es war keine körperliche Gewalt im Spiel, aber die verbale hat gereicht.
    Und wenn ich etwas ums verplatzen nicht vorhabe, dann ist es, das fortzusetzen!

    Gruß Gela

  • hallo schnuffig,

    wie gut und wichtig, daß du dies alles schreibst. du stellst so viele fragen, die ich mir ebenfalls stelle. warum war niemand da und hat mich beschützt? wie fühlt es sich an, eine richtige familie zu haben?

    bis heute verkrampfe ich übrigens hände und füße (und meine kiefer), ich kann einfach nicht normal dasitzen, die innere anspannung, die ich damit scheinbar kompensiere, ist immer da.

    hab dank für das teilen deiner gedankenwelt.

  • Hallo Herbststurm!

    Wie schön, dass du wieder hier bist!

    Manchmal finde ich es auch gut und wichtig, oft habe ich das Gefühl, Menschen mit denen ich mich austausche, gehörten in einer anderen Sparte zu jenen, die immer noch nicht davon überzeugt sind, dass der Apfel immer auf den Boden fällt, wenn er in die Luft geworfen wird.
    Kaum eine Erkenntnis aus den Forschungen rund um die Kindheit hat es in das Alltagsleben, die Literatur, den Film geschafft. Bis auf Ausnahmen.
    Dazu kommt noch, dass Dinge, die schon längst obsolet sind, es doch in den Alltag geschafft haben und dort kaum auszurotten sind.
    Ich darf also auf keinen Fall schreiben, weil ich denke, das würde jemandem helfen.
    Denn das tut es nicht.
    Kennst du derlei Gedanken zufällig?

    LG

  • Innerlich lachend bin ich in die Straßenbahn eingestiegen, habe mich auf einen freien Zweierplatz gesetzt und die Beine ausgestreckt.
    Der Mann durchquert mindestens einen leeren Wagon um sich auf den zweiten Platz gegenüber von mir hinzusetzen, denn durch die Tür gleich hinter mir kam er nicht.
    Er quetscht sich zu mir und ich strecke meine Beine in den Gang.
    Wir hätten doch beide Platz, meint er und ich sage, dass ich es gerne bequem habe.
    Ich weiß, dass ihm das nicht passt. Sehe es an seiner Kleidung und an seiner Haltung.
    Mein Körper beginnt auf ihn zu reagieren. Treibt meinen Puls in die Höhe. Meine Nase nimmt seinen Geruch auf und mein Geist verwandelt ihn in Bilder.
    In abstoßende Bilder. Voll mit fremden Kindern, Männern und Frauen.
    Er lächelt mich während dessen an und betrachtet dann seine Fingernägel. Schau mal wie sauber ich bin, soll das alles sagen.
    Er macht den Mund auf, möchte noch etwas sagen, starrt mich aber nur an.
    Ich könnte eh nichts zurück sagen, denn mein Hals schmerzt als würde ihn jemand mit einem Band von außen zuziehen.
    Mein Körper kennt diese Art Männer. Erkennt sie immer. Lange vor mir.
    Ich stehe auf, er räuspert sich. Er erwartet ein Auf Wiedersehen oder wenigstens ein Nicken.
    Ich steige aus, sehe wie er mit der Hand über den Sitz fährt auf dem ich vorher saß und dann auf meinen Platz wechselt.
    Jemand der nicht ist wie ich, der keine Ahnung von hsp und von Synästhesie hat, der hätte nichts bemerkt und bemerkt auch jetzt noch nichts.
    Meine Halsschmerzen verschwanden in der klaren Luft.
    So wie ich mich kenne, bleiben Gesicht und Geruch gespeichert.

  • Kommt doch immer wieder vor, dass ich Gespräche führe mit Frauen die in ihrer Kindheit sexuell missbraucht wurden.
    Ich möchte mal eine treffen, die kein Mitgefühl mit dem Täter hat!
    Ala: Der hat ja ein armseliges Leben sonst hätte er das ja nicht nötig. Bin froh, dass ich nicht so bin über:So hat es mir dann auch wieder nicht geschadet. Der hatte ja gar keine Macht über mich.
    Sowas regt mich auf.
    Burn in Hell.
    Das ist alles was ich dazu zu sagen habe.
    Und ja klar, die, die anderen etwas tun, die sollen eh bei den meisten in der Hölle schmoren. Nur bei denen, die einem selbst was angetan haben, da geht's dann fast nur mehr um Gnade und Verzeihen.
    So wird das aber nix!

  • Meine Mutter hört nicht auf.
    Wenn ich meinen ersten Rausch sehe, sehe ich mich im Schnee nachts gegen einen Zaun fallen und meine Mutter und meine beiden damaligen Freundinnen über mich drüber steigen, auf dem Weg in ein Lokal.
    Wer nicht mithalten kann wird liegen gelassen. Punkt.
    Sie hatte auch noch eine andere Masche, arm wie sie mit ihrem Alkoholiker Mann war ( was sie eh war).
    Diese Masche war, solange zu nörgeln, zu beleidigen und zu schimpfen bis ich das Haus verließ.
    Als ich wiederkam hatte ich mich natürlich zu entschuldigen, denn sie konnte vor lauter Sorge nicht schlafen.
    Schon lange weiß ich, dass es für mich was meine Vergangenheit betrifft, so etwas wie Gerechtigkeit nicht gibt.
    Es kam nie jemand, ein Polizist, ein Lehrer, irgendeine Person, die zu ihr sagte:Das was du deinen Kindern angetan hast, war Unrecht.
    Höchstens ist es so, dass ich die bin, die für Larmoyant gehalten wird, obwohl sie es ist, die schon ihr Leben lang im Kreis jammert.
    Es war ein Trost, erwachsen geworden zu sein. Es war ein Trost, denn sie hat wieder ein Kind gefunden, das ein Glas Alkohol mit ihr trinkt, wenn sie diesen mit Erdbeersaft mischt.
    Wieder ein Kind, dass sich ihre endlos gleichen Geschichten anhören muss.
    Wieder bin es ich, die ihr verbal deswegen gegen beide Knie treten musste.
    Und es auch tat.
    Wieder niemand da, der sich über ihr Verhalten dermaßen empört, dass er es wagen würde, ihr das auch zu sagen.
    Keine Gerechtigkeit, kein Trost.
    Das ist nicht mehr, als eine nüchterne Feststellung.

  • Hallo Schnuffig,
    ja, es ist schon bitter :( So ist es in meiner Familie auch, 1 zu 1. Es drehte sich alles um meine Eltern, mir wurde jedoch eine weiche geistige Verfassung zugeschoben, die dann zur Anschuldigung rausgekramt wurde, wenn ich wg der familiären Zustände aufmuckte.
    Von außen hat auch niemand geholfen.

    Aber sag mal, deine Mutter hat dir Alkohol unter Erdbeersaft gemischt? Und nun hat sie ein weiteres Kind, was sie zum Alkkonsum nötigt?
    Kannst du da nicht einspringen? Das sind schon Zustände, die wirklich dem Jugendamt gemeldet werden sollten, falls sie noch aktuell sind.

    Alles Liebe,
    Natalie

  • Grüß dich, Natalie!

    Mir hat sie nichts untergemischt, nein. Das Kind, das halt auch mit ihr verwandt ist, hat sie vorher gefragt, aber vom Gesetz her ist es zu jung.
    Wegen diesem Kind habe ich vor 7 Jahren das erste Mal das Jugendamt angerufen.
    Dann noch zweimal. Dann gab es für mich zwei Optionen: Loslassen oder Zerbrechen.

    Menschen, die sich ihrem Schmerz stellen, gelten sehr oft, meiner Erfahrung nach, als wehleidig.
    Die, die ihn verdrängen, als tapfer.
    Sensibel ist dort nach wie vor ein Schimpfwort.
    Aber das kennst du ja.
    Danke, dass du vorbei geschaut hast!

    LG

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