Beratungsstelle, die wirklich weiterhilft?

  • Hallo allerseits,

    meine Schwester und ich (ich wohne noch Zuhause, sie nicht) möchten irgendwohin, wo jemand ist, der uns sagen kann welches Vorgehen am besten ist. Ich weiß, dass es überall Beratungsstellen für Alkoholiker und Angehörige gibt.. Allerdings befürchte ich, dass die einem nicht wirklich konkrete Ratschläge geben können. Was habt ihr da so für Erfahrungen gemacht?
    Ich habe beruflich mit Suchtkranken zu tun und schätze mein Urteilsvermögen auch diesbezüglich als gut ein, aber ich glaube, dass ich in meiner Sache einfach zu voreingenommen bin. Wir würden gerne Entscheidungshilfe in Fragen bekommen wie:
    Sollte man meinem Vater nachdrücklich dazu raten sich von meiner Mutter zu trennen? (Zur Info: Meine Mutter ist quasi die "Haupt-Alkoholikerin", aber mein vater hat leider mit den Jahren nachgezogen, ist aber weitaus nachsichtiger und noch lange nicht so kaputt)
    Und ganz simpel: Sollen wir Weihnachten wie jedes Jahr feiern und so tun als wäre alles okay (und riskieren, dass es doch wieder nur in einem riesigen Streit ausartet) oder uns lieber abgrenzen? Das, was das ganze noch schwieriger macht, ist halt, dass mein Vater so dazwischen steht.. Die paar Sätze reichen zwar längst nicht um die Situation nachvollziehbar zu beschreiben, aber mich würde trotzdem interessieren wie ihr euch in dem Fall verhalten würdet oder verhalten habt.

    Über Antworten würde ich mich wirklich sehr freuen.

    Liebe Grüße,
    Ina

  • Hi Ina,

    Erstmal herzlich willkommen hier im "Kinderbereich"..! ;)

    Ich stell Dir erstmal die Frage, was erwartest Du von einer Beratungsstelle?
    Eine Beratungsstelle kann, wenn überhaupt, nur dem helfen, da hingeht und der sich helfen lassen will. Daher die Frage, nochmal umformuliert, was willst Du, dass die Beratungsstelle tut?
    Da Du "vom Fach" zu sein scheinst brauche ich Dir sicher nicht zu erklären, dass man einen Alkoholiker/Süchtigen nicht von aussen trockenlegen kann, jedenfalls nicht auf Dauer.
    Wenn also Du zur Beratung gehst wird die Beratungsstelle auch nur Dir Hilfsangebote aufzeigen, z.B. Ärzte, Psychologen, Therapieeinrichtungen und Selbsthilfegruppen. Deine Eltern müssen schon selbst hingehen.
    Welche Beratung sinnvoll ist ist auch abhängig davon, was bei Dir vor Ort verfügbar ist. Die Caritas ist glaub ich sehr weit verbreitet, solltest Du nichts finden hilft auch mal ein Anruf beim Sozialpsychiatrischen Dienst des nächsten Krankenhauses.

    Und noch ein paar allgemeine Tips:
    - Mische Dich nicht in das Leben deiner Eltern ein. Ob sich Dein Vater von Deiner Mutter trennt oder nicht ist einzig und allein seine Sache, es ist seine Verantwortung. Du wirst ihn genausowenig dazu bringen sich zu trennen wie Du Deine Mutter trockenlegen kannst.
    - Der einzige Mensch, den Du "retten" kannst bist Du selbst, denn ebenso, wie Deine Eltern nur für sich selbst verantwortlich sind, so bist auch nur Du allein für Dich und Dein Wohlergehen verantwortlich
    - Daraus ergibt sich im Prinzip auch der "Tip" für Weihnachten: Mach es, wie Du es für richtig hälst. Wenn Du der Meinung bist, dass Dir dieses "Besäufnis mit Ansage" (ich übertreibe bewusst ein wenig) die Stimmung versaut usw, dann zieh Dich zurück und sage "ohne mich". Du solltest aber Deine Entscheidung auch entsprechnd kommunizieren (sachlich und ohne Vorwürfe!!)
    - Grundsätzlich hat sich herauskristallisiert, dass es dem Angehörigen besser geht, wenn er/sie sich abgrenzt, auch emotional, was aber meist mit einer örtlichen Abgrenzung einher geht, sprich, DU solltest mal drüber nachdenken, ob du nicht ausziehen kannst.

    Solltest Du noch weitere Fragen haben oder Tipps brauchen oder Dich einfach nur mal "auskotzen" wollen, schreib einfach, irgendwer ist hier immer "ganz Ohr"..

    Alles Gute,

    Der Insulaner

  • Hallo Ina,

    ich dachte spontan: hingehen und ausprobieren. Ob die Beratungsstelle, bzw der konkrete Berater/-in dir dann helfen können, dir so weit sympathisch sind, dass du überhaupt etwas erzählen magst, das findest du nur so heraus. Manche bieten auch eine Telefonsprechstunde.

    Ich habe mit zwei verschiedenen Beratungsstellen zu zwei verschiedenen Themen (einmal Alkoholismus) gute Erfahrungen gemacht.

    Und für Weihnachten: Was möchtest DU?

    Viele Grüße
    Fleur

  • Hallo Ina!

    Was willst du denn für Ratschläge?
    Also, erst habe ich gedacht, dass du anscheinend weißt, dass man dir keine Ratschläge geben kann, wie du deine Eltern schützt, weil du selbst aus dem Fachbereich kommst.
    Dann fragst du, ob man deinen Vater von der Mutter trennen sollte- und da dachte ich, dass du anscheinend doch Ideen suchst, wie du deinen Eltern helfen kannst, von ihren Süchten loszukommen.

    Du kannst für deine Eltern keinen Entzug machen und sie auch nicht bekehren oder trennen. Bei ihnen muss es Klick machen. Wenn bei dir der Groschen fällt, hilft es deinen Eltern nicht. Es ist eher so, dass du die Sucht zementierst, wenn du weiterhin helfend an ihrer Seite stehst.
    Wie bei deinem Vater- er hat auch begonnen zu trinken. So macht er keinen der beiden glücklich, abgesehen davon, dass sie nun beide auf einem Level stehen. Manchmal ist es hilfreich, den Eltern Dinge zu sagen wie "Deine Sucht schadet mir und macht mich fertig. Du schadest dir selbst und versäufst dein Leben. Das möchte ich mir nicht mehr ansehen und beende vorerst den Kontakt. Meld dich, wenn du aufgehört hast". Bei Prinzessin? hats geholfen, bei Brummbär leider nicht.
    Der Punkt ist- du kannst deinen Eltern nicht helfen, wohl aber dir selbst. Wenn du dich da mit reinkniest, gehst du selbst mit drauf oder beginnst mitzutrinken, was aber auf kurz oder lang aufs selbe hinausläuft.

    Ich besuche sie nur noch alle drei Wochen, rufe selten an und halte auch bei Besuchen gut Abstand.
    Weihnachten bin ich bei ihnen, besuche die Omas, verbringe Abende mit meinen Eltern, aber ziehe mich zurück, sobald ich merke, dass es nicht mehr klappt.
    Danach fahre ich schnell wieder und lege meist die Arbeitszeit so, dass ich am "3.Weihnachtstag" wieder arbeiten muss.

    Aber möglichst lege ich alles so, dass ich immer emotional Abstand halten kann.

    Ich kann die Beratungsstelle der Caritas empfehlen. Gehört habe ich noch vom Sozialpsychiatrischen Dienst.
    Hol dir für dich Hilfe!

    Alles Liebe,
    Natalie

  • Vielen Dank für die Antworten :)

    Auf Wohnungssuche bin ich schon. Nachteil: Sobald ich studiere bin ich vielleicht finanziell von ihnen abhängig.. Was ja auch nicht das beste ist um Abstand zu haben.
    Dass ich "vom Fach" bin ist übertrieben.. Ich mache ein Jahrespraktikum im Bereich Psychiatrie/Sucht. Und auch so weiß ich, dass ein Alkoholiker nur von sich aus trocken werden kann, klar.. Aber ich habe auch gelernt, dass man ihm nicht den Alkohol nehmen kann ohne ihm etwas anderes dafür anzubieten..

    Und nach einer Beratungsstelle habe ich für mich (und meine Schwester gefragt). Um irgendwie mal herauszufinden, wie ich am besten mit der Situation umgehen kann usw. Danke für die Tipps..

    Vor ein paar Tagen war ich mir noch (fast) sicher, dass ich Weihnachten nicht mit meinen Eltern feiern möchte.. Eben wegen diesem "Besäufnis mit ansage", aber auch weil es ein Familienfest ist und ich uns nicht als Familie sehe. Jetzt ist es so, dass meine Mutter bald operiert wird und dafür u.a. eine Entgiftung machen musste, weil ihre Werte so schlecht waren. Im Moment trinkt sie scheinbar nicht. Dass das nicht auf Dauer so bleiben wird, weiß ich. Mal sehen, ob es wenigstens bis Weihnachten hält. Wobei es für mich eigentlich keinen Unterschied macht..

    Womit ich bei dem Thema wäre, was mich zur Zeit ziemlich fertig macht:
    Mir ist jetzt so richtig bewusst geworden, dass nüchtern oder betrunken nichts daran ändert, dass das Verhältnis zu meiner Mutter kaputt ist. Also das dachte cih schon vorher, aber ich dachte wir würden wenigstens ein bisschen besser miteinander auskommen, wenn sie mal ein paar Tage am Stück nüchtern sein sollte. Denn bis vor ein paar Jahren war es noch so, wenn sie mal nicht oder wenig getrunken hat, weil sie krank war oder so.. Aber ich merke jetzt, dass ich sie einfach nicht mag. Und ich weiß nicht, ob oder wie sich das jemals ändern soll. Das ist irgendwie eine ganz schön schreckliche Erkenntis. Schließlich handelt es sich immer noch um meine Mutter. Aber wen wundert das schon, wenn sie sich nur die ersten sechs Jahre meines Lebens als solche benommen hat..

    Fleur, du hast gefragt was ich will.. Ich will eine spießige Familie, die gemeinsam isst, sich unterhält, einander unterstützt usw ;) Aber das kann ich nicht haben..

    Viele Grüße,
    Ina

  • Hallo Ina!

    Ja, all diese Erkenntnisse hatte ich auch schon- und daran habe ich auch sehr zu knabbern.

    Es ist ein Ansatz aus der Psychologie, eine Sache wegzunehmen und eine andere anzubieten. Dabei soll es nicht um Belohnungen gehen (krass ausgedrückt: "Für jedes Glas, was du stehen lässt, bekommst du ein Stück Schokolade"), sondern der Erkrankte soll sich eine alternative Beschäftigung suchen, die ihm besser tut.
    Wichtig ist eben, dass sich der Erkrankte selbst etwas sucht. Ich habe heute in einer Fachzeitung einen Text darüber gelesen, es ging um Burn-Out Patienten. Als Möglichkeit wurde genannt, man könne im Job kürzer treten und die gewonnene Zeit in einem Schrebergarten verbringen.
    Für Alkoholiker käme vergleichbares in Frage- abends zu stricken statt vor dem TV zu trinken oder eben auch ein Garten, joggen beginnen.. Oder oder oder. Aber die Sache ist immer noch, dass dieser Prozess von deinen Eltern ausgehen muss. Und es gibt immer noch die Möglichkeit, dass sie dennoch weiter trinken wollen.
    Ich denke, bei einer Beratungsstelle wärest du dennoch gut aufgehoben =) Es ist ja nicht nur wichtig, dass deine Eltern Hilfe bekommen, sondern du brauchst auch welche.

    Mir fällt es auch schwer, uns noch als Familie zu sehen. Im Prinzip hat sich unsere Familie in 4 Lager aufgeteilt, jeder macht sein Ding und will irgendwie durchkommen. Meine Eltern versuchen das Ganze noch irgendwie aufzufangen, machen Geschenke oder versorgen einen mit Materiellem. Mutter bringt Kekse mit, besorgt Dinge aus der Drogerie für mich. Aber irgendwie kann ich es dennoch nicht zulassen.. Weil ich eben merke, dass mir eine Bindung zu ihnen nicht gut tut.
    Jetzt neulich haben wir das erste Mal bei Kaffee und Keksen am Tisch gesessen- ich bin Mitte 20. Mutter trinkt seit 23 Jahren etwa.
    Auch das macht mich sehr traurig. Auf der einen Seite sehe ich, dass sie ja alles irgendwie versucht. Aber so lange, wie sie noch trinkt, wird das nichts :( Ich merke, dass sie sich schämt- aber dennoch, aufhören will/kann sie nicht. Bei aller Liebe- ich kann dennoch nicht nachgeben.

    Ich studiere ja auch. Gehen deine Eltern noch arbeiten? Wenn nein, könntest du den vollen Bafög-Satz bekommen- der wäre echt nicht schlecht. Ich bekam kein Bafög und habe mir dann irgendwann einen Job gesucht. Als Werkstudentin kannst du 20 Stunden tagsüber unter der Woche arbeiten gehen. Wochenende und abends ist egal.

    Bei mir ist es so, dass meine Mutter gar nicht greifbar für mich ist.. Also ich wüsste nicht, wie ich sie charakterisieren sollte. Sie versucht es immer, uns alles recht zu machen, hat keine Ecken und Kanten. Aber welches Wesen sie selbst hat? Tja.. Irgendwie wird alles vom Alkohol dominiert.
    Einmal waren wir in einer größeren Runde mit den Freunden meiner Eltern essen. Ich wusste wieder nicht, worüber ich mit Mutter reden sollte- zu ihrer Freundin fand ich aber einen sehr guten Draht und sprach mit ihr. Irgendwann sah ich den Blick meiner Mutter, dass ihr das weh tat. Sie saß schweigend mit am Tisch. Auch die Erkenntnis ist bitter.

    Auch vermisse ich einfach manchmal jemanden, der eben wie eine klassische Mutter ist, einem Wurzeln gibt, berät und Freundin ist. Das geht aber alles nicht. Mit meinen Sorgen kann ich nicht zu ihr kommen- wir haben da keine gemeinsame Basis und ich hätte Angst, dass sie sich meine Probleme zu sehr zu Herzen nimmt.

    Ich glaube, du bist nicht alleine.

    Alles Liebe,
    Natalie

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