Wie "richtig" mit alkoholabhängigem Vater umgehen?

  • Hallo Naki,

    deine Zweifel und Gedanken verstehe ich gut. Dass du nicht glücklich bist mit dieser Situation. Er ist ja dein Vater...

    Aber im Prinzip hast du alles gemacht, was dir möglich ist. Du hast ihn konfrontiert, mit ihm im nüchternen Zustand gesprochen. Du hast von deinen Sorgen und Ängsten erzählt. Und nun gehst du auf Distanz.

    Das ist gut so! Und mehr kannst du nicht machen, leider. Auf seine Art hat er dich mit Sicherheit auch lieb, aber im Moment steht die Sucht im Vordergrund bei ihm. Die ist stärker als alles andere. Er muss trinken, dazu zwingt ihn die Abhängigkeit.

    Und solange er da nicht selbst den Willen hat aufzuhören, wird er auch weiter trinken müssen. Liebe und Sorge der Angehörigen sind da egal.

    Ich habe selbst viele Jahre als Ehefrau eines Alkoholikers verbracht :( . Meinen Kindern ging es ähnlich wie dir, meine Tochter war dann, als es ganz schlimm wurde, schon ausgezogen. Aber mein Sohn lebte noch da. Und er war schon immer hin- und hergerissen zwischen Liebe, Mitleid und großer Wut auf seinen Vater. Und irgendwie auch auf mich... Und ich habe an meinem Exmann geklebt, so wie deine Mutter jetzt. Immer in der Hoffnung, was ändern zu können. Das mit dem Flaschen Wegwerfen und so, mit dem Beobachten und Wissen, dass er jetzt wieder heimlich einen großen Schluck nimmt, das kenne ich auch zur Genüge. Das wiederholt sich immer wieder in solchen Beziehungen. Da ist das große Gefühl der Machtlosigkeit. Und Verachtung. Aber eben auch der Hoffnung, dass es besser wird. Denn eine Trennung erscheint unheimlich schwierig. Aus verschiedenen Gründen.

    Zitat

    Meine Frage ist nun, ob und was ich noch tun kann


    Leider kannst du für ihn nichts weiter machen. Vielleicht kannst du ausziehen und dich auf eigene Beine stellen. Ich weiß ja aber nicht, wie das finanziell und so bei dir aussieht. Du bist hier gelandet und das ist eine gute Sache! Denn das ist es, was du machen kannst. Für dich sorgen und dich informieren und austauschen. Und du kannst deiner Mutter empfehlen, sich über Coabhängigkeit zu informieren, wenn sie mag...

    Liebe Grüße
    Aurora

    Willst du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten.


    chinesische Weisheit

  • Hallo Naki,

    willkommen hier im Forum.

    Zitat

    Er sagte wieder er hätte kein Problem und er findet es süß, dass ich mir unbegründet Sorgen mache. Er meinte er ist erwachsen und er trinkt eben wann er möchte. Habe sogar gesagt, dass er das Versteckspiel sein lassen kann und ruhig vor uns seinen Wodka auspacken soll! (Macht er natürlich nicht).

    Das mit dem Verstecken kenne ich auch, es war bei mir genauso.
    Zum Einen war da schon irgendwo eine hinterschwelige Scham, so daß ich wollte daß niemand sieht wieviel ich überhaupt trank. Ich konnte meine Trinkmenge irgendwann auch selber nicht mehr realisieren, einschätzen und vor mir selbst wahrhaben. Die "Nüchternen" hätten es gekonnt und mir wohlmöglich die Wahrheit vorgehalten. EIne Wahrheit, die ich nicht hören wollte.
    Ich war zwar in meiner letzten Saufphase rund um die Uhr abgefüllt, glaubte aber immer noch irgendetwas verheimlichen zu können. :roll:
    Eine Krankheitseinsicht war mir (fast) nicht möglich. Gemecker und Geschimpfe hat mich dabei eher noch weiter Abstand nehmen lassen.
    Insofern hat es wirklich auch wohl eher keinen Sinn zu kontrollieren und nach Verstecken zu suchen. Ich konnte das Spiel mit dem "heimlich" ja nicht aufgeben, es war schon viel zu eingefahren. Zudem hätte sich jede Veränderung wie eine Bedrohung angefühlt.


    Zitat

    Mich würde auch interessieren, wie Alkoholiker diese Situation einschätzen und was sie sich früher von ihren Angehörigen gewünscht hätten. Vielleicht habe ich ja eine Möglichkeit gar nicht beachtet.


    Gewünscht: Lasst mich in Ruhe, ich will doch nur trinken.
    Ich finde, du hast soweit schon sehr gut gehandelt und wirst dir Weiteres noch überlegen müssen.
    Ob du nah an der Situation bleibst oder ob du zu deinem eigenen Schutz deinen Abstand vergrößerst, es wird deine Entscheidung werden. Mit der Ansage da zu sein, wenn er (und letztendlich auch deine Mutter) zu Änderungen bereit ist.
    Es muß aber aus Ihnen selber heraus geschehen.
    Ein Zustand ist das nicht, deine Mutter weiß es, will es aber vielleicht selber nicht wahrhaben oder hat vielleicht selber Angst vor Veränderungen, fühlt sich schlichtweg hilflos.


    Zitat

    Ich habe oft Schuldgefühle, dass ich meine Mutter alleine damit lasse, aber ich weiß, dass sie selbst entscheiden kann, ob sie mit ihm und bei ihm sein möchte oder nicht.

    Ein Jeder, auch deine Mutter, ist für sein Leben selbst verantwortlich. Die Schuldgefühle machst du dir selber. Sie gehören dir aber nicht. Es ist dein Leben, niemand kann von dir erwarten mitzuleiden.
    Bei ihr scheint wohl eine Schmerzgrenze noch nicht überschritten zu sein, oder sie versucht es einfach noch auszuhalten.
    Ich kann euch beiden dabei bestenfalls den Rat geben Euch Hilfe zu suchen. Einen guten Schritt hast du ja schon gemacht indem du hier deine Sorgen teilst. Vielleicht käme für dich, für Euch, auch zusätzlich ein Kontakt zu einer örtlichen Suchtberatungsstelle oder Gruppe in Frage. Soetwas alleine aushalten zu wollen ist wohl eine riesige Herausforderung.
    Ich sehe das heute auch so, daß die Angehörigen zumeist mehr leiden als der/die Betroffene selbst. Solange die Betroffene Person sein Suchtmittel will und hat, ist bei das primäre Bedürfnis erstmal gestillt.
    Und solange das Umfeld das auch mitspielt, wird sich zumesist auch wohl eher keine Bereitschaft zu einer Änderung einstellen. Bei Manchen hilft die Pistole auf der Brust, Andere müssen aber dennoch bis zu einem gewissen Punkt durch. Manche auch eben bis zum Letzten.

    Aurora hat es schon geschrieben, direkt weiter kannst du wohl eher nichts tun.
    Für mich gefühlt lebte ich in meiner eigenen, abgeschlossenen Welt, da drang von außen fast nichts mehr durch. Es musste erst aus mir heraus eine Wende in mir geschehen.

    Wichtig für dich ist, daß du dabei bestmöglich für dich sorgst und auf dich achtest.
    Ich weiß...leicht gesagt...


    Ich wünsche euch die Hilfe und Kraft, die ihr bei Allem benötigt.


    Liebe Grüße
    Martin

  • "Ich stelle mir trotzdem manchmal die Frage, ob es nicht falsch von mir ist, mit meinem nüchternen Vater ganz normal umzugehen und nur bei dem „anderen“, betrunkenen Vater auf Distanz zu gehen. "

    Ich würde sagen: Ein klares Nein.
    Du kannst und solltest nur das tun, was dir möglich ist und für dich am Besten anfühlt.

    Richt, er wird wohl nichts vermissen wenn du den Raum verlässt. "Er" ist ja bei ihm. Das kannte ich auch zur Genüge.

  • Hallo Naki,

    willkommen hier.

    Ich bin auch so aufgewachsen wie du. Mein Vater fing an, als ich ca. 11 war.
    Es war sehr ähnlich wie bei dir. Er trank vor uns fast gar nicht. Immer versteckt und wir haben auch die Verstecke gefunden, Flaschen weggekippt etc. Alle paar Wochen gab es Streit zwischen meinen Eltern, dann ging es mal eine Zeit lang gut und dann fing es wieder an.
    Nach außen hin war er auch unauffällig, der nette Herr...., ich musste immer das Gesicht waren, konnte mit niemandem sprechen.
    Er war auch immer sehr agressiv, hat mich runtergemacht in diesen Zeiten, meine Mutter hat mich da leider auch nicht in Schutz genommen.
    Sie selbst hat auch nichts unternommen.
    Mir war irgendwann klar, dass es nicht meine Schuld war und dass ich nichts machen konnte. Zwischen durch war immer mal wieder alles "schön, normal".
    Nach dem Abi bin ich dann ausgezogen und war endlich frei. Mir ging es auch so, wie dir mit deiner Mutter, allein lassen damit wollte ich sie auch nicht, aber sie musste sich selbst Hilfe holen. Leider tat sie es nicht. Aber daran kannst du nichts ändern. ich konnte es zu dem Zeitpunkt nicht mehr aushalten, dieses betüddelte Gesäusel und sein Zustand haben mich angewidert. Da war von Respekt nicht mehr viel übrig. Zudem hatte ich in den letzten Jahren zu Hause massive Allergien und Hautprobleme bekommen- die vorher überhaupt nicht da waren...

    Du kannst tatsächlich in erster Linie nur etwas für dich tun, auf Distanz gehen, mit deinen Eltern so umgehen, wie du es erträgst. Das ist ein sehr schwerer Weg, man trauert um seine Familie, um die Wünschen nach Harmonie etc. Das tut alles sehr weh und ist nicht einfach, auszuhalten, aber es wird besser.
    Denn dieses ständige Auf und Ab zwischen Absturz und lieber Vater, das ist auch sehr anstrengend. Die Abstürze in den letzten Jahren haben mich jedes Mal wieder tief reingerissen. Das mach kaputt.
    Wenn du kannst, greife hier für dich selbst früher ein - besuche eine Angehörigengruppe, tausche dich hier aus. Denke an dein Leben, auch dein emotionales, es macht dich sonst krank. An deiner Stelle würde ich auch ausziehen, wenn es geht.
    Ich bin jetzt erst mit Mitte 30 dabei, mich endlich auch emotional abzunabeln. Inzwischen gibt es auch Literatur für Kinder von Alkoholikern, die sehr gut ist. "Mutter, Vater, Sucht" und besonders "Familienkrankheit Alkoholismus". Da fühlt man sich als Kind endlich verstanden und erkennt Mechanismen, die man vorher für "normal" hielt.

    Zu deiner Mutter:
    Du kannst ihr nur empfehlen, zu einer Beratungsstelle und/oder Selbsthilfegruppe zu gehen und es gibt inzwischen gute Literatur zum Thema Co-Abhängigkeit. Vielleicht mag sie so etwas lesen.
    Meiner Mutter habe ich auch viele Adressen gegeben, sie ist von sich aus zu keiner gegangen...
    Du kannst deinen Eltern sagen, dass du das so nicht mit ansehen willst. Wenn du dann bei einer Wende in deinem Elternhaus für sie da sein willst, ist das sicher für die schön, aber auch das ist nicht unbedingt deine Aufgabe.
    Das zu verstehen, war für mich auch sehr schwer. Wir als Kinder sind die Opfer und müssen das, was unsere Eltern mit ihrer Sucht und Co-Abhängigkeit für sich entscheiden, mit ansehen, ertragen, und werden von dieser Krankheit auch geprägt. Wir müssen uns dann um uns kümmern.
    Falls du mal meine Threads liest, die ich hier vor einigen Wochen gepostet habe, wirst du sehen, wie verzweifelt ich war und wie sehr ich, wie du, nach einer Lösung gesucht habe, die ich für meine Eltern herbeiführen kann: keine.

    Mein Vater hat dann ein Jahr später eine Therapie machen müssen, weil er sonst seine Arbeit verloren hätte. Er war auch ein paar Jahre trocken, fing aber irgendwann wieder an. Es wurde nur noch schlimmer im Alter.
    Jetzt will er wohl trocken bleiben, nach dem letzten großen Absturz. Ob er es schafft, ich bin im Moment sehr zwigespalten und es ist mir fast schon etwas egal. Leider hat sich das Verhältnis zu meinen Eltern durch die Alkoholkrankheit so "krank" eingespielt, dass es mir nicht guttut. Ich bin sehr auf Distanz gegangen und arbeite gerade sehr an mir, auch mit Hilfe dieses Forums und entsprechender Literatur.

    Schreibe hier gerne wieder. Denke vor allem an dich. Das ist nicht falsch und du machst dich NICHT schuldig!
    Deine Eltern sind alt genug und müssen sich selbst um sich kümmern, und eigentlich auch noch um dich, aber das können sie leider nicht.
    Es ist ein schweres Los, Kind von nassen Alkoholikern zu sein und leider steckst du gerade noch Mittendrin. Das Forum hier wird dir sicher sehr helfen, deinen Weg daraus zu finden!

    Liebe Grüße, Dacoucou

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