• Hallo ihr Lieben,

    Nun habe ich es geschafft, heute vor 1 Jahr bin ich freiwillig in die Klinik. Dieser Tag begann schon recht früh, denn ich musste ja meinen Pegel halten, ohne Alkohol im Blut ging schon eine Weile nicht mehr. Da saß ich nun früh um 7 und hatte einfach nur Angst, Angst vor dem, was mich erwarten wird. Vor meinem letzten Glas Wein sitzend dachte ich nun, wie wird das ohne sein? Schaffe ich das überhaupt? Aber der Wille war da und so verabschiedete ich mich vom letzten Glas mit den Worten, du kannst mich mal. Ich wartete nun auf meinen Fahrer und dachte mir für mich, diesen Anblick muss ich festhalten, also zückte ich mein Handy und machte ein Video, einmal konnte ich es mir bis jetzt ansehen. Es war erschreckend zu sehen. Aufgedunsen, schlechte Haut, einfach nur fürchterlich.
    Dann klingelte es und ich dachte, scheiße ich will das nicht. An die Fahrt dorthin kann ich mich nicht mehr wirklich erinnern. Dann kam die Schwelle der Kliniktür und drin war ich. Die ganze Aufnahme fühlte sich wie Stunden an. Ich sollte die Telefonnummer für den Notfall angeben, ich hab es vor lauter zittern nicht geschafft in meinem Handy zu gucken, es ging einfach nicht. Auf Station dann irgendwann angekommen musste ich pusten und das war für mich das einschneidenste Erlebnis. Es war um 9 und ich hatte 2,6 Promille. Angekommen im Zimmer wurde nun auch noch meine Tasche kontrolliert, das wusste ich ja nicht. Ich dachte nur, kein Parfüm? Ach du grüne Neune. Dann war mein Handy auch weg und das Elend nahm seinen Lauf. Medikamente gab es noch nicht, der Pegel musste ja erst runter. Ich habe gekotzt, geschwitzt und das roch so widerlich. Ich habe Doppelbilder gesehen, konnte nicht schlafen, nichts essen.
    Aber dann nach 3 Tagen war ich an einem Punkt, wo ich gemerkt habe , hey es geht doch. Und dieses Gefühl war so unglaublich schön. Die Tage vergingen, ich unterhielt mich mit anderen Kranken und diese Lebensgeschichten machten mich zum Teil echt sprachlos, da wusste ich, eigentlich bin ich selber noch recht gut dran.
    Und nun sitze ich hier, 1 Jahr später. Mit Tränen in den Augen, denn das alles so Revue passieren zu lassen, stimmt mich ein wenig sentimental. Aber es war die beste Entscheidung meines Lebens. Das Leben ist so viel schöner.
    Nun habt einen kurzen Einblick von meinem stationären Aufenthalt, wer mehr über das neue Leben danach wissen möchte, fragt einfach. Ich bin da ganz offen und ehrlich.
    Es tat gut, diese Zeilen zu schreiben, denn ihr wisst ja, 1 Jahr ist noch nichts, aber ein Anfang!

  • Wie das klingt, herzlichen Glückwunsch zum 1. trockenen Jahr.
    Ich hatte heute früh auch eine schöne Nachricht, du bist eine Superheldin, aber genau da frage ich mich, ich hab es doch soweit kommen lassen.
    Aber ich habe den Absprung geschafft. Ich weiß, dass nicht jeder so einen Rückhalt hat wie ich, dafür bin ich mehr wie dankbar. Aber dieser Tag ist gerade echt hart für mich, habe mir extra frei genommen, um einzig und allein nur für mich zu sein.

  • Hallo bere,

    meinen Glückwunsch zum ersten Trockengeburtstag.

    Zitat

    Aber dieser Tag ist gerade echt hart für mich, habe mir extra frei genommen, um einzig und allein nur für mich zu sein.

    als ich diesen Tag, nach dem ich mich so sehr gesehnt hatte, erreichte, entstanden viele komische Gefühle. Das gefährlichste Gefühl war „ Es geht doch wenn ich will“ Der Folgegedanke war schnell logisch. „ Dann könnte ich ja eigentlich mal etwas trinken“ Was hat mich dann bis heute davon abgehalten ? In tiefen Gefühlen Scham. Ich bin direkt nach meiner qualifizierter Entgiftung im KH
    sehr offen mit meiner Krankheit „Alkoholiker“ umgegangen. Alle wichtigen Arbeitskollegen,Familie und nahestehenden Freunden schenkte ich von Anfang an mein Vertrauen mit meiner Offenheit. Bis heute war es für mich das beste was ich je machen konnte. Dadurch entstand am Anfang ein bisschen Druck, die Trockenheit immer weiter voranzutreiben. Heute bin ich mir durchaus bewusst, wenn ich meine Krankheit nur für mich behalten hätte, der Druck nach dem einen Glas größer gewesen wäre. Nach ca. 3 Jahren war die Offenheit nicht mehr ganz so wichtig. Ich empfand das alkoholfreie Leben einfach nur noch genial, auch wenn ab und zu immer mal wieder das Suchtgedächtnis sich meldete.

    Ich wünsche dir viele weitere Trockengeburtstage.

    Lieben Gruß
    Nobby :wink:

  • Noch vor 1 Jahr dachte ich, nur den Alkohol weglassen reicht, ich weiß mittlerweile, dass das nicht ausreicht. Ich habe danach wieder meine Psychologin aufgesucht, wo ich auch immer noch in Therapie bin und auch irgendwie gern hingehe. Da erfolgte anfangs die ganze Aufarbeitung, das war nicht einfach.
    Dann kam allmählich der Alltag zurück und da hatte ich zu kämpfen, wie verhalte ich mich denn bei Stress oder Ärger. Früher war das ganz einfach. Aber auch das habe ich bewältigt. Vieles habe ich dem familiären Rückhalt zu verdanken und ich weiß, dass das keine Selbstverständlichkeit ist. Ich habe eine wunderbare Frau an meiner Seite, die mich stärkt, auffängt, wenn mal ein kleines Tief kommt. Die mir zu liebe ebenfalls nichts mehr trinkt, nicht weil ich das wollte, aber sie hat das für sich entschieden. Und Das hilft mir mehr, als sie sich vorstellen kann.
    An meine Grenzen bin ich nocheinmal bei ganz normalen alltäglichen Situationen gestoßen, womit stößt man denn an? Ständig wurde ich gefragt, was du trinkst nicht mehr? In der heutigen Gesellschaft ist Alkohol so stark verankert, dass man echt "out" ist, wenn man nein sagt.
    Aber auch mein Freundeskreis hat damit gelernt umzugehen. Ohne diese Unterstützung wäre ich sicher nicht da, wo ich jetzt bin. Denn ein junger Mann aus der Klinik, nicht älter als ich, war zum 7. Mal dort, er hatte diesen Rückhalt nicht, bis heute nicht, wir stehen noch in Kontakt.
    Und das was wohl niemand nachvollziehen kann, werde ich täglich auf Arbeit mit diesem Thema konfrontiert, aber ich hatte noch nie soviel Freude an einer Tätigkeit.

  • Zitat von bere


    An meine Grenzen bin ich nocheinmal bei ganz normalen alltäglichen Situationen gestoßen, womit stößt man denn an? Ständig wurde ich gefragt, was du trinkst nicht mehr? In der heutigen Gesellschaft ist Alkohol so stark verankert, dass man echt "out" ist, wenn man nein sagt.


    Und das was wohl niemand nachvollziehen kann, werde ich täglich auf Arbeit mit diesem Thema konfrontiert, aber ich hatte noch nie soviel Freude an einer Tätigkeit.

    Hallo!

    Ich weiß ja nicht, in welchen Kreisen Du verkehrst und arbeitest, aber die Erfahrungen habe ich nicht gemacht. Ich wurde in meiner abstinenten Zeit seit 35 Monaten maximal 5 x gefragt. Und "out" war ich zu keinem Zeitpunkt und fühle mich auch nicht so.

    In meinem Umfeld bewegen sich keine "Schluckspechte" mehr. Den Kontakt habe ich beendet. Die Leute um mich herum trinken allenfalls moderat und eher selten und nicht bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Da ist es kein Alleinstellungsmerkmal und keine Besonderheit, wenn einer -aus welchen Gründen auch immer- nichts trinkt, da der Alkoholkonsum nicht den Stellenwert hat, den wir Alkoholiker ihm mal zugemessen haben.

    Gruß
    Carl Friedrich

  • Hallo Carl Friedrich,

    Ich habe da auch nur meine Anfangszeit beschrieben. Freunde, denen ich es nicht gleich auf die Nase gebunden haben, waren verwirrt, so kannten sie mich ja nicht.
    Meine Familie und auch mein Freundeskreis mussten sich an diese Situation auch erst einmal gewöhnen und werde ich jetzt zu einer Feier geladen, wird nur noch gefragt, Fassbrause oder Tomaten Gemüse Saft :)
    Ohne dieses Umfeld, wäre ich jetzt nicht da, wo ich gerade stehe.

    Liebe Grüße Berit

  • Zitat von bere

    Ständig wurde ich gefragt, was du trinkst nicht mehr? In der heutigen Gesellschaft ist Alkohol so stark verankert, dass man echt "out" ist, wenn man nein sagt.

    Hallo Bere,

    wie war denn dein allgemeines Verhalten beim Alkoholmissbrauch? Bist du erträglich gewesen? Bin nun auch ein Jahr nüchtern und bei mir waren die meisten bereits aus ihrem eigenen Interesse froh, dass ich keinen Alkohol mehr anrührte. Von den gleichgesinnten Bierbankgenossen habe ich mich gleich zu Beginn getrennt, hier wären die Antworten natürlich auch so wie bei dir ausgefallen. Aber das ist umso besser, da es die Entscheidung erleichtert. Allgemein begründe ich meine Entscheidung nicht, es ist eben gerade nichts außergewöhnliches, keinen Alkohol zu trinken. Wer dabei ernstlich anderer Meinung ist, ist meistens selbst irgendwie in der Gefahrenzone, Alkoholiker zu sein oder ist von sonstigen eigenen Interessen geführt. Auf sachlicher Ebene lassen sich keine logischen Argumente gegen die Nüchternheit anführen, das sollte uns immer bewusst sein.

    Gruß

  • Zitat von Hull

    Allgemein begründe ich meine Entscheidung nicht, es ist eben gerade nichts außergewöhnliches, keinen Alkohol zu trinken.

    Genau so handhabe ich es auch. Ich schulde nur einer Institution 'ne Erklärung, nämlich dem Finanzamt die Steuererklärung.


    bere : Fassbrause kann triggern, sofern sie auf Bierbasis hergestellt ist. Auch kann sie dann noch in geringem Maße Alkohol enthalten wie das sog. "alkoholfreie", in Wirklichkeit jedoch alkoholarme Bier.

    Also hab das Problem besser mal auf dem Schirm. Nachher trinkst Du die sog. Brause und wunderst dich plötzlich, woher der Suchtdruck denn herkommt.

    Wenn das Zeug in Flaschen ausgeschenkt wird, erst recht. Denn die Fassbrause-Flaschen, die ich kenne, sind sog. Longneck-Flaschen. Mit denen assoziiert mein Auge nichts anderes als Bier und macht mich womöglich kirre.

    Gruß
    Carl Friedrich

  • Hallo Hull,

    Ich denke, ich war nicht zu ertragen. Ich war ständig extrem gereizt. Ich hab einen Sohn und ihn bin ich oft ohne Grund einfach angefahren. Ich bin jetzt viel entspannter und gelassener. Unser Leben ist harmonischer.

    @ Carl Friedrich ich habe das mehr als auf dem Schirm. Ich assoziiere diese Flaschen nicht mit Bier, das hab ich noch nie gern getrunken. Ich meide für mich einfach Weingläser. Ich habe einmal eine Schorle aus einem Weinglas getrunken und gemerkt, dass ich das nicht kann, nicht bereit dafür bin. Dieses Glas hat nicht den Drang zum Trinken ausgelöst, es fühlte sich nur merkwürdig an.

    LG Berit

  • Zitat von bere

    Dieses Glas hat nicht den Drang zum Trinken ausgelöst, es fühlte sich nur merkwürdig an.

    Hallo bere!

    Genau deshalb habe ich all meine Biergläser entsorgt.

    Und beim nächsten Mal bleibt es womöglich nicht nur bei dem komischen Gefühl, evt. stellt sich mächtig Suchtdruck ein. Und der kann in einem Vorfall enden.


    So viel zu einem kleinen Teil meiner persönlichen Risikominimierung.

    Gruß
    Carl Friedrich

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