Kennt das jemand, dass Nüchternheit nicht nur per se Glückseeligkeit verspricht, sondern immer wieder mit (lohnenswertem) Kampf und Zwang verbunden ist?
Kampf? Nee, wer kämpfen muss, hat noch viel vor sich. Zwang? Meinst Du Saufdruck? Ja, den kenne ich zur Genüge, gerade in den ersten beiden Jahren hatte ich häufig welchen. Die Abstände wurden gottlob immer größer. Wer die ersten Drucksituationen gemeistert hat, merkt schnell, dass so ein Druck nie lange andauert und was dagegen zu tun ist.
Ist halt keine Grippe und selbst Syphillis dürfte gesellschaftlich akzeptierter sein.
So ähnliche Gedanken hatte ich in der Anfangszeit auch, wenn auch nicht in Verbindung einer Geschlechtskrankheit. Da spricht die Scham über Dich selbst. Auch das legte sich mit der Zeit. Heute bin ich mit mir und meiner nicht spürbaren Krankheit im Reinen. Es ist halt so wie es ist.
Aber wann tritt das Gefühl "Trocken seit …" umfänglich ein?
Was meinst Du? Wann Du das Stadium der zufriedenen Abstinenz erreicht haben wirst? Letzteres ist mehrdeutig. Zufrieden, da trocken oder ein zufriedenes Leben?
Du hast jahrelang getrunken, der Körper ist relativ schnell entgiftet, sofern Du Dir keine schweren Schäden an den inneren Organen und Nerven angesoffen hast. Aber bis das Hirn wieder normal tickt, das dauerte bei mir auch eine Weile, mehr als eine Handvoll Tage.
Ich behaupte mal so als Richtschnur pi mal Daumen. Das erste Jahr ist das schwerste, später wird es leichter, auch mental.
Nimm es geduldig hin, Abstinenz ist eher ein Ultra-Marathonlauf als ein Kurzstreckensprint, um einen kleinen Ausflug in die Welt der leichtathletik zu unternehmen.