Meine Mama ist Alkoholikerin

  • Guten Tag oder Abend,

    je nach dem wann das gelesen wird.

    Ich habe mir erst vor ein paar Monaten eingestanden das meine Mama Alkoholikerin ist. Klar wusste ich es schon vorher aber richtig wahrhaben wollte ich es nie.

    Ich möchte meine Geschichte niederschreiben und vielleicht mit anderen über ihre reden. Ich glaube die Erfahrungen wie andere damit umgehen würden, könnte mir helfen.

    Ich freue mich auf eure Antworten.

    Als ich 6 war habe ich zum ersten mal begriffen das ich anders war als andere Kinder.

    Meine Mama hat mir kein essen morgens gemacht für die Schule oder mich nachmittags abgeholt von der Schule. Ich war mit 6 schon ziemlich selbstständig.

    Im nachhinein frage ich mich wie alles so schnell gehen konnte.

    Meine Mama war Nachts fast nie da, weil sie neben Harz 4 noch in einer Kneipe schwarz gearbeitet hat.

    Ich war also viel alleine zuhause. Dazu kam das sie Messi war und mein zuhause voller Müll war.

    Ich bin in Mecklenburg Vorpommern groß geworden. Also auf dem Land.

    Meine Mama hat mich auch oft verprügelt.

    Aber wegen total irrelevanten Dingen z.B das ich ihr essen aufgegessen habe oder ihr Ton vom Laptop nicht funktioniert hat.

    Ich mochte sie betrunken nicht aber ich habe als Kind nicht genau verstanden was anders ist.

    Sie hatte auch ein paar Katzen die sie vernachlässigt hat. Obwohl wir auf dem Land lebten hatte sie die Katzen in ihrer Wohnung eingesperrt. Dadurch das sie sich nicht um sie gekümmert hat, waren sie nicht stubenrein. Ich habe in den Exkrementen der Katze geschlafen und gelebt.

    Ich habe gut zwei Situationen im Kopf.

    Die erste war das meine Mama total besoffen die Leiche einer der Katzen in ihren Schrank gelegt hat und sie vergessen hat. Wir fanden sie nach einem Monat. Ich war 7.

    Und die zweite war, ich habe eine Katze gesucht die ich schon seit längerem nicht gesehen hatte. Ich habe sie auch in einem Schuhschrank gesehen. Sie hat sich ihr Bein abgefressen. Sie hatte nur einen Knochen da.

    Ich weiß nicht es ist Komisch dieses Bild von der Katze mit diesem Knochen und dann hat sie sich versucht fortzubewegen. Mir taten die Katzen so leid. Ich dachte es wäre ein Fluch. Warscheinlich weil ich es nicht wahr haben wollte.

    Als ich 12 war lernte meine Mama einen neuen Typen kennen. Wir zogen um.

    In der Stadt (so fühlt es sich zumindest an) ist es viel einfacher in Kneipen zu gehen. Nun hat sie offiziell in einer Kneipe gearbeitet. Sie war trotzdem nie da.

    Wir hatten eine eigene Wohnung aber waren bei diesem Typen. Ich lag neben an als sie gefickt haben. Abend für Abend.

    Wenn sie dann mal da war. Wenn ich gesagt habe sie soll leiser sein meinte sie "Ich darf ja wohl auch meinen Spaß haben"

    Im selben Jahr noch verließ sie den Typen. Ab da wurde es schlimmer wir mussten in eine kleinere Wohnung ziehen. In eine WG ich habe das Zimmer ohne Tür bekommen. Ich hatte keine Zimmertür. Sie holte immer Typen und hat sich laut ficken lassen.

    Immer besoffen mit einem anderen Typen.

    Mit 15 habe ich es geschafft auszuziehen.

    Sie unterstützt mich nicht und holt sich keine Hilfe. Letztens habe ich erfahren das ich seit dem 30.04 wegen ihr nichtmehr krankenversichert bin.

    Ich habe keinen Kontakt mehr zu ihr aber ich kann nicht damit umgehen was mit dieser Frau ist. Ich kann einfach noch nicht verstehen warum die sucht stärker ist als die eigene Tochter.

    Ich freue mich auf Antworten

    Liebe Grüße

    Lilli

  • Liebe Lilli,

    ich bin ebenfalls ganz neu hier und dein Titel hat mich gleich aufhorchen lassen, da meine Mutter ebenfalls (trockene) Alkoholikerin ist. Wie alt bist du denn momentan? Wo lebst du? Und hast du schon einmal überlegt, dir therapeutische Hilfe zu holen? Du schleppst da ja einen ganz schönen Brocken mit dir rum und es kann entlastend sein, ihn mit jemandem zu teilen und das Geschehene aufzuarbeiten. Es ist auf jeden Fall super, dass du den Weg ins Forum gefunden hast und dich austauschen möchtest!

    Kttnlos

  • Hallo Lilli,

    wir kennen uns aus dem Vorstellungsbereich, ein paar Wochen her.

    Daß du ein ziemliches Paket herumschleppst, hatte sich angedeutet.

    Ich finde es gut, daß du das Paket hier "abstellst".

    So muß kein Kind aufwachsen. Mit solchen furchtbaren Erlebnissen und das auch über so lange Zeit.

    Es macht mich sprachlos, wütend und traurig, alles zusammen.

    Sucht ist eine irrationale Angelegenheit. Ich bin ja echt schon ewig hier, kann "mitreden", aber was letztlich in einem Suchtkranken vorgeht, daß er sein ganzes Leben wegschmeißt und seine Kinder gleich mit, das ist nicht zu begreifen. Sucht hat eine sehr starke körperliche Komponente. Der Körper gewöhnt sich an das Suchtmittel und kommt auf Entzug, wenn es fehlt. In dem Zustand sind Süchtige unerreichbar. Da ist nichts wichtiger, als an den Stoff ranzukommen.

    Das hat absolut nichts mit dir zu tun, wie sie sich dann aufführt.

    Das mag ein Hauch einer Erklärung sein, aber keine Rechtfertigung oder Freibrief.

    Am liebsten würde ich dich mal fest drücken. Was du für Kompetenzen entwickelt hast, um in dem Umfeld klarzukommen, ist etwas, was dir indirekt helfen kann, einen guten eigenen Weg einzuschlagen.

    Ich würde als erstes schauen, daß du deine Krankenversicherung bekommst. Das ist wichtig.

    Also immer wieder die Reihenfolge checken: Was ist konkret jetzt zu tun?

    Ruf die Krankenkasse an und lasse dich beraten, was machbar ist.

    Wer mir noch einfällt, ist die nächste Suchtberatungsstelle, die beraten nämlich auch Angehörige! Das mit der Krankenkasse ich echt wichtig, aber machbar.

    Ich denke, wenn du das in die eigenen Hände nimmst, wirst du hinterher mächtig stolz auf dich sein können.

    Das sind nämlich so die ersten Schritte. Ziel ist ja unabhängig zu werden.

    Weißt du, die Analysen, wie Suchtkrankheit funktioniert usw., klar beschäftigt das einen! Aber kennst du Rilke, der hat das damals schon so ungefähr gesagt, lebe die Fragen, dann leben sich die Antworten ganz von alleine in die Fragen hinein. Irgendwie so, aber du verstehst bestimmt was ich meine. Vieles klärt sich mit der Zeit von alleine, ohne daß man speziell Energie reingeben muss.

    Melde dich mal, ich würde mich freuen!

    Lieber Gruß, Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Hallo liebe Linde und Knttlos,

    Ich freue mich das ihr geantwortet habt. Vielen Dank!

    Ich habe schon mit der Krankenkasse telefoniert. Ich habe auch wenn das nicht funktioniert einen zweitweg.

    Ich mache seit 7 Jahren Therapie und habe 3 Kliniken hinter mir. Ich mache Schritt für Schritt Fortschritte. Und melde mich auch grade bei einer Selbsthilfegruppe an für Angehörige von Alkoholikern. Ich freue mich schon sehr darauf.

    Meine Mama wohnt in Hannover und ich bin in eine andere Stadt nach Hamburg gezogen um mich abzukapseln. Ich bin grade erst 18 geworden und trotz allem ist es sehr schwer meiner Mama aus dem Weg zu gehen.

    Ich sehne mich nach einer Mama einer Familie.

    Die Therapie ist hart und nicht einfach.

    Als ich 12 war habe ich auch nach Alkohol gegriffen und erst mit 15 nachdem ich eine krasse Alkoholvergiftung hatte aufgehört.

    Auch davor habe ich Angst. Das ich so werde wie sie. Inzwischen ist Alkohol kein Thema für mich. Weder wenn ich traurig noch wenn ich glücklich bin. Schämen tue ich mich aber trotzdem.

    Ich freue mich das ich bei diesem Forum gelandet bin denn auch nur die kleinste Hilfe ist schon sehr hilfreich.

    Ich freue mich auf weitere Konversationen

    Liebe Grüße

    Lilli :)

  • Hallo liebe Lilli,

    wenn ich deine Geschichte lese, kommt ganz viel Mitgefühl in mir auf für das, was du schon durchmachen musstest. Dir wurde da ganz schön viel zugemutet für deine jungen Jahre. Gleichzeitig bin ich auch voller Bewunderung, wie weit und stark und tapfer du bist! Ich bin jetzt fast 28 und in deinem Alter - also vor fast 10 Jahren - war ich um längen nicht so weit wie du!

    Ich sehne mich nach einer Mama einer Familie.

    Das ist so verständlich. Die Mama, die du dir wünschst, wirst du vermutlich leider erstmal nicht haben können. Und eine 'richtige' Mama könnte dir heute vielleicht auch gar nicht mehr geben, was du brauchst. Meine Therapeutin meinte einmal zu mir: Selbst wenn ich jetzt bekommen würde, was ich mir von ihr wünsche, würde es mir vielleicht nicht das geben, was ich mir erhoffe. Die Verletzungen werden davon auch nicht geheilt.

    Die gute Nachricht ist, dass du auf dem besten Weg bist, dir bewusst eine Zukunft zu schaffen, und dadurch tolle Menschen in dein Leben lassen kannst, statt alte Muster zu wiederholen. Irgendwann wirst du vielleicht deine eigene Familie haben, die dir das gibt, was du brauchst.

    Auch davor habe ich Angst. Das ich so werde wie sie.

    Auch dieses Gefühl kenne ich nur zu gut. Die Angst ist einfach ein permanenter Begleiter. Mir hat es geholfen mir selbst aufzuzeigen, wie unterschiedlich wir sind und was ich anders gemacht habe als meine Mutter; welche Teile in mir mich davor schützen werden, die gleichen Fehler zu machen. Vielleicht hilft dir das auch?

    Ich wünsche dir alles Gute!

    Kttnlos

Unserer Selbsthilfegruppe beitreten!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!