Man ist ja nicht allein auf der Welt

  • Jetzt also seit 7 Tagen keinen Alkohol mehr und wenn ich mir jetzt mal wirklich nüchtern betrachte wie groß die Rolle des Alkohol und wie allgegenwärtig er ist, reibe ich mir immer wieder die Augen.

    Was mich momentan besonders beschäftigt ist folgendes. Ich habe für mich mein Problem erkannt und habe mir selber eingestanden, dass ich keinerlei Kontrolle über meinen Alkoholkonsum habe und ich Alkoholiker bin. Nun gibt es allerdings recht viele Leute in meinem Umfeld (vor allem auf der Arbeit) bei denen ich ebenfalls glaube, dass sie Alkoholiker sind. Ich wohne in der Pfalz und das weintrinken gehört hier "gefälligst zur Kultur"!

    Ums mal ein bisschen überspitzt auszudrücken: Ich sehe auf einmal überall Alkoholiker! Wirklich kontrolliertes und "Genuss-Trinken" kaufe ich nur noch ganz ganz wenigen Leuten ab.
    Für mich ist Alkohol ein riesen Thema geworden, dass ich in keinster weise mehr verniedlichen, verharmlosen oder gar verherrlichen kann. Natürlich renn ich jetzt nicht durch die Gegend und sage den Leuten - hey, du bist alkoholiker. Dafür habe ich auch zuviel mit mir selber zu tun. Aber es wird auf jeden Fall ein Thema werden in der kommenden Zeit. Sei es auf der Arbeit, sei es in meinem privaten Umfeld. Und ich glaube es werden viele sagen: ach, jetzt komm mal wieder runter, alles halb so schlimm, du übertreibst, warum machst du denn daraus ein Problem etc. Und zwar gerade die Leute, die sich selbst einreden, dass zu einem guten Essen doch eine gute Flasche Wein gehört. Oder zwei. Und einen Schoppen für die Sauce. Ich habe die Befürchtung dann recht schnell aus der Haut zu fahren. Hmm...wie begegne ich solchen Menschen am besten ? Viele haben hier mehr Erfahrung

    Viele Grüße an euch,

    Timster

  • hallo timster

    wie du bin ich auch der meinung das unsere ganze gesellschaft irgendwie alkoholabhängig ist, es vergeht kaum ein discobesuch wo mir nicht irgendwer alk ausgeben will weil ich ja immer nur wasser oder kaffee trinke, ist in "meiner disco" billiger als alk, oder es kommt die frage warum denn immer ich fahren muß.
    die, die mich da kenne wissen warum, daraus mache ich keinen hehl.
    andere auf ihren alkkonsum ansprechen tue ich nur sehr selten, weils nichts bringt, die wissen das ich trocken bin und wenn sie hilfe möchten können sie mich fragen, dann helfe ich. einen der es nicht einsieht wirst du nicht bekehren das ist zeitverschwendung, deine kostbare lebenszeit.

    gruß doro

    Alkohol ist ein prima lösungsmittel es löst familien arbeitsverhältnisse freundeskreise und hirnzellen auf.
    trocken seit 18.10.2001

  • Hallo Doro,

    das das ganze wirklich ein gesellschaftsübergreifendes Problem ist, wird mir auch langsam klar. Discobesuche kommen für mich daher auch erstmal überhaupt nicht in Frage. Dafür ist es noch zu früh und ich hab auch keinen Bock drauf im Moment. Wir hatten hier am Freitag Weihnachtsfeier und wie sowas abläuft dürfte ja klar sein. Eigentlich wollte ich absagen, hab mich dann aber doch als Fahrer gemeldet und bin hingegangen. Ich hab dann mal nüchtern mitbekommen wie saufen eigentlich abläuft. Selbst registriert man das ja überhaupt nicht, wenn man noch trinkt. Und schwupps da waren sie also versammelt: Mädels mit Wirkungstrinken und späterem Schwipps, sonst eher stille Mäuschen aber auf einmal... Dann natürlich die Herren, die einen guten Schnapps immer zu schätzen wissen und später mit ihren armseligen Hammerstories den Dicken spielen wollen...Auch die selber Nach-Hause-Fahrer, die "mit dem Essen doch eine gute Grundlage für ein Glas Wein" geschaffen haben, später aber noch Bier trinken und auch mal den Schnapps probieren müssen...die Rotweinparade...

    Ich werde da ganz bestimmt niemanden direkt drauf ansprechen, denn da hast du recht - es wäre wirklich Zeitverschwendung. Ich weiß gut wie ich selbst darauf reagiert hätte. Vor gar nicht allzu langer Zeit. Naja, werd das ganze mal auf mich zukommen lassen.

    Schönen trockenen Sonntag wünscht dir,

    Timster

  • hallo timster

    hätte dazuschreiben sollen das ich seit über 5 jahren trocken bin und mich das heute nicht mehr stört wenn jemand neben mir trinkt, war am anfang natürlich anders. in der disco bin ich gelandet wegen meiner kinder, anfangs damit sie länger bleiben konnten, wenn mama mit ist, dann habe ich da paar nette leute kennen gelernt die mit ihrer kola oder fanta ihren spaß habe, dann meinen lebensgefährten der dort arbeitet, so das ich dort nun auch regelmäßig hingehe und wir bei kaffee und musik einfach nur stundenlang quatschen und ich mal meine altagssorgen vergesse.

    gruß doro

    Alkohol ist ein prima lösungsmittel es löst familien arbeitsverhältnisse freundeskreise und hirnzellen auf.
    trocken seit 18.10.2001

  • @ Karsten,

    ich denke mir, dass du meinst es ist gefährlich zu denken, dass (für mein momentanes Befinden) große Teile der Bevölkerung Alkohol trinken. Stimmt - von dort aus kann man in die Gedankenkette von "der trinkt und der auch und der auch und ich (?)" kommen. Momentan bin ich jedoch der Meinung, dass trinken in kaum einer Weise "normal" ist. Vielleicht übertreibe ich da ja auch ein bisschen, wenn ich meine, dass auf einmal überall Alkoholiker um mich herumgeistern. Ganz so heftig ist es nicht. Ich habe mich selbst soweit in die soziale Isolation gesoffen, dass überhaupt kaum mehr Menschen um mich sind. Und das ist auch ein großes Problem von mir, an dem ich jetzt - nüchtern - aber endlich arbeiten kann und werde.

    @ Demi,

    sehe ich genauso. Den Grund dafür sehe so: Ich kenne Leute, die auf einer Party oder einem Sit-in ohne Alkohol den ganzen Abend nur mürrisch in der Ecke sitzen und kaum den Mund aufbekommen (ich zum Beispiel). Wird aber getrunken verschwinden die Hemmungen und Ängste und es hindert nichts mehr "echten Spaß" zu haben. Dann wird jejohlt und alle fühlen sich richtig lebendig. Wie man jedoch seinen Ängsten richtig und vor allem ehrlich gegenüber sich selbst begegnet, dass muss ich wohl auch erstmal neu lernen... Das ganze wird viel Arbeit an mir selbst, freue mich jedoch darüber.

    Gruß an euch,

    Timster

    PS: hoppla, wie die Zeit verfliegt...heute ist nicht mein 7, sondern schon mein 8. tag ;)

  • Moin Timster,

    natürlich beschäftigt der Alkohol dich jetzt zu Anfang noch viel mehr. Du musst eben gerade dein Umfeld zu der nichttrinkenden Bevölkerung wechseln und du wirst dort die Normalität ohne Alkohol lernen.

    Nur wenn ich trinkende Menschen sehe, betrachte ich mir kritischer ihr Trinkverhalten, wie, was und wie viel sie trinken. Man hat eben eine andere Perspektive.

    Gestern habe ich als Beispiel einen Fernsehfilm auf WDR mit einem bekannten Schauspieler gesehen. Eine Tragikkomödie, nett anzusehen.

    ABER: Mir fiel neben dem Drehbuch des Fernsehfilms primär sein immenser Alkoholkonsum auf, in jeder 3. Szene mit ner Flasche Rotwein in der Hand, hier sah ich das WIE … (man das Getränk trinkt).
    Der Vino mit Hintergrund Mallorca gehörte evtl. noch zu seiner Rolle (Drehbuchvorgabe), aber nicht das WIE.

    Konzentriere dich nicht auf das Leben trinkender sondern auf das Leben nichttrinkender Menschen.

    Gruß, Freund.

  • Hallo euch,

    um ganz ehrlich zu sein, ich freue mich sogar auf die Änderung meines Umfeldes. Ich kam ja als "nobody" in diese Stadt. Mittlerweile lebe ich fast vier Jahre hier und habe kaum etwas anderes getan als gearbeitet und eben gesoffen. Immer wieder sind Menschen auf mich zugekommen, aber ich habe immer abgeblockt. Konsens war bei mir immer - die haben ja alle gar keine Ahnung vom "richtigen" Leben. Das war ein ziemlich starkes Wechselspiel von Depristimmung und Saufen. Ob sich bei mir eine ausgewachsene Depression eingeschlichen hat, kann ich kaum sagen - momentan gehts mir sehr gut.
    Ich werde aber diese Woche noch zum Arzt gehen, die "Hosen runterlassen" und einen körperlichen Check machen lassen. Wahrscheinlich wird da auch eine Therapie dran geknüpft werden, mal sehen was da auf mich zukommt.

    Viele Grüße,

    Timster

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