Beiträge von Timster

    Hallo Dania,

    ich hab damals den 60. Geburtstag von meinem Vater "verpasst", weil ich für mich noch zu frisch trocken war. Es wurde dort getrunken, also bin ich nicht hingegangen - und bin heute froh drum. Die Idee "dann-trinken-wir-hier-eben-keinen-Alkohol" stand überhaupt nicht zur Debatte, nicht mal ansatzweise. War natürlich schade für beide Seiten, aber so war es nunmal.

    Das deine Mutter auf ihrem Wein besteht ist schade. Wahrscheinlich ist das Verständnis um den Alkoholismus einfach nicht vorhanden. Auch bei meiner Mom hats ein bisserl gedauert, bis der Gedanke "das-ist-doch-alles-Willenssache" endlich geklärt war (ein Bericht im Stern hat das damals bewirkt - danke Stern :)).
    Arbeit an deiner Einstellung? Ich würde sagen, die machst du gerade, nämlich: Konsequenz zeigen. Das ist verdammt gut so, auch wenns innen drin natürlich weh tut. Lass dir bloß keine Schuldgeschichte einreden. Du machst das schon ganz richtig so! Vielleicht versuchst du deine Mom mal mit Fachartikeln oder Büchern zu informieren - denn momentan ist wohl das Unverständnis um den Alkoholismus das größte Problem, die mangelnde Sensibilität "nur" die logische Folge davon.

    Ich persönlich finde deine Gangart ohnehin toll. Warum du hier so viel Gegenwind bekommen hast, kann ich auch nicht nachvollziehen. Du bist jung, der Umgang mit Gefühlen ist noch ziemlich schwierig und du stehst bei vielen Dingen noch am Anfang. Ich denke aber auch, dass du das hinbekommen wirst.

    Viele Grüße,

    Timster

    Hi Heiko,

    jetzt bist du wieder drin im Kreislauf:

    warum trinkst du ? - um zu vergessen
    was willst du vergessen ? - das ich mich schäme
    warum schämst du dich ? - weil ich trinke
    und von vorn...

    Du kannst es ändern. Du kannst es tatsächlich schaffen, du musst dir nur helfen lassen. Nimm das Telefon in die Hand und frag dich: was willst du ? Soll das dein Leben sein? Den ganzen Tag saufen und rumheulen? 1000 Hände helfen dir, wenn du es willst, schaffen musst du es aber ganz alleine. Das kann dir niemand abnehmen. So besonders deine spezielle Situation auch ist, so alltäglich sind deine Verhaltensweisen und -muster. Also auf die Füsse, ran ans Telefon, ab ins Krankenhaus. Du bestimmst wie weit "ganz unten" ist.

    Alles Gute,

    Timster

    Hi Heiko,

    klar versteh ich das - nur das bringt dich nicht weiter. All deine Probleme sind verständliche Gründe dafür, dass es so nicht funktioniert hat - völlig menschlich. Wichtig sind aber die Wege, die zur Lösung führen. Was willst du also anders machen, um nicht wieder rückfällig zu werden ? Welche Veränderungen stellst du dir vor?
    Kannst du zu dir selbst jetzt sagen: Ich hab keine Ahnung wie ich trocken bleiben soll. Ich MUSS mir Hilfe holen und annehmen? Ich will mir Hilfe holen von ... Leuten die langjährige, trockene Alkoholiker sind, von Therapeuten, Suchtberatungsstellen usw.

    Das soll dich hier nicht nieder-machen, sondern einfach nur zeigen, dass das wissen wie man trocken lebt nicht vom Himmel fällt und du es momentan nicht weisst.

    Viele Grüße,

    Timo

    Hallo Heiko,

    auf die Füsse und los gehts.
    Dein Thread heisst ja "rückfallgefährdet", du hattest also schon vorher ein ungefähres Gefühl davon, dass sich das was zusammenbraut. Zu spät und nicht die richtigen Mittel gewusst und gestern war es dann soweit. Ist kein Vorwurf, überhaupt nicht böse gemeint, sondern es ist ja einfach so. So, wie du es jetzt versucht hast trocken zu bleiben, funktioniert es also nicht. Punkt, das ist wichtig zu wissen!

    Du schreibst davon, dass du viele Probleme momentan hast, wobei Arbeitslosigkeit, Beziehungsstress und die Unfallfolgen wohl sehr gravierend sind und deutlich zu seinem Stimmungsbild Tag für Tag beitragen. Stimmt, da ist es wirklich sehr hilfreich jemanden zu haben, der einen manchmal in den Arm nimmt. Noch viel größer ist jedoch das Problem, dass du Alkoholiker bist und nicht weisst, wie du trocken bleibst.

    Einmal im Monat Psychotherapie reicht nicht und dafür hab ich volles Veständnis, dein Leben liest sich nämlich wirklich nicht einfach. Allerdings welches ist das schon? Du kennst ja deine Probleme, nur wie damit umgehen weisst du noch nicht. Woher soll man das auch wissen, wenn man vorher immer wieder als "Lösung" gesoffen hat bzw. vorher nur wenig an einer Lösung überhaupt interessiert war? Ich hatte keine Ahnung als ich hier her gekommen bin, wie ich mit mir selbst und solchen Stressgefühlen umgehen soll. Das hat schon gedauert, bis ich da eine Ahnung von hatte wie ich und meine Gefühle funktionieren. Viel schreiben im Forum hat mir geholfen. Ob das für dich reicht musst du selbst wissen, gut ist es auf jeden Fall. Auch über eine intensivere Therapie gilt es nachzudenken. Man braucht ein gewisses Maß an Stabilität und Rückhalt im Umfeld um den eigenen Verhaltensweisen und -mustern mal auf die Pelle zu rücken und -nicht-einfach- zu ändern. Ich hatte einen Job im Rücken, war körperlich noch einigermaßen fit und hatte gar keine Beziehung - ich konnte mich also voll und ganz aufs trockenwerden konzentrieren. Denke ich mich an deine Stelle, wäre mir das sicherlich schwerer gefallen, wobei das überhaupt nicht heißen soll, dass es nicht möglich ist. Auch für dich gibt es Lösungen.

    Die Frage ist: was willst du in Zukunft anders machen ?

    Ich wünsche dir den Mut es diesmal anders zu machen!

    Viele Grüße,

    Timster

    Hallo Frodo,

    du liest dich wirklich ganz anders, als noch vor ein paar Monaten. Es ist sehr schön, dass du soviel Stärke, Mut und Kraft in dir entdeckt hast. Ich wünsche dir alles Liebe und danke, dass du uns ein Stück des Weges mitpilgern lässt.

    Viele Grüße,

    Timster

    Zitat von I, alcoholic.

    hallo,
    jetzt geht es darum frieden zu schließen, mit meiner vergangenheit, mit meinen erinnerungen, mit mir. dazu ist der kampf, wenn auch für mich, wohl kaum das geeignete mittel. es fällt mir im moment jedoch noch schwer, das kämpfen (gegen mich und andere), die wut (auf mich und meine nächsten), die missgunst als gewohnte und jahrelang antrainierte mittel aufzugeben und muss mich ständig stoppen. der weg wird noch sehr lang sein und mir als ungeduldigem menschen bereitet das einige schwierigkeiten.

    Hi I,

    riesige Schritte waren das für mich, soetwas (kämpfen, Wut, Missgunst) überhaupt mal erkennen zu können. Das du dich da schon so beobachtest, dass du auch versuchst dich zu stoppen - spitze ! Sowas geht für mich nur nüchtern, zu Suffzeiten war ich nie richtig ehrlich zu mir, da konnte ich soetwas überhaupt nicht erkennen.
    Es stimmt, es gibt viel Arbeit auf dem Weg, aber lass dich davon nicht abschrecken, es lohnt sich sehr. "Arbeit" ist für mich auch das falsch Wort dafür, für kein Geld der Welt würde ich damit aufhören wollen daran zu arbeiten zufrieden zu werden :)

    Herzlichen Glückwunsch zum ersten Jahr! ;)

    Viele Grüße,

    Timster

    Hallo Elisabetha,

    toll, dass du die Ehrlichkeit gegenüber dich selbst aufbringst, das so zu sehen (also das du das selbst "geplant" hast). Suchtdruck entsteht nicht aus heiterem Himmel, da hängen dann schon immer seit längerer Zeit Wolken am Himmel herum. Manchmal will man die dann nicht bemerken, manchmal kann man die nicht so ohne weiteres bemerken. Je mehr man anfängt sich auf die Finger und auch auf die Emotionen zu gucken, gerade die unangenehmen, desto besser kann Suchtdruck vermeiden. Meiner Meinung nach. Ich persönlich kenne Saufdruck gar nicht, bin ich auch sehr droh drum :) Grundlegende Ehrlichkeit gegenüber sich selbst zu entwickeln ist sehr wichtig. Tut manchmal weh, überrascht oftmals, aber für mich ein wichtiger Schlüssel um dauerhaft trocken zu werden.

    Viele Grüße,

    Timster

    Hallo Daya,

    ich bin jetzt seit fast 2 Jahren abstinent, maßgeblich durch die Hilfe dieses Forums. Ich hab deinen Thread durchgelesen und ein paar Fragen drängen sich mir auf. Leg ich doch mal los:
    Siehst du dich selbst als Alkoholikerin ?
    Meinst du, dass du den Suff irgendwann wieder besser in in den Griff bekommst ?
    Hast du Schuldgefühle deiner Tochter gegenüber, weil du Alkoholikerin bist ?
    Nicht erst seit gestern, sondern vielleicht auch seit längerer Zeit ?
    Ist das ein Zufall, dass dein Rückfall und der Auszug deiner Tochter zeitlich zusammen fällt ?

    Du tust ja schon einiges um trocken zu bleiben, also SHGs anschauen, Tagesplanung, Sport und jetzt graben nach dem "warum dieser Rückfall ?". Der Rückfall kam ganz bestimmt nicht, weil an diesem Tag die Sonne schien. Um ganz ehrlich zu sein, sich heimlich auf dem Klo auf der Arbeit die Flasche an den Hals zu setzen, mit dem Wissen später die Scham und Schuldgefühle ausbaden zu müssen... find ich schon ziemlich krass. Wenn du da noch nicht siehst, dass das Sucht ist und das du süchtig bist, weiß ich auch nicht. Die Verharmlosungen Sektle und Gläsle finden sich bei dir übrigens auch nur bei diesen beiden Worten - der Rest liest sich recht hochdeutsch. Hat also scheinbar nichts damit zu tun, das du Schwäbin bist, sondern tatsächlich noch nicht ganz erkannt hast, was der Alkohol mit dir anstellen kann und wird, wenn du trinkst. Es sollen nur Denkanstöße sein, die ich dir hier schreibe, denn ich wünsche dir sehr, dass du nicht nochmal rückfällig wirst.

    Viele Grüße,

    Timster

    Hallo Elisabetha,

    auch von mir: gut, dass du nichts getrunken hast. Einer meiner gedanklichen Anker, gerade am Anfang war:"Nicht trinken geht IMMER !" und "Wenn du durch die Hölle gehst, dann geh weiter !".

    So, wie du dich liest, hast du dir schon einige Gedanken gemacht - das ist sehr gut. Das Trockenwerden und vor allem -bleiben kommt nicht von allein, da muss man was für tun. Den Druck, den du gespürt hast, würde ich als Schuss vor den Bug sehen. Es ist oft nicht einfach zu sehen, woher der Schuss denn eigentlich kam (Überforderung, Langeweile, Fluchtgedanken, das-wird-mir-alles-zuviel, ich-will-doch-auch-Spaß-haben, keiner-hilft-mir, Selbstwertgefühl, ...), wichtig ist die Arbeit an dir selbst. Oberflächlich und easy wird nicht zu dauerhaften Ergebnissen führen. Ich denke, wenn sich eingeschliffene Verhaltensmuster, Lebensumstände und eine gewisse Achtlosigkeit mit sich selbst verbinden, dann kommt so ein Druck zustande. Diese Dinge zu ändern ist eine manchmal anstrengende, aber enorm lohnenswerte Aufgabe. Das passiert natürlich nicht über Nacht, sondern braucht Zeit. Stell dir vor, wieviel einzelne Tage du gebraucht hast, um an diesen Punkt zu kommen.

    Mit dem Alkohol bzw. der Sucht kämpfen zu wollen ist ne schlechte Idee. Geht auch gar nicht, schließlich springen dir keine Flaschen oder Gläser von selbst ins Gesicht. Aber so, wie es wirklich ist, kämpfst du nie gegen den Alkohol, sondern immer nur gegen dich selbst. Und wenn ich mir selbst immer, immer wieder was auf die Rübe kloppe - dann kann ich zwar zunächst staunen über den Kampfgeist und die Nehmerqualitäten, die ich habe - irgendwann hau ich mich aber selber um. So wird man nicht Sieger über sich selbst...

    Ich hab, grad am Anfang, viel im Forum gelesen, das hat mir sehr geholfen. Ich wünsche dir, dass es dir auch weiterhilft.

    Möge die Macht mit dir sein :)

    Viele Grüße,

    Timo

    Hallo Frodo,

    ich erinnere mich auch noch an dich :) Schön, dass es dir gut geht. Ich glaube, du hast mächtig viel an Arbeit in dir geschafft. Ich bin auch mehr-leser-als-schreiber hier im Forum. Find ich aber auch ganz ok.

    Dann...das Ziel ist der Weg ! Und der Weg ist lang, gehen wir also trockenen Fußes weiter :)

    Viele liebe Grüße,

    Timster

    Hallo I,

    mal meine Perspektive: man kann nicht gegen den Alkohol kämpfen. Wir sind fast alle verliebt in Begriffe wie Kämpf, Stärke, Durchhaltevermögen, Wille, Disziplin und und und. Tolle Begriffe, aber sie gehen am Kern vorbei.

    Wie kämpfe ich denn gegen Alkohol ?
    Springen mir täglich Flaschen ins Gesicht und wollen mir den Alk eintrichtern ? Wer streckt denn die Hand aus nach dem Glas ? Wessen Hand ist denn das ? Fliegen mir die Gläser in die Hand oder wie ?

    Man kämpft nur gegen einen und das ist man selbst. Gegen nichts und niemanden sonst.
    Und wer gegen sich selbst diesen (!) Kampf kämpft wird immer verlieren, immer. Das liegt in der Natur der Sache. Die meisten sprechen von Kapitulation, für mich heißt es Frieden schließen. Bedingungslos Frieden schließen. Mit mir selbst !

    Es ist nicht der Alkohol, der will, dass ich ihn trinke, sondern ich selbst. Die Konditionierungen, die Verhaltensweisen, der Umgang mit mit selbst, mit meinen Gedanken, mit meinen Gefühlen, mit meinen Wünschen, Hoffnungen, Ängsten und und und. Der Wille eines Menschen ist so abhängig von so unglaublich vielen Dingen. Absolut bedingt von anderen Umständen. Ändern sich die Bedingungen für den Willen (auch enorm viel unbewusstes Zeug) - fängt es an zu kippeln, wird brüchig und der Wille verschwindet.

    Frieden schließen, darum gehts. Am besten bedingungslos.
    Warum habe ich getrunken ? Weil ich gegen mich selbst gekämpft habe.
    Die nächsten "warum-fragen" musst du dir selbst stellen.

    Viele Grüße,

    Timster

    Hallo Suppy,

    grad hab ich gelesen:
    "Warum trinkst du?" fragte er den Trinker.
    - "Um zu vergessen" sagte der Trinker.
    "Um was zu vergessen?" fragte er.
    - "Das ich mich schäme!" sagte der Trinker.
    "Und warum schämst du dich?" fragte er.
    - "Weil ich trinke!", sagte der Trinker und hüllte sich in Schweigen.

    Raus aus dem ewigen Kreislauf. Schön, dass du morgen zum Arzt gehst. Es gibt absolut keinen Grund für Scham bei jemanden der mit dem Trinken aufhören will. Du schaffst das !

    Viele Grüße,

    Timster

    Hallo Babsi,

    ich denke ebenfalls, dass der Alkoholismus unterschiedliche Ursachen hat, nicht nur dieses oder jenes. Auf die Frage ob Alkoholismus eine Gefühlskrankheit ist, fällt mir spontan eine Gegenfrage ein, nämlich 'Wie soll ein Mensch, der regelmäßig Alkohol zu sich nimmt, emotional ausgeglichen sein ?'. Das kann gar nicht gehen. Alkohol bringt Gefühle durcheinander und das ja auch recht massiv. Jemand, der das regelmäßig tut, kann emotional nicht ausgeglichen sein. Es werden ja künstliche Gefühle durch den Suff geschaffen bzw. werden vorhandene Gefühle manipuliert. Insofern denk ich, dass Alkohol auch eine 'Gefühlskrankheit' ist.

    Hm, aber ich denke nicht, dass nur durch den Schlaf negative Gefühle "richtig" verarbeitet werden. So einfach ist das ja nicht. Ich denke eher, dass viele Menschen einfach keine Werkzeuge haben, um mit ihren eigenen Emotionen umzugehen - woher denn auch. Sowas sucht man sich eigentlich immer erst dann, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. So zumindest bei mir.

    Viele Grüße,

    Timster

    Hallo zusammen,

    mein persönlicher Tiefpunkt war ebenfalls eine Strecke von Punkten, was ich allerdings erst später verstanden habe. Das Begreifen und Verstehen, dass ich ein Alkoholproblem habe, geschah als ich dieses Forum fand. Ich hatte noch meine Arbeit, meinen Führerschein, meine Wohnung und ein Konto bei der Bank. Das - und den Suff hatte ich noch im Leben. Unter der Woche bin ich täglich in den Supermarkt gefahren und habe mir meine abendliche Ration gekauft, weil ich einen Vorrat nicht im Haus haben konnte ohne ihn bis zum Limit in mich reinzuschütten - egal, was am nächsten Tag anstand. So habe ich versucht mich selbst auszutricksen. Am Wochenende hab ich dann meine Bierkisten nach Hause geschleppt und alleine leer getrunken. Mein Verdauungssystem war dermaßen im Eimer, dass ich eigentlich nur noch in der Nähe einer Toilette und eines Kasten Biers sein wollte. Und einer Schachtel Kippen und eines PCs vielleicht noch. Mein Selbstwertgefühl, Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein waren nur kümmerlich entwickelt. Angst, Einsamkeit, Hoffnungslosigkeit, Ausweglosigkeit waren Grundzüge in meinem täglichen Empfinden. Ein Bezug zu meinen Gefühlen war schlicht und einfach nicht vorhanden.

    Hier im Forum habe ich mich in vielem wiedergefunden und nach kurzer Zeit war mir klar, so gehts nicht weiter. Der 18.11.2006 ist dann mein erster trockener Tag geworden.

    Hallo Blizzard und Micha,

    ich finde die Frage zu theoretisch, zu abstrakt - es ist mir zu leicht mich selbst dann als "Held" hinzustellen. Es fehlen mir da zu viele Details, die ich mir nicht vorstellen kann (und auch gar nicht will, um ehrlich zu sein).

    Die eigentliche Frage ist ja "Gibt es einen Schmerz, ein Leiden, eine Angst oder sowas wie einen gewissen Grad der Verzweiflung, der so groß ist, dass ich wieder anfange zu saufen ?".
    Ich für mich kann darauf nur Antworten: HEUTE trinke ich nicht.

    Ich find, dass man sich Gefühle zwar vorstellen kann, aber das ist nicht das gleiche, wie sie zu erleben - und die Folgen sind auch ganz unterschiedliche. Ist so ein bisschen wie die Frage nach den Gewissensgründen für Wehrdienstverweigerer "Da kommt eine Horde Männer und die tun ihrer Liebsten vor ihren Augen etwas an und sie haben eine Pistole in der Hand...was tun sie?"

    Es gibt ja keine Trockenheit, die für 'immer' gegen 'alles' geschützt ist. Ob meine Trockenheit weltuntergangsfest ist, weiß ich ganz einfach nicht. Für meinen heutigen Tag aber ist sie gut genug - und das soll auch so bleiben.

    Viele Grüße,

    Timster

    Hallo Piri,

    solche Sachen find ich auch sehr heikel.
    Ob solche Mengen jetzt physiologisch wirksam sind oder nicht ist dabei nicht ganz so wichtig, finde ich. Was richtig gefährlich ist, ist der psychologische Aspekt.

    Die Gedanken "War ich jetzt eigentlich 'richtig' trocken? Hab ich da nicht was gemerkt ?" und die Gefühle von Unsicherheit und Zweifel - die sind sehr gefährlich. Da klingeln dann die Alarmglocken.
    Ich würde es nicht als "halbe" Abstinenz für mich ansehen, wenn ich Bachblüten genommen hätte ohne zu wissen, dass Alkohol drin ist. Ich würde also nicht wieder bei Null anfangen. Jetzt, wo ich es weiß, kann ich sie aber nicht mehr nehmen. Ist für mich einfach so. Wenn ich weiß, dass Alk drin ist - dann ist die Sache ganz einfach, nämlich: Finger weg und Weg damit.

    Alkoholismus ist keine ausschließlich körperliche Angelegenheit, sondern hat einen großen Anteil im Kopf und daher steht hier auch immer wieder "nur nicht mehr trinken, reicht nicht".

    Viele Grüße,

    Timster

    Hallo Claudia,

    ob du diesen Brief nun abschickst oder nicht, ist natürlich deine Sache. Bei mir war es ähnlich (und es ist ja auch logisch), dass ich gerade ganz am Anfang des nüchtern seins eine ganz andere Wahrnehmung in Bezug auf alkoholtrinkende Menschen bekommen habe. Eigentlich konnte ich es kaum fassen, wie viele Menschen um mich herum meiner Meinung nach zu viel tranken, gar genauso Alkoholiker sind wie ich.

    Gerade zu Beginn, wenn dann so langsam die Augen aufgehen, finde ich es jedoch am wichtigsten sich um sich selbst zu kümmern. Es gibt so viel neues zu lernen und zu beachten, zu verstehen und zu ändern, dass ich heute froh bin, dass ich andere Leute nicht vor den Kopf gestoßen habe. Besser finde ich es da, wenn man anderen helfen will zunächst mal sich selbst zu zeigen. Ich bin Alkoholiker, ich bin jede Nacht stinkend wie eine Brauerei ins Bett gefallen, ich war jeden Tag verkatert, mir war mehr und mehr alles egal, ich bin jeden Abend an die Flasche gerannt, ich habe meine freien Tage mit Bier und Zigarette angefangen, ich hatte keine anderen Interessen mehr. Ich bin der Alkoholiker. Wenn sich jemand dann darin wiederfindet und auf sich selbst schließt, lässt er sich vielleicht helfen - oder eben nicht. Hätte mich jemand, als ich noch getrunken habe, Alkoholiker genannt, hätte ich ihn ausgelacht - ich trink doch nur Bier, meistens.

    Es dreht sich um den persönlichen Tiefpunkt. Für mich ist das der Punkt, an dem ich aufhöre es besser zu wissen. Für mich ist das der Punkt in meinem Leben, wo ich wieder anfange zu lernen und zwar aus dem Grunde, weil ich mir selbst eingestehe, dass ich nicht weiß, wie ich ohne Alkohol leben kann. Aus dem einfachen Grunde, weil ich es bewusst noch nie getan habe. Noch nie habe ich vorher bewusst gesagt ich will keinen Alkohol mehr trinken, also als klare, richtungsweisende Entscheidung.
    Je nach der Dickköpfigkeit des Menschen, je nach "ich weiß es ohnehin schon alles"-Einstellung, je nach Lernwilligkeit bzw. -unwilligkeit, geht der Tiefpunkt psychisch, physisch und sozial tiefer und tiefer. Es gibt Menschen die wirklich erst alles verlieren müssen, bevor sie bereit dazu sind wieder zu lernen. Bedingungslos lernen, weil man ja mit dem Wissen "wie kann ich ohne Alkohol mein Leben leben, wenn ich doch weiß, dass Alkohol diese ganz spezielle Wirkung auf mich hat" nicht auf die Welt gekommen ist und es nicht einfach so vom Himmel fällt.

    Es gibt keinen allgemeingültigen Tiefpunkt. Meinen persönlichen Tiefpunkt hatte ich durch das Forum. Ich hatte noch Auto, Wohnung, Job und ein Konto bei der Bank, als ich merkte Alkoholiker zu sein. Gemerkt habe ichs damals durch die Auseinandersetzung mit dem Thema, vor allem durch das lesen hier im Forum und es hat mich zutiefst schockiert, mich und meine Trinkgewohnheiten hier wiederzufinden. Wenn man ein Problem erkennt ist das ja schonmal gut, damit hat man aber nicht automatisch die Lösung. Das Problem ist, wenn man merkt Alkoholiker zu sein, ist man mit einer Vergangenheit, Lebensumständen, Erfahrungen, Wissen, Meinungen, Verhaltensweisen, Fühlweisen und noch einigem mehr ausgestattet - und all diese Dinge haben insgesamt dazu geführt, dass ich Alkoholiker wurde. Wenn ich jetzt versuche mit dem Wissen, den Erfahrungen und den Meinungen die ich schon habe das ändern zu können, dann wird das nicht funktionieren - denn genau die haben mich ja dahin gebracht. Bewusstgeworden ist mir das erst später, wichtig war vor allem, dass ich wieder angefange habe zuzuhören und zu lernen.

    Der persönliche Tiefpunkt ist also keineswegs an die Parkbank-Gosse gebunden. Naja, vielleicht doch. Irgendwo hier steht der Satz "Ich lag nicht in der Gosse, aber die Gosse lag in mir" - da steckt viel Wahres drin, wie ich finde.

    Viele Grüße,

    Timster

    Hallo Blizzard,

    Zitat

    Jetzt wächst aber langsam die Erkenntnis in mir, dass dem gar nicht so ist. Ich bin nicht irgendwelchen negativen Gefühlslagen machtlos ausgeliefert. Ich kann sehr wohl was dafür zu tun, negative Kreisläufe (aus Gedanken werden Gefühle, aus Gefühlen werden Handlungen, Handlungen erzeugen widerum Gefühle usw.) aufzubrechen. Ich kann dem Hin- und Hergeworfen werden selbst entgegensteuern - indem ich dem Sturm meine positiven Gedanken entgegensetze.

    Ja, nach und nach erkenne ich auch immer mehr wie viele Fäden ich tatsächlich in der Hand halte. Zunächst verwirrte mich das ein wenig, aber mittlerweile find ich das richtig gut.

    Paulys Signatur finde ich auch richtig. Genauso richtig finde ich sie auch, wenn das Wort Glück gegen das Wort Unglück getauscht wird.

    Viele Grüße,

    Timster