Rückfall, aber nicht ins Trinken

  • Guten Morgen ihr alle Zusammen,

    heute morgen war mir beim Aufwachen ganz friedlich. Ich weiß gar nicht recht, warum. Aber es war ein schönes Gefühl, aufzuwachen und nicht träge und widerstrebend aus den Träumen aufzutauchen, sondern gleich wach und präsent zu sein.

    Als ich gerade hier las, dachte ich, dass ich vorsichtig sein müsse. Die Co- und Kontrollstrukturen machen sich schon wieder bemerkbar. Ich kann niemanden von etwas überzeugen, von dem ICH meine, dass es richtig sei. Wenn ich Wut und Unzufriedenheit lese, kann ich sie nur wahrnehmen. Verändern kann ich sie nicht. Dazu muss der oder die Wütende schon selbst sorgen in der angemessenen Zeit. Und die ist nun mal bei jedem unterschiedlich.

    Ich hätte lange Zeit jedem den Hals umdrehen mögen, der mich co-abhängig genannt hat, weil ich davon überzeugt war, es nicht zu sein. Pustekuchen! Augenwischerei meinerseits war es, weil ich den Fokus auf alles mögliche gerichtet habe, nur nicht auf das, auf das es ankam. Wie ein nasser Alki hatte ich für mein Verhalten immer wieder schlüssige Erklärungen, die meine Co-Abhängigkeit widerlegen sollten. Meine Aktivitäten, die Stückchen eigenes Leben, die ich mir so nach und nach erobert hatte und die Zeiten, in denen ich „meinen Alki“ provokativ links liegen ließ, sollten darlegen, dass ich alles andere als co bin. Aber sie waren nur im Außen. Im Innern, als ich irgendwann ehrlich mit mir umging, stellte ich fest, dass sie nur die Zeit überbrücken sollten, bis „er“ endlich so war, wie er für mich sein sollte.

    Inzwischen lass ich ihn längst sein, wie er ist. Mit dem Ergebnis, dass er Sachen mit mir unternimmt, von denen er weiß, dass ich sie mag und solche lässt, die er selbst nicht mag oder die nicht in seinen Zeitplan passen. Und ich kann zufrieden mit mir selber leben, ohne dass ich meine Energie dafür verschwende, zornig über die Tatsache zu sein, dass er nicht so „funktioniert“ wie ich es mir vorstelle. Entspannt und friedlich mein „Ding“ zu drehen und zu tun, weil meine eigenen Dinge und mein Umgehen damit, die einzigen sind, die ich kontrollieren und verändern kann.

    Und jetzt werde ich ganz entspannt ins „Regenzimmer“ tappern und mir die Reste der Nacht von der Haut duschen.

    Nicole : Vielen Dank für die Geburtstagswünsche.

    LG
    Ette

    Im Schmerz von gestern liegt die Kraft von heute.
    ("Handbuch des Kriegers des Lichts" v. P.Coelho)

  • Guten Morgen,

    gestern Abend hatte ich ein interessantes Gespräch. Es stand die Frage im Raum, woran wir merken, dass wir uns lebendig fühlen und wann wir das Gefühl haben, zufrieden zu leben. Seltsamerweise äußerten die meisten Anwesenden, dass sie dieses Gefühl am stärksten empfinden, wenn sie sich mit Menschen vergleichen, denen es schlechter geht als ihnen selber. Sei es nun gesundheitlich oder wirtschaftlich. Diejenigen, denen es schlechter geht, versetzen also manche Menschen erst in die Lage, dass sie sich ihres doch recht guten Lebens bewusst werden. Nur zwei, drei Leute konnten dieses positive Gefühl ohne den Vergleich empfinden und für sich auch explizit schöne Momente und damit Zufriedenheit schaffen.

    Für mich stellte sich die Frage, was passiert, wenn jemand, der sich nur im Vergleich mit Menschen, denen es schlechter geht als ihm, gut fühlt, wenn er nur noch solchen Menschen begegnen würde, denen es besser geht als ihm?

    Mir fielen dabei wieder die Monate, ja Jahre, meiner tiefsten Co-Abhängigkeit ein. Zeiten, in denen ich mich nur gut fühlen konnte, wenn es auch meinem Alki gut ging. Wenn der schlecht drauf war, ging es mir selber auch grottenschlecht. Und in denen ich auch manchmal dachte, na ja, wenigstens ist er nicht gewalttätig. Diese oder Jene bezieht auch noch Prügel, eigentlich geht’s dir doch gut. Zeiten, in denen ich nicht in der Lage war, aus mir selbst heraus ein positives Lebensgefühl zu entwickeln, sondern mich lieber nach unten verglichen habe, um meinem Leben so etwas Ähnliches wie Qualität abzugewinnen. Auf die, denen es besser ging als mir, habe ich vorsichtshalber nicht geguckt, denn ich hätte es vermutlich nicht ertragen, zu erkennen, dass ich im Grunde gar nicht mein Leben lebte, sondern nur der Satellit meines Alki bin.

    LG
    Ette

    Im Schmerz von gestern liegt die Kraft von heute.
    ("Handbuch des Kriegers des Lichts" v. P.Coelho)

  • Zitat

    Mir fielen dabei wieder die Monate, ja Jahre, meiner tiefsten Co-Abhängigkeit ein. Zeiten, in denen ich mich nur gut fühlen konnte, wenn es auch meinem Alki gut ging. Wenn der schlecht drauf war, ging es mir selber auch grottenschlecht. Und in denen ich auch manchmal dachte, na ja, wenigstens ist er nicht gewalttätig. Diese oder Jene bezieht auch noch Prügel, eigentlich geht’s dir doch gut. Zeiten, in denen ich nicht in der Lage war, aus mir selbst heraus ein positives Lebensgefühl zu entwickeln, sondern mich lieber nach unten verglichen habe, um meinem Leben so etwas Ähnliches wie Qualität abzugewinnen. Auf die, denen es besser ging als mir, habe ich vorsichtshalber nicht geguckt, denn ich hätte es vermutlich nicht ertragen, zu erkennen, dass ich im Grunde gar nicht mein Leben lebte, sondern nur der Satellit meines Alki bin.


    Genauso ging es mir auch! Aber ich sehe das jetzt alles nicht mehr so. Klar, wenn man Leute sieht, dennen es schlechter geht als einem selbst, dann denkt man schon: Mensch, mir gehts eigentlich ganz gut. Aber auch so bin ich oft mit mir selbst zufrieden. Und das ist die Veränderung, die ich das letzte Jahr durchgemacht hab. Mir geht's z. B. gut, wenn ich abends gemütlich mit einem Tee einen schönen Film angucken kann ;) Aber auch dann, wenn ich im Herbst durch den Wald gehe und das Laub rieche, die schönen Blätter sehe und ich mich einfach wohl fühle. Diese Gefühle kannte ich in den Jahren der co-Abhängigkeit nicht. Denn diese waren ausschließlich von den Gefühlen bzw. Launen meines Mannes bestimmt, von denen ich mich immer mehr runterreißen ließ und mich selbst völlig vergessen habe... Das passiert mir nicht noch einmal :)

  • Hallo Ette,

    kann ich in Deiner Gruppe mal Mäuschen spielen? Mir ging Ähnliches durch den Kopf, nicht Gedanken an Menschen denen es schlechter geht,
    nicht Gedanken an Menschen denen es besser geht, sonder warum :

    "ich unterbewusst Negatives von mir gebe, um von meiner Frau gekrault zu werden, statt meinen geraden positiven Weg zu gehen und diesen Krams einfach abzuhacken, das Gegenteil zu tun. Ich muss das mal loslassend ordnen, vielleicht nur mal unkontrolliert oder in Gegenrichtung in mich rein schwimmen und einpaar neue Erfahrungen sammeln."

    Ich fühle mich weniger von irgendwelchen Ex-Dingen gesteuert, die ja in unserem Kopf eingebrannt sind, ich habe eher das Gefühl, mein Sender bringt die falschen Nachrichten und ich denke einfach nur zu viel.

    LG kaltblut

    Sie standen dar und fragten sich warum und nur einer meinte: warum nicht.

  • Lieber Heiß-Kalter,

    wenn du dir in diesem Zusammenhang das Kommunikationsquadrat von Friedemann Schulz-Von Thun genauer betrachtest, wirst du feststellen, dass es nicht unbedingt an DEINEN Signalen liegt, was bei deiner Gesprächspartnerin ankommt. Immer schön sutsche... lediglich bei Selbstgesprächen bist du alleine für die Kommunkation verantwortlich.

    LG
    Ette

    Im Schmerz von gestern liegt die Kraft von heute.
    ("Handbuch des Kriegers des Lichts" v. P.Coelho)

  • Ette

    Zitat

    wenn du dir in diesem Zusammenhang das Kommunikationsquadrat von Friedemann Schulz-Von Thun genauer betrachtest,


    Och, die Bücher "Miteinander reden 1,2" hab ich zufälliger Weise auch *lach* Was kannst du mir denn noch so empfehlen - wir haben anscheinend die gleichen Interessen, was Bücher anbelangt, sei es nun auf psychologischer, esoterischer oder kommunikationstechnischer Ebene ;)

  • Guten Morgen,

    boaaah, was ist mir heute morgen kalt! Die ganze Nacht war die Balkontür auf und nun sitze ich hier und bin am zittern. Das Orange der aufgehenden Sonne sieht heut alles andere als warm aus. Mein Vater ist mir eingefallen, der nach seinen Nachtschichten immer erzählte, dass es morgens, wenn die Sonne aufgeht, am kältesten ist. Ich habs ihm nie geglaubt. Heute morgen schon.

    Ansonsten habe ich im Moment das Gefühl, dass ich ein wenig langsamer treten muss, weil mir zu wenig Zeit für mich bleibt. Aber es gibt einfach zu viele Dinge, die ich gern erledigen möchte. In einigen Wochen habe ich aber noch einmal Urlaub und darauf freue ich mich schon. Vielleicht wird mir auch alles ein wenig viel, weil ich seit Wochen Schmerzen in meiner rechten Hand habe. Die ständige Gegenwart des Schmerzes ist schon ganz schön nervtötend. Nächste Woche will ich endlich noch einmal zum Arzt damit. Allerdings habe ich die Befürchtung, dass der Arm in Gips muss und das wäre natürlich fatal. Keiner da, der dann unterstützend tätig sein kann, wenn ich gehandicapt bin. Da zeigen sich dann die weniger schönen Seiten des Single-Daseins. Da es aber sicherlich noch mehr Menschen gibt, die mit solch einer Situation umgehen müssen, werde ich es wohl auch schaffen.

    @Ayki: Wenn du ähnliche oder gleiche Bücher liest wie ich, hast du mir immerhin 22 Jahre voraus in einer Entwicklung, die ich relativ spät machte. Mir hat auch die Aufstellung meines Inneren Teams geholfen, mit meinen Eigenheiten umzugehen und sie tut es noch immer. Schulz-Von Thun hat darüber auch ein Buch geschrieben. Die Arbeit mit dem Inneren Team heißt es wohl. Ich habs verliehen, so kann ich den Titel nur in etwa schreiben. Ich habe ein großes Plakat, auf dem ich die verschiedenen „Mädels“ in mir benannt habe und mir immer wieder vor Augen führen kann, wer denn grad wieder am Agieren ist. Vielleicht hilft es dir auch.

    LG
    Ette

    Im Schmerz von gestern liegt die Kraft von heute.
    ("Handbuch des Kriegers des Lichts" v. P.Coelho)

  • Hallo Ette,

    Zitat

    Mir fielen dabei wieder die Monate, ja Jahre, meiner tiefsten Co-Abhängigkeit ein. Zeiten, in denen ich mich nur gut fühlen konnte, wenn es auch meinem Alki gut ging. Wenn der schlecht drauf war, ging es mir selber auch grottenschlecht.

    Ich habe gerade eine Passage in einem Heftchen zur Co-Abhängigkeit zu diesem Thema gelesen. Darin stand, dass es dem Co gut geht, wenn der Alk nichts trinkt, weil er die Kontrolle über die Lage hat. Trinkt der Partner, geht es ihm schlecht, weil er die Kontrolle über ihn verliert.

    Gruß Apfel

  • Guten Morgen,

    ja, Apfel, genau das ist das Prinzip! Wenn der Partner trinkt, dann braucht er uns, dann ist die Gefahr, dass er uns verlässt, relativ gering. Schließlich schaffen wir ihm den Rahmen, damit er das relativ ungeschoren tun kann. Deshalb lassen wir uns immer wieder einlullen und erzählen uns und anderen, dass wir ihn grenzenlos lieben (was in gewisser Weise stimmt, weil wir UNSERE Grenzen verlieren), dass wir ihn in seiner Krankheit nicht verlassen, ihm helfen wollen. Dabei geht es nur darum, die Kontrolle zu behalten, damit wir nicht verletzt oder verlassen werden und uns etwas wert fühlen.

    Wenn er nicht mehr trinkt, haben wir quasi keine Daseinsberechtigung, denn wir glauben nicht, dass wir geliebt und angenommen werden, wenn wir einfach wir selber sind. Wenn er nicht mehr trinkt, braucht er uns womöglich nicht mehr und stellt fest, dass er allein, ohne uns, auch ganz gut klarkommt. Wir haben das womöglich so gelernt, als wir noch recht klein waren. „Wenn du nicht das und das tust, hat Mami dich nicht mehr lieb.“, den Satz kennt vielleicht der Eine oder die Andere. Und genauso leben wir mit unserem Alki. Wir lassen uns viel gefallen, tun und machen für andere, weil wir denken, wir werden nicht geliebt, wenn wir unsere eigenen Interessen vertreten, unsere eigenen Bedürfnisse anmelden.

    Wir haben gelernt, stark zu sein, stark genug, auf Alle einzugehen, nur nicht auf uns selber. Denn wenn wir unsere eigenen Belange in den Fokus nehmen, laufen wir Gefahr, verlassen zu werden, denken wir. Und jemand, der trinkt, ist nun einmal mehr von unserer Fürsorge abhängig als jemand, der sein Leben selbst in die Hand nimmt. Wir haben die Kontrolle darüber, was passiert, wenn jemand nicht unbedingt Herr seiner eigenen Sinne ist und Alkis bieten hier in der nassen Phase nun mal einen idealen Resonanzboden dafür. Deshalb weigern wir uns so lange, die Wahrheit zu sehen.

    LG
    Ette

    Im Schmerz von gestern liegt die Kraft von heute.
    ("Handbuch des Kriegers des Lichts" v. P.Coelho)

  • Guten Morgen allerseits,

    irgendwie bin ich zeitmäßig heute mächtig durcheinander, renne von einer Uhr zur anderen und gucke, wie spät es nun eigentlich wirklich ist. Und vor allem will ich natürlich wissen, ob ich die Stunde mehr Schlaf, auf die ich mich schon im März gefreut habe, auch wirklich genutzt habe. Ich glaube, das hab ich geschafft.

    Geschafft war ich aber auch von der vergangenen Woche, die mir ziemlich viel Stress und schwere Gedanken gebracht hatte. Vor allem über Prävention habe ich sehr viel nachgedacht. Weil sie etwas ist, was ich in erster Linie mit Dingen in Verbindung bringe, die schlecht für mich sind. Gewalt, Krankheiten, Drogen, Alkohol, Krieg, das sind so die ersten Sachen, die mir einfallen bei Prävention. Und dann die Aussage eines Menschen, die mich mit offenen Mund verständnis- und wortlos dasitzen ließ. Denn hier ging es um eine Art „Etteprävention“.

    Ich habe mich sehr verletzt gefühlt, quasi in die Liste all der schlimmen Dinge eingereiht zu werden, vor denen man sich hüten muss und Vorkehrungen trifft, nicht von ihnen betroffen zu werden. Meine Gedanken wirbelten durcheinander und ich fühlte mich sehr daran erinnert, wie es früher einmal war. An eine Zeit, wo ich die „Schuld“ hatte, wenn etwas nicht richtig lief und „mann“ trinken musste. Und es machte mich wütend, dass ich mich davon so treffen ließ.

    Es hat eine ganze Zeit gedauert, bis ich mich mit dem Gedanken vertraut machen konnte, dass jemand das Empfinden hat, dass ich nicht gut für ihn sei und deshalb Präventionsmaßnahmen ergreift. Letztendlich ist es aber etwas, was ich selbst für mich auch in Anspruch nehme. Ich habe keinen Kontakt mit Menschen, die mir nicht gut tun. Also hat jeder andere genauso das gleiche Recht, dies zu tun und auch zu formulieren. Meine Aufregung und Verletzung darüber sind mein Ding, nicht seins.

    Allerdings machen solche Gedanken gerade bei so grau-trüben Herbsttagen, wie die letzten waren, nicht unbedingt himmelhochjauchzende Gefühle. Und es war schon ein ziemliches Angehen, mich daraus hervorzuarbeiten. Für gestern hatte ich mir deshalb einen kleinen Ausflug vorgenommen, um mir schon einmal mein Weihnachtsgeschenk zu besorgen. Eine schmale, dunkle Schönheit mit wunderschönem Klang. Na, die Nachbarn werden sich freuen!

    Am Abend dann, als es relativ früh dunkel wurde, habe ich mich entschlossen, endlich zu akzeptieren, dass es Herbst ist und meine Aktivitäten dahingehend gestaltet. Warmes Kerzenlicht, ein Duft nach Zimt und ein wunderschönes, heißes Bad, mit dem Aroma von Kokos und Vanille haben mich mit der dunklen Jahreszeit und all den Dingen, die oftmals belastend in meine Tage und Gedanken dringen, versöhnt. Heute Morgen scheint nun auch die Sonne wieder und ich werde gleich die Laufschuhe schnüren und mich auf meine Runde machen, um die allerletzten traurigen Gedanken Schritt für Schritt loszulassen.

    LG
    Ette

    Im Schmerz von gestern liegt die Kraft von heute.
    ("Handbuch des Kriegers des Lichts" v. P.Coelho)

  • Guten Morgen,

    heute ist also wieder Montag. Wie einen Berg empfinde ich die Woche, die vor mir liegt, weil ich weiß, dass sie hart wird. Aber Tag für Tag werde ich sie schon auf die Reihe bekommen.

    Gestern beim Laufen war ich so in Gedanken versunken, dass ich glatt eine Abzweigung übersehen habe und wieder ein Stück zurück musste. Zulassen, loslassen, sein lassen ging mir durch den Kopf, weil ich das Gefühl habe, dass ich etwas sehe, was der Mensch, den es betrifft, nicht sehen will oder kann. Vorsicht, Ette, Rückfall – schoss es mir ein paar Mal durch den Kopf. Stimmt, Rückfall! Jeder muss für sich selber sehen, was ihm gut tut oder nicht. Und wenn ich sehe, dass etwas nicht gut tut, weil es der Andere so zeigt, kann ich nur zusehen – solange, bis der Andere die Kraft hat, es für sich selber zu sehen und anzunehmen. Es ist nicht meine Aufgabe, ihn darauf zu stoßen. Und doch juckt es, es zu tun und ich kann mich nicht immer bremsen, dann zu sagen, was ich denke.

    Wenn ich meinen „Ex“ treffe, funktioniert das recht gut. Ich habe akzeptiert, dass wir nicht zusammen leben können, weil unsere Bedürfnisse zu unterschiedlich sind. Es gibt ein paar Dinge, die funktionieren gut, wenn wir sie zusammen tun, aber sie wären nicht ausreichend, eine Beziehung zu führen. Es sei denn, ich würde all das wegpacken, was ich mir in einer Beziehung wünsche. Es wäre eine Art Wohngemeinschaft, wenn wir zusammen wären. Jeder wüsste, was der Andere mag oder nicht, schließlich kennen wir uns nun schon etliche Jahre. Wir haben Sympathien füreinander und Zuneigung, aber zu unterschiedliche Vorstellungen vom Zusammenleben.

    Es hat lange gedauert, bis ich mir das ehrlich eingestanden habe. Immer und immer wieder habe ich versucht, ihn davon zu überzeugen, dass es die richtige Art ist, Beziehung zu leben, wie ich es mir wünsche. Aber es ist eben nur für mich die richtige Art. Ich kann ihm sein Anderssein noch so lassen, mir wird immer etwas fehlen. Wenn ich ihn sein lassen will, muss ich meinen Glauben an eine Beziehung mit ihm loslassen. Es ist kein Versagen, wenn ich das einsehe. Im Gegenteil, ich habe das Gefühl, seit ich akzeptiert habe, dass wir unterschiedliche Wünsche und Vorstellungen haben und dazu gestanden habe, bin ich ruhiger und „unangestrengter“ geworden. Aber davor war noch die Anstrengung der Veränderung, das Lernen, alleine klarzukommen und ich glaube, die Angst davor war der Grund, warum ich solange festgehalten habe.

    Puuhhh.... immer und immer wieder geht mir das Thema durch den Kopf. Immer und immer wieder muss ich wachsam sein, weil sich die Helfer-Ette in den Vordergrund drängelt. Co ist nun mal nicht weg, wenn der Alki nicht mehr trinkt.

    LG
    Ette

    Im Schmerz von gestern liegt die Kraft von heute.
    ("Handbuch des Kriegers des Lichts" v. P.Coelho)

  • Hi Ette,

    was geht denn da? Bei uns sagt man: dem ein sing Ühl es dem andere sing Nachtigal. Wir bleiben unser Leben lang irgendwas, ob das Co ist, Rückfall oder gut Gemeintes, oder Mutterinstinkt oder oder oder, ich denke das ist etwas ganz Normales und sich um andere
    Gedanken zu machen auch. Welches Problem hast Du jetzt Deine Gedanken auszusprechen?

    Spielst du eigentlich Schach? Schachspieler denken viele Züge Ihrer Gegner im Voraus. Schacos kenne ich trotzdem nicht, also mach Dir mal keinen Kopf, Du bist dafür schon viel zu lange auf einem gesunden Weg.

    LG kaltblut

    Sie standen dar und fragten sich warum und nur einer meinte: warum nicht.

  • Kaltblütiger,

    richtig, Schach setzt voraus, dass ich die Züge des Gegners mitdenke, um darauf reagieren zu können. Wenn ich aber FÜR mein Gegenüber denke, dann hat das nichts mit Strategie zu tun, sondern ist für mich rückfällig sein. Das passiert leicht, wenn ich mich selbst schwach und überfordert fühle. Denn in der scheinbaren Lösung fremder Probleme kann ich wieder angebliche Stärke beweisen, die mir in der Bewältigung meiner eigenen Probleme fehlt.

    LG
    Ette

    Im Schmerz von gestern liegt die Kraft von heute.
    ("Handbuch des Kriegers des Lichts" v. P.Coelho)

  • Guten Abend,

    obwohl – gut waren weder die Morgen noch die Abende in den letzten Tagen wirklich. Jeder Tag liegt sehr anstrengend vor mir und ich muss mich sehr, sehr zusammenreißen, um ihn über die Runden zu bekommen. Abends fühle ich mich ausgelaugt und angestrengt. Vielleicht zeigt die dunkle Jahreszeit ihre Wirkung, vielleicht habe ich mir aber auch einfach zu viel zugemutet in der letzten Zeit und vergessen, richtig auf mich zu achten.

    Heute habe ich dann einfach die letzten zwei Stunden Arbeit sausen lassen und bin nach hause, wo ich mich aber auch nicht recht wohl und zufrieden fühlte. So ein Verlassenheitsgefühl überkam mich und ich hatte Angst, in meiner Traurigkeit zu versinken. Also hab ich mich gerafft und einem Freund gesagt, dass es mir nicht so gut geht. Für ihn war es überhaupt kein Problem, mir einen Kaffee zu kochen und mir sein Ohr zu leihen, damit ich es ihm abquatschen konnte. Als ich danach zu hause war, dachte ich, dass ich im Großen und Ganzen ja doch Glück habe, weil es Menschen gibt, die da sind, wenn es mir schlecht geht. Es tut manchmal einfach gut, schwach sein zu dürfen und zu wissen, es ist jemand da, der dann für mich Zeit hat und mich auffängt.

    Viel zu oft begegnen mir schließlich Menschen, die nur meine starke Seite annehmen und nicht damit umgehen können, dass ich, genau wie jeder Mensch, auch einmal Unterstützung und „Streicheleinheiten“ brauche. Sicherlich bin ich selbst dafür verantwortlich, dass es mir gut geht. Aber manchmal übersteigt es einfach meine Kraft, dies aus mir selber zu schaffen und dann brauche ich Unterstützung. Geben und nehmen – wenn ich dann mal nehmen müsste, weil es einfach erforderlich ist, trennt sich die Spreu vom Weizen......

    LG
    Ette

    Im Schmerz von gestern liegt die Kraft von heute.
    ("Handbuch des Kriegers des Lichts" v. P.Coelho)

  • Ist doch völlig normal so etwas. Das gehört zum Leben dazu. Es gibt schlechte Tage, dann folgen auch wieder gute usw. Kopf hoch, das wird schon wieder ;)

  • Guten Morgen Ayki

    und danke für deinen Trost. Klar, es gibt nicht nur gute Tage, wenn es aber ein paar am Stück waren, die sich nicht so gut anfühlen, gehts manchmal über meine Kraft, alleine damit fertig zu werden. Aber das muss ich ja auch nicht. Es ist der Anspruch, der angelernte, alles alleine schaffen zu müssen, der dann wieder hochkommt. Dann sind für mich schon Menschen als Reflektor wichtig, damit ich andere Sichtweisen meines "Downs" erfahre und es sich ein wenig relativieren kann.

    Nach einer ruhigen, erholsamen Nacht wie der letzten, sieht es dann heute morgen wieder ein wenig heller aus, obwohl es draußen noch dunkel ist. Heute werde ich also wieder mehr auf das Helle als auf die Wolken achten.

    LG
    Ette

    Im Schmerz von gestern liegt die Kraft von heute.
    ("Handbuch des Kriegers des Lichts" v. P.Coelho)

  • Guten Abend allerseits,

    ja, doch, es ist ein guter Abend nach einem angenehmen Tag. Auch wenn überhaupt nichts Gravierendes geschehen ist, fühle ich mich trotzdem wohl und zufrieden.

    Heute Vormittag ging es mir nicht immer so. Im Gegenteil! Ich war verabredet mit einer Frau aus meiner realen SHG, die ebenso wie ich, co-abhängig ist und die ich seit ca. 3 Jahren kenne. Seit kurzem, als alles eskalierte in ihrer Beziehung, versucht sie nun, sich aus ihrer Co-Abhängigkeit zu befreien. Sie hatte mir schon einmal gesagt, dass ich teilweise knallhart in meinen Aussagen wäre. Trotzdem hatte sie mich angerufen, um sich mit mir zu verabreden. Als sie eintraf in dem Lokal, in dem wir zum Frühstück verabredet waren, hatte ich die erste halbe Stunde Pause. Ich brauchte nichts zu sagen, denn sie bestritt die Unterhaltung alleine. Je mehr sie redete, desto mehr sah ich mich, quasi im nachhinein, in einem Spiegel. Sie war mir so ähnlich! Sie war wie ich früher war!

    Es war für mich erschreckend, festzustellen wie vereinnahmt und bevormundet ich mich fühlte, denn wahrscheinlich hatte sich mein „Ex“ seinerzeit genauso gefühlt. Und so wie sie nur ein Thema hatte, ihren Typen, so konnte ich mich erinnern, dass es zeitweise für mich nur ein einziges Thema gegeben hatte. Irgendwann sagte ich ihr dann, dass ich für die nächste halbe Stunde nichts mehr von ihrem Mann hören wolle, ich aber neugierig darauf sei, wie sie sich ihre nähere Zukunft vorstellte. Erst dann war ein Dialog möglich. Ich hatte aber im nachhinein noch ein schlechtes Gewissen über mein damaliges Verhalten. Denn mit diesem Verhalten war ich Teil des „Systems“ gewesen. Ich denke nicht, dass ich damit unbedingt ein Grund war, dass „er“ wieder trank, aber er hatte es sicherlich schwer, sich gegen mich und meine Betüttelei zu behaupten.

    Als ich zu hause war, musste ich mir diese doch nicht ganz einfach Erkenntnis erst einmal „weglaufen“. Also die „schnellen Schuhe" geschnürt und ab durch die Botanik, in der Herr Malermeister Herbst bereits ganze Arbeit geleistet hatte. Leuchtendes Gelb, glühendes Rot und wunderschöne Orange- und Brauntöne schmücken die Bäume, dass es eine wahre Pracht ist. Bei einer Hecke, deren kleine Blätter in den Farben eines furiosen Sonnenuntergangs leuchteten, kam mir der Gedanke, dass der Herbst auch eine Art Sonnenuntergang sei – ein „Sommeruntergang“ quasi, der noch einmal aufglüht, bevor der kalte, kahle Winter Einzug hält. Und manchmal ist eine Erkenntnis auch eine Art Winter, durch wir erst durchmüssen, bevor wir wieder, ganz frühlingshaft, neue, frische Wege gehen können.

    LG
    Ette

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    ("Handbuch des Kriegers des Lichts" v. P.Coelho)

  • Guten Abend ihr Lieben,

    ich hoffe, ihr hatte einen halbwegs angenehmen Tag. Meiner war anstrengend. Viel Input in einem Affenzahn. Heftig, denn graue Zellen unter ebensolchen Haaren sind nicht mehr ganz so fix. Aber fix und fertig bin ich heute Abend trotzdem nicht und werde gleich noch einen schönen Spaziergang machen.

    Heute morgen, als ich im Bus saß, hatte ich wieder einige Zeit, nachzudenken. Vor allem über die Liebe – wieder mal. Denn meine Verabredung gestern hatte mir auch wieder viel von der ach so unsterblichen Liebe zu ihrem Mann erzählt, und dass sie es manchmal fast nicht aushalten kann, dass er nicht mehr bei ihr lebt. Wo bleibt eigentlich all die Liebe, die uns so alles verzeihend und alles verleugnend in der Beziehung mit einem abhängigen Partner hält? Wenn ich so im Co-Bereich lese, scheint sie mir irgendwann in Luft aufgelöst.

    In meiner realen Gruppe habe ich das vor einiger Zeit zum Thema gemacht und es hat mich sehr nachdenklich gemacht, was aus der so unsterblichen Liebe wird. Mir drängte sich der Eindruck auf, dass es oftmals eher Gewohnheit, Bequemlichkeit und Angst vor dem Alleinsein und finanzielle Unsicherheit ist, die dazu beiträgt, dass sich immer und immer wieder alles Mögliche gefallen lassen wird. Das Haus, das bei einer Trennung verkauft werden müsste, oder all das Geld, das schon in die Beziehung geflossen ist. Den Anspruch, für die Erziehung der Kinder nicht alleine verantwortlich sein zu wollen oder die Tatsache, lange aus dem Beruf zu sein und deshalb womöglich auf Unterstützung vom Amt zurückgreifen zu müssen. All das waren Beweggründe, die da plötzlich auf den Tisch kamen.

    Es heißt dann so kurz nach der Trennung oft, das noch so viele Gefühle da wären. Klar, Angst vor Verlassenheit, finanzielle und somit Existenzangst, Wut und sich ungerecht behandelt fühlen, sind auch Gefühle. Aber die werden erst viel später formuliert. Am Anfang zerreißt es jeder und jedem das Herz, weil die Liebe so grenzenlos ist.

    Da saß ich heute morgen im Bus und mir wurde bewusst, dass niemand da ist, der auf mich wartet, wenn ich abends nach hause komme. Niemand, um den ich mich kümmern muss, um den ich mich sorge. Und doch hatte ich ein Gefühl von Liebe. Ich kann es gar nicht genau festmachen, wofür oder für wen ich sie empfand. Es gibt so zwei, drei Menschen die mein Herz weit und warm werden lassen, wenn ich an sie denke. Auch wenn ich nicht jeden Tag, jede Stunde weiß, was sie tun oder wo sie sind. Die ich vielleicht noch nicht mal so sehr oft sehe, aber für die ich trotzdem Liebe empfinde. Eine Liebe, die nicht zehrt und zerreißt und mich jammern lässt. Vielleicht, weil ich weiß, dass ich nicht untergehe, wenn ich alleine bin. Im Gegenteil, ich fühle mich lebendiger, seitdem ich das zufriedene Alleinsein für mich entdeckt habe.

    Mich kümmern und sorgen – das tu ich jetzt für mich. Vorhin, in der Schulung, der Dozent hatte nicht genau gesagt, wann wir fertig wären, sagte ich einfach, dass ich jetzt müde wäre und nicht mehr aufnahmefähig. Da meinte der Typ, in 10 Minuten seien wir fertig. (Wahrscheinlich hat der bloß drauf gewartet, dass endlich jemand sagt, es wäre genug.) Früher hätte ich mich das aber gar nicht getraut. Da hätte ich mich weiter gequält ohne etwas zu sagen. Ich glaube, das ist auch Liebe – zu mir selber. Das fiel mir dann heut im Abend Bus ein.

    LG
    Ette

    Im Schmerz von gestern liegt die Kraft von heute.
    ("Handbuch des Kriegers des Lichts" v. P.Coelho)

  • Hi Ette,

    könnte der Fleckentferner auch so was in der Richtung sein?

    Alk = Droge des abhängigen Alkoholikers, Alk weg und was da produziert wird, trocken gedacht, vieles wieder OK.
    Liebe = Droge des Co, Liebe weg oder was immer sie in unserem Hirn produziert, irgendwie wie trockene Liebe denken oder so, vieles wieder OK, auch in uns, weil dann da was anderes produziert wird, eben für uns selbst.

    LG kaltblut

    Sie standen dar und fragten sich warum und nur einer meinte: warum nicht.

  • Karl,

    ja, kann sein, dass dies so eine Art Fleckentferner ist. Für mich war und ist es wichtig, dass ich das alleine leben genießen kann. Das war ein Lernprozess. Ich konnte nicht alleine sein und hab gedacht, dass ich vergehe, wenn keiner da ist. Für Liebe hab ich gehalten, was meine Verlassensangst war. Ein ziemlich blinder Fleck war das. Ein paar andere hab ich auch noch gefunden in der "Einsiedelei". Es geht aufwärts.......

    LG
    Ette

    Im Schmerz von gestern liegt die Kraft von heute.
    ("Handbuch des Kriegers des Lichts" v. P.Coelho)

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