Hallo zusammen,
vorgestellt habe ich mich "Wer ist Wer-Forum" schon vor einiger Zeit. Auch in diesem Forum habe ich schon mal einen Thread eröffnet, allerdings handelte es sich dabei eher um eine einzelne Frage.
Ich möchte mich und mein Alkoholproblem an dieser Stelle noch mal etwas ausführlicher darstellen und diesen Thread dann auch dazu nutzen über meine Gefühle, Probleme und Fortschritte regelmäßig zu berichten. In den letzten Wochen war ich in erster Linie als lesender Gast hier unterwegs.
Ich bin 27 Jahre alt und derzeit arbeitslos. Seit ich ungefähr 15 bin, habe ich ein stetig steigendes Alkoholproblem, von dem ich im Prinzip schon mit spätestens 18 wusste, dass es ein Problem ist. Als Jugendlicher trank ich aus Langeweile (ich hatte keine Hobbies und kaum Interessen ausser Alkohol) meist schon nach der Schule 3-8 Flaschen Bier, am Wochenende natürlich noch mehr. Nach der Schule ging das ganze dann während des Zivildienstes weiter, ebenso in den ersten Studiensemestern. Seit 2000 habe ich jedes Jahr Trinkpausen eingelegt (in der Regel zwischen 5-25 Wochen) um mich und mein Gewissen zu beruhigen, was auch gut geklappt hat, da ich auch nach monatelangem, täglichen Alkoholkonsum keinerlei Entzugserscheinungen hatte. 2001 und 2004 hatte ich nach vorzeitigen Abbrüchen meiner selbstauferlegten Trinkpausen erste Depressionen, wohl weil ich merkte, dass ich dem Alkohol immer ohnmächtiger gegenüberstand. Sinnkrisen und die berühmte Suche nach dem Sinn im Leben (weniger in meinem eigenen Leben, mehr der allgemeine Sinn) machten mir das Nüchternsein immer schwieriger. Trotz der Diagnostizierung einer Fettleber im Jahr 2004 trank ich weiter.
Ende 2006 kündigte ich meinem Arbeitgeber wegen unüberbrückbarer persönlicher Differenzen (Alkohol spielte hier ausnahmsweise keine Rolle). In den Wochen darauf ging es mir so gut wie lange nicht: Ich schlief aus, kümmerte mich jeden Tag ein bisschen um den Haushalt, schrieb täglich 1-2 Bewerbungen, ging zum Training (ich betreibe Leichtathletik auf gehobenem Hobby-Niveau) und trank dann abends meine 2-3 Liter Bier.
Arbeiten gehen wollte ich zwar schon wieder (alleine aus finanziellen Aspekten), wäre aber durchaus froh gewesen, nicht so schnell einen Job zu bekommen. Mitte Januar 2007 trat ich dann nach 10 Wochen der Arbeitslosigkeit einen neuen Job an. Am 2. Januar beendete ich wieder mal das Trinken und hatte dieses Mal aber einen anderen Vorsatz: Ich wollte diesmal keine Trinkpause machen, sondern wirklich aufhören. Ich wollte trocken werden. Dazu habe ich mich viel im Internet informiert, hier im Forum gelesen und auch mit dem Gedanken gespielt, in eine Selbsthilfegruppe zu gehen, was ich dann aber aus Bequemlichkeit nicht gemacht habe.
Anfang März hatte ich einen insgesamt 10-Tage andauernden Rückfall, der mich in tiefe Verzweiflung gestürzt hat und durch den ich meine junge Stelle verloren habe. Der Rückfall hat sich etwa 2 Wochen lang angebahnt, nachdem mir mein Leben immer trostloser und monotoner vorkam. Ich war ständig am Grübeln, mir machte nichts mehr wirklich Freude. Jeden Tag aufstehen und in eine stinklangweilige Arbeit gehen, war mir ein Greuel, zuhause vor dem Fernseher sitzen aber auch.
Nachdem ich die ersten drei Tage meines Rückfalls noch "moderat" trank und zur Arbeit ging, erlitt ich am 4. Tag eine Art Nervenzusammenbruch nach der Arbeit, fühlte mich völlig verängstigt und in einer surrealen Welt, kaufte mir 8 Bier und schrieb nach der 4. Flasche eine Mail an meinen Arbeitgeber, dass ich schwer krank bin und deshalb in den nächsten Monaten nicht zu gebrauchen sei, was der Wahrheit entsprach, weil ich echt kurz davor war, psychisch völlig zusammenzubrechen.
Noch während meines Rückfalls wurde mir der volle Ernst meiner Lage immer mehr bewusst, weshalb ich schließlich die örtliche Suchtberatung aufsuchte. Seitdem befinde ich mich dort wochentags täglich für eine Stunde in einer betreuten Gesprächsrunde. Diese "Tagesgruppe" kann man max. 4 Wochen besuchen, dann sollte klar sein, wohin die weitere Reise geht. Seit ich in die Gruppe gehe bin ich wieder nüchtern (ich weiß das "trocken" hier der falsche Ausdruck wäre). Heute bin ich seit genau 3 Wochen wieder nüchtern und plane demnächst eine ambulante Therapie zu machen. Diese werde ich voraussichtlich Dienstag nächste Woche in Absprache mit der Leiterin der örtlichen Suchtberatung beantragen.
In den letzten 2 Wochen habe ich hunderte Seiten (keine Übertreibung) im Internet besucht, die sich mit dem Thema Alkohol befassen und fühle mich jetzt doch schon sehr gut informiert.
Ich lebe zusammen mit meiner Freundin die so gut wie nie Alkohol trinkt und gerne auf das bisschen auch noch verzichtet, wenn ich sie darum bitte. Auch meine Freunde (alle von meinem Hobby, dem Sport) trinken sehr selten Alkohol, sodass ich in meinem direkten sozialen Umfeld wenig Probleme sehe, die bei mir einen Rückfall bewirken könnten. Bei einer kritischen Selbstanalyse muss ich feststellen, das ich hauptsächlich alleine getrunken habe und das aus Langeweile oder weil ich völlig abschalten wollte.
Mein Ziel lautet ein glückliches und zufriedenes Leben ohne Alkohol zu führen und ich bin dankbar für jeden der mir antwortet. Vor allem interessiert mich, wie es dem einen oder anderen psychisch in der Entwöhnungsphase gegangen ist, und wie ihr in dieser Phase gelernt habt, euch wieder über die kleinen alltäglichen Dinge zu freuen, was mir momentan nicht gelingt.
Herzlichst,
Blizzard