• Hallo,

    wie schon in der Vorstellung geschrieben, ist durch den Tod meiner Mutter vor ca. einem Jahr, sie ihr Leben lang Alkoholikerin, meine Vergangenheit noch einmal an mich herangerückt.
    Ich mache seit einem Jahr eine Therapie, die jetzt noch mal ein Jahr lang gehen wird.
    Ihr Tod, dem eine Krebserkrankung voranging, hat mich stark erschüttert. Trotz der Alkoholkrankheit hatte ich ein sehr gutes Verhältnis zu ihr. Doch nun, wo sie nicht mehr lebt, kommen auch die negativen Teile wieder hoch.
    Sie war Spiegeltrinkerin und der absolute Höhepunkt des Konsums war während meiner Kindheit, als mein Vater noch lebte. Es gab viele Konflikte und Auseinandersetzungen. Meine Mutter benutzte den Alkohol, um ihre Aggressionen auszuagieren, ansonsten war sie eine sehr nachgiebige und friedfertige Frau.
    Das wurde nicht besser. Schließlich nahm sich mein Vater das Leben. Er war kein Alkoholiker. Ich hatte trotzdem kein gutes Verhältnis zu ihm.
    Letztendlich war ich damals in gewissem Maße erleichtert über den Tod, weil damit die Konflikte aufhörten und die Qual. Das ist möglicherweise nicht nachzuvollziehen.
    Gesprochen wurde darüber nicht. Das Thema war tabu. Ich habe allerdings meine Mutter als Jugendliche in Briefform mit der Wahrheit konfrontiert. Es hat sich, außer dass das Trinkverhalten sich gemäßigt hat, nichts geändert.
    Es wurde weiterhin ab vormittags getrunken.
    Ich habe ziemlich viele typische Verhaltensmuster aus dieser Geschichte, wie ich jetzt mehr und mehr bemerke: z.B. keine Ansprüche an andere stellen, übertriebenes Verantwortungsbewusstsein, Zurückstellen der eigenen Gefühle bzw. Ausblenden, Aushalten unangenehmer Beziehungen, Schuldgefühle ohne Ende, Probleme mit Nähe...
    Alles kommt nun hoch. Als meine Mutter noch lebte, war da irgendwie der Deckel drauf. Wir waren normal, nein, die Aussage meiner Mutter war, dass sie früher getrunken hätte. Das wars. Letztendlich wusste ich, dass das so nicht stimmte, habe es trotzdem geglaubt oder diese Lüge akzeptiert. Ich habe nicht gesagt, nein, das ist nicht wahr, du trinkst ja immer noch.
    Was hätte sie gesagt? Sie hätte das als Angriff gewertet. Sie hätte nicht gesagt, o.k. ich brauche das Zeug, es geht nicht anders, ich komme da nicht mehr heraus.
    Was bedeutet das? Ich selbst sehe es als Fehler oder Versagen von mir an, sie nicht mit der Wahrheit konfrontiert zu haben bzw. das Trinken toleriert zu haben.

  • hallo stern,

    ja die wogen haben sich geglättet, sagen wir einmal so. eine rolle spielte sicher auch, dass ich immer ein paar hundert kilometer entfernt gewohnt habe.
    die distanz war mir auch wichtig. irgendeine szene wie aus meiner kindheit habe ich immer gefürchtet wie der teufel das weihwasser, vermieden und nicht unbedingt gesucht.
    damals als jugendliche, als ich auf dem "wahrheitstrip" gewesen bin, konnte ich das nur, weil ich im ausland war, aus der ferne. das ist schwierig genug gewesen. das war ebenfalls ein ausnahmezustand. kräfteraubend.
    ich habe alles geschrieben, an meine mutter, in briefen. sie hat zurückgeschrieben. die briefe habe ich lange, lange nicht mehr hervorgeholt.
    sie hatte damals ehrlich geantwortet. gut, es war dann nicht mehr so schlimm, sie hat sich aber nicht komplett aus der sucht befreit.
    allein schon diese briefe zu lesen, kostet mich anstrengung. und es sind nur briefe.
    du schreibst von stärke, die bei mir durchklingt, diese stärke, war auch schon thema in der therapie, hat sich ja bei mir zwangsläufig entwickelt.
    das funktioniert bei mir unter schlechten bedingungen erstaunlich gut.
    zum beispiel hatte ich neulich eine arbeitskollegin gebeten, mir ihren teefilter zu leihen. das passierte drei oder vier mal, weil ich noch keine neuen papierflter besorgt hatte. sie äußerte ihr erstaunen darüber, dass ich etwas von ihr nehme oder brauche. so nach dem motto, ich hätte doch sonst immer alles und bräuchte niemanden zu fragen.
    genau so ist es. ich habe gelernt mit allem alleine ohne fremde hilfe klar zu kommen. in den entscheidenden situationen als kind gab es ja auch keine hilfe. ich hätte nicht zu anderen erwachsenen gehen können, nachbarn, lehrer und sagen können: hallo, ich hab da mal ein problem, meine eltern und so weiter. da war eher die unbewusste haltung: na, hoffentlich bekommt das keiner mit, wie schlimm das bei uns zu hause ist.
    ich habe immer gedacht, weil ich so vieles alleine bewältige, dass irgendetwas mit mir nicht stimmt. ich finde es selbst nicht ganz in ordnung.
    meine familiengeschichte kannte ich andererseits auch. doch habe ich mich lange zeit vielleicht auch dagegen gesträubt, eine verbindung zu ziehen, von da zu meinen defiziten. ich wollte einfach auch keine defizite haben sondern so sein wie andere auch.

    grüße
    simmie

  • hey simmie

    sorry, zur zeit sind soviele neuanmeldungen, da weiß man gar net wo man schreiben soll, überall findet man etwas, wo man sich wieder entdeckt 8)

    Zitat

    ich wollte einfach auch keine defizite haben sondern so sein wie andere auch.


    das kennst du also auch, naja ich glaub das geht uns allen hier so - anders fühlen, sich nirgends zugehörig fühlen - ging mir sogar nach ca. nem halben jahr im forum so, ich dachte ich pass hier net rein :? - aber wenn ich hier net herpasse, wo denn bitte schön dann???

    eigentlich zieht sich das durch alle lebensbereiche, zumindest bei mir.

    es sind nur briefe??? vielleicht sind sie ja so schwer für dich, weil darin deine mutter ehrlich war - bei persönlichen gesprächen war sie ja das so wie ich das etz verstehe ja net - und die wahrheit is ja meistens net schön :(

    Zitat

    Das ist möglicherweise nicht nachzuvollziehen


    kann mich stern nur anschließen, ich finde das scho nachvollziehbar!

    Zitat

    Ich selbst sehe es als Fehler oder Versagen von mir an, sie nicht mit der Wahrheit konfrontiert zu haben bzw. das Trinken toleriert zu haben.


    du hättest gar nix für deine mutter tun können, absolut null. egal was du gesagt hättest oder getan hättest, solang deine mutter net wollte, hätte sie weitergetrunken. sie hat ihren alk-konsum abgestritten, so nach dem motto "früher aber etz doch nimmi", das allein hört sich sehr danach an, als wollte sie es auch damals noch net wahrhaben, deine worte hätten für streit gesorgt und sie hätte dann evtl heimlicher getrunken - deswegen aber net weniger!

    fühl dich umarmt

  • hallo simmie,

    willkommen in der kinderabtielung :D.

    du solltest dir keine gedanken machen, dass du das trinken deiner mutter tokeriert hast - du hättest sie eh nicht davon abhalten können! und du solltest dir keine schuldgefühle über den tod deines vaters und der entsprechenden gedanken machen. zum einen haben wir alle hier wohl mal unseren eltern den tod gewünscht :oops:, und zum anderen finde ich es verständlich, sich einfach nur zu wünschen, dass die stressfaktoren weniger werden, fast egal wie. und du hast seinen selbstmord ja nicht verursacht.

    naja, und das mit den defiziten... klar haben wir die, jeder von uns kann eins zu eins 1000 unserer "komischen" verhaltensweisen aus dem elternhaus mit einem alki ableiten. das tut zwar auf der einen seite weh, auf der anderen seite erklärt es aber auch vieles und macht den umgang damit leichter. finde ich. nicht in dem sinne, mich auf meinen macken auszuruhen, aber in dem sinne, etwas gnädiger mit mir zu sein.

    wünsche dir hier einen regen austausch.

    gruß

    lavendel

  • hallo,

    vielen dank für die willkommensgrüße.
    ja, ich trage keine schuld daran. trotzdem ist dieses gefühl da, dass ich hätte einfluss nehmen können. vielleicht ein kindergedanke, die sind so, weil ich nicht das richtige tue oder irgendetwas mache ich falsch.

    heute hatte ich wieder ein bezeichnendes erlebnis. es betrifft den punkt des nicht nein sagen könnens. bei der arbeit, es gab ein missverständnis, ich habe daraufhin ein zugeständnis gemacht, bin auf die erwartungen des anderen eingegangen. meine kollegen meinten alle reihum, das sie dies nicht getan hätten. ich jedoch hätte da nie nein sagen können. warum nicht?
    ich kann nur schwer mit der enttäuschung von anderen aufgrund meines verhaltens leben, oder mit dem, was ich als enttäuschung annehme.
    ich möchte andere nicht frustrieren und gehe daher vorschnell auf ihre wünsche ein. dabei habe ich gleichzeitig sehr zwiegespaltene gefühle, weil ich es auch nicht gut finde, dass ich anderen so stark nachgebe und teilweise mitbekomme, dass wiederum andere dieses verhalten nicht nachvollziehen können.

    zweites erlebnis, ich war bei einer freundin, sie kennt meine geschichte. ich hätte eigentlich auch von den neuesten entwicklungen erzählen können. habe ich nicht getan. ich hatte das gefühl, es hätte nicht gepasst, irgendwie hätte es dem abend eine andere färbung gegeben, eine belastung eingeführt.

    was mir jetzt auffällt: bei beiden erlebnissen habe ich mich mit rücksicht auf andere zurückgenommen. das läuft sehr automatisch ab.
    manchmal merke ich, dass da etwas nicht stimmt.
    ich führe dieses verhalten auch auf die familiengeschichte zurück.

    grüße simmie

  • hi simmie

    anscheinend bist du zur zeit dabei deine probleme zu erkennen. ein guter schritt :D

    vielleicht probierst du ja mal über deinen schatten zu springen und mal was für dich zu tun. wie wärs wenn du das mal bei deiner freundin übst?
    es muss nicht sein, dass es dem abend eine andere färbung gibt, wie du es nennst, ich hab scho die erfahrung gmacht, dass ich erzählt hab, was los is, das wurde dann noch ne weile besprochen, aber der abend war dennoch schön. es is ja net so, dass man dann alles die ganze zeit durchkauen muss, wenn ich alles losgeworden bin, gehts mir wieder besser und mir fängt an der abend spaß zu machen - manchmal verblüffend wie aus einem sch... tag doch noch ein wunderbarer tag werden kann.
    deine freundin kennt deine geschichte, sie kann dir zwar net wirklich mit ratschlägen helfen, aber glaubst du sie is net enttäuscht, wenn sie hinterher erfährt, dass dich was belastet, du es aber ihr net gleich sagst? meine freundin war da scho ziemlich stinkig auf mich... dei freundin möchte doch auch wissen, dass du ihr vertraust, das is einfach ein bzw. das zeichen für wahre freundschaft.

    liebe grüße

  • hi,

    über meinen schatten springen ist schön ausgedrückt. damit habe ich jetzt quasi nach dem tod meiner mutter angefangen, ich hatte vorher immer das gefühl, dass ich so einfach nicht schlecht über sie reden kann. also ich assoziierte jemanden als alkoholiker bezeichnen = etwas schlechtes über jemanden sagen.
    das darüber hinwegsehen, verleugnen habe ich also auch für mich so gehandhabt und habe dieses bild auch nach außen transportiert, indem ich bei anderen den eindruck erweckte, dass meine eltern ganze normale eltern gewesen sind.
    außerdem vermittele ich nach außen den eindruck, als sei bei mir alles im lot. wenn ich arbeiten gehe, dann klappt das auch, da lasse ich allen müll hinter mir. im privaten bereich habe ich jedoch selbstzweifel, ängste etc.

    grüßle simmie

  • hi bambue,

    das ist sicherlich die stärke von alki-kindern, trotz alledem gewisse rollen erfüllen zu können. bei mir läuft auch alles super, so weit persönliche beziehungen nicht berührt sind.
    das ist aber nicht so, dass das nur geschauspielert ist.
    ich erkläre mir das so: schon als kind war ich froh, dass es so etwas wie schule, vereine gab, wo für mich nichts schlimmes passierte.
    ich fühlte mich da aufgehoben und geborgen, hatte schulfreundinnen etc. später bei der arbeit war das für mich ähnlich, strukturierte beziehungen, die mir einen halt gaben. das studium + anonymität waren für mich eher ungünstig.
    der preis dafür ist hoch, ausblendung der gefühle, würde ich sagen.
    sich den eigenen gefühlen zu einem späteren zeitpunkt zu stellen, ist unangenehm bzw. bei mir hatte/habe ich das problem, sie überhaupt ernst zu nehmen.

    grüße
    simmie

  • hallo,

    so, es kommt mir ja immer noch schwer über die lippen, dass meine mutter alkoholikerin war.
    aber ich bin jetzt einen schritt weiter, letztes telefonat mit meiner freundin enthielt unter anderem, dass ich sagte, dass ich mich momentan damit auseinandersetze. ich erzähle keine einzelheiten, da habe ich das gefühl, da sage ich dann schreckliche dinge. das ist, weil ich irgendwie ahne, dass die anderen dies als schrecklich empfinden, oder traurig.
    heute nacht habe ich geträumt, dass ich meine mutter regelrecht angebrüllt habe, wegen der trinkerei. sie müsse damit aufhören.
    das habe ich in wirklichkeit nie getan.
    wenn ich das als beziehung betrachte, dann bestand diese auch darin, dass über ein wesentliches problem fast nie geredet wurde. über alles andere ja, das wetter, smalltalk etc.
    in der folge habe ich das problem auch mit anderen, ich komme nur schwer auf eine beziehungsebene.

  • hallo,

    ich finde es auch sehr hilfreich, die geschichten hier im forum zu lesen. gerade habe ich auch "wenn mutti säuft" gesehen, eine doku über zwei töchter von alkoholikerinnen.
    jede geschichte ist immer anders, aber man findet auch immer identische aspekte.
    erst einmal wurde mir sehr deutlich, wie stark das leben von kindern durch alkoholkranke eltern beeinträchtigt ist und wie sehr sie darunter leiden. meine reaktion: wut.
    das schlimme ist, dass es keinen ausweg gibt bzw. man als kind nichts machen kann. noch schlimmer wird es, wenn es keinen ausgleich gibt, freunde, aktivitäten etc.
    in dem einen fall konnte das kind am ende relativ gut damit umgehen oder ließ sich davon nicht mehr so herunterziehen, ich führe das darauf zurück, dass in der familie auch keine heimlichtuerei mehr statt fand, darüber geredet worden war, auch wenn die mutter wieder rückfällig wurde.
    sehr gefährlich fand ich den zweiten fall, wo die mutter ihrer tochter auch schuld an ihrem trinken gab und auch sehr negative sachen zu ihr sagte. diese persönlichen angriffe kenne ich. damit kann man nur schwer umgehen. einmal sagte die tochter, sie sei abgehärtet.
    das ist wohl unausweichlich, kenne ich.
    einen knackpunkt fand ich im ersten fall, die erste phase nach der entgiftung der mutter, quasi das warten auf den rückfall und die ungewissheit. das heißt, es gab keine garantie. das hat für mich als kind auch etwas hoffnungsloses. das vertrauen ist weg.
    obwohl ich oberflächlich betrachtet immer ein gutes verhältnis zu meiner mutter hatte, war auch hier das grundvertrauen nicht da oder gestört durch zahllose enttäuschungen, ein zumindest zwiegespaltenes verhältnis.

    simmie

  • hi simmie

    ich hab die doku auch gesehn und der satz mit dem abgehärtet hab ich mitgekriegt, muss aber dazu sagen, ich hatte nicht den eindruck dass sie es wirklich war - nach außen hin ja, aber innerlich??? sie hat bei dem satz den kopf gesenkt und auf den boden geschaut, ein leichtes grinsen um die lippen, auf mich den eindruck als "spiele" sie nur die starke.

    ist doch oft so bei uns, wir lassen wenig an uns ran, zeigen nicht wie sehr uns manches verletzt, aber wenn wir allein sind, machen wir uns gedanken darum...

    liebe grüße

  • hallo bambue,

    vielen dank für deine freundliche antwort.


    hallo summerdream,

    tja, wirklich abgehärtet, was wäre das? ich kann es ertragen, ohne dass es mir etwas ausmacht. ich stimme dir zu, dass das nur nach außen ist.
    aber sie hätte es ja auch anders ausdrücken können, abgehärtet klingt nach blockade. ich lasse das nicht an mich heran. sie hat das gleiche getan wie das andere mädchen, den alkohol toleriert, nicht weggekippt. was tut man da eigentlich? eigentlich will ich das doch gar nicht. ich will nicht, dass sie trinkt, ich lasse es aber laufen, und das tag für tag.
    abgehärtet ist für mich auch, in sich gefangen zu sein. es gibt keine loslösung, aber ich kann mich davon auch nicht fertigmachen lassen.
    und wenn ich ständig von meiner betrunkenen mutter umgeben bin, wie es bei diesem mädchen den anschein erweckte, dann kommt vielleicht so eine automatische resignation und abgestumpfheit zustande.
    ich habe mich als kind auch irgendwann dafür entschieden, es nicht an mich herankommen zu lassen. das hat natürlich einen preis.
    auch heute noch kann ich in anderen situationen erst einmal vieles abprallen lassen. die wirkung wird dann später im stillen kämmerlein betrachtet.
    als kind habe ich jedenfalls schlechte karten, ich kann mich nicht distanzieren, bin abhängig, emotional wie materiell. je mehr ich mich auf den alkoholkranken elternteil fixiere, desto schlimmer ist es für mich.
    mir haben als kind vor allem außenaktivitäten, so nenne ich es einmal, erleichterung verschafft. diese haben das problem nicht beseitigt, aber sozusagen für entspannung gesorgt, zumindest ab einem bestimmten alter, als jugendliche.

    grüße
    simmie

  • hallo,

    gestern bin ich wieder einmal an meine grenzen gestoßen. ich habe das gefühle, dass ich zu viel mache und tue und dass andere das nie so machen würden, sich so viel aufbürden, sich in so viel schwierigkeiten hineinbegeben, sowohl privat als auch im job.
    meine denkungsart ist, so wie du lebst, wenn sich jemand das von außen ansehen würde, der würde die hände über dem kopf zusammenschlagen: das ist doch kein leben.
    ich habe angst, dass jemand das so sieht.
    dieses sich mit den augen der anderen sehen, verschafft keine guten gefühle, zieht mich richtig herunter.
    das habe ich phasenweise.
    die andere phase ist die haltung, ich selbst kann froh sein, dass ich an dem punkt bin, an dem ich jetzt bin. in richtung der anderen wüte ich dann (innerlich): ich möchte euch mal sehen in meiner situation.
    oder: ich bin eigentlich noch viel zu angepasst.

    ich habe mich immer bemüht, ein normales leben zu führen oder keine fehler zu machen, nirgendwo ins fettnäpfchen zu treten.

    dahinter hängen alte sachen:
    ich wollte auch eine normale familie, ich wollte als kind nicht, dass jemand mitbekommt, wie es wirklich in der eigenen familie ist.

    das setze ich auf mich bezogen fort.

    grüße simmie

  • hi simmie

    Zitat

    ich habe mich immer bemüht, ein normales leben zu führen oder keine fehler zu machen, nirgendwo ins fettnäpfchen zu treten.


    hm... was is denn normal? und gerade wir kinder wissen oft ja gar net, was normal is, wir sind ja das "gewöhnt", wie unsere eltern waren, was sie uns vorgelebt haben. aber ganz ehrlich, normal sein is doch langweilig :wink:

    ich weiß etz net ob das "oder" zwischendrin absicht war oder ob da eigentlich "und" stehn sollte, es gehört ja dazu, dass man fehler macht und auch hat - nobody is perfect! ich denke, anderen kannst du ihre fehler auch verzeihn oder? nur bei dir haste da wohl probleme und ich glaub so einfach wird man das auch net los...

    gönnst du dir denn auch mal freizeit? nen entspannten abend einfach nur mit dir oder mit freundinnen? oder bist du jemand, wo immer beschäftigung braucht? vielleicht um nicht nachdenken zu müssen?

    vielleicht möchtest du ja auch erzählen, inwiefern du an deine grenzen gestoßen bist, also was passiert is. so richtig schlau werd ich etz net draus, du musst es aber nicht erzählen...

    liebe grüße

  • hallo,

    mit den grenzen meine ich, dass ich für andere mache und tue, und dann, wenn ich das von anderen fordere, was ich selbst tue, es nicht bekomme.
    das nenne ich dann an meine grenzen stoßen.

    ja, ich bin sehr beschäftigungswütig, das lenkt mich ab. das hat sich bei mir so festgefahren. außerhalb der betriebsamkeit falle ich leicht in tiefe löcher.


    grüße simmie

  • hallo,

    ich hatte ja in der therapie diese woche auch darüber gesprochen, dass meine mutter nie gesehen hat, welche auswirkungen das trinken auf die kinder gehabt hat.
    ich erkläre es mir jetzt so, dass sie es auch einfach nicht mitbekommen hat. ich hätte es ihr als kind erst einmal erzählen müssen, wie das so ankommt.
    das wurde natürlich nicht thematisiert, zurückkehren zur tagesordnung war dann angesagt, bedeutet jedoch, dass ich mit ganz merkwürdigen dingen alleine zurückblieb.
    das schafft auch innere isolation.
    es kam die frage nach dem warum auf, einer erklärung. ich habe hier jetzt gelesen, es gibt eigentlich in keiner situation einen grund zu trinken, alles ausreden. trotzdem gibt es zum beispiel die aussagen, dass alkikinder eine höhere wahrscheinlichkeit alkoholiker zu werden als nicht alkoholikerkinder. oder was ist, wenn extreme erfahrungen in der kindheit gemacht wurden, destabilisiert das nicht auch, so dass ich anfälliger gegenüber einer suchtkrankheit werde?

    grüße
    simmie

  • hallo simmie

    Zitat

    ich erkläre es mir jetzt so, dass sie es auch einfach nicht mitbekommen hat. ich hätte es ihr als kind erst einmal erzählen müssen, wie das so ankommt.


    ganz ehrlich, meinst du das hätte was genutzt und deine mutter hätte was geändert???
    ich denke auch als laie auf diesem gebiet, sollte man wissen, dass das aufwachsen in einem alkoholikerhaushalt folgen hat - nicht in welchem ausmaß oder welcher art - aber zumindest das es folgen hat.
    viele eltern sagen da ganz gern "du übertreibst, so schlimm is dat doch alles net" :twisted:

    ich denke, dass alkikinder häufiger alkoholiker werden wie kinder mit ner geregelten kindheit, das steht inzwischen fest. gibt ja auch theorien, dass es erblich wär, aber das sind (bisher) nur theorien.
    denk das einiges davon kommt, dass man mit den dämonen aus der kindheit nicht klar kommt und auch das weitere leben ja oft auch nicht schönes mit sich bringt und obwohl man es bei den eltern gehasst hat, "bekämpft" man dies dann mit der aus dem elternhaus bekannten methode - alkohol!

    ich denke aber wenn man sich mit der thematik alkohol und seiner kindheit beschäftigt, das nicht alles verdrängt und auch selber auf seinen umgang mit alkohol achtet (ich persönlich trink z.b. keinen alk, wenns mir grad net gut geht) - dann beugt man dem vor alkoholiker zu werden.

    liebe grüße

  • hallo,

    im moment kommt bei mir wieder die trauer durch, meine mutter ist ja jetzt ein gutes jahr tot.
    ich habe schwierigkeiten, es an mich heranzulassen, das kommt immer in schüben. dann auch nur, wenn ich alleine oder nur für mich bin.
    die vergangenheit habe ich auch irgendwie abgeklemmt, wie etwas, das nicht zu mir gehört. ich muss mich anstrengen, es zu mir zu holen.
    meine gefühle sind meistens wie abgestorben.
    ungünstig ist mein arbeits- und beschäftigungsdrang, ich lenke mich damit ab. das ist wie ein rauschmittel, am besten noch etwas herausforderndes, so dass ich auch noch unter strom stehe.
    jetzt ist die luft raus phase, das kann aber morgen schon wieder anders sein.

    grüße
    simmie

  • hallo,

    ich frage mich, wann und wie ich zu meiner vergangenheit stehen kann. am wochenende war ich mit arbeitskollegen unterwegs, kleiner ausflug, auch mit übernachtung. eine kollegin erzählte auch ein wenig aus der familie, auch nicht ganz so tolle erfahrungen. ich kann es nicht. es geht nicht. vielleicht muss ich es auch nicht. es erscheint mir zu brutal, zu wenig nachvollziehbar.
    ich war an dem wochenende auch unheimlich aufgedreht, habe viel gelacht und spaß gehabt. es hat mich an früher erinnert, wenn ich mit der schule weggefahren bin, da war kein halten mehr, ich war wie unter strom, völlig überdreht.
    das ist, wenn ich in gesellschaft bin, alleine zu hause fällt dann die spannung ab und es kann eher sein, dass ich in ein loch falle.
    mir wäre eigentlich so etwas mittleres lieber, das bekomme ich aber nicht hin.

    grüße simmie

  • hi,

    letzte therapiesitzung war bei mir thema, dass ich probleme habe auszusprechen, dass meine mutter alkoholikerin war, muss ich ja auch nicht tun, habe aber immer das gefühl falsche tatsachen vorzuspiegeln, wenn ich das nicht sagte, was ich meistens nie tat. mein ziel wäre, das normal sagen zu können, wie irgendeine andere krankheit auch.
    für mich ist alkoholismus mit scheitern im leben assoziiert, man bekommt irgendetwas nicht gebacken oder hat ein riesenproblem. ich will das auch gar nicht auf mich projiziert wissen.
    auf der anderen seite gehört diese geschichte oder vergangenheit zu meinem leben.
    ich wollte mich davon bisher aber nicht herunterziehen lassen, die auseinandersetzung führt automatisch schlechte stimmungen herbei.

    mir fällt ein, dass ich als kind schon eine recht bewusste entscheidung getroffen habe, wie ich damit umgehe bzw. wie ich mich in dieser falle verhalte. ich weiß nicht, ob ich das schon geschrieben habe.

    die entscheidung lautete wohl so ähnlich wie abprallen lassen und hoffen, dass nichts schlimmes passiert bzw. ein neuer tag beginnt.

    mittags, wenn ich aus der schule kam, war meine mutter oft schon sehr betrunken, ich musste erst einmal die situation erfassen, wie war sie dann drauf, gereizt, ärgerte sie etwas. dies bedeutete dann nichts gutes.
    das gab meist auseinandersetzungen, die natürlich völlig sinnlos waren. da war ich vielleicht zehn oder elf jahre alt.
    ich habe infolgedessen ein sehr feines sensorium entwickelt bezogen auf stimme und habitus, um den grad der trunkenheit zu erfassen.
    ich habe mich immer gefreut, wenn nichts war, erleichtert war ich, das bedeutete sorglosigkeit, unbefangenheit.

    wenn meine mutter getrunken hatte, war sie ein anderer mensch. das war nicht ein glas wein zum essen trinken und vielleicht ein bisschen mehr als sonst lachen.

    für einen erwachsenen ist das zusammenleben mit einem alkoholiker auch schon hart, für ein kind erst recht. es hat viel weniger möglichkeiten sich abzugrenzen.

    komischerweise merkt man mir nichts an, ich bin nicht auffälliger als andere. vielleicht hätte ich mehr aus meinem leben machen können, ohne diesen hintergrund, so ist es auf jeden fall nicht der geradlinige weg geworden.

    grüße simmie

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