Hallo liebes Forum,
ich melde mich mittlerweile nur noch selten hier. Das liegt daran, dass ich für mich eine andere Form gefunden habe, mich täglich mit meinem Dasein als Alkoholiker auseinanderzusetzen. An meiner Symphatie und meiner Dankbarkeit gegenüber diesem Forum ändert das nichts. Ich bin halt nur selten hier.
Dieses Jahr habe ich eine Menge durchgemacht und mir auch eine Menge selber zugemutet.
Einige von Euch wissen wahrscheinlich noch von meinem Umzugsdesaster nach Norwegen. Und ich bin immer noch über mich selbst verblüfft, dass ich dort konsequent meine Sachen gepackt, das Konto aufgelöst und das nächste Schiff gebucht habe - und alles wie automatisch. Denn die Alternative (die ja keine ist) wäre Alkohol gewesen: ICH Armer, ICH Verlassener kann doch nur saufen... und so weiter. Das habe ich nicht getan, weil ich hier bei Euch im Forum gelernt hatte, mich im Spiegel zu betrachten und meinen Alkoholismus zu reflektieren. Allein dafür bin ich unendlich dankbar
Die letzten Wochen habe ich einen Horrortrip hinter mir, der mich letztlich aber wieder weitergebracht hat. Ende Oktober ergab mein Blutbild eine stark erhöhte Anzahl Leukozyten: Verdacht auf Leukämie. Der Hausarzt war aufgeregt und sagt dauernd: "Bloss nicht verrückt machen!" Jede Woche wurde mir Blut abgenommen, dann Knochenmark. "Bloss nicht verrückt machen!" Mein kostbares Inneres wurde durchs ganze Land geschickt, in X-Labore. Beim Onkologen sagte man mir: "Das ist sicher nicht etwas, woran Sie in kurzer Zeit versterben." Manchmal liebe ich Ärzte.
Nach fünf Wochen war ich weichgekocht und die Diagnose ist tatsächlich eine sehr seltene Form einer noch merkwürdigeren Leukämie in einem sehr frühen Stadium. Es gibt gute Behandlungsmöglichkeiten, aber ich werde das Böse vermutlich mein Leben lang behalten - unter Kontrolle glücklicherweise. Der Onkologe sagte mir zuletzt: "Wissen Sie Herr F., Sie sind ein völlig asymptomatischer Patient!" - Na das habe ich aber gern gehört, sage ich Euch!! Und er hat noch etwas gesagt, denn ich habe ihm meine Vorgeschichte erzählt: "Ihre Werte sind ansonsten hervorragend, Sie sind total fit. Aber eins sage ich Ihnen: Als nasser Alkoholiker hätten Sie das vermutlich nicht überlebt."
Das hatte gesessen.
Was will ich damit sagen, Leute? Ich will uns allen Mut machen, besonders jenen, die zweifeln. Und jenen, die auch krank sind und keinen Sinn in ihrem trockenen Leben (mehr) sehen. Mir macht mein Leben trotz dieser Diagnose spass. Ich renne jede Woche vierzig Kilometer durch Wälder und Parks und geniesse die Welt und mich.
Überhaupt: Etwas sehr Wichtiges geht NUR ohne Alkohol: die LIEBE zu sich selbst. Sie ist für mich ein ganz wichtiger Schlüssel zu meiner Trockenheit. Ich tue mir Gutes, ich habe mich lieb. In meiner nassen Zeit habe nicht einmal mehr in den Spiegel gesehen, so habe ich mich vor mir selber geschämt. Unvorstellbar für mich jetzt, obwohl ich gerade erst 18 Monate trocken bin.
Mein sehr deutliches und dankbares Fazit, nicht nur für das vergangene Jahr 2007 ist:
NICHTS lohnt es, wieder zum Alkohol zu greifen - wirklich nichts. Es gibt keinen Grund zu saufen. Das Leben ist zu schön, nüchtern betrachtet.
Euch wie immer alles Gute; dem Forum, seinen Betreibern und Moderatoren viel Kraft für das nächste Jahr.
Peter