Wohin mit den Gefühlen?

  • hallo Sternenhexe,

    ich finde das hört sich alles schon sehr gut an.
    es ist ein langer Prozess, zu merken, was da brodelt, wenn sich nie jemand einen Dreck darum geschert hat, was man gefühlt hat.

    Was mir hilft ist, zunächst einmal zu akzeptieren, wenn ich das Gefühl nicht erkennen kann. Ich weiss einfach, es ist unangenehm. Das zu sehen und anzunehmen, läßt mich schon mal besser fühlen, genau wie die Gewissheit, daß es nicht STATISCH sondern DYNAMISCH ist, das heißt, der Schmerz lässt nach.

    Manchmal stelle ich mir auch vor, wie sich das Gegenteil anfühlen würde, um drauf zu kommen, was es ist.
    Oder wie ich es benennen würde, wenn jemand anderes das Gefühl hätte, nicht ich, und mir davon erzählen würde. Wie du, kann ich Gefühle bei anderen viel besser einordnen...

    Was mir auch sehr gut tut, ist Meditation. Ich arbeite seit dem neuen jahr wieder daran, täglich zu meditieren, wenn es auch nur 10 MInuten sind.

    Der Nutzen besteht für mich darin, daß ich mich den Emotionen nicht so ausgeliefert fühle. Da ist dann im Sturm ein starker Leuchtturm, von dem aus ich über die Wellen kucken kann und mehr Abstand zu allem habe.

  • hallo sternenhexe,

    ich habe zwei mechanismen, mit gefühlen, die mir im moment nicht gut tun, umzugehen.

    das eine ist sport, sich auspowern, bis man kaum mehr piep sagen kann, und dann in die badewanne. das hilft gegen depri und auch gegen wut.

    wenn ich traurig bin versuche ich, mir etwas gutes zu tun. etwas, von dem ich weiss, dass ich es geniessen kann. wichtig ist mir dabei (oft, nicht immer) dann vor allem, mich aufzuraffen und mich nicht passiv in der wohnung zu verkriechen, denn dann wird es meist noch schlimmer. gutes tun ist bei mir musik (hören, selber machen, konzert), mir was leckeres kochen, ins kino gehen, sauna. meist geht es mir nach einer solchen aktivität dann besser als vorher.

    gruß

    lavendel

  • Liebe Sternenhexe! Puh, das hört sich ganz schön heftig an bei dir!! Aber dir wird sicherlich auch der Erfahrungsaustausch hier helfen! Das mit den Gefühlen kennt wohl jeder von uns mehr oder weniger. Eine Strategie von mir ist so ähnlich wie die von Phönix: Ich gönne mir immer wieder totale Auszeiten in Form von schweißtreibendem Sport. Da kann ich total abschalten und bin danach wie neugeboren. Spaziergänge oder so was helfen bei mir zwar auch, aber nicht so wie das totale Versenken... Yoga würde mir glaube ich auch gefallen... Danach kann ich wieder klarer denken - und auch fühlen. Manches sehe ich dann klarer. Ich war z.B. immer total verschlossen, habe mich nur begrenzt geöffent und wenn es zu eng wurde - schwupp - Freundschaft beendet. Auf die Art und Weise habe ich mindestens 10 gute Freunde einfach sausen lassen. An einigen knabbere ich heute noch, obwohl ich es ja war, die alles beendet hat! Das heißt jetzt nicht, dass ich jetzt extrem offen bin... Aber seitdem ich mir auch die Ursache meiner Gefühlslagen eingestanden habe, geht es deutlich aufwärts. Ich habe mich jetzt auch zum ersten Mal einer Freundin anvertraut. Das war und ist für mich wie eine Offenbarung gewesen. Und ich ahbe bei ihr nicht mehr das Gefühl, irgendwas "verschweigen" zu müssen. Ich könnte mir ihr jederzeit über meine Mutter reden, und weißt du was - das brauche ich gar nicht mehr immer. Es hilft mir schon allein, zu wissen, dass ich es könnte. Das macht mich freier und lockerer. Der Krampf im Kopf ist besser!!! Veile Grüße, tini

    Kleine Schritte sind besser als gar keine!

  • Zitat von sternenhexe


    Da ist dann im Sturm ein starker Leuchtturm, von dem aus ich über die Wellen kucken kann und mehr Abstand zu allem
    habe.

    Der Vergleich mit dem Leuchtturm ist schön.... und der Gedanke mit Abstand an die Sache zu gehen auch..... ich werd darüber weiter mal nachdenken und es ausprobieren, wie ich mir einen Leuchtturm bauen kann.

    Hallo Sternenhexe,

    das Leuchtturm-Bild finde ich schön. Es erklärt gut, wie ich mit solchen Situationen umgehe. Wenn Gefühle mich zu überwältigen drohen, dann versuche ich, mir das Gefühl oder die Situation von außen anzuschauen. Und das mache ich so:

    Ich gehe (im Geiste) einen Schritt zurück, gehe quasi aus dem Gefühl heraus, und betrachte das Gefühl oder die Situation nochmal von außen. Im Abstand kann ich dann auch Fragen stellen oder gar Abmachungen treffen wie zum Beispiel: Ach, Du bist also dieses Gefühl was man "Wut" nennt? Wow, Du bringst mich ganz schön durcheinander. Ich weiß noch nicht recht mit Dir umzugehen. Aber grundsätzlich finde ich es okay, dass Du jetzt da bist. Gib mir Zeit, mich an Dich zu gewöhnen.

    So verliert es seine überwältigende Macht. Und trotzdem kann ich es kennenlernen.

    Diese Methode kann man auch an verschiedene Situationen anpassen. Überkommt mich das Gefühl in einer konkreten Situation mit anderen Menschen, dann findet das Szenario rein in Gedanken statt. Bin ich alleine, dann kann ich das Gefühl sogar "auf einen Stuhl vor mir setzen" und es direkt ansprechen.

    Vielleicht klingt die Methode merkwürdig für Dich. Es ist halt eine von vielen Möglichkeiten, damit umzugehen. Mir hilft sie sehr.

    Viele Grüße
    Rosenkind

    "Jeder Mensch sucht nach Halt - dabei liegt der einzige Halt im Loslassen." (Hape Kerkeling)

  • Hallo Sternenhexe,

    Zitat von sternenhexe


    Aber gedanklich in schwierigen Situationen..... stell ich es mir schwer vor einen Schritt zurück zugehen und vor allem daran dann zu denken...


    So wie ich es meine, würde ich es nicht "daran denken" nennen. "Es anschauen" klingt irgendwie steuerbarer, kontrollierbarer. Ich verstehe, dass Du es schwierig findest. So findet jeder nach und nach die Methoden, die für ihn am brauchbarsten sind. Ein Versuch ist es wert. Natürlich immer nur soweit, wie es o.k. für Dich ist.

    Zitat von sternenhexe


    Wie reagierst Du auf Liebe und Nähe? Kannst Du es ertragen?


    Jeder Tag ein kleiner Schritt. Um aufschreiben zu können wie es jetzt ist, muss ich auch aufschreiben wie es war.

    Ich war beziehungssüchtig. Irgendwann dann bin ich im Rahmen meines Studiums ins Ausland gegangen. Ein Jahr - das war irgendwie ein bißchen wie "Festplatte löschen". Völlig unbewusst bin ich gewachsen. Ich habe wenig reflektiert. Einfach gelebt, erfahren und gesehen, was ich alles auf die Beine stellen kann. Als ich dann zurück nach Deutschland kam, hatte ich vier Jahre lang keine Beziehung mehr. Und das nachdem ich seit der Pubertät nie nie nie ohne war, nie ohne sein konnte.

    Als ich dann meinen jetztigen Freund traf (vor 1,5 Jahren) war ich völlig panisch. Liebe... Nähe... das war mir alles so fremd. Oft wurde ich panisch. Habe mich unvermittelt in mein Schneckenhaus zurückgezogen, voller Angst, mich selbst wieder verlieren zu können. Und jetzt komme ich zu Deiner Frage. Mir geht es jeden Tag besser mit Liebe und Nähe. Meistens kann ich es sogar genießen. Drei Dinge sind für mich auf dem Weg zu Nähe und Liebe wichtig gewesen und sind es immernoch: 1. Ich habe mich "dafür" entschieden. Immer wieder neu. Da ist ein großer Wille. 2. Ich habe von Anfang an offen mit meinem Freund darüber geredet. Wir haben gemeinsam reflektiert und überlegt, wie ich die Angst überwinden kann. Immer wieder neu. 3. Ich habe eine Familienaufstellung zu diesem Thema gemacht. Die Aufstellung hat mich im Kern berührt. Und... während ich so schreibe fällt mir eine Nr. 4 ein: Wenn ich Distanz brauche, ist das o.k. Dann gönne ich mir Distanz. Wir wohnen mittlerweile zusammen und haben zwei Schlafzimmer.

    Kannst Du gut mit Deinem Freund reden?

    Liebe Grüße
    Rosenkind

    "Jeder Mensch sucht nach Halt - dabei liegt der einzige Halt im Loslassen." (Hape Kerkeling)

  • Liebe Sternenhexe,

    was Du schreibst, wie Du Dich und Deine Umgebung erlebst, das rührt mich sehr. Ich weiß genau wovon Du sprichst. Meine genau zu wissen, wie Du fühlst. Ich habe noch nicht oft Kontakt mit Menschen gesucht, die ebenfalls aus Alkoholikerfamilien kommen. Dieses "stille Verstehen" beeindruckt mich immer wieder.

    Auch ich kann es manchmal nicht ertragen, in sogenannten "heilen" Familien zu sein. Mit ihnen zu essen, zu reden, einen schönen "lustigen" Abend zu haben. Das gelingt mir oft nicht. Inmitten einer solchen Runde fühle ich mich minderwertig und ja, schmutzig. Und ich glaube dann, jeder in der Runde könne es sehen und "riechen" und ich sollte mich meiner schämen.
    Manchmal komme ich da ein bißchen raus, wenn ich mir sage: heile Familien gibt es nicht! Irgendwann habe ich mich mal getraut meine rosarote Brille abzunehmen und zu sehen, dass auch in sogenannten heilen Familien Brutalität herrscht. Nur ist sie oft nicht so sichtbar, sie ist subtiler und wirkt unterschwellig, ist aber genauso gemein.

    Mich beschäftigt das Thema "schmutzig sein", "minderwertig sein" gerade auch wieder - dieses mal aber in einem anderen Zusammenhang. Es beschäftigt mich beruflich. Ich glaube, ich lege mir sehr viele Steine in den Weg, mache es mir sehr schwer, setze mich viel zu sehr unter Druck... Ich erlaube mir nicht, meinen Erfolg zu geniessen, weil ich es nicht verdient habe... weil ich "schmutzig" bin. So interpretiere ich die Symptome zumindest gerade. Das ist sehr, sehr anstrengend.

    Und das verrückte ist ja, Sternenhexe, dass alle anderen um uns herum uns ganz ganz anders erleben als wir uns fühlen. Ich wette darauf, dass die Familie Deines Freundes ganz entzückt von Dir ist, Dich maximal als ruhig oder schüchtern einschätzt. Und darin steckt auch eine Chance: Du darst Dir die Zeit nehmen, Dich in den Kreis einzufühlen. Dich dieser ungewohnten Umgebung zu nähern. Es erwartet ja keiner was von Dir!

    Viele Grüße
    Rosenkind

    "Jeder Mensch sucht nach Halt - dabei liegt der einzige Halt im Loslassen." (Hape Kerkeling)

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