Im Krankenhaus mit 4,6 Promille!

  • Hallo Weitsicht,

    das ist es vielleicht, was mir fehlt: WUT. Momentan bin ich eher BESORGT, habe ANGST, dass er STIRBT, dass ich ihn verliere. Aber dann sage ich mir manchmal: was verliere ich eigentlich? Er ist doch gar nicht mehr derselbe Vater. Er hat sich doch mit der Zeit immer stärker verändert. Ist nur noch mit seinem Alkohol beschäftigt, will schon gar nicht mehr, dass seine Kinder vorbeikommen. Vielleicht aber, weil ich ihn das letzte und gleichzeitig ERSTE Mal angeriffen habe. Während des 2stüdigen Besuchs, habe ich nicht viel gesagt. Ich war nur schockiert über seine Lebensumstände....über Dreck, Unordung, verkommenheit. Ich war so froh, dass mein Freund dabei war, den mein Vater übrigens zum ersten Mal sah. Mein Freund wusste aber, dass mein Vater Alki ist.

    Das Schlimmste war, als wir durch die Stadt gingen und SPAZIEREN gingen, zeigte er uns die ganzen Kneipen - natürlich von außen: "Hier war ich schon, das ist ein toller Laden...." er hatte kein anderes Thema! Und als wir dann in einem Cafe saßen, trank er WEIN und aß Kuchen ...natürlich war auch in dem Alkohol drin. Ich musste das alles erstmal psychisch verdauen - zu viele Eindrücke, die von dem mir Bekannten abwichen...natürlich wird er schon damals ein Problem gehabt haben. Aber ich denke, dass es durch die einsamkeit und ferne sich verstärkt hat und er tiefer in den Sumpf gefallen ist.

    Wenn man mal mit ihm über seine Situation reden kann, dann sagt er, dass er Langeweile hat. Wenn ich ihm entgegne, was er tun würde, wenn ich soviel saufen würde sagt er: "Du bist jung, hast Arbeit und bist eine Frau! Kannst du dir eine Frau vorstellen, die besoffen auf der Straße liegt?" NEIN!!! ABER AUCH KEINEN MANN, UND SCHON GAR NICHT MEINEN VATER!!! Für mich ist es egal, ob Mann oder FRau. Aber er redet sich aus allem raus, versucht es immer zu beschwichtigen...Ach, es ist egal.

    Mir fehlt die WUT !

  • Liebe Nathalie,

    ist doch eine gute Erkenntnis, dass Du keine Wut zulassen kannst.

    Hast Du schon mal was über die Familienkrankheit "Alkoholismus" gelesen?

    Um die Kindheit betrogen, ist ein Buch das einem die Augen für eigenes Leid öffnen kann.

    Vielleicht kommst Du damit zu Deiner längst fälligen Wut, um Dein eigenes Leben zu retten.

    Das wünsche ich Dir, schreibe und lese hier weiter, das hilft Dir auch, um Schritte zu tun, die Dir helfen,mit der Situation bewusster umzugehen.

    Solange Dein Vater keine Einsicht zeigt, kannst Du machen was Du willst, er wird nichts tun. Aber Du kannst was für Dich tun.


    Alles Liebe Weitsicht

  • Danke für den Tipp. Ich werde es mir kaufen...vielleicht kann es mir ja ein wenig helfen, denn ich merke selber, dass ich viel zu stark durch die Angst des Verlustes getrieben werde und dadurch abgelenkt bin, um andere Gefühle entstehen zu lassen.

  • Hallo Nathalie,

    ich möchte Dir jetzt nicht zu nahe treten, sondern nur einen Denkanstoß geben

    Zitat

    Wie kann man sein Kranksein sooo leugnen?


    Schreibst Du über Deinen Vater
    Wie sieht es denn mit Deiner eigenen Krankheitseinsicht aus.
    Auch Co-Abhängigkeit ist eine Krankheit.

    Lieben Gruß
    Hagebutte

  • Hi Majo,

    danke für deinen Beitrag. Ich habe auch deine Geschichte gelesen...Es ist schön, dass deine Mutter -vorerst- den Absprung geschafft hat. Sie hatte wenigstens den Willen aufzuhören. Mein Dad dagegen nicht. Ich glaube nicht, dass er es schon einmal probiert hat...vielleicht für sich,...dass er mal gesagt hat: ich trinke nichts mehr. Aber er war noch nie bei einer Selbsthilfegruppe oder hat ärztlichen Rat gesucht. Dazu ist er einfach zu stolz. Er würde sagen: "was soll ich da?" er würde es als schwäche sehen und er ist ja soooo stark ;-).

    Briefe habe ich ihm schon geschrieben. Er öffnet sie nicht. Majo, ich weiss nicht, ob ihm tatsächlich klar ist, auf welchem Weg er sich befindet. Ich habe noch nie jemanden kennen gelernt, der soooo stur, soooo überzeugt von sich selber ist....das nenne ich größenwahnsinning., Er baut sich seine welt zurecht. Meint, er kann jederzeit die finger vom Alk lassen, will es aber nicht. Sagt, dass er sein Leben voll im griff hat, weil er sich ja jeden Tag sein Essen kocht und bla bla bla.

    Und du hast Recht, vermutlich kann er sogar 93 Jahre alt werden...wenn er gesund wäre auf jeden Fall, da er eigentlich immer einen straken körper hatte, nie krank war. Mittlerweile sieht es aber anders auf. Auf die Dauer hält es nicht mal der stärkste Organismus aus. Er kränkelt auch schon rum mit Schnupfen und hier mal Schmerzen und da mal ein Wehwehchen. kannte ich nie.

    Kann er wirklich jeder Zeit raus? Kranke Menschen (vor allem psychisch Karnke) kennen die Realität doch gar nicht. Und ehrlich: Er hat sich verändert, kennt manchmal die Tageszeiten nicht, ist vergesslich. Ich weiß nicht, ob er sich nicht mittlerweile eine Traumwelt aufgebaut hat, an die er glaubt.

    Es tut weh..

  • hallo nathalie

    ich bin alki, genau wie auch spedi, und wir haben dir beide geschrieben das ein alki weiß wie es um ihn steht. zumindest wenn er nüchtern ist. also lass dir nicht weiß machen er wäre hilflos. wenn er wirklich wollte würde er.

    spedi hat hier ein geflügeltes wort geprägt, das ich einfach nur passend finde.

    wer will findet wege wer nicht will findet gründe.

    es ist doch viel einfacher sich aus der realität zu kicken im selbstmitleid zu versinken und andere seine arbeit machen zu lassen.

    doro

    Alkohol ist ein prima lösungsmittel es löst familien arbeitsverhältnisse freundeskreise und hirnzellen auf.
    trocken seit 18.10.2001

  • moin natalie

    Zitat

    Er kränkelt auch schon rum mit Schnupfen und hier mal Schmerzen und da mal ein Wehwehchen. kannte ich nie


    mag sich hart anhören, aber dann laß ihn kränkeln! sein bier (im sprichwörtlichen sinne) - net deins!

    du hast einiges wahres angesprochen natalie, er baut sich eine welt auf, die so nicht existent is - die wirste ihm aber auch net zerstören können. dafür sorgt er schon schritt für schritt alleine - die frage is, willste dabei zusehn oder willste gucken das es wenigstens dir gut geht?

    weißte bei meiner mutter is au immer mehr von ihrer sucht zu merken, wenn ich sie seh und das wird bestimmt auch noch schlimmer werden - sie lebt wie dein vater in ihrer eigenen welt. vor paar monaten hatte sie in ihren trinkphasen immer knallrote und tränende augen, als sie beim doc deswegen war, meinte er das liegt an ihrem alkohol und sie soll doch dagegen was unternehmen - hat die gute halt die alkoholmarke gewechselt und gut is wieder mit ihren augen :roll:

    natalie, für mich spielt keine rolle ob meine mutter noch die realität kennt, meistens wohl eher nicht - wichtig empfinde ich das ich sie kenne und mir nix einred wo nicht so ist.

    ich weiß das es weh tut nichts tun zu können, absolut hilflos zu sein und sich dafür dan au oft genug noch irgendwelche vorwürfe anhören zu müssen. aber egal was ich (und mei geschwister) versucht hab bei meiner mutter, im guten sowie im bösen - nix hat gefruchtet, einfach weil sie nicht wollte.

    hast du so eigentlich noch jemand mit dem du drüber reden kannst? der dich auch mal in arm nimmt und tröstet?

    wie geht es dir???

    liebe grüße -Dani-

  • Hi Dani,

    es geht mir relativ gut, danke der nachfrage. Du fragst ob ich jemanden zum Reden hätte...Ja, meinen Freund. Freunden mag ich ehrlich gesagt nicht erzählen. Meine beste Freundin weiß zwar, dass mein Vater ein Problem hat, aber nicht, wie stark er abgerutscht ist bzw. sich gehen lässt (Kleidung, geistige Abnahme). Und meine Mutter weiß es natürlich sowieso....Also, meine Ma und mein Freund sind die einzigen Personen, mit denen ich darüber richtig sprechen möchte.

    Aber es hilft natürlich auch nicht wirklich, da Gespräche nicht die Angst davor bekämpfen können, meinen Vater zu verlieren. Es sagt zwar jeder: Er muss es selbst wissen, denn nur er kann aufhören, aber es ist schwer jemanden abzuschreiben, da er nicht fremd ist, sondern mein Vater ist.

    Wie geht es dir? Kannst du damit gut umgehen, dass deine Ma trinkt? Wie gehst du damit um? Wann hast du gelernt, damit umzugehen? Ich denke, dass es wahnsinng schwer ist, oder? Du musst die Person ja schon ein irgendwie abschreiben....sich von dem Elternteil lossagen. Das ist nicht einfach und gelingt, denke ich, nie wirklich.

    Ich habe auch schon sooo viel erzählt, es fruchtet auch nicht. Er ist und bleibt kein Alki ;) ....Wenn ich das zu ihm sage, wird er nur wütend. Irgendwie MUSS ich ja dabei zugucken, wie es weiter geht, weil ich mit ihm verbunden bin - und das für immer und ewig. Er hat mich ja gezeugt, hat mich mit großgezogen...Es ist nicht so einfach wie bei Freunden, zu denen man sagen kann: "Mit dir will ich nichts zutun haben, du hast dich schlecht benommen, mir weh getan!" Es ist viel schwieriger, diese Liebe bleibt ein Leben lang, selbst wenn sich dieser Mensch unpassend verhält. Man ist höchstens verletzt, aber liebt weiterhin...Und da liegt doch die Krux: Abschreiben kann man die Person nicht einfach und es wird immer schmerzen, dass er trinkt. Und es wird weh tun, wenn er stirbt.

    Keine Angst, ich nicht den Bach runter mit ihm, ich habe ja ein Leben (und ich lebe es auch), aber die oben erwähnte Liebe macht es so schwer nicht in Sorge zu sein. Ich will ihn ja nicht verlieren, obwohl er sich ja schon verändert hat und nicht mein der Vater ist, der er mal war. Aber ich weiß auch, dass er, wenn er das Trinken stoppen würde, wieder so sein kann.

    LG

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