Guten Morgen Crevette,
ich glaube, den Sieg in der Heul-Olympiade kannst Du knicken. Die Medaille halte immer noch ICH!!
Also, lass es lieber sein, da hast Du keine Chance. No way
Spaß beiseite. Crevette, ich hab mir wirklich die Augen aus dem Kopf geheult. Bin damals mit meinen Kids nach Spanien geflüchtet (sollte ein Urlaub sein). Weil der Flieger mitten in der Nacht ankam, waren beide todmüde und schliefen, während ich geheult und geheult habe. Bis abends um 18 Uhr. Erst mal. Weil die Kinder Hunger hatten, hab ich mich zusammengerissen. Glaub nicht, dass es danach vorbei war. Die Nummer hab ich drei Wochen lang durchgezogen. Die Sonnenbrille war mein ständiger Begleiter, weil meine Augen so geschwollen waren. Glücklicherweise wohnte eine Bekannte im gleichen Hotel (manchmal schickt der liebe Gott Engel). Sie hat sich um meine Kinder gekümmert. Ich war dazu nicht mehr in der Lage. Für mich war mein Leben zu Ende. No Chance. Da half nichts. Ich glaube, dass der nahe gelegene Supermarkt mit meinem Verbrauch an Taschentüchern den Umsatz seines Lebens gemacht hat. Naja, Taschentücher statt netter spanischer Schühchen und Täschchen. Taschentuch-Shopping. Auch was Nettes.
Ich war wirklich am Ende. Bekam damals von meinem Herrn Ex on top noch gesagt:
„34 Jahre, zwei Kinder, wer will Dich denn noch.“
Mensch, selbst er wollte mich nicht mehr. Hat sich mit einer 24 jährigen Alkoholikerin vergnügt (wirklich untere Schublade, sorry, da muss ich wirklich mal wertend sein, damit rüberkommt was ich meine). SIE war mehr wert als ich. Was war ich denn schon?? Ein nichts, ein niemand. Ich muss für den Rest meines Lebens alleine bleiben, einsam alt werden, einsam sterben. Ich bin das letzte vom letzten. Warum bin ich überhaupt geboren worden, wenn ich nichts wert bin. Was mach ich überhaupt auf diesem Planeten. Ich atme den anderen Menschen nur die Luft zum Atmen weg……..
Liebe Crevette, so ging das, Woche um Woche. Kam aus meinem Gedankenkarusell nicht raus. Es hielt mich gefangen. Da war ich machtlos. Ich konnte ihn nicht halten, mich nicht halten. Alles entglitt mir, weil er nicht da war. Ich war eine Versagerin, konnte ihm nicht helfen, mir nicht helfen, den Kindern nicht helfen.
Er ist ausgezogen, während wir in Urlaub waren. Kamen wieder und das Haus war leer. Er hat sogar die Schränke der Kinder abgebaut. Mit meinen 2500 Büchern incl. Schrank konnte er wohl nichts anfangen und die Küche hat wohl auch nicht gepasst, in seine neue Liebeshöhle. Also die blieben stehen. Waschmaschine, Trockner etc. musste ich alles neu kaufen. Das war die Hölle. Weil ich so verheult war, hab ich mich geschämt in die Geschäfte zugehen.
Habe dann eine klasse Therapeutin gefunden. Sie brachte mich auf den für mich richtigen Weg. Ich organisierte eine „Never-come-Back-Party“. Hab irgendwann erkannt, dass ich ja doch ganz nett aussehe und da einige waren, die trotz meines „hohen Alters“ und zwei Kindern Interesse an mir bezeugten.
So und dann kam´s. Ich könnte mich dafür heute noch ohrfeigen!!!!
Er drückte Knöpfchen, weil da ja Konkurrenz war und ich wurde rückfällig. Meine Therapeutin war begeistert (im negativen Sinn). Monate waren vergangen. Ich war ohne ihn glücklich. Er drückte und ich hab wieder funktioniert. Fiel in mein altes Verhalten zurück. Mein Treiber war zum großen Teil:
„In guten wie in schlechten Zeiten.“ Mein Mega-Glaubenssatz. (Deshalb ist es so wichtig für mich, dass Du da mal drüber nachdenkst, was dieser Satz für dich bedeutet und ob er wirklich so wichtig ist und Dir nicht mehr schadet als gut tut. Bitte. Dieser Satz hat mich Monate zurückgeworfen. Das war ein dicker roter Drücke-Knopf bei mir)
OK, sorry, dass ich hier schreibe und schreibe. Liebe Crevette, um´s kurz zu machen. Es ging von vorne los. Ich bin den Berg, den ich erklommen habe, auf meinem Popöchen wieder runtergerutscht, ins Dunkle. Aber ich wusste ja nun wie es geht, wieder hoch zu kommen. Es war einfacher wie beim ersten Mal. Mit nicht so einem großen Taschentuchverbrauch habe ich es dann ein 2. Mal geschafft.
Hier im Forum bin ich gelandet, weil ich hoffe, wenigstens ein paar Menschen, die noch nicht wissen, wie ihr Weg aus allem heraus ist, ein wenig bei zu stehen. In einer echt schweren Zeit und vielleicht ein kleines Fünkchen Licht zu bringen. Mir hätte damals eine Geschichte von einer Frau aus Fleisch und Blut, die es geschafft hat, geholfen. Es hätte mir ein wenig Mut gemacht. Ey, da ist ein Mensch für den das Leben nicht zu Ende ist. Der kennt das alles, weiß wie sich das anfühlt. Und diesem Menschen geht es heute gut. Vielleicht kann ich es ja auch schaffen.
Liebe Crevette, wenn ich nicht überzeugt wäre, dass Du es schaffst, würde ich Dir all das nicht schreiben. Ich würde in dieser Zeit ein gutes Buch lesen und 500 Gramm bester belgischer Schokolade auf meiner Kuschelcouch verzehren (die ist übrigens auch eine Neuanschaffung aus meinem neuen Leben) und mir die Fingernägel im grellsten Rot lackieren, dass ich auftreiben kann. Da gibt es Rückschläge und Du kommst in die Grübel- und Zweifelspirale. Das weiß ich. Aber ich weiß auch, dass Du es schaffen kannst. Ich glaube fest daran. Wie auch immer Dein Weg ist. Vor zurück, links, rechts, nach oben, nach unten
Crevette, das was Du durchmachst ist die doppelte Dröhnung (Alk und andere Frau) . Die hatte ich auch. Und dann hab ich die Nummer auch noch wiederholt. Ich kenne den Schmerz ……, das Dunkel, die Hoffnungslosigkeit. Ich hab das wirklich studiert. Jahre.
Mein Leben hat dann einen Verlauf genommen, einen, den ich niemals für möglich gehalten hätte. Ich habe wirklich ganz neu angefangen. Musste mich meinen Schattenseiten stellen, meine Bilder (von Papa, Mama, Kind, Kind, Hund, Häuschen im Grünen, gemeinsam alt werden und Händchen in Händchen mit grauem Haar auf dem Bänkchen in der Sonne sitzen…,) loslassen. Er hat meine Bilder zerstört vom heilen Leben. Das war mit das Schlimmste was er mir antun konnte. Es war doch alles was ich hatte.
Mir geht es heute wirklich gut. Er war ein toller Lehrer, wahrscheinlich einer der Besten den ich bekommen konnte. Ein absoluter Profi. Ich bin ihm heute dafür in gewisser Weise dankbar. Ohne das ganze Leid wäre ich nicht da, wo ich heute bin. Und ich bin gerne da wo ich heute bin und wo ich in 5, 10, 20 und 30 Jahren sein werde. Weil ich es so will.
Hoffe ich hab dich mit meinen geistigen Ergüssen nicht gelangweilt.
Ich wünsch dir Tränen, Wut, Sonne, Liebe und all das was Du brauchst.
Gigi