Liebe*r AufderSuche,
vielen Dank für deinen Beitrag. Mir ist der obige Satz sehr hängen geblieben. Darf ich dich fragen, ob und inwiefern sich dieses "Verfolgen" im Laufe der Zeit verändert (hat)? Konntest du irgendwann besser damit umgehen oder gibt es bestimmte Dinge, die einfach immer schwierig bleiben? Es interessiert mich sehr, da ich das Gefühl habe, noch total am Anfang mit der Aufarbeitung zu stehen. Mir ist bewusst, dass das auch auf kein konkretes Ziel hinsteuert und dann vorbei ist, sondern ein lebenslanger Prozess.
Gruß von Billy
Liebe Billy,
ich werde versuchen, deine Frage zu beantworten.
Ja, dieses „Verfolgen“ hat sich im Laufe der Zeit immer wieder verändert.
Es trat immer wieder etwas ein, das ein Handeln meinerseits notwendig machte.
Zunächst habe ich versucht, mich gänzlich aus dieser Geschichte zu lösen, bin von zuhause weggegangen.
Lange, lange Zeit habe ich es als Makel empfunden, einer Alkoholikerfamilie zu entstammen, und versucht, diesen Makel irgendwie wegzumachen. Ich habe studiert, einen guten Beruf gehabt und diesen mit Perfektionismus ausgeübt.
Dieser Perfektionismus hat mich an meine Grenzen und weit darüber hinausgebracht, so dass ich schließlich psychisch erkrankt bin.
Die psychische Erkrankung brachte es schließlich mit sich, mich mit meiner Vergangenheit auseinandersetzen zu müssen.
Erst vor einem Jahr lernte ich den Begriff EKA kennen und fand mich in den Erfahrungsberichten anderer EKAs und gewissen Persönlichkeitsmerkmalen wieder. Das empfand ich als große Erleichterung. Es gab mir das Gefühl, mit dem, was ich nun einmal bin, nicht allein zu sein. Zuvor hatte ich immer das Gefühl anders und allein zu sein.
Inzwischen denke und empfinde ich nicht mehr diesen Makel, Tochter aus einer Alkoholikerfamilie zu sein. Es ist, wie es ist, und ich bin, wie ich nun einmal bin. Positiv betrachtet hat es mich befähigt, andere Menschen, denen Ähnliches geschehen ist, verstehen zu können. Positiv betrachtet habe ich durch meine Vergangenheit Fähigkeiten erworben, die andere nicht haben oder zumindest so nicht haben.
Schwierig ist es für mich bis heute, aus gewissen, erworbenen Mustern auszubrechen. Da ist zum Beispiel dieses Gefühl bzw. die Rolle der Verantwortung. Ich bin als Kind in diese Rolle, Verantwortung für meine Eltern zu haben und notgedrungen übernehmen zu müssen, hineingeraten. Eine Rolle, die kein Kind übernehmen sollte, weil es damit völlig überfordert wird. Noch heute passiert es mir, dass ich eine Verantwortung zu übernehmen versuche, die eigentlich gar nicht meine ist, wenn ich das Gefühl habe, dass andere sie nicht übernehmen.
Schwierig ist, aus diesem Gefühl herauszukommen, nicht gut genug zu sein. Mein sogenannter „Innerer Kritiker“ ist ziemlich dominant. Inzwischen weiß ich zwar, was seine eigentliche Aufgabe ist, und ich schätze ihn mitunter auch dafür, aber ziemlich oft noch macht er mich völlig nieder. Da sind Bemerkungen, Denkmuster, Erfahrungen miteingeflossen, die ziemlich destruktiv sind. Diese gilt es für mich als solche aufzudecken.
Vor Kurzem erst wurde mir klar, dass ich, trotz allem, was ich selbst versucht habe - und ich hab wahrlich nicht wenig versucht - die professionelle Hilfe durch einen Therapeuten brauche, um tatsächlich weiterzukommen. - Wie weit das bei dir der Fall ist, kann ich nicht beurteilen, nicht alle EKAs müssen diesen Weg gehen oder gehen diesen Weg.
Zusammenfassend kann ich sagen: Ja, ich habe gelernt, besser damit umzugehen.
Manches ist noch schwierig, aber auch da bin ich inzwischen recht guten Mutes, dass auch das besser wird.
Ich kann gut nachvollziehen, wie es dir mit dem Gefühl geht, ganz am Anfang zu stehen. Du liegst ganz richtig damit, auf kein konkretes Ziel hinzusteuern. Es kann in der Tat eine ganze Weile dauern, bis du dorthin kommst, wo du sagen kannst, „Jetzt ist es ok, ich bin zufrieden, wie es jetzt ist.“
Was ich dir raten kann, ist, Geduld mit dir zu haben und dich nicht zu überfordern. Konzentriere dich jeweils auf das, was jetzt gerade anliegt.
Viele Grüße
AufderSuche