Heute bin ich seit genau 6 monaten nüchtern.
das macht mich schon ein wenig stolz und auf alle fälle stolz und zufrieden. es ist ein gutes leben ohne alkohol! möge es so bleiben. im vergleich zu meiner trinkerzeit ist das zwar "nur" ein vierzigstel, aber ich glaube, das nüchterne jahre wie hundejahre zählen, also siebenfach!
der suchtdruck hält sich in grenzen. klar, partys meide ich, um weinregale mache ich einen großen bogen und an sonnigen, warmen tagen so gegen 16.00 (meine übliche aperetiv-zeit) werde ich noch manchmal unruhig.
aber ich habe meine instrumente, um dagegen vorzugehen: der blick auf meine kinder und meine frau, sport, meditieren, diese gruppe hier, diverse podcasts (wenn nicht gerade darin ständig gekichert wird und alles supi ist) und die einsicht, dass ein leben ohne besser ist als mit. die erinnerung an abstürze und die schrecklichen kater. hilfreich auch selbstgespräche und diskussionen mit mir selbst über mich und die welt ohne alkohol.
körperlich ist alles gut, ich habe abgenommen, mache jeden tag sport, nur meine haut ist nicht besser geworden.
seelisch ist immer noch viel in bewegung. seit ein, zwei wochen fallen mir sehr viele episoden, geschichten, vorgänge aus meiner saufzeit wieder ein. und das ist nicht schön. scheint, als ob es gerade eine phase der aufarbeitung ist. ich erinnere die grauenhaften abstürze und die unendlich dummen dinge, die ich anderen und mir angetan habe. das lässt mich manchmal zurück mit einer mischung aus abscheu, staunen und ratlosigkeit.
und ich habe KEINE einzige erinnerung an einen wirklich schönen suffabend, den ich in mein emotionales erinnerungsalbum kleben möcht. was umso erstaunlicher ist, als ich und meine kumpanenschaft uns ja immer versichert haben, wie schön der abend war und das den schweren kopf wert war.
ich habe so das gefühl, dass ich in den sechs monaten empathischer, klarer, bewusster und besser lebe. dass ich weniger panisch, weniger depressiv, weniger verletzend, nicht mehr schuldbeladen und ohne schlechtes gewissen und reue und weniger schroff anderen gegenüber bin. das ist sehr beglückend!
aber ich fühl mich auch ein wenig wie robinson crusoe, der auf einer insel gelandet ist, die ihm noch fremd ist. in sozialkontakten bin ich nicht so gut. ich bin ein familienmensch und ein arbeitswesen, aber so richtige sozialkontakte habe ich nicht so viel. da weiß ich auch nicht so recht, wo ich hin will. ich suche was, weiß aber nicht was. andererseits versetzt mich das nicht in existentielle uruhe, es ist eher so ein permanentes störgeräusch. ein leiser seelischer tinitus. mein plan für die nächsten sechs monate ist, dies rasuzufinden, eas das leben noch so sinnerfüllendes zu bieten hat. irgendeine neue aufgabe, die welt retten zum beispiel (haha). ob da sechs monate reichen, wage ich zu bezweifeln.
ich habe festgestellt, alkohol hat mein leben nicht schöner gemacht, nicht besser, er hat bei keinem einzigen problem geholfen und mir nicht einen einzigen guten und hilfreichen gedanken geschenkt. nicht einmal nach dem aufhören hat er mir geholfen, er ist einfach weg, dadurch ist mein leben nicht einfacher oder leichter. nicht mehr zu trinken heißt nicht automatisch, dass jetzt alles gut ist. das gute muss man sich selber tun. alkohol ist im wörtlichen sinne überflüssig. das zu erkennen ist sehr lehrreich und auch ein wenig desillusionierend, weil natürlcih wünscht man sich, dass ohne alkohol jetzt alles easy ist.
insgesamt waren es aber die besten sechs monate seit vielen vielen, vielen jahren. ich bin wieder bei mir, die emotionalen pegelausschläge nach oben und unten sind wieder da und das ist mein leben. ich kann allen nur wünschen und raten, haltet durch! Es lohnt sich!!
alles gute!