Hallo zusammen!
Ich habe mich schon vor einer Weile registriert und habe hier öfters mitgelesen und das Gefühl gehabt, dass ich noch Glück hatte mit meiner Familie. Aber in den letzten Wochen erkannte ich immer mehr, wie tief ich auch drin stecke in den Problemen und wie mich meine Jugend geprägt hat.
Bei uns ist es so, dass Alkohol immer an alle Familienfeste dazugehört hat. Wir trafen uns, mit Kind und Kegel, haben zuerst fröhlich zusammen gesessen, bis alle betrunken waren, dann die Streitereien losgingen und das ganze in einem riesen Familienkrach endete. Und das an jedem Geburtstag, an jeder Weihnacht, immer, wenn man sich traf. Ohne Alk ging gar nichts. Am 40. Geburtstag meiner Mutter war ich 14, mein Onkel und Grossonkel fanden,d as ist das richtige Alter, um mir den ersten Rausch zu bescheren und haben mich mit Weisswein abgefüllt - meine Eltern haben nur zugesehen (selber schon mehr als angeheitert) und meine Mutter hat mich dann ins Bett gebracht, als ich kaum noch gerade stehen konnte. Zum Glück für mich mochte ich diesen Kontrollverlust gar nicht und ich beschloss, nie wieder Wein, Bier o.ä. zu trinken. Das habe ich bis heute auch eisern durchgehalten,s ehr zum Erstaunen meiner Verwandtschaft, warum ich denn nicht trrinke, das sei nicht normal!
Soviel zu der Vorgeschichte. Mein Vater hat dann begonnen, immer Bier zu Hause zu haben. Solange meine Mutter lebte, trank er zwei, drei Bierchen am Abend, mehr nicht. Nachdem sie starb (1990), erhöhte sich sein Konsum stetig. Er verliebte sich dann in eine andere Frau, heiratete sie. Diese Frau hat aber selber eine Menge Probleme und sobald sie selisch überfordert ist, trinkt sie extrem viel Hochprozentiges und hat tagelang einen Rausch, sie weiss nicht mehr, was sie tut und sie tut eine Menge verrückter Dinge (würde aber den Rahmen hier jetzt sprengen).
Parallel dazu hat sich der Konsum meines Vaters weiter gesteigert und aktuell trinkt er zwischen 20 und 30 Bierchen (0.33l pro Flasche) pro Tag! Dazu ist er Diabetiker, hat Blutzucker von 24 schon gehabt (momentan wiess niemand, wie hoch er ist), seine Leberwerte sind katastrophal und er hat mittlerweile abends Filmrisse, geht verbal auf seine Frau los und weiss dann von nix mehr am nächsten Morgen. Er steckt tief in Depressionen, ruft mich sehr oft an, jammert und will mein Verständnis ("du bist doch Sozialpädagogin...").
Ich merke, ich bin jetzt an einem Punkt angelangt, wo ich nicht mehr mag und nicht mehr kann. Ich versuche mich zu distanzieren, aber sie lassen mir keine Luft mehr zum atmen, beide nicht. Mein Vater sieht nicht ein, dass er ein Problem mit dem Alk hat, meine Stiefmutter erkennt das wenigstens und versucht, etwas dagegen zu tun. Die beiden zerfleischen sich in ihrer Ehe und ich soll immer vermitteln. Wenn ich mal das Telefon nicht abnehme, dann habe ich Telefonterror.
Ich habe mich zwar damit abgefunden, dass ich offenbar meinem Vater nicht helfen kann, aber ich fühle mich so hilflos dabei.
Ich habe mich damit abgefunden, dass ich wohl meinen Vater nicht mehr allzulange haben werde, aber ich will doch nicht eine Vollwaise sein.
Ich habe mich damit abgefunden, dass meinem Vater das Bier wichtiger ist, als der Geburtstag seines einzigen Enkels, aber ich möchte doch einen Grossvater für mein Kind.
Ich möchte meinem Kind die Ferien bei seinem geliebten Grosspapi doch ermöglichen, aber ich kann es nicht zulassen, weil das Kind gefährdet wäre!
Ich will eigentlich meine Ruhe, nur für ein paar Tage, aber man lässt mich nicht!
Die Vernunft sagt mir, dass ich nicht die Verantwortung für meinen Vater übernehmen kann, aber das Herz will ihn schützen und unterstützen.
Ich weiss, dass es richtig war, seine Ärztin anzurufen und ihr meine Beobachtungen mitzuteilen - aber warum fühle ich mich dann, als ob ich ihm in den Rücken gefallen bin?
Momentan ist irgendwie alles dunkel um mich, obwohl ich eine tollen Ehemann, ein liebes Kind und eine super Schwester habe, mit der ich reden kann und die meine Gefühle teilt.
Irgendiwe fühle ich mich langsam etwas besser, aber völlig erschöpft. Danke euch fürs zuhören und danke für eure Geschichten und eure Offenheit, die mir Mut machen!
Liebe Grüse
Jamie